sozial-Recht

Bundesgerichtshof

Ehrenamtliche Betreuung hat Vorrang vor Berufsbetreuer




Wichtig und meist bindend: die Vorsorgevollmacht.
epd-bild/Norbert Neetz
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass Kranke und behinderte Menschen ihre rechtlichen Angelegenheiten grundsätzlich und gegen ihren Willen vorrangig von ehrenamtlichen Betreuern regeln lassen müssen. Der Gesetzgeber habe das Wahlrecht des Betreuten eingeschränkt, hieß es zur Begründung.

Der BGH befand in einem am 21. September publizierten Beschluss, dass Betroffene nicht die Betreuung durch einen Berufsbetreuer verlangen können, wenn auch ehrenamtliche Personen für diese Aufgaben geeignet sind.

Im konkreten Fall wurde im Februar 2013 für einen an einer Persönlichkeitsstörung leidenden Mann aus dem ostwestfälischen Kreis Herford eine Betreuung eingerichtet. Ein Berufsbetreuer hatte sich um die rechtlichen Angelegenheiten des Mannes gekümmert. Als die Betreuung verlängert werden sollte, bestellte das Amtsgericht Bünde nun einen ehrenamtlichen Betreuer. Die Betreuung war nur noch für die Aufgabenkreise Behörden- und Sozialversicherungsangelegenheiten nötig.

Gegen die Betreuerauswahl zog der Betroffene vor Gericht. Er wünsche sich, dass der Berufsbetreuer weiter die Betreuung übernimmt. Es sei ein gewachsenes Vertrauensverhältnis entstanden, lautete seine Begründung. Wegen seiner Persönlichkeitsstörung habe er Probleme, neue soziale Beziehungen einzugehen. Daher sei ein neuer ehrenamtlicher Betreuer nicht geeignet.

Wunsch des Betroffenen nicht übergehen

Die Karlsruher Richter entschieden aber, dass die ehrenamtliche Betreuung gegen den Willen des Betreuten rechtmäßig ist. Zwar dürfe der Wunsch des Betreuten bei der Wahl nach einem geeigneten Betreuer auch im Hinblick auf dessen Selbstbestimmungsrecht nicht übergangen werden. Das gelte jedoch nicht bei der Wahl zwischen ehrenamtlicher und Berufsbetreuung. Könne eine geeignete Person die Betreuung ehrenamtlich übernehmen, sei das vorrangig vor der Berufsbetreuung zu berücksichtigen.

Dahinter stehe das legitime Ziel, dass Berufsbetreuer mit ihrer besonderen Qualifikation denjenigen Betroffenen vorbehalten sein sollen, die deren Fähigkeiten und Kenntnisse besonders benötigten. Die Bestellung überqualifizierter Betreuer solle nach Möglichkeit vermieden werden. Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass ein Berufsbetreuer bei mittellosen Personen – anders als bei ehrenamtlichen Betreuern - der Staatskasse zur Last fällt.

Eine Berufsbetreuung komme allerdings in Betracht, wenn die betreute Person den ehrenamtlichen Betreuer gänzlich ablehnt und eine Betreuung ansonsten nicht möglich ist.

Inwieweit eine besonders enge persönliche Beziehung zu dem Berufsbetreuer ein Grund sein kann, dass eine ehrenamtliche Betreuung nicht infrage kommt, ließ der BGH offen. Denn im konkreten Fall habe es eine besonders enge Beziehung nicht gegeben.

Weil der Betreute mittellos ist, entschied der BGH ebenfalls nicht, ob eine betreute vermögende Person den Berufsbetreuer frei wählen kann – auch wenn damit die Staatskasse nicht belastet wird. Es gebe aus Gleichbehandlungsgründen jedoch Zweifel, die freie Betreuerwahl vermögenden Betreuten zu gewähren, mittellosen aber nicht.

Persönliche Anhörungen sind sehr wichtig

In einem weiteren Beschluss betonten die Karlsruher Richter den hohen Stellenwert von persönlichen Anhörungen des Betroffenen im Betreuungsverfahren. Ergeben sich nach einer amtsgerichtlichen Entscheidung im Beschwerdeverfahren neue Tatsachen, wie etwa neue ärztliche Gutachten, muss das Beschwerdegericht den zu Betreuenden grundsätzlich erneut anhören, so der BGH.

Das Gutachten müsse zudem dem Betroffenen im vollen Wortlaut zur Verfügung gestellt werden, es sei denn, die Bekanntgabe würde zu Gesundheitsnachteilen führen. Es reiche nicht aus, dass das Sachverständigengutachten dem Verfahrenspfleger oder dem Betreuer übermittelt wird, die dann mit dem Betroffenen darüber reden.

Bestehe eine Vorsorgevollmacht zugunsten eines Angehörigen, stehe diese der Bestellung eines Betreuers entgegen, bekräftigte der BGH seine bisherige Rechtsprechung in einem weiteren Beschluss. Gebe es zum Zeitpunkt der Ausstellung der Vollmacht nur den Verdacht der Geschäftsunfähigkeit der Betroffenen, reiche das für eine Unwirksamkeit der Vollmacht nicht aus. Es müssten schon klare "tragfähige Feststellungen" zur Geschäftsunfähigkeit vorliegen, um die Unwirksamkeit der Vollmacht begründen zu können, erläuterten die Richter.

Az.: XII ZB 642/17 (ehrenamtliche Betreuung)

Az.: XII ZB 139/18 (Gutachten)

Az.: XII ZB 10/18 (Vorsorgevollmacht)

Frank Leth