Kirchen

Ein streitbarer Querdenker


Gerhard Wegner
epd-bild/Norbert Neetz
Gerhard Wegner hat als Gründungsdirektor das Sozialwissenschaftliche Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland geprägt. Jetzt geht er in den Ruhestand. Doch die soziale Gerechtigkeit und die Zukunft der Kirche treiben ihn weiter um.

Gerhard Wegner nimmt die Micky-Maus-Figur aus dem Regal in seinem Büro. "Sie sitzt da in Denkerpose, wie die Statue des Bildhauers Rodin", sagt der Direktor des Sozialwissenschaftlichen Institutes. "Hat meine Frau mir geschenkt. Ist doch originell. Passt irgendwie", fügt er lachend hinzu. "Das Nachdenken, die Wissenschaft hat uns hier immer umgetrieben." Seit mehr als 14 Jahren leitet der promovierte Theologe das Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Hannover. Am 11. Mai wird der 65-Jährige in Berlin in den Ruhestand verabschiedet.

Neben Micky haben auch eine Büste des christlichen Sozialreformers Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818-1888) und ein Kreuz vom Kap der Guten Hoffnung ihren Platz in dem Regal, das Wegner dann räumen wird. Die Ökumene, die Sozialpolitik und die Frage nach der Rolle der Kirche in der Gesellschaft waren Themen in den Jahren, in denen er als streitbarer Querdenker die Arbeit des Institutes an der Nahtstelle zwischen Kirche und Sozialwissenschaften prägte. Wegner führte als Gründungsdirektor das damalige Pastoralsoziologische Institut der hannoverschen Landeskirche und das frühere Sozialwissenschaftliche Institut der EKD zusammen, das ursprünglich vor 50 Jahren in Bochum gegründet worden war.

Gegen Hartz-IV-Sanktionen

Als er im Oktober 2004 die Leitung am neuen Standort Hannover übernahm, steckte Deutschland mitten in den Sozialreformen der Agenda 2010. "Die Kritik daran war sehr stark, und die haben wir geteilt. Doch es bestand auch die Notwendigkeit einer Reform", erinnert er sich. In einer großen Studie erforschte das Institut später die Situation von Langzeitarbeitslosen. "Da wurde sehr deutlich, dass sie vor allem Ermutigung brauchen", sagt Wegner. Bis heute lehnt er deshalb Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger ab und hält die Leistungskürzungen, die derzeit vor dem Bundesverfassungsgericht auf dem Prüfstand stehen, für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. "Dadurch rutschen Menschen unter das Existenzminimum. Das darf nicht sein", sagt Wegner, der seit seiner frühen Jugend SPD-Mitglied ist.

Aufgewachsen ist er im Hamburger Arbeiterviertel Wilhelmsburg. "Das prägt bis heute", ist er sich sicher. Der Zusammenhalt sei über alle gesellschaftlichen Milieus hinweg groß gewesen. In der christlichen Jugendarbeit, fromm geprägt und straff organisiert, fand er ein Zuhause. "Da habe ich meine erste Freundin kennengelernt, und da war ich zum ersten Mal betrunken", erzählt er mit einem Schmunzeln.

Wegner studierte in Göttingen und Nairobi Theologie und wurde dann Gemeindepastor in Celle und Springe. 1991 wurde er Gründungsgeschäftsführer der kirchlichen Hanns-Lilje-Stiftung, dann Beauftragter der Kirche für die Expo 2000 und später Leiter des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt in der hannoverschen Kirche. Bis heute strahlen seine Augen, wenn er an die Weltausstellung in Hannover und das Engagement der Kirche denkt. "Da war so viel Fantasie und Begeisterung", schwärmt er.

"Seid unzufriedener mit eurer Kirche"

Mehr Mut und Ideen wie bei der Expo wünscht sich Wegner auch für kirchenleitende Gremien. In mehreren Studien hat das Sozialwissenschaftliche Institut deutlich gemacht, wie die evangelische Kirche an gesellschaftlicher Bedeutung verliert. "Ich bin schon manchmal enttäuscht, wie wenig das auslöst", zieht Wegner Bilanz. "Seid unzufriedener mit eurer Kirche, dazu würde ich gern aufrufen." Doch ein Miesmacher ist der Mann mit dem verschmitztem Humor nicht. "Ich sehe auch eine tolle Chance", ergänzt er: "Die Kirche ist herausgefordert. Sie muss zeigen, was sie kann."

Im Ruhestand will Wegner einen Teil seiner Ämter behalten. Er ist unter anderem Vorstandsvorsitzender des Niedersächsischen Bundes für freie Erwachsenenbildung und Vorsitzender des Beirates der Landeszentrale für politische Bildung. Auch privat hat er schon eine Zusage gegeben. In Brünnighausen bei Hameln, wo er seit vielen Jahren mit Frau und Hund lebt, will er im Männergesangverein "Hoffnung" mitsingen. Dort werde er dann zu den Jüngeren gehören, sagt Wegner: "Die brauchen dringend Nachwuchs."

Von Karen Miether (epd)


Claussen: Dunkle Seiten der sexuellen Befreiung der 68er untersuchen


Johann Hinrich Claussen
epd-bild/Patrick Piel

Die evangelische Kirche sollte sich nach Worten ihres Kulturbeauftragten Johann Hinrich Claussen mit der dunklen Seite der sogenannten sexuellen Befreiung der 68er auseinandersetzen. In manchen Kirchengemeinden habe man sich damals als antiautoritär verstanden und nicht bemerkt, wie die Ablösung von traditionellen Normen in ein neues System der Grenzverletzung münden konnte, schreibt Claussen in der "Zeit"-Beilage "Christ und Welt". Als "besonders krasses" Beispiel nannte er die Vorgänge in Ahrensburg bei Hamburg, wo in den 70er und 80er Jahren Jugendliche von zwei Pastoren missbraucht worden waren.

Claussen wies darauf hin, dass "Pädokriminelle" in der Odenwaldschule unter dem Mantel des "Reformpädagogischen" gezielt Grenzen des Anstands, der körperlich-seelischen Unversehrtheit und des Kinderschutzes verletzt hätten. "Diese fatale Schule war keine Einrichtung der evangelischen Kirche. Aber es gab protestantische Milieus und evangelische Eliten, die ihr das systemnötige Prestige verschafften", kritisierte der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Kritik an Benedikt XVI.

So habe der Deutsche Evangelische Kirchentag - wenn auch unwissentlich - dabei geholfen, die Odenwaldschule vor Kritik zu schützen, indem er ihren Hauptprotagonisten wiederholt eine große Bühne bot, sagte der Kulturbeauftragte mit Blick auf mehrfache Auftritte des Reformpädagogen Hartmut von Hentig auf Kirchentagen. Hentigs langjähriger enger Freund Gerold Becker war Leiter der Odenwaldschule und wurde von Schülern später als "Haupttäter" bezeichnet.

Es wäre gut, wenn dies einmal in Ruhe aufgearbeitet würde, empfahl Claussen, so wie die "Zeit", die damals als das publizistische Forum dazu fungiert habe, ihren Anteil untersucht habe. Um den "antiautoritär/reformpädagogischen Komplex" zu durchleuchten, sollte zudem untersucht werden, was damals an staatlichen Schulen geschehen sei.

Harsch kritisierte Claussen in seinem Artikel den früheren Papst Benedikt XIV., der in seiner Veröffentlichung der 68er-Bewegung die Hauptschuld an den Missbrauchsskandalen in der katholischen Kirche gegeben hatte. Dies sei der hilflose Versuch ein inneres Problem nach außen zu verlagern und den "eigenen Lieblingsfeinden die Schuld für Missstände zu geben", für die die Kirche selbst die Verantwortung übernehmen müsste.



DGB-Chef Hoffmann: Gemeinsame Interessen mit den Kirchen


Reiner Hoffmann (Archivbild)
epd-bild/Jürgen Blume

Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Reiner Hoffmann, arbeitet bei gesellschaftspolitischen Themen nach eigenen Worten gut mit den beiden christlichen Kirchen in Deutschland zusammen. "Ich habe mit Kardinal Marx und dem Ratsvorsitzenden Bedford-Strohm ein gemeinsames Interesse daran, dass wir den digitalen Wandel der Arbeitswelt gestaltet bekommen", sagte Hoffmann dem evangelischen Magazin "zeitzeichen" (Mai-Ausgabe). Darüber hinaus gebe es ein gemeinsames Interesse daran, dass Europa "wieder auf den richtigen Pfad gebracht" werde. Kardinal Reinhard Marx ist Vorsitzender der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm ist Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Allerdings kritisierte Hoffmann die Kirchen beim kirchlichen Arbeitsrecht, dem sogenannten Dritten Weg. Es könne nicht sein, dass die relativ partikularen Interessen von kirchlichen Arbeitgebern über verbrieften Grundrechten stünden, sagte Hoffmann mit Blick auf den Fall Egenberger zur kirchlichen Einstellungspraxis. "Verbriefte Grundrechte sind universal und gelten für alle."

Der Fall der Berlinerin Vera Egenberger wird vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe überprüft. Egenberger hatte sich bei der Diakonie um eine Stelle beworben und war nicht zum Personalauswahlgespräch eingeladen worden. Weil für die Stelle eine Kirchenmitgliedschaft gefordert wurde, sie selbst aber nicht Mitglied der Kirche war, sah sie in ihrer Ablehnung eine Diskriminierung und zog vor Gericht. Das Bundesarbeitsgericht gab ihr im Oktober 2018 Recht, zuvor hatte der Europäische Gerichtshof den Fall bereits behandelt. Die Diakonie will nun Rechtssicherheit und zog vor das Bundesverfassungsgericht.



"Woche für das Leben" informiert über Suizidprävention

Die "Woche für das Leben" der beiden großen Kirchen setzt sich vom 4. bis 11. Mai mit Suizidprävention auseinander. Unter dem Titel "Leben schützen. Menschen begleiten. Suizide verhindern." werden die vielfältigen Beratungsangebote der Kirchen für gefährdete Menschen und ihre Angehörigen in den Mittelpunkt gestellt, wie die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) am 23. April in Hannover mitteilte.

Die "Woche für das Leben" wird am 4. Mai mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Marktkirche Hannover eröffnet. Daran werden der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, und der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, teilnehmen.

Thema enttabuisieren

Etwa 10.000 Menschen nehmen sich jedes Jahr in Deutschland das Leben, noch deutlich mehr versuchen es. Daher wolle man Gründen von Depressionen und Todeswünschen nachgehen und Wege für eine bessere Prävention und Versorgung von suizidgefährdeten Menschen aufzeigen, hieß es.

"Als Christen wollen wir unseren Mitmenschen beistehen in ihrem Nachdenken über das, was sie hält und trägt, und über das, was brüchig und dunkel ist", schreiben Marx und Bedford-Strohm in ihrem gemeinsamen Vorwort zu einem Themenheft. Man wolle mit der "Woche für das Leben" das Thema Suizid enttabuisieren, heißt es weiter.

Die "Woche für das Leben" wirbt seit 1994 für die Anerkennung der Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des menschlichen Lebens in allen Phasen. Die Aktion beginnt immer zwei Wochen nach Ostersamstag und dauert sieben Tage. Im vergangenen Jahr stand die Pränataldiagnostik im Mittelpunkt.



Transsexueller Pfarrer veröffentlicht Lebensgeschichte in einem Buch


Sebastian Wolfrum
epd-bild/Daniel Peter

Der transsexuelle Pfarrer Sebastian Wolfrum hat ein Buch über seine Lebensgeschichte geschrieben und macht damit erstmals die Geschichte seiner Geschlechtsumwandlung öffentlich. In dem Buch beschreibt der transidente 48-Jährige seinen Weg zu sich selbst und schildert sein Leben als Mann im Frauenkörper. Mit seinem Coming-out hatte Wolfrum im Oktober 2017 auch überregional für Schlagzeilen gesorgt. Am 2. Mai wird er das Buch in Würzburg vorstellen.

Das Bewusstsein, "falsch zu sein", habe er seit der Kindergarten- und Grundschulzeit gekannt, sagte Wolfrum im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er erkläre es oft so, dass er sein ganzes Leben in einem Faschingskostüm habe herumlaufen müssen und es nicht habe ausziehen können. Doch er habe erst viel später verstanden, dass er "im falschen Körper" stecke.

2017 hatte Wolfrum in einem Gottesdienst seiner Gemeinde in Veitshöchheim bei Würzburg erklärt, dass er fortan als Mann leben will. "In der Gemeinde gab es einzelne kritische Stimmen, aber nie eine offene Protesthaltung. Der Grundtenor war grundsätzlich wohlwollend", sagte Wolfrum. Auch seine Familie habe das akzeptiert. "Was sicherlich geholfen hat, war, dass ich in der Lage war, sehr klar und eindeutig aufzutreten: das bin ich und ich bin mir sicher", so schildert Wolfrum heute die Erinnerung an den Tag des Coming-out.

"Viele Brüche"

Er sei heute Ansprechpartner weit über seine Gemeinde hinaus, erklärte der Pfarrer. Er sei ein "Seelsorgespezialist" dafür, dass eingeschlagene Wege nicht immer die richtigen Wege seien. "Ich bin ein Spezialist, der weiß, dass das Leben viele Brüche bereithält." Mit seinem Buch wolle er auch anderen Mut machen.

Heute ist Wolfrum mit seiner Partnerin verlobt, die ebenfalls Pfarrerin ist. Er fühle sich zwar "sehr gut", doch bis zum vollkommenen Glück fehle noch etwas. "Schwimmbad, Sauna, Fitnessstudio, das sind Dinge, die schwierig sind im Moment. Und ein erfülltes Leben, mit allem, was zu einer Partnerschaft dazugehört."



Kulturschätze in Pappkartons


Ein Kirchenarchiv bewahrt das siebenbürgische Erbe
epd-bild/Bettina von Clausewitz
Rumäniens evangelische Kirche im einst fast rein deutschen Siebenbürgen umfasste einmal Hunderttausende Christen. Nach dem Ende der Ceausescu-Diktatur verließen viele Deutschstämmige ihre Heimat. Jetzt wird das 850-jährige Kulturerbe gesichert.

Nicht jeder Schatz wird in einer kostbaren Schatulle verwahrt. Im Zentralarchiv der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR) im siebenbürgischen Hermannstadt etwa werden Schätze abgeliefert, von denen man nicht vermuten würde, dass sie das gut 850 Jahre alte kulturelle Erbe einer fast verschwundenen deutschsprachigen Minderheit bergen: verbeulte Pappkartons etwa, notdürftig mit Bindfaden umwickelt. Darin vergilbte Dokumente, ledergebundene Bibeln und dicke handgeschriebene Kirchenbücher, in denen die Taufen, Trauungen und Sterbefälle ganzer Dorfgemeinschaften dokumentiert sind.

"Dieses Archiv war anfangs nur als Rettungsaktion gedacht", erzählt Oberarchivarin Monica Vlaicu. Mittlerweile bildet es eine der vier Säulen des 2003 gegründeten kirchlichen Begegnungs- und Kulturzentrums Teutsch-Haus in der historischen Altstadt, benannt nach dem früheren Bischof Friedrich Teutsch. Wichtigstes Anliegen: Die einzigartigen historischen Schätze schnell zu sichern, die durch die abrupte Auswanderung Tausender Siebenbürger Sachsen mit dem Ende des Kommunismus ab 1990 verloren zu gehen drohten.

"Kulturelles Leben patroniert"

"Das konnte nur die Kirche tun", davon ist die 73-jährige Monica Vlaicu überzeugt, die den Inhalt der Kisten und Kartons jetzt professionell archiviert: "Von der Wiege bis zur Bahre hat die Kirche das ganze kulturelle Leben patroniert, Frauenverein, Turn- und Gesangverein, die evangelische Schule, alles hing irgendwie mit der Kirche zusammen", so Vlaicu.

Bisher werden hier die Archivalien aus fast 300 aufgelassenen Gemeinden verwahrt und sind für Wissenschaftler aus aller Welt zugänglich. Ebenso wie für ausgewanderte Angehörige auf der Suche nach ihrer Familiengeschichte, oder die sogenannten "Sommersachsen", wie sie von den Gebliebenen mit liebevollem Spott genannt werden.

Hüterin des kulturellen Erbes

So ist das Teutsch-Haus der Evangelischen Kirche zur natürlichen Hüterin des kulturellen Erbes der Rumäniendeutschen geworden. Das "Verwalten und Bewahren der Archiv- und Kulturgüter" wird ausdrücklich in ihrem Aufgabenkatalog genannt, während sie selbst sich im 20. Jahrhundert von der "Volkskirche" zur "Diasporakirche" gewandelt hat. Ab 1990 wanderten zwei Drittel der verbliebenen 110.000 Mitglieder nach Deutschland aus, heute sind es weniger als 13.000. Vorbei die alten Zeiten, in denen die Rumäniendeutschen insgesamt rund 800.000 zählten.

Unverkennbar jedoch ist der Stolz geblieben auf ein reiches kulturelles Erbe mit umfangreichem Verlags- und Literaturwesen, Universitäten und Schulen, Kirchenburgen und dem siebenbürgischen Zentrum Hermannstadt, heute Sibiu, das 2007 Kulturhauptstadt Europas war. Auch für Touristen ist das Teutsch-Haus mit seinem gemütlichen Buchladen-Café, Archiv, Museum, Kulturveranstaltungen und der Johanniskirche ein beliebter Treffpunkt geworden.

Briefe, Tagebücher, Stammbäume

Die Berliner Literaturwissenschaftlerin Michaela Nowotnick, die für ihre Doktorarbeit über rumäniendeutsche Literatur selbst im Teutsch-Haus geforscht hat, spricht von einem "Prozess der eigenen Musealisierung". Oft ältere, engagierte Mitarbeitende wie Monica Vlaicu würden hier "die Zeugnisse ihrer eigenen Kultur in Schränke, Regale und Archivschachteln legen, um sie als Gedächtnis für die Nachwelt zu erhalten". Darunter viele Zeugnisse der Alltagskultur. Denn längst werden auch jahrelang verborgene Schätze von Dachböden und Kellern gebracht: Briefe, Tagebücher, Stammbäume. Fotos, Zeitschriften und unzählige Bücher.

Der siebenbürgische Pfarrer und Schriftsteller Eginald Schlattner dagegen hält den Begriff Musealisierung für irreführend. "Auch wenn es die Träger dieser Kultur nicht mehr gibt, bleibt sie doch durch die vielfältige Rezeption anderer Menschen lebendig", so seine Erfahrung. Der 85-Jährige, der den Exodus der frühen 90er Jahre als "ethnische Selbst-Säuberung" bezeichnet, ist auf seinem idyllischen Pfarrhof mit Hühnern und Kutsche vor der Tür in Rothberg bei Hermannstadt geblieben. "Ich bin der letzte Pfarrer von Rothberg, der 51. nach der Reformation, nach mir wird es keinen mehr in dieser Kirche geben, die schon 1225 erwähnt ist", sagt Schlatter.

Bei aller Wehmut jedoch ist er überzeugt davon, dass das Siebenbürgische nicht nur in den Archivordnern des Teutsch-Hauses weiterlebt, sondern auch im Alltag. Deutsch als Fremdsprache sei bei jungen Rumänen beliebt, ebenso wie siebenbürgische Tanz- oder Literaturkreise. Und in Rothberg gebe es neuerdings eine buntgemischte kleine Gemeinde, darunter Literaturbeflissene aus aller Welt auf den Spuren von Schlattners Romanen. "Auch wenn unsere Geschichte statistisch zu Ende geht", so seine nüchterne Prognose, "ein paar Generationen wird unsere Kultur noch lebendig bleiben, wir sind noch immer da".

Von Bettina von Clausewitz (epd)


Kirchenbund fordert mehr Schutz für Christen in Sri Lanka


Trauer in Sri Lankas Hauptstadt Colombo
epd-bild/Ralf Maro/version-foto.de

Nach den Osteranschlägen in Sri Lanka hat der internationale Kirchenbund Vereinte Evangelische Mission (VEM) einen besseren Schutz für Christen in dem Inselstaat gefordert. "Wir sind erschüttert über das Ausmaß an Hass und Gewalt, dem so viele Menschen an Ostern zum Opfer gefallen sind", sagte VEM-Vorstandsmitglied Jochen Motte am 24. April in Wuppertal. Bereits in der vergangenen Woche habe der Leiter der Methodistischen Kirche in Sri Lanka, Asiri Perera, von Einschüchterungen gegenüber Christen in Anuradhapura durch Extremisten berichtet. Die VEM-Mitgliedskirche habe Regierung und Polizei bisher vergeblich darum gebeten, die Gemeindeglieder vor Übergriffen zu schützen.

Pfarrer Sujithar Sivanayagam von der Methodistenkirche in Sri Lanka berichtete nach Angaben der VEM, dass nach einem Anschlag auf eine unabhängige evangelische Kirche in der Stadt Batticaloa mit 27 Toten noch immer Menschen vermisst würden. "Die Lage ist immer noch ernst", sagte Sivanayagam. Alle Geschäfte seien geschlossen, Polizei und Militär patrouillierten in den Straßen und sicherten jede Kirche. Die Schulen seien nach einem Regierungserlass noch bis zum Ende der Woche geschlossen. "Als Eltern haben wir jedoch Angst, unsere Kinder danach wieder in die Schule zu schicken, wenn die Regierung die Sicherheit an den Schulen nicht gewährleisten kann", sagte der Pfarrer.

Bei den Anschlägen auf Kirchen und Hotels hatten Selbstmordattentäter am Ostersonntag in Sri Lanka mindestens 359 Menschen getötet und etwa 500 verletzt. Laut der Regierung in Colombo war die Tat ein Racheakt islamischer Terroristen für das Moschee-Massaker Mitte März im neuseeländischen Christchurch. Die Terrormiliz "Islamischer Staat" hat sich zu den Anschlägen bekannt. Mehr als 70 Prozent der 22 Millionen Einwohner Sri Lankas sind Buddhisten, zwölf Prozent Hindus, zehn Prozent Muslime und gut sieben Prozent Christen.

Die Vereinte Evangelische Mission (VEM) ist ein internationales Missionswerk. Mitglieder sind mehrheitlich protestantische Kirchen in Afrika, Asien und Deutschland.



Sri Lanka: Präses Kurschus sichert nach Anschlägen Solidarität zu

Die westfälische Präses Annette Kurschus hat nach den Terroranschlägen in Sri Lanka den Menschen vor Ort ihre Solidarität versichert. Der Zeitpunkt des Terrors sei mit dem Ostersonntag "gezielt und perfide gewählt" gewesen, erklärte die leitende Theologin am 24. April in Bielefeld. "Der Anschlag sollte die Christen zu ihrer heiligsten Zeit in ihrer stärksten Hoffnung und damit an ihrer empfindlichsten Stelle treffen." Die Sprengsätze seien am Ostermorgen explodiert, während Christen in der ganzen Welt den Sieg des Lebens über die Macht des Todes feierten und sich zum österlichen Feiern in ihren Kirchen versammelt hätten.

"Wir sind mit unseren Gedanken und Gebeten bei den Geschwistern der Methodistischen Kirche in Sri Lanka, mit der unsere westfälische Kirche über die Vereinte Evangelische Mission eine lebendige Partnerschaft verbindet", erklärte Kurschus. Das konsequente Eintreten der Partnerkirche für Frieden und Gerechtigkeit in ihrem seit Jahrzehnten von Bürgerkrieg zerrissenen Land unterstütze die westfälische Kirche seit langem. "Auch jetzt, in ihrem akuten Einsatz für die betroffenen Menschen vor Ort, können die Partner auf unsere praktische Solidarität zählen."

Bei den Anschlägen auf Kirchen und Hotels hatten Selbstmordattentäter am Ostersonntag in Sri Lanka mindestens 359 Menschen getötet und etwa 500 verletzt. Laut der Regierung in Colombo ist für die Tat eine islamistische Gruppe verantwortlich. Die Terrormiliz "Islamischer Staat" hat sich zu den Anschlägen bekannt. Mehr als 70 Prozent der 22 Millionen Einwohner Sri Lankas sind Buddhisten, zwölf Prozent Hindus, zehn Prozent Muslime und gut sieben Prozent Christen.



Kirchenkreis und Diakonie rufen zu Protesten gegen Nazi-Aufmarsch auf

Der evangelische Kirchenkreis Duisburg und das Diakonische Werk des Kirchenkreises rufen für den 1. Mai zu Protesten gegen einen im Stadtteil Wanheimerort geplanten Aufmarsch von Rechtsextremen auf. "Nationalsozialistisches Gedankengut, Rassismus und Antisemitismus sind für uns mit dem christlichen Glauben nicht vereinbar", erklärten Superintendent Armin Schneider und der Geschäftsführer der Diakonischen Konferenz Duisburg, Stephan Kiepe-Fahrenholz, in dem am 25. April versandten Aufruf. Deshalb seien "alle Gemeindeglieder, alle Mitarbeitenden und Menschen guten Willens" aufgefordert, an dem Tag eine der zahlreichen Kundgebungen und Veranstaltungen gegen die Rechten-Demo zu unterstützen.

Ein Bündnis von rund 100 Institutionen und Einzelpersonen macht derzeit gegen den Aufzug der Rechtsextremen in Duisburg mobil. Geplant ist unter anderem ein "Demo-Kultur-Fest" auf dem Hochfelder Markt sowie ein Fahrradkorso, der vom Landschaftspark zum Hochfelder Markt führen soll.



Kurschus: Schüler mahnen mit Klima-Demos zur Bewahrung der Schöpfung

Die westfälische Präses Annette Kurschus hat zum Einsatz für die Bewahrung der natürlichen Lebengrundlagen aufgerufen. Die für den Schutz des Klimas demonstrierenden Schüler mahnten, "den Segen Gottes für unsere Erde nicht zu verspielen und zu verderben", erklärte die leitende Theologin der Evangelischen Kirche von Westfalen am 27. April im WDR-Radio. Die Erde gehöre nicht der Menschheit, sondern "Gott, dem Schöpfer und Erlöser".

Es müsse "uns unruhig machen", wenn mehr Plastik in den Ozeanen schwimme als Fische, sagte Kurschus, die auch stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist. Die Präses beklagte außerdem das Aussterben von Insekten wie etwa Bienen, das Schmelzen des Eises an Nord- und Südpol sowie die Zunahme von Unwettern und Dürren.

Die Menschen sollten durch ihr Tun "und womöglich noch mehr mit ihrem Lassen" zum Segen für andere und zum Segen für die Welt werden, sagte die Theologin. In den Segensworten am Ende jedes Gottesdienstes "Gott der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir" klinge das Licht vom Beginn der Schöpfung an. Auch der Erde gelte dieser Segen.

Präses Kurschus hatte seit Montag täglich ein Wort aus der Bibel zum Thema ihres Beitrages bei "Kirche im WDR" gemacht. Neben dem Begriff "Segen" ging es dabei auch um Worte wie "fromm", "Demut", "Barmherzigkeit" oder "Versöhnung". Die Sendung "Kirche im WDR" ist auf WDR 5 um 6.55 Uhr, auf WDR 3 um 7.50 Uhr und auf WDR 4 um 8.55 Uhr zu hören.



Mehr als 30.000 Konfirmationen im Rheinland und in Westfalen geplant


Konfirmation
epd-bild/Jens Schulze

Mehr als 30.000 evangelische Jugendliche feiern in den kommenden Wochen in den Gemeinden der rheinischen und der westfälischen Landeskirche ihre Konfirmation. In der rheinischen Kirche sind es rund 16.300 Jugendliche, die konfirmiert werden oder im Konfirmationsgottesdienst getauft werden, wie die Evangelische Kirche im Rheinland am 26. April in Düsseldorf erklärte. Die Evangelische Kirche von Westfalen rechnet mit rund 15.000 Konfirmationen, wie eine Sprecherin auf epd-Anfrage mitteilte. In der lippischen Landeskirche lagen die Zahlen den Angaben zufolge noch nicht vor.

Im vorigen Jahr waren in ganz NRW rund 36.000 Jugendliche konfirmiert worden. Im Rheinland waren es im vergangenen Jahr rund 17.900 Konfirmanden. Im Jahr 2016 zählte die rheinische Kirche noch knapp 19.600 Konfirmanden. In der westfälischen Kirche gingen 2018 und 2017 etwa 18.000 junge Leute zur Konfirmation.

Das in der Regel zwischen Palmsonntag und Pfingsten liegende Konfirmationsfest gehört neben Taufe und Hochzeit zu den gefragtesten kirchlichen Angeboten. In einem Gottesdienst bekräftigen (lateinisch: "confirmare") die Jugendlichen, was ihre Eltern und Paten bei der Taufe im Säuglingsalter stellvertretend versprochen haben: ein Leben im christlichen Glauben zu führen, wie die rheinischen Kirche erklärte. Der Konfirmation geht eine anderthalbjährige Vorbereitungszeit voraus, die Konfirmandenarbeit. Nach der Konfirmation können die Jugendlichen ein Patenamt übernehmen und an den Wahlen zur Gemeindeleitung (Presbyterium) teilnehmen.



Pfarrer kicken in Düsseldorf gegen Imame

Am 1. Mai treten in Düsseldorf-Benrath wieder evangelische und katholische Pfarrer gegen Imame zu einem Benefiz-Spiel an. Schiedsrichter der um 16 Uhr beginnenden Partie ist ein Vertreter der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, wie der Kreis der Düsseldorfer Muslime (KDDM) mitteilte. Das Spiel ist Teil eines Sport- und Familienfestes, das in diesem Jahr zum siebten Mal stattfindet. Schirmherr der Veranstaltung ist der Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD), der auch das Grußwort sprechen wird. Die Erlöse des Festes sollen für die Betriebskosten des muslimischen Gebetsraumes am Düsseldorfer Flughafen verwendet werden. Im letzten Jahr kamen rund 8.000 Besucher zu der Veranstaltung.



Wallfahrtssaison in Telgte eröffnet

Im münsterländischen Wallfahrtsort Telgte hat die diesjährige Wallfahrtssaison begonnen. Bischof Franz-Josef Bode aus Osnabrück feierte am 27. April das Pontifikalamt in der Propsteikirche, wie Propst Michael Langenfeld mitteilte. Anschließend machten sich die Wallfahrer mit einem Gnadenbild auf eine Lichterprozession durch die Telgter Altstadt. Die Wallfahrtssaison in Telgte steht diesmal unter dem Leitwort "Herr, wohin sollen wir gehen?".

Bis zum Ende der Wallfahrtszeit am 26. Oktober erwarten die Veranstalter wieder rund 100.000 Pilger, die zum Gnadenbild der Schmerzhaften Muttergottes ziehen. Die Telgter Heiligendarstellung stammt aus dem Jahr 1370 und ist aus Pappelholz geschnitzt. Die erst große Wallfahrt in Telgte fand im Jahr 1651 statt. Telgte ist der Hauptwallfahrtsort im Bistum Münster.




Gesellschaft

Studie: Rechte Einstellungen "verkrusten" in der Mitte


"Pegida"-Kundgebung in Dresden (Archivbild)
epd-bild / Matthias Schumann
Die Mitte-Studien der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigen regelmäßig: Rechte Einstellungen sind in der Gesellschaft weit verbreitet. In der aktuellen Auflage gibt es keine Entwarnung. Die Forscher sprechen diesmal sogar von der "Verlorenen Mitte".

Rechtspopulistische und antidemokratische Einstellungen sind in der deutschen Bevölkerung einer aktuellen Studie zufolge weiter tief verwurzelt. Wie aus der am 25. April in Berlin veröffentlichten sogenannten Mitte-Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung hervorgeht, neigt jeder fünfte Deutsche (21 Prozent) zu rechtspopulistischen Einstellungen. Das sind ebenso viele wie bei der Erhebung im Jahr 2016. Die Autoren schlussfolgern, die Mitte verliere ihre demokratische Orientierung, und fordern mehr Investitionen in die Demokratiebildung. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) erneuerte ihre Forderung nach einem Demokratiefördergesetz.

Die Studie vom Institut für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld misst im Auftrag der SPD-nahen Stiftung im Turnus von zwei Jahren die Einstellung der Deutschen zur Demokratie und gegenüber Minderheiten wie Asylsuchenden, Einwanderern, Juden, Sinti und Roma sowie Homosexuellen. 1.890 repräsentativ ausgewählte deutsche Staatsbürger wurden dafür von September 2018 bis Februar des laufenden Jahres befragt. Die Studie trägt diesmal den Titel "Verlorene Mitte. Feindselige Zustände".

Verschwörungstheorien

Die Ergebnisse zeigen nach Worten der Forscher, dass sich rechte Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft verfestigen - "verkrusten", wie es der Leiter des Bielefelder Instituts, Andreas Zick, formulierte. So ist die Ablehnung gegenüber Asylsuchenden weiter gestiegen. Mehr als jeder zweite Deutsche (54,1 Prozent) teilt Einstellungen, die Flüchtlinge abwerten. 2016 lag der Wert bei 49,5 Prozent.

Harte rechtsextremistische Einstellungen werden der Studie zufolge wie in den Vorjahren nur von einer Minderheit geteilt - von 2,4 Prozent im Osten wie im Westen. Weit verbreitet sind der Studie zufolge aber nach wie vor Abwertung von Sinti und Roma (26 Prozent), fremdenfeindliche Einstellungen und Muslimfeindlichkeit (19 Prozent).

Erstmals wurde diesmal auch nach der Zustimmung zu Verschwörungstheorien gefragt. Ergebnis: 46 Prozent der Deutschen glauben, geheime Organisationen hätten großen Einfluss auf politische Entscheidungen. Ein Drittel glaubt, Politiker seien Marionetten "dahinterstehender Mächte", und ein Viertel (24 Prozent) ist davon überzeugt, Medien und Politik steckten "unter einer Decke".

Auf der anderen Seite spricht sich eine überwiegende Mehrheit für die Demokratie und die Werte des Grundgesetzes aus: 86 Prozent der Deutschen halten es für unerlässlich, dass die Bundesrepublik demokratisch regiert wird. 65 Prozent finden, dass es "im Großen und Ganzen" ganz gut funktioniert. 93 Prozent finden, Würde und Gleichheit aller Menschen sollten an erster Stelle stehen. Zugleich ist der Studie zufolge aber auch ein Drittel der Deutschen gegen die Idee gleicher Rechte für alle. Zehn Prozent unterscheiden zwischen "wertvollem" und "unwertem" Leben.

Initiativen stärken

Die Studie regt an, mehr in politische Bildung und Demokratiestärkung zu investieren. "Wir müssen Demokratiebildung und Prävention stärken", schloss sich der Grünen-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter der Forderung an. Bundesfamilienministerin Giffey sagte, die Förderung einer lebendigen Zivilgesellschaft, die sich für Demokratie und Menschenrechte sowie gegen Vorurteile einsetze, sei eine Daueraufgabe.

Damit unterstrich sie ihr Plädoyer für ein Demokratiefördergesetz, das Initiativen und Organisationen, die derzeit von befristeten Projektmitteln abhängig sind, eine strukturelle Finanzierung sichern soll. "Wir müssen denen verlässlich und dauerhaft den Rücken stärken, die jeden Tag aufs Neue konkret vor Ort gegen Hass und Hetze vorgehen und aktiv unsere Demokratie verteidigen", sagte Giffey. Ihre Amtsvorgängerin Manuela Schwesig (SPD) hatte sich bereits für ein solches Gesetz ausgesprochen, war damit aber auf Widerstand in der großen Koalition gestoßen.



Streit um Kopftuch-Tagung: Frankfurter Uni unterstützt Islam-Expertin


In der umstrittenen Ausstellung über muslimische Mode im Frankfurter Museum Angewandte Kunst
epd-bild/Heike Lyding

Die Frankfurter Professorin und Islam-Expertin Susanne Schröter erhält im Streit um eine von ihr organisierte Tagung zum muslimischen Kopftuch die Unterstützung ihrer Universität. "Im Rahmen der Wissenschaftsfreiheit steht es den Fachbereichen, Instituten und Professuren nicht nur frei, Veranstaltungen in eigener Regie und mit eigener thematischer Ausrichtung zu gestalten. Es ist vielmehr ausdrücklich Teil ihrer Aufgaben", heißt es in einer am 26. April veröffentlichten Stellungnahme der Präsidentin der Goethe-Universität Frankfurt, Birgitta Wolff. Das Präsidium sei keine "Diskurspolizei".

Die Frankfurter Islam-Expertin erlebt derzeit einen Shit-Storm in den sozialen Netzwerken. Im Fokus steht die von ihr ins Leben gerufene Konferenz zur Rolle des Kopftuchs an der Goethe-Universität Frankfurt. Unter dem Hashtag "Schröter_raus" fordern einige Studierende eine Absage der Veranstaltung am 8. Mai sowie ihren Rücktritt als Direktorin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam. Sie werfen der Professorin anti-muslimische Ressentiments vor. Der Instagram-Account der Gruppe "Uni gegen Antimuslimischen Rassismus" wurde mittlerweile gelöscht.

Debatte über Ausstellung

Sätze wie "Schröter_raus" würden außerhalb jeglichen sowohl wissenschaftlichen als auch demokratischen Diskurses stehen, heißt es weiter in der Stellungnahme der Universität. Sie seien inakzeptabel. "Solche Äußerungen haben nichts mit den Qualitätsansprüchen eines akademischen Diskurses zu tun und sind allen, die sich als Mitglieder unserer Universität bezeichnen, unwürdig."

Der Leiter der Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, der frühere Grünen-Abgeordnete Volker Beck und der Islamismus-Experte Ahmad Mansour solidarisierten sich auf ihren Twitter-Profilen mit der Professorin. Schröter selbst schreibt auf ihrer Facebookseite: "Ich möchte mich bei euch allen für die unglaubliche Solidarität bedanken. Ihr seid großartig!"

Unter dem Titel "Das islamische Kopftuch - Symbol der Würde oder der Unterdrückung?" sind für den 8. Mai sieben Referentinnen und Referenten geladen. Mit dabei sind unter anderen die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer und Khola Maryam Hübsch, Mitglied der Ahmadiyya-Gemeinde und Trägerin eines Kopftuchs. Im Frankfurter Museum für Angewandte Kunst wird derzeit die Ausstellung "Contempoary Muslim Fashions" gezeigt. Die Ausstellung steht in der Kritik, das Kopftuch zu verharmlosen. Die Tagung hatte Schröter als Reaktion auf die Debatte um die Ausstellung organisiert.



Die Durchschnittseinkommen klaffen regional weit auseinander

Von gleichwertigen Lebensverhältnissen ist Deutschland weit entfernt. Haushalte im Süden haben im Durchschnitt doppelt so viel Geld zum Ausgeben als im Norden, Osten oder in den alten Industriegebieten des Westens, sagt eine aktuelle Studie.

Durch Deutschland verläuft ein Riss zwischen armen und reichen Regionen. Wie eine am 24. April in Düsseldorf veröffentlichte Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zeigt, fällt das durchschnittliche verfügbare Einkommen der Privathaushalte höchst unterschiedlich aus. So standen der Studie zufolge 2016 im Landkreis Starnberg bei München pro Person und Jahr im Schnitt 34.987 Euro zur Verfügung. Das war mehr als doppelt so viel wie in Gelsenkirchen, wo das Pro-Kopf-Einkommen bei 16.203 Euro lag. Der Paritätische Wohlfahrtsverband warnte vor regionalen Armutsspiralen.

Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Böckler-Stiftung wertete den Angaben zufolge die Einkommensdaten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder für alle 401 deutschen Landkreise und kreisfreien Städte aus. Als verfügbares Einkommen eines privaten Haushaltes gilt das Einkommen nach Steuern, Sozialabgaben und Sozialtransfers, das für den Konsum verwendet oder gespart werden kann.

Spitzenreiter Starnberg

Nach Spitzenreiter Starnberg liegen Heilbronn und der Hochtaunuskreis mit durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen von mehr als 30.000 Euro auf dem zweiten und dritten Platz. Weniger als 17.000 Euro pro Kopf und Jahr weist neben Gelsenkirchen nur noch Duisburg mit 16.881 Euro auf. Unter der Marke von 20.000 Euro liegen laut Studie auch weitere Teile des Ruhrgebiets, des Saarlandes, von Niedersachsen und auch zahlreiche ostdeutsche Kreise und Städte wie Leipzig, Frankfurt an der Oder, Brandenburg an der Havel, Rostock und der Landkreis Vorpommern-Greifswald.

Generell seien die verfügbaren Einkommen nach Abzug der Preissteigerung zwischen 2000 und 2018 im deutschen Durchschnitt um 12,3 Prozent gestiegen, hieß es. Dabei seien die Zuwächse in den ostdeutschen Bundesländern etwas höher gewesen als im Westen, bei einem deutlich niedrigeren Ausgangsniveau.

Zerrissenes Land

Den bundesweit stärksten Anstieg gab es in Heilbronn, wo das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen seit der Jahrtausendwende real um 43 Prozent zulegte. Das führen die Wissenschaftler vor allem darauf zurück, dass in der Kommune mehrere sehr reiche Einzelpersonen gemeldet sind, darunter Milliardär und Lidl-Eigentümer Dieter Schwarz. Gegen den Trend zurückgegangen ist das verfügbare Einkommen dagegen in 33 Kreisen und Städten, darunter in Offenbach am Main, Bremerhaven, Essen, Baden-Baden und Ansbach.

Der paritätische Wohlfahrtsverband forderte mehr finanzielle Unterstützung für strukturschwache Regionen und die Beibehaltung des Solidaritätszuschlags. Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider erklärte in Berlin, Deutschland sei nicht nur sozial, sondern auch regional ein zerrissenes Land. Während die Armutsquote in Bayern und Baden-Württemberg bei 12,1 Prozent liege, betrage sie in Norddeutschland 17,3 Prozent. Regionen wie das Ruhrgebiet befänden in einer Armutsspirale nach unten, aus der sie aus eigener Kraft kaum noch herauskommen könnten, sagte Schneider.

Die Parteivorsitzende der Linken, Katja Kipping, wandte sich ebenfalls gegen eine vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags, wie sie Union und FDP anstreben. Es sei "ökonomisch dumm", auf öffentliche Investitionen in die Infrastruktur, in Schulen, Kitas, Pflegeheime, Straßen und Brücken zu verzichten, erklärte Kipping.



Globale Rüstungsausgaben auf höchstem Stand seit 30 Jahren

Die weltweiten Rüstungsausgaben haben 2018 einen Spitzenwert erreicht. Wie das Friedensforschungsinstitut Sipri am 29. April in Stockholm mitteilte, investierten die Staaten im vergangenen Jahr insgesamt 1.822 Milliarden US-Dollar (etwa 1.635 Milliarden Euro) in ihre Streitkräfte. Das sei der höchste Stand seit 1988. Im Vergleich zu 2017 war es demnach ein Anstieg um 2,6 Prozent. Das entspricht einem Anteil von 2,1 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung.

Am meisten für Rüstungsgüter ausgegeben haben 2018 die USA, China, Saudi-Arabien, Indien und Frankreich. Ihre Rüstungsetats umfassten 60 Prozent der weltweiten Militärausgaben. Deutschland liegt auf Rang acht und rückte im Vergleich zu 2017 um einen Platz auf.

Die USA blieben mit Abstand das Land mit dem größten Budget für Militärausrüstung. Erstmals seit 2010 wuchsen die Ausgaben Washingtons um 4,6 Prozent auf insgesamt 649 Milliarden US-Dollar. Das entspricht einem Weltmarktanteil von 36 Prozent. Der Anstieg sei auf Programme von 2017 zur Beschaffung neuer Waffen der Regierung von Präsident Donald Trump zurück zu führen, erläuterte Sipri-Forscherin Aude Fleurant.

China steigerte seine Rüstungsausgaben nach Sipri-Schätzungen um fünf Prozent auf 250 Milliarden US-Dollar, mit einem Weltmarktanteil von 14 Prozent. Demnach gab die Volksrepublik 2018 fast zehn Mal mehr für ihre Streitkräfte aus als noch 1994. Saudi-Arabien hingegen drosselte seine Ausgaben um 6,5 Prozent, belegt aber mit geschätzten 67,6 Milliarden US-Dollar trotzdem Platz drei. Dahinter folgt Indien, das seine Investitionen um 3,1 Prozent auf 66,5 Milliarden Dollar steigerte. Frankreich liegt an fünfter Stelle, obwohl es seinen Rüstungsetat leicht um 1,4 Prozent auf 63,8 Milliarden Dollar verringerte.

Steigende Ausgaben in Asien

Deutschland gab im vergangenen Jahr 49,5 Milliarden US-Dollar (etwa 44,4 Milliarden Euro) für Rüstung aus und damit 1,8 Prozent mehr als 2017. Das entspricht einem Anteil von 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Allerdings plane Deutschland, diesen auf 1,5 Prozent bis 2025 zu steigern, heißt es im Bericht. Die Bundesrepublik wolle bei der globalen Sicherheit eine größere Rolle spielen.  Zu den 15 Staaten mit den weltweit größten Militäretats zählten im vergangenen Jahr sieben Nato-Mitglieder: Neben den USA, Frankreich und Deutschland waren das Großbritannien (Platz 7), Italien (Platz 11), Kanada (Platz 14) und die Türkei (Platz 15).  

In Asien und Ozeanien sind die Militärausgaben in den vergangenen 30 Jahren kontinuierlich gestiegen. Allein 2018 hat die Region 507 Milliarden US-Dollar in die Rüstung gesteckt. Das war ein Anteil von 28 Prozent an den globalen Militärausgaben. 1988 betrug dieser nur neun Prozent.

Eine Reihe von Staaten in Mittel- und Osteuropa investierten ebenfalls kräftig in Rüstung: So beliefen sich Polens Militärausgaben auf 11,6 Milliarden US-Dollar, was einem Plus von 8,9 Prozent entsprach. Die Ausgaben der Ukraine wuchsen um 21 Prozent auf 4,8 Milliarden Dollar. Bulgarien, Lettland, Litauen und Rumänien investierten zwischen 18 und 24 Prozent mehr. Dies sei darauf zurück zu führen, dass Russland zunehmend als Bedrohung wahrgenommen werde, erklärte Sipri-Forscher Pieter Wezeman. Die russischen Investitionen hingegen seien in den vergangenen zwei Jahren gesunken. Dennoch lag das Land 2018 mit einem Rüstungsetat von 61,4 Milliarden Dollar weltweit auf dem sechsten Platz. Auch in Teilen Afrikas sanken die Ausgaben: Im Sudan um 49 Prozent, in Angola um 18 Prozent und in Algerien um 6,1 Prozent.



Der unermüdliche Mahner


António Guterres
epd-bild / Peter Williams
Zum Feiern dürfte der UN-Generalsekretär nicht viel Zeit haben, wenn er am 30. April 70 Jahre alt wird. Kriege, Klimawandel, Terror und Populismus halten António Guterres in Atem. Und der Sicherheitsrat ist zerstrittener denn je.

Mit sorgenvoller Miene mustert der Generalsekretär der Vereinten Nationen die Botschafter. Dann spricht António Guterres eine existenzielle Warnung aus: "Nationen müssen abrüsten oder sie gehen unter." Im historischen Sitzungssaal der Abrüstungskonferenz wird es still. Die Gesandten Dutzender Länder, die am 25. Februar im Genfer Palais des Nations der UN zusammenkamen, haben Guterres verstanden: Es geht um Sein oder Nichtsein.

Der frühere portugiesische Ministerpräsident präsentierte sich an diesem Tag einmal mehr in seiner Lieblingsrolle als Mahner, der eine Zusammenarbeit der Länder zum Wohle der Menschheit verlangt: Bei der Abrüstung und auf jedem anderen internationalen Feld. Als Antreiber, der unentwegt und wechselnd in Englisch, Französisch, Spanisch und Portugiesisch die Vorteile des Miteinander beschwört. Kurz: Als Multilateralist. Vor wenigen Tagen fasste der neunte UN-Generalsekretär sein Credo zusammen: "Wir brauchen ein stärkeres Engagement für eine regelbasierte Ordnung, in deren Mittelpunkt eine effektive UN steht."

"Mann von Visionen, Herz und Taten"

Am 30. April wird der praktizierende Katholik António Manuel de Oliveira Guterres 70 Jahre alt. Die Glückwünsche dürften aus aller Welt eintreffen, vor allem aus Europa, wo Guterres viele Freunde hat, etwa die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Sie preist Guterres als "Mann von Visionen, Herz und Taten".

Für Feiern dürfte dem ehemaligen Präsidenten der Sozialistischen Internationale kaum Zeit bleiben. Zu ernst sind die Bedrohungen für die Menschheit: Autoritäre Populisten wie US-Präsident Donald Trump sind auf dem Vormarsch. Konflikte wie in Afghanistan, Syrien, Libyen, Jemen, Kongo und der Ukraine zwingen Millionen Menschen in Flucht. Terrorbanden treiben ihr blutiges Unwesen.

Atomwaffenstaaten liefern sich ein neues Wettrennen um die wirksamsten Tötungsinstrumente. Millionen Menschen verhungern jedes Jahr. Und über allem breitet sich der Klimawandel aus, der apokalyptische Folgen für die Menschheit haben könnte. Die Erderwärmung "ist schneller als wir sind", warnt Guterres.

Trotz der massiven Herausforderungen stehen die Vereinten Nationen nicht entschlossen zusammen. Vielmehr lähmen Rivalitäten der Großmächte die Suche nach Lösungen, besonders wenn es um Krieg und Frieden geht. So prangert Guterres, der als Generalsekretär selbst über keine wirkliche Macht verfügt, eine Lähmung im Weltsicherheitsrat an. Die Beziehungen zwischen den drei Großmächten in dem Gremium, USA, Russland und China seien "niemals so schlecht gewesen wie heute", analysiert Guterres.

Nelkenrevolution

Schlimmer noch: Trumps USA haben sich vom Multilateralismus verabschiedet. Das wichtigste UN-Mitgliedsland setzt offen auf das Recht des Stärkeren und streicht Mittel für die Weltorganisation zusammen. Das große Pech in der Laufbahn des António Guterres: Genau im selben Monat, im Januar 2017, in dem er in New York Generalsekretär der Vereinten Nationen wurde, zog Trump als Präsident der USA ins Weiße Haus in Washington ein.

Der Amtsantritt bei den UN war der politische Höhepunkt in Guterres' Leben, das am 30. April 1949 in Lissabon begann. Im Jahr der Nelken-Revolution 1974 trat der Elektroingenieur der Sozialistischen Partei bei und half den Ärmsten in den Slums der portugiesischen Hauptstadt. Der pragmatische Idealist krönte seine nationale Karriere 1995, als er Ministerpräsident wurde. Bis 2002 blieb er Regierungschef. Persönlich musste Guterres 1998 einen schweren Schicksalsschlag hinnehmen: Seine erste Frau starb mit 51 Jahren an Krebs. Später heiratete er erneut.

Von 2005 bis 2015 diente der Mann aus Südeuropa bei den UN als Hochkommissar für Flüchtlinge. Zu seinen vielen Ehrungen wird Guterres am 30. Mai eine neue hinzufügen: Der UN-Generalsekretär erhält in Aachen den Internationalen Karlspreis. Damit, so heißt es, werde sein Einsatz für eine "multilaterale Zusammenarbeit auf der Grundlage der Werte und Ziele der Europäischen Union und der Vereinten Nationen" gewürdigt.

Von Jan Dirk Herbermann (epd)


Bielefeldt: Christenverfolgung nicht überproportional stark

Nach den Anschlägen auf Kirchen und Hotels in Sri Lanka hat der Politikwissenschaftler Heiner Bielefeldt Aussagen widersprochen, dass Christen weltweit stärker verfolgt werden als andere Religionsgruppen. "Die Verschlechterung der Situation der Religionsfreiheit in vielen Teilen der Welt trifft in der Tat auch die Christen", sagte der Professor der Universität Erlangen am 24. April im WDR5-"Morgenecho". Jedoch müsse man bedenken, dass es weltweit mehr Christen als andere Religionsgruppen gebe.

"In absoluten Zahlen kann es durchaus sein, dass Christen die am stärksten verfolgte Gruppe sind", sagte Bielefeldt, der von 2010 bis 2016 UN-Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit war. Jedoch würden andere Gruppen, darunter auch sehr kleine Gruppen wie die Bahai, proportional ähnlich oder vielleicht sogar stärker verfolgt. Dass sich aber die Gewalt auf Sri Lanka spezifisch gegen die dort kleine Gruppe der Christen richtete, sei in der Tat neu und unerwartet, sagte der Politologe. Mehr als 70 Prozent der 22 Millionen Einwohner Sri Lankas sind Buddhisten, zwölf Prozent Hindus, zehn Prozent Muslime und gut sieben Prozent Christen.

Bielefeldt rief dazu auf, präzise über Gewalt im Namen der Religion zu reden. Wenn es um Gewalt im Namen des Islam gehe, müsse man bedenken, dass davon weltweit auch viele Muslime betroffen seien, wenn auch nicht bei den Anschlägen in Sri Lanka. "Wir müssen uns immer klarmachen, dass Religionsgemeinschaften auch intern eine enorme Vielfalt aufweisen", betonte der Politikwissenschaftler. Für die meisten Muslime sei die Gewalt genauso absurd, fürchterlich und unverständlich wie für Nicht-Muslime.

Bei den Anschlägen auf Kirchen und Hotels hatten Selbstmordattentäter am Ostersonntag in Sri Lanka mindestens 359 Menschen getötet und etwa 500 verletzt. Laut der Regierung in Colombo war die Tat ein Racheakt islamischer Terroristen für das Moschee-Massaker Mitte März im neuseeländischen Christchurch. Die Terrormiliz "Islamischer Staat" hat sich zu den Anschlägen bekannt.



Studie: Ablehnung von Flüchtlingen in Deutschland gestiegen

In der deutschen Bevölkerung ist einer Studie zufolge die Ablehnung gegenüber Asylsuchenden gestiegen. Mehr als jeder zweite Deutsche (54,1 Prozent) teilt Einstellungen, die Flüchtlinge abwerten, wie aus der am 25. April in Berlin veröffentlichten neuen "Mitte-Studie" der Friedrich-Ebert-Stiftung hervorgeht. 2016 lag der Wert bei 49,5 Prozent, 2014 bei 44,3 Prozent. Leichte Zunahmen registriert die Studie auch bei Islamfeindlichkeit und der Abwertung von Sinti und Roma.

Das Institut für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld untersucht anhand einer Befragung im Turnus von zwei Jahren, welche Einstellungen die Mitte der Gesellschaft zur Demokratie, den im Grundgesetz verbrieften Rechten, zu Minderheiten und zur verantwortlichen Politik hat. Die aktuelle sogenannte Mitte-Studie trägt den Titel "Verlorene Mitte - Feindselige Zustände". 2016 war von der "Gespaltenen Mitte" die Rede.

Harte rechtsextreme Einstellungen werden der Studie zufolge wie in den Vorjahren nur von einer Minderheit geteilt - von 2,4 Prozent im Osten wie im Westen. Auf deutlich höherem Niveau bewegt sich dagegen die Zustimmung zu Rechtspopulismus: Jeder Fünfte (21 Prozent) neige zu rechtspopulistischen Einstellungen, 42 Prozent der Deutschen zeigten eine Tendenz dazu. Dieser Werte haben den Angaben zufolge seit 2014 nicht zugenommen, was die Forscher aber nicht beruhigt. "Rechtspopulistische Einstellungen sind stabil und das heißt, sie sind in der Mitte normaler geworden", heißt es in der Zusammenfassung der Studie.

Anders als bei rechtsextremen Einstellungen stellt die Studie beim Rechtspopulismus auch einen Ost-West-Unterschied fest. Feindlichkeit gegenüber vermeintlich Fremden, Muslimen und Asylsuchenden sei im Osten weiter verbreitet.



200 Menschen erinnern in Köln an den Völkermord an den Armeniern

Etwa 200 Menschen haben am 24. April in Köln des Völkermords an den Armeniern während des Ersten Weltkrieges gedacht. Wie die Initiative "Völkermord erinnern" mitteilte, wurde bei der Gedenkfeier an der linksrheinischen Seite der Hohenzollernbrücke vorübergehend auch das umstrittene Mahnmal aufgestellt, mit dem bereits im vergangenen Jahr an den Genozid im damaligen Osmanischen Reich erinnert worden war.

Die Veranstaltung mit dem Titel "Dieser Schmerz betrifft uns alle" sei ohne Zwischenfälle abgelaufen, sagte Ilias Uyar, Mitglied der Initiative. Aufgrund des regnerischen Wetters musste sie allerdings etwas verkürzt werden. Bei dem Treffen am Reiterstandbild von Kaiser Wilhelm II. hatte unter anderem der Pfarrer der Armenischen Gemeinde Köln, die nach eigenen Angaben mit über 6.000 Mitgliedern die größte in Deutschland ist, für die Getöteten gebetet. Zudem sprach der Leiter des ARD-Politmagazins "Monitor", Georg Restle, über die aktuelle Bedeutung von Rassismus und Nationalismus.

Den Aufruf zu der Gedenkveranstaltung hatten unter anderem die Armenische Gemeinde Köln, der Verein El-De-Haus, das katholische Bildungswerk Köln, die Melanchthon-Akademie Köln und der Arbeitskreis Christlicher Kirchen in Köln unterstützt. Die Initiative "Völkermord erinnern" hatte bereits im vorigen Jahr als Erinnerung an den Völkermord an den Armeniern die von den Kölner Künstlern Stefan Kaiser und Max Scholz gestaltete Stahl-Skulptur aufgestellt. Die Stadt Köln hatte daraufhin in einer Eilentscheidung vor dem Verwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit des Abbaus des Mahnmals durchgesetzt. Hintergrund war, dass das Mahnmal ohne Genehmigung der Stadt aufgestellt worden war. Zudem hatte die Kommune argumentiert, dass es bereits einen Gedenkstein für die Opfer des Genozids in Köln gebe.

Die Vertreibung und Vernichtung von Armeniern, Aramäern, Assyrern und Pontos-Griechen hatte am 24. April 1915 begonnen. Bis 1918 fielen den Massakern und Deportationen bis zu 1,5 Millionen Menschen zum Opfer. Das Deutsche Reich unter Kaiser Wilhelm II. war als Verbündeter des Osmanischen Reichs im Ersten Weltkrieg am Genozid beteiligt. In der Türkei wird der Völkermord bis heute bestritten. Eine Resolution des Bundestages vom Juni 2016, in der die historischen Ereignisse als Völkermord verurteilt wurden, hatte zu politischen Spannungen zwischen der Türkei und Deutschland geführt.




Wahlen

Studie: Wahlen mobilisieren Europakritiker stärker als die Mitte


Demonstration "Pulse of Europe" in Berlin für Engagement zur EU-Wahl
epd-bild/Christian Ditsch
Vier Wochen vor der Europawahl sollte es im Wahlkampf um das Grundsätzliche gehen, empfiehlt der Politologe Vehrkamp. In der Auseinandersetzung mit Populisten sollten die etablierten Parteien die Systemfrage stellen: für oder gegen Europa.

Viele Europäer sehen sich einer Studie zufolge durch die etablierten Parteien nur unzureichend repräsentiert. Zugleich sagten zwei Drittel der in EU-Staaten Befragten (68 Prozent), an der Europawahl teilnehmen zu wollen. In Deutschland waren es 73 Prozent. Allerdings seien "Anhänger von europakritischen Parteien an den politischen Rändern stärker mobilisiert als die noch etwas wahlmüde politische Mitte", sagte Robert Vehrkamp, einer der Autoren der Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung, am 26. April in Berlin.

2014 lag die Wahlbeteiligung bei Europawahlen in der Europäischen Union bei 42,6 Prozent und 2009 bei 43 Prozent. Vehrkamp verwies darauf, dass die Absichtserklärungen immer über der tatsächlichen Wahlbeteiligung lägen.

Für die Studie "Europa hat die Wahl - Populistische Einstellungen und Wahlabsichten bei der Europawahl 2019" wurden im Januar in den zwölf größten EU-Staaten mehr als 23.700 Menschen online befragt. Durch die repräsentativen Stichproben auf nationaler Ebene seien insgesamt 82 Prozent aller Wahlberechtigten abgedeckt worden, sagte Vehrkamp. Die Europawahl findet in Deutschland am 26. Mai statt.

"Die Höhe der Wahlbeteiligung wird für das Wahlergebnis und die Zukunft Europas entscheidend sein", sagte Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung. Die Mobilisierung der überwiegend proeuropäischen Mitte sei dafür eine wichtige Voraussetzung.

Laut Studie sind Anhänger von populistischen und extremistischen Parteien besonders EU- und demokratiekritisch eingestellt. In Sachfragen äußerten sich die Wähler der Links- und Rechtspopulisten dennoch stärker gespalten als die Wähler etablierter Parteien. Für das neue EU-Parlament bedeute dies, dass Konsensentscheidungen und positive Mehrheiten noch größere Koalitionen der etablierten Parteien als bisher erforderten, sagte Vehrkamp: "Je stärker die populistisch-extremen Ränder werden, umso stärker zwingt es die etablierten Parteien zum Konsens." Gelinge dieser Brückenschlag nicht, könnten negative Mehrheiten zur Selbstblockade führen.

Als Ursache für Populismus identifiziert die Studie das Gefühl von Bürgern, durch die Parteien nur unzureichend repräsentiert zu werden. "Wer die weitere Ausbreitung populistischer Einstellungen verhindern will, sollte sich deshalb um eine möglichst gute Repräsentation aller Wähler kümmern", sagte Vehrkamp. Dabei warnte er aber davor, Rhetorik und Themen etwa der AfD einfach zu übernehmen. Diese Strategie sei in der Vergangenheit komplett gescheitert, sagte der Politologe. Vielmehr sollte auf Abgrenzung gegenüber Populisten gesetzt und die Systemfrage "pro oder anti Europa" gestellt werden.

Der Studie zufolge identifizieren sich lediglich etwa 6 von 100 Wahlberechtigten (6,3 Prozent) mit einer Partei. Fast jeder Zweite (49 Prozent) lehne eine oder mehrere Parteien ab. "Viele Bürger entscheiden sich nicht mehr für eine Partei, sondern wählen gegen solche Parteien, die sie am stärksten ablehnen", erläuterte Vehrkamp. Dabei kassieren laut Umfrage die extremen und populistischen Parteien mit rund 52 Prozent die höchsten Ablehnungswerte. Zugleich erhielten die Rechtspopulisten mit rund zehn Prozent die höchsten und die Linkspopulisten mit rund sechs Prozent relativ hohe Werte bei den positiven Parteiidentifikationen.

"Die populistischen Parteien haben es in relativ kurzer Zeit geschafft, sich eine stabile Stammwählerbasis zu schaffen. Ihre gleichzeitig hohen Ablehnungswerte zeigten aber auch, wie gefährlich es für andere Parteien wäre, die populistischen Parteien nachzuahmen", sagte Vehrkamp.



NRW ruft Migranten zur Teilnahme an der Europawahl auf

Landesregierung und Landesintegrationsrat in Nordrhein-Westfalen werben bei Migranten um eine Teilnahme an der Europawahl am 26. Mai. "Diese Wahl ist wichtig", sagte NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) am 25. April in Düsseldorf. Im bevölkerungsreichsten Bundesland leben 2,2 Millionen Zuwanderern, davon 1,6 Millionen mit deutscher Staatsangehörigkeit, sowie rund 900.000 Menschen aus anderen EU-Staaten.

Mit einer Stärkung der demokratischen Parteien könne der Einfluss der Rechten geschwächt werden, betonte der Minister. Es gehe darum, Europa fit für die Zukunft zu machen und seine Institutionen zu stärken. Daher sei es wichtig, dass auch alle Wahlberechtigten mit Einwanderungsgeschichte ihr Wahlrecht nutzten. Die EU habe auf alle zugehörigen Länder großen Einfluss, sagte Stamp. Allein in Deutschland beruhten inzwischen rund ein Drittel der Gesetze auf EU-Gesetzgebung.

Der Vorsitzende des Landesintegrationsrates NRW, Tayfun Keltek, warf den etablierten Parteien vor, Migranten als Wählergruppe zu vernachlässigen. Als Folge sei deren Wahlbeteiligung bei den Europawahlen niedriger als bei den Einheimischen. Zahlen dazu nannte Keltek jedoch nicht. Insgesamt lag die Wahlbeteiligung in Deutschland bei der letzten Europawahl 2014 nur noch bei 48,1 Prozent. Die höchste Wahlbeteiligung hatte es 1979 mit 65,7 Prozent gegeben.

Mit ihrem Stimmrecht könnten sich die Migranten für ein friedliches, gerechtes und soziales Europa einsetzen, appellierte Keltek an die Wählergruppe. Europa dürfe nicht den rechtspopulistischen oder gar rechtsextremen Kräften überlassen werden. In den kommenden Wochen bis zur Europawahl will der Landesintegrationsrat mit zahlreichen Aktivitäten für die Teilnahme an der Europawahl werben. Dazu gehören der Einsatz der sozialen Medien, um die Wähler zu mobilisieren. Auch Veranstaltungen mit EU-Kandidaten sind geplant.

Der Landesintegrationsrat vertritt die Interessen der Migranten in zahlreichen Institutionen und Einrichtungen in NRW. Er ist das demokratisch legitimierte Vertretungsorgan der kommunalen Integrationsräte. Im Februar 2012 wurde er mit der Verabschiedung des Teilhabe- und Integrationsgesetzes gesetzlich verankert.



Polenz äußert Entsetzen über AfD-Werbung "Gott will es!"

Der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz hat sich entsetzt über ein AfD-Plakat mit Jesusfigur und christlich angelehnten Slogans geäußert. "Das hat nichts mit dem Christentum zu tun", sagte Polenz dem Online-Portal des in Münster erscheinenden katholischen Magazins "Kirche-und-Leben". Der AfD-Kreisverband Saalekreis hatte am Ostersonntag ein Plakat mit einer Jesus-Figur und dem Slogan "Gott will es: AfD stärkste Partei im Osten!" auf seiner Facebook-Seite gepostet. Der Bezug auf Gott werde hier ebenso wie bei der Bewegung Pegida für ein ausgrenzend verstandenes christliches Abendland missbraucht, kritisierte Polenz.

Die lateinischen Worte "Deus lo vult" ("Gott will es!") war die Antwort der Menschenmenge, als Papst Urban II. im Jahr 1095 in einer Predigt zur Befreiung Jerusalems aufrief. Das Ereignis gilt als Auslöser des ersten Kreuzzuges.

Das Plakat thematisiere das Christentum als militärisch starken Gegner des Islam und erinnere damit an die Kreuzzüge, erklärte Polenz. Die Partei sende "ein völlig unchristliches Signal" an die in Deutschland lebenden Muslime aus, die damit erführen, was die AfD als Regierungspartei unternehmen würde. "Diese Berufung auf das Christentum ist nicht geprägt durch Nächstenliebe, Versöhnung und Frieden", unterstrich der in Münster lebende Politiker. Vielmehr gehe es um nationalstaatliches Denken und Ausgrenzung.

Der AfD-Kreisverband Saalekreis hatte in einem Kommentar zu dem am Ostersonntag veröffentlichten Motiv geschrieben: "Keine Amtskirche und keine verstaubten Kleriker" würden das Wort Gottes nach außen tragen. "Nur die Zeichen sind es, welche davon zeugen, was Gott will: AfD stärkste Partei im Osten!" In einem weiteren Post ruft der AfD-Kreisverband zu einem "Wahlkreuzzug für Deutschland auf".



Studie: ARD und ZDF berichteten vor Wahl thematisch eher ausgeglichen

In 56 untersuchten politischen TV-Sendungen habe insgesamt der Bereich "Arbeit/Familien/Soziales" mit 15 Prozent an erster Stelle gelegen, gefolgt von "Migration" mit knapp zwölf Prozent, hieß es in der Studie der Otto-Brenner-Stiftung.

ARD und ZDF haben vor der Bundestagswahl 2017 laut einer Studie der Otto-Brenner-Stiftung thematisch überwiegend ausgeglichen berichtet. In 56 untersuchten politischen TV-Sendungen habe insgesamt der Bereich "Arbeit/Familien/Soziales" mit 15 Prozent an erster Stelle gelegen, gefolgt von "Migration" mit knapp zwölf und "Außenpolitik" mit elf Prozent, wie die gewerkschaftsnahe Stiftung am 23. April in Frankfurt am Main mitteilte. In den fünf meistgesehen Sendungen sei das Thema Migration aber deutlich stärker gewichtet gewesen. Ausgangspunkt für die Studie war die nach der Wahl mehrfach geäußerte Kritik, die öffentlich-rechtlichen Sender hätten übermäßig über die Themen Flüchtlinge und Islam berichtet und damit die AfD stark gemacht.

Die Analyse der 56 Sendungen ergebe "eine insgesamt eher ausgeglichene Themenverteilung, bei der das Thema 'Migration' im Vergleich zu klassischen Bereichen wie 'Außenpolitik', 'Arbeit/Familie/Soziales' oder 'innere Sicherheit' nicht übermäßig dominant erscheint", hieß es in der Brenner-Studie. In den fünf am meisten gesehenen TV-Sendungen allerdings habe das Migrationsthema einen Anteil von mehr als 20 Prozent an der Gesamtsendezeit gehabt.

"Agenda-Setting bei ARD und ZDF?"

In dem Fernsehduell zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem Herausforderer Martin Schulz (SPD), das neben ARD und ZDF auch von RTL und Sat.1 redaktionell verantwortet wurde, betrug der Anteil sogar 34 Prozent, wie die Autoren erklärten. Die Bereiche "Arbeit/Familie/Soziales", "Steuern/Finanzen" und "Wirtschaft/Verkehr/Bau" kamen in dem TV-Duell, das hohe Einschaltquoten erreichte, zusammen kaum auf 15 Prozent. Es sei nicht auszuschließen, dass diese von vielen Zuschauern gesehenen Sendungen auch das Meinungsbild über die Programmgestaltung der öffentlich-rechtlichen Sender besonders geprägt hätten, hieß es in der Studie mit dem Titel "Agenda-Setting bei ARD und ZDF?".

In Talkshows hingegen habe das Thema Migration entgegen häufig geäußerter Kritik mit rund neun Prozent abgeschlagen auf Platz sechs rangiert und damit weit hinter der Außenpolitik (22 Prozent). Im vergangenen Jahr hatte unter anderen der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann, ARD und ZDF vorgeworfen, sie hätten seit 2015 in mehr als 100 Talkshows über die Themen Flüchtlinge und Islam informiert und damit dazu beigetragen, "die AfD bundestagsfähig zu machen". Er forderte eine einjährige Pause für die Sendungen. ARD-Chefredakteur Rainald Becker und sein ZDF-Kollege Peter Frey wiesen die Kritik zurück.

Zimmermann begrüßte am Dienstag die Studie der Leipziger Medienwissenschaftler Marc Liesching und Gabriele Hooffacker für die Brenner-Stiftung. Die Erhebung bestätige "unsere grundsätzliche Kritik bei den fünf meistgesehenen Sendungen im Untersuchungszeitraum", erklärte er. Die Tendenz sei eindeutig. Leider hätten die Wissenschaftler aber nur einen Monat vor der Wahl untersucht, seine Kritik habe sich aber auf die Themensetzung speziell der Talkshows von ARD und ZDF seit 2015 bezogen.



Verfassungsgericht bestätigt ZDF in Ablehnung eines NPD-Wahlspots

Die NPD ist auch vor der höchsten gerichtlichen Instanz mit ihrem Versuch gescheitert, ihre Wahlwerbung im ZDF durchzusetzen. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe lehnte am 27. April einen entsprechenden Eilantrag der Partei als unbegründet ab. Die Entscheidungen der vorherigen Instanzen lägen im fachgerichtlichen Wertungsrahmen, erklärten die Verfassungsrichter (AZ.: 1 BvQ 36/19). Damit muss das ZDF einen Wahlwerbespot der NPD am 29. April nicht zeigen.

Der Mainzer Sender hatte argumentiert, der Wahlspot zur Europawahl erfülle den Straftatbestand der Volksverhetzung. Dem waren sowohl das Verwaltungsgericht Mainz als auch das Oberverwaltungsgericht in Koblenz gefolgt. Die Richter am Bundesverfassungsgericht lehnten eine Verfassungsbeschwerde der NPD gegen diese Entscheidungen ab. Ein Eingreifen der Gerichte in die Meinungsfreiheit der NPD sei nicht erkennbar, erklärten die Verfassungsrichter.

Auch RBB wies Spot zurück

Die Wahlwerbung der Partei beschäftigt auch weitere Gerichte, unter anderem in Köln und Münster, wie der Rechtsanwalt der NPD, Peter Richter, dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte. Neben den Fernsehbeiträgen gehe es auch um Radiospots mit identischem Inhalt.

Mit dem Thema setzt sich auch der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) auseinander, der für die ARD Wahlwerbespots juristisch prüft. Der Sender habe den Beitrag am 25. April zurückgewiesen, da er gegen das Verbot der Volksverhetzung verstoße, sagte Sprecher Justus Demmer dem epd.

Der öffentlich-rechtliche und private Rundfunk ist im Rahmen der politischen Meinungsbildung zur Ausstrahlung von Wahlwerbung verpflichtet. Die Sender müssen den Parteien eine "angemessene Sendezeit" einräumen. Wahlwerbesendungen müssen zudem ausdrücklich als solche gekennzeichnet werden. Fernsehsender versehen Wahlwerbespots normalerweise mit den Hinweis, dass für den Inhalt die jeweilige Partei verantwortlich ist. Die Fernsehsender dürfen einen Spot nur ablehnen, wenn er eindeutig keine Wahlwerbung darstellt oder offensichtlich gegen allgemeine Gesetze, insbesondere Strafvorschriften, verstößt.




Soziales

Ethikrat: Debatte um Masern-Impfpflicht greift zu kurz


Sollen Impfungen verpflichtend werden?
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Eine Fokussierung auf Kinder sei verkürzt, weil fast die Hälfte aller an Masern Erkrankten in Deutschland Erwachsene seien, mahnt das Expertengremium. Die Akademie für Kinder- und Jugendmedizin verweist dagegen auf gute Erfahrungen im Ausland.

In Deutschland reißt die Debatte um eine Impfpflicht bei Masern nicht ab. Zu Beginn der Europäischen Impfwoche äußerte der Deutsche Ethikrat am 24. April Kritik an der Diskussion. Die Verkürzung auf eine Pflicht für Kinder sei verfehlt, heißt es in einer in Berlin veröffentlichten Erklärung des Ethikrats. Die Wissenschaftler beklagen darin zudem eine "Unschärfe" des Begriffs Impfpflicht, da unklar sei, wie sie durchgesetzt werden solle. Die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin ließ dagegen Sympathien für eine Impfpflicht erkennen.

In Ländern wie Frankreich und Italien gebe es eine gesetzliche Pflicht zur Impfung unter anderem gegen Diphtherie, Keuchhusten, Kinderlähmung, Masern, Mumps, Röteln oder Windpocken, heißt es in einer Erklärung des Dachverbands. Dabei habe sich gezeigt, dass die Zahl der daran jeweils erkrankten Kinder dort deutlich geringer sei als in Ländern, die auf Freiwilligkeit setzen.

Kritik an Impfgegnern

Nur bei einer vollständigen Impfung als Voraussetzung für den Besuch von Gemeinschaftseinrichtungen sei es möglich, das Ziel des Nationalen Aktionsplans zu erreichen, Masern bis 2020 in Deutschland dauerhaft zu eliminieren, sagte der Generalsekretär Hans-Iko Huppertz. Er kritisierte Impfgegner, die Eltern verunsicherten. Sie gefährdeten ihre Kinder, wenn sie nicht oder nur vollständig impfen ließen. Zudem sei nur bei einer hohen Impfrate gewährleistet, dass auch Kinder, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können, indirekt über den sogenannten Herdenschutz vor lebensgefährlichen Krankheiten geschützt werden, betonte Huppertz.

Viele Immunisierungen sind erst nach einer zweiten oder mehrmaligen Impfung ein wirksamer Schutz. Der Ethikrat beklagt in seiner Stellungnahme, dass die Datenlage dazu in der aktuellen Debatte nicht hinreichend berücksichtigt werde, Die Quote bei Erst-Impfungen in Deutschland zum Zeitpunkt der Einschulung liege bei 97,1 Prozent, führt der Ethikrat aus. Probleme entstünden durch die unzureichende Quote von 92,9 Prozent bei den Zweit-Impfungen, die für eine dauerhafte Immunisierung nach Einschätzung der Impf-Experten nötig sind. Der sogenannte Gemeinschaftsschutz, bei dem auch nicht-geimpfte Personen mitgeschützt sind, liegt bei einer Quote von 95 Prozent.

Bußgelder

Eine Fokussierung auf Kinder ist nach Ansicht des Ethikrats verkürzt, weil fast die Hälfte aller an Masern Erkrankten in Deutschland Erwachsene seien. Maßnahmen mit dem Ziel, die Impfquote zu erhöhen, müssten sie mit einbeziehen, fordert das Gremium. Zudem fordert es eine Präzisierung der Gestaltung der Impfpflicht, weil nur bei Betrachtung der angedachten Strafen eine ethische und rechtliche Abwägung möglich sei: "Denkbare Sanktionen wären je nach Adressaten etwa Bußgelder, Ausschluss aus Kindertagesstätten oder Schulen, Einschränkungen der ärztlichen Berufsfreiheit oder sogar körperliche Zwangseingriffe."

Der Ethikrat will nach eigenen Angaben noch vor der im Juli beginnenden Sommerpause des Bundestages eine umfangreichere Stellungnahme zu dem Thema vorlegen. Zu den Befürwortern einer Impfpflicht gehört unter anderen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), dessen Mitarbeiter derzeit die Einführung einer Impfpflicht prüfen. Konkrete Vorschläge will Spahn im Mai vorlegen, sagte eine Ministeriumssprecherin am 24. April in Berlin.



Forscher: Mehr als ein Drittel der neugeborenen Mädchen wird 100

Die Lebenserwartung von Frauen und Männern steigt weiter an. Dass mehr neugeborene Mädchen als Jungen ihren 100. Geburtstag feiern werden, liegt Wissenschaftlern zufolge auch an Lebensstil und Risikofreude.

Mehr als jedes dritte neugeborene Mädchen (37 Prozent) wird einer Studie zufolge seinen 100. Geburtstag erleben. Laut den Berechnungen des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung liegt die durchschnittliche Lebenserwartung von 2017 geborenen Mädchen bei 94,8 Jahren, wie der Auftrageber der Studie, die Deutsche Versicherungswirtschaft, am 23. April in Berlin mitteilte.

"Ein Alter von 90 wird in Zukunft völlig normal", sagte Dmitri Jdanov, verantwortlicher Wissenschaftler am Max-Planck-Institut. Den Zahlen zufolge werden 77 Prozent der neugeborenen Mädchen ihren 90. Geburtstag und sogar 92 Prozent ihren 80. Geburtstag erleben.

Lebenserwartung bei Jungen niedriger

Bei den neugeborenen Jungen liegt die Lebenserwartung etwas niedriger: Von den 2017 geborenen Jungen werde mehr als jeder Zehnte (11 Prozent) seinen 100. Geburtstag erleben. 59 Prozent der Jungen werden den Berechnungen zufolge ihren 90. Geburtstag erreichen, 84 Prozent den 80. Die durchschnittliche Lebenserwartung neugeborener Jungen gibt das Max-Planck-Institut mit 88,6 Jahren an.

Auch bei vielen älteren Menschen wird ein hohes Alter immer wahrscheinlicher. Laut den Berechnungen werden 81 Prozent der heute 50-jährigen Frauen ihren 80. Geburtstag feiern. Bei den gleichaltrigen Männern seien es 70 Prozent.

Viele Männer "Vorsorgemuffel"

Die Berechnungen basieren auf Prognosen der Vereinten Nationen. Sie setzen voraus, dass die aktuellen Fortschritte bei der Lebenserwartung weiter anhalten. Gewisse Unsicherheiten gebe es allerdings, sagte Jdanov: "Wir wissen zum Beispiel nicht genau, wie sich das Rauch- und Trinkverhalten in den kommenden Jahrzehnten entwickeln wird".

Die Lebenserwartung von Frauen ist in fast allen Industrienationen höher als die der Männer. Wissenschaftler machen für den Altersunterschied vor allem biologische sowie verhaltens- und umweltbedingte Faktoren verantwortlich. So trinken Männer laut der Deutsche Versicherungswirtschaft mehr Alkohol, rauchen häufiger und ernähren sich ungesünder. Viele Männer seien "Vorsorgemuffel" und gingen seltener zum Arzt als Frauen oder nähmen im Straßenverkehr größere Risiken in Kauf.



Bundesgerichtshof klärt Elternschaft bei Kind von Leihmutter

Ein Paar mit unerfülltem Kinderwunsch kommt um die Adoption ihres im Ausland per Leihmutter geborenen Kindes in der Regel nicht herum. Auch wenn die mit dem Samen des Ehemannes befruchtete Eizelle der Ehefrau der Leihmutter eingesetzt wurde, sei die Ehefrau des später geborenen Kindes damit nicht automatisch auch die rechtliche Mutter, entschied der Bundesgerichtshof in Karlsruhe in einem am 23. April veröffentlichten Beschluss. (AZ: XII ZB 530/17 und XII ZB 320/17) Allerdings könne die Ehefrau die rechtliche Mutterschaft mit Hilfe eines Adoptionsverfahrens erhalten - vorausgesetzt, alle Beteiligten haben sich darauf geeinigt.

Im entschiedenen Rechtsstreit hatte ein aus dem Raum Dortmund stammendes Ehepaar mit unerfülltem Kinderwunsch eine künstliche Befruchtung mit dem Samen des Mannes und der Eizelle der Ehefrau vorgenommen. Eine in der Ukraine lebende Frau trug das Kind aus und brachte es im Dezember 2015 zur Welt. Alle hatten sich darauf geeinigt, dass die Deutschen auch die rechtlichen Eltern des Kindes sein sollten. Das ukrainische Standesamt stellte eine entsprechende Geburtsurkunde aus.

Leihmutterschaft in der Ukraine legal

Als die frischgebackenen Eltern mit dem Kind nach Deutschland zurückgekehrt waren, wurde dieses zunächst auch in das Geburtenregister und die Ehefrau als rechtliche Mutter eingetragen. Als das Standesamt jedoch von der Leihmutterschaft erfuhr, korrigierte die Behörde den Geburtenregistereintrag. Rechtliche Mutter sei die Frau, die das Kind geboren hat - in diesem Fall also die Leihmutter. Ohne Erfolg verwies das Ehepaar darauf, dass die Leihmutterschaft in der Ukraine legal ist und die ukrainischen Behörden sie als Eltern anerkannt haben.

Der Bundesgerichtshof entschied, dass deutsches und nicht ukrainisches Recht gelte. Nur bei einer ukrainischen Gerichtsentscheidung über die rechtliche Mutterschaft der Ehefrau hätte diese von deutschen Behörden und Gerichten anerkannt werden müssen. In diesem Fall hätten aber nur ukrainische Behörden über die Elternschaft entschieden.

Soziales und familiäres Umfeld

In solch einem Fall komme es dann darauf an, wo das Kind seinen "gewöhnlichen Aufenthalt" hat. Bei minderjährigen Kindern, insbesondere bei Neugeborenen, sei hierfür entscheidend, welche Bezugspersonen das Kind betreuen und versorgen und wie das soziale und familiäre Umfeld aussieht. Das sei das deutsche Ehepaar. Damit greife deutsches Recht. Nach deutschem Recht sei die Ehefrau nicht rechtliche Mutter des Kindes, sondern die ukrainische Leihmutter. Diese habe ja das Kind "geboren".

Alle Beteiligten hätten sich aber auf einer Adoption des Kindes durch die Ehefrau geeinigt, betonte der Bundesgerichtshof. Damit habe die Ehefrau gute Chancen, die rechtliche Mutterschaft im Wege eines Adoptionsverfahrens zu erhalten.



Eltern erwachsener behinderter Kinder sollen entlastet werden

Für pflegebedürftige und behinderte Familienmitglieder müssen Eltern oder Kinder ein Leben lang mit aufkommen, wenn diese Sozialleistungen beziehen. Das soll sich nun in den allermeisten Fällen ändern - wenn es nach Arbeitsminister Heil geht.

Nach dem Willen von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sollen Familien entlastet werden, die erwachsene behinderte Kinder oder pflegebedürftige Eltern unterstützen müssen. Dafür soll das Sozialhilferecht modernisiert werden. Laut einem Entwurf, der dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt, werden Eltern und erwachsene Kinder künftig nur noch herangezogen, wenn sie mehr als 100.000 Euro im Jahr verdienen.

Mit dem Entwurf setzt Heil eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag um und erweitert sie. Vereinbart ist die Entlastung lediglich für erwachsene Kinder pflegebedürftiger Eltern. Sie soll nun aber auch für Eltern volljähriger behinderter oder pflegebedürftiger Kinder gelten.

Ein Sprecher des Arbeitsministeriums bestätigte am 26. April in Berlin einen entsprechenden Arbeitsentwurf, nannte aber noch keine Einzelheiten. Es sei verfassungsrechtlich geboten, die Regelung auszuweiten, um die unterhaltspflichtigen Eltern nicht schlechter zu stellen als die unterhaltspflichtigen erwachsenen Kinder, sagte er.

Pauschalbeträge zurückzahlen

Heute ist es so: Wenn pflegebedürftige Eltern Sozialhilfe beziehen, verlangen die Sozialämter einen Teil der Hilfe zurück, wenn das Einkommen des erwachsenen Kindes abzüglich aller festen Ausgaben über 1.800 Euro netto liegt. Die Summe wird in einem komplizierten Verfahren berechnet, richtet sich zusätzlich nach der Familiensituation und liegt bei einigen hundert Euro im Monat.

Eltern mit behinderten volljährigen Kindern müssen bisher Pauschalbeträge zurückzahlen, wenn die Kinder Sozialleistungen beziehen. Das sind laut Sozialverband VdK monatlich 25,19 Euro für die Sozialhilfe zum Lebensunterhalt und 32,75 Euro für die Eingliederungshilfe. Dies ist eine Leistung allein für behinderte Menschen: beispielsweise Zuschüsse zum behindertengerechten Umbau einer Wohnung, für Gebärdendolmetscher oder Assistenz am Arbeitsplatz.

Die Präsidentin des VdK, Verena Bentele, begrüßte das Vorhaben. Für Eltern mit kleinen Einkommen oder geringen Renten könne die lebenslange Zahlung eine hohe Belastung darstellen, sagte sie.

Finanziert werden sollen die Entlastungen aus Steuergeldern. Die Kosten seien schwer zu schätzen, heißt es in dem Entwurf des Arbeitsministeriums, weil die Datengrundlage nicht ausreiche. Die Mehrkosten für Länder und Kommunen könnten bei 300 Millionen Euro im Jahr, aber auch deutlich niedriger liegen.

Unterhaltsverpflichtungen angepasst

Mit der Reform würden die bisherigen Einstandspflichten der erwachsenen Kinder und Eltern aufgebrochen und damit die Unterhaltsverpflichtungen den gewandelten Lebensverhältnissen angepasst, heißt es in dem Entwurf. Der Familienverband werde entlastet und die Solidargemeinschaft stärker in die Verantwortung genommen.

Der Gesetzentwurf enthält einige weitere Verbesserungen für behinderte Menschen. Sie erhalten künftig staatliche Hilfen, wenn sie einen regulären Ausbildungsplatz haben. Bisher gibt es diese nur, wenn sie in einer Behindertenwerkstatt lernen. Wie das "Budget für Arbeit" ermöglicht das neue "Budget für Ausbildung" die Finanzierung von Assistenzleistungen im Betrieb oder in der Berufsschule.

Außerdem sieht der Entwurf vor, die Finanzierung unabhängiger Beratungsstellen für behinderte Menschen dauerhaft sicherzustellen. Dort können sich etwa Betroffene bei anderen Betroffenen Rat und Hilfe beispielsweise bei der Beantragung von Leistungen holen.



Wenn einem Hören und Sehen vergeht


Beim Usher-Treffen im hessischen Friedberg kommunizieren zwei Teilnehmerinnen in taktiler Gebärdensprache.
epd-bild / Joachim Hedrich
Die meisten Menschen nehmen ihre Welt durch ihre Augen und Ohren wahr. Taubblinde hingegen können einen Fernsinn nicht durch den anderen ausgleichen und stehen deshalb vor enormen Schwierigkeiten im Alltag. Sie werden oft übersehen und überhört.

Sven Fiedler ist seit seiner Geburt schwerhörig, 2010 ist er erblindet. In einer diakonischen Einrichtung in Friedberg bei Frankfurt am Main hält er einen Vortrag über das Persönliche Budget, eine staatliche Leistung zur Teilhabe. Die Taubblindenassistentin Susanne Hedrich übersetzt Fiedlers Vortrag in Gebärdensprache, denn die anderen Anwesenden im Raum sind taub und können nur mit genügend Abstand und unter geeigneten Lichtverhältnissen sehen. "Deshalb habe ich Schwarz angezogen, obwohl ich gerne Bunt trage", sagt Hedrich. Der Kontrast sei wichtig, um ihre Handbewegungen scharf sehen zu können.

Sowohl Sven Fiedler als auch die anderen Anwesenden leiden am Usher-Syndrom, einer Kombination aus Höreinschränkung und Sehstörung. Usher ist die häufigste Ursache für erbliche Taubblindheit. Usher-Betroffene sind entweder schwerhörig oder taub und haben zudem ein eingeschränktes Sichtfeld. Sie sehen meist nur in einer Art Tunnel. Viele sind nacht- oder farbenblind oder reagieren empfindlich auf Änderung der Lichtverhältnisse. Bei manchen führt Usher zur vollständigen Erblindung.

Das Gesagte erfühlen

Wie bei einer Dame im Raum. Sie ist taub und ihr Sichtfeld ist so stark eingeschränkt, dass sie nur noch über den Tastsinn wahrnehmen kann. Eine Freundin übersetzt ihr Hedrichs Gebärden in taktile Gebärden. Sie führt die Bewegungen kleiner aus, die Betroffene greift die Hände ihrer Kommunikationspartnerin und erfühlt das Gesagte. Stille Post könnte man sagen, nur dass es sich hierbei nicht um ein Kinderspiel handelt.

"Kein Mensch darf in dieser Gesellschaft verloren gehen", ist Christiana Klose überzeugt. Sie koordiniert das Projekt "Aufklären, finden, inkludieren" der Frankfurter Stiftung für Blinde und Sehbehinderte. Die Stiftung realisiert das Projekt im Auftrag des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration. Es soll die Anzahl Taubblinder in Hessen ermitteln und ihre Situation erfassen.

Taubblinde fielen oft durch das Raster, sagt Klose. Nicht einmal eine amtliche Statistik gebe es. Schätzungen gehen von etwa 800 Taubblinden in Hessen aus. Doch wie viele es genau sind, wisse man nicht, sagt sie. "Aufgrund der demografischen Entwicklung wird es viele geben, von denen man es gar nicht merkt, die sich zurückziehen und vereinsamen. Sie landen zum Beispiel in psychiatrischen Abteilungen, obwohl sie nur eine andere Unterstützung benötigen."

Klose geht es darum, "das Dunkelfeld und das stille Feld der Betroffenen aufzuhellen und etwas zum Klingen zu bringen". Man müsse den Menschen ermöglichen, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, sagt sie. Taubblinden-Assistenten (TBA) können Teilhabe ermöglichen. Sie begleiten die Betroffenen zum Einkaufen, zum Arzt, zum Sport. Jedoch gibt es in Deutschland keine flächendeckenden gesetzlichen Regelungen für Ausbildung und Bezahlung von Taubblindenassistenz. Schätzungen zufolge leben etwa 8.000 Taubblinde in Deutschland.

Vorzeigeland NRW

Genauso viele Assistenten bräuchte es. Und zwar überall in Deutschland, wie Claudia Preißner betont, die Vorsitzende des Taubblinden-Assistenten-Verbandes. Preißners Forderung klingt wie eine Utopie, wenn man sich die Statistiken anschaut. In Nordrhein-Westfalen, dem Vorzeigeland der TBA, gibt es derzeit 100 Assistenten auf etwa 1.900 Taubblinde, in Hessen sind es nur vier. Es brauche eine vernünftige Bezahlung, und es dürfe nicht sein, dass Taubblinde ihre Assistenz selbst bezahlen, sagt Preißner.

"Ich kann mich nicht zerteilen", sagt Susanne Hedrich. Sie ist eine der vier TBA in Hessen. Hauptberuflich arbeitet sie in einem Altenzentrum. Von der Bezahlung als Assistentin könne sie nicht leben, sagt sie. Die Teilnehmer in Friedberg fragen, ob eine Assistenz sie auch zum Schwimmen begleiten könnte, zum Tanzen in der Disco, zum Tandem-Fahren oder in den Urlaub.

Fiedler erklärt, man müsse erst einen oder mehrere Assistenten finden, die den Bedarf an Unterstützung decken können, bevor man das Persönliche Budget dafür beantragt. Hedrich zuckt mit den Schultern. Die Anwesenden im Raum lachen. "Was ist der Anspruch einer Gesellschaft an sich selbst?", fragt Christiana Klose - und antwortet selbst. Es gehe darum, "keinen zu verlieren, zu missachten oder ins Abseits zu stellen". Vor allem aber dürfe niemand abwägen, welches Leben wertvoll und welches weniger wertvoll ist.

Von Julia Hercka (epd)


Neues Beratungsangebot für behinderte Menschen in NRW gestartet

Für Menschen mit Behinderungen gibt es in Nordrhein-Westfalen jetzt ein neues flächendeckendes Netz mit Beratungsstellen. Besonderes Merkmal des kostenlosen Angebotes sei es, dass die Berater Menschen sind, die eigene Erfahrung mit Behinderung haben, wie das NRW-Sozialministerium am 24. April in Düsseldorf mitteilte. Landesweit soll es 60 Beratungsstellen der "Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung" (EUTB) geben, ein Großteil hat den Angaben zufolge die Arbeit bereits aufgenommen. Das Projekt wird vom Bundessozialministerium zunächst für fünf Jahre mit jährlich 9,3 Millionen Euro gefördert.

Gute und einfühlende Beratung sei wichtig, damit die Betroffenen die ihnen zustehenden Leistungen erhalten, erklärte NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU). Das gelte ebenso für Hilfen im Umgang mit ihrer Lebenssituation und bei allen Fragen zur gesellschaftlichen Teilhabe.

Die Bundesförderung für das Beratungsprojekt ist zunächst auf fünf Jahre befristet. Die Arbeits- und Sozialministerkonferenz habe sich im vergangenen Jahr in Münster unter Vorsitz von Minister Laumann dafür stark gemacht, dass die Förderung künftig unbefristet erfolgen soll, erklärte das Ministerium. Bundesweit stellt das Bundessozialministerium für das Projekt jährlich 58 Millionen Euro zur Verfügung.



Laumann lobt neues System der Qualitätssicherung in Pflegeheimen


Pflegeausbildung
epd-bild/Juergen Blume
Die neuen bundesweiten Regeln für den "Pflege-TÜV" stoßen bei der NRW-Landesregierung auf Zustimmung. Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) lobt die neuen Qualitätsstandards und begrüßt die Abschaffung der Pflegenoten.

Die ab November veränderten Qualitätsprüfungen in den Pflegeheimen sind nach Einschätzung von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) ein wichtiger "Neuanfang" bei der Versorgung und Betreuung von Pflegebedürftigen. "Das neue System wird die Art und Weise, wie Qualität bewertet und dargestellt wird, vollkommen verändern", sagte Laumann am 26. April anlässlich einer Regionalveranstaltung zu dem Thema in Düsseldorf.

Die Pflegenoten, mit denen die Einrichtungen bislang bewertet würden, seien "damit Geschichte", erklärte der Minister. Sie hätten sich in der Praxis nicht bewährt, da sie es möglich gemacht hätten, Defizite in der Pflege durch Leistungen in pflegefernen Bereichen - etwa bei der Versorgung - auszugleichen. Das hatte dazu geführt, dass die durchschnittliche Note für Pflegeeinrichtungen in Nordrhein-Westfalen im März 2019 bei 1,2 lag. Die Pflegenoten seien "eine Farce" gewesen, betonte Laumann, der seit langem als Kritiker dieser Art der Benotung gilt.

Von einer Gesamtbenotung rückt die neue Form des "Pflege-TÜVs" nun ab. Die Qualitätsbeurteilung in Pflegeeinrichtungen erfolgt künftig anhand zehn verschiedener Kriterien, die die Versorgungsqualität der Bewohner wiedergeben. Diese Kriterien berücksichtigen beispielsweise den Erhalt der Mobilität oder die Entstehung von Druckgeschwüren. Die Versorgungsergebnisse werden von den Einrichtungen selbst erfasst und anschließend von einer neutralen Institution ausgewertet.

Damit würden die Pflegeeinrichtungen in die Qualitätsüberprüfung mit einbezogen und erhielten eine "aktive Rolle" in dem Verfahren, sagte Dr. Klaus Wingenfeld vom Institut für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld (IPW), der das neue Bewertungssystem in Absprache mit der Bundesregierung entwickelt hat. Die fachliche Erfahrung und das Wissen der Mitarbeiter werden für die Überprüfung genutzt, zugleich solle im Arbeitsalltag die "Dokumentationslastigkeit" bei der Betreuung der Pflegebedürftigen zurückgefahren werden.

Mehr Informationen für Pflegebedürftige

Auch die externen Qualitätsprüfungen durch die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) orientieren sich künftig stärker als bislang daran, die Versorgung zum Wohle der Patienten zu beurteilen. Dabei sollen konkrete Qualitätsaspekte bei der Betreuung der Pflegebedürftigen von den MDK-Vertretern kontrolliert und auf mögliche negative Folgen überprüft werden. Anhand eines noch zu ermittelnden Durchschnittswerts soll dann aufgelistet werden, inwieweit die Einrichtungen in einer der Kriterien über oder unter dem Durchschnitt liegen.

Das neue System sorge dafür, dass die Informationen für den Pflegebedürftigen und seine Angehörigen "reichhaltiger" würden, erklärte Wingenfeld. Zugrunde liegen dem neuen Konzept auch die Erkenntnisse von rund 400 Pflegeeinrichtungen, vor allem aus NRW, die das neue Bewertungssystem bereits erprobt haben. In einer Übergangsphase, die vermutlich bis Ende 2020 dauert, soll das neue Bewertungsverfahren nun in allen Pflegeeinrichtungen verbindlich eingeführt werden.

Die Einführung des neuen Systems zur Qualitätsbeurteilung und Qualitätsdarstellung wurde mit dem Zweiten Pflegestärkungsgesetz (PSG II) bundesweit gesetzlich festgeschrieben. Derzeit gibt es in NRW 2.190 vollstationäre Pflegeeinrichtungen. Im Jahr 2017 waren in Nordrhein-Westfalen über 769.000 pflegebedürftige Leistungsbezieher registriert, etwa drei Viertel davon wurden zu Hause gepflegt.



Spenden sammeln mit Armbeugen und Fitnessübungen

Das Bündnis "Aktion Deutschland Hilft" ruft mit einer sportlichen Herausforderung zum Spenden auf. Für jede Wiederholung einer sportlichen Übung (Burpee) oder einer Armbeuge innerhalb von 60 Sekunden spendeten die Teilnehmer mindestens einen Euro, erklärte die Organisation am 23. April in Bonn. Der Erlös der "Fitness-Challenge" fließe in weltweite Nothilfeprojekte und komme etwa Menschen nach Naturkatastrophen zugute.

Das Bündnis rief sportliche Spender dazu auf, Videos von ihren Burpees - eine Mischung aus Kniebeuge, Liegestütz und Strecksprung - und Curls (englisch für Armbeugen) mit Langhantel in den sozialen Netzwerken zu teilen. Unter den Hashtags #burpees4good und #curls4good zeigten die Teilnehmer ihr Können und ihre Spendenbereitschaft sowie nominierten drei Freunde für die sportliche Herausforderung.

"Die Sportler zeigen mit ihrem Einsatz vor allem auch, wie wichtig ihnen die zahlreichen notleidenden Menschen sind, die weltweit auf Unterstützung angewiesen sind", erklärte Manuela Roßbach, geschäftsführender Vorstand von "Aktion Deutschland Hilft". Noch bis Ende April läuft die Aktion. Auch 30 sogenannte Influencer - Menschen mit hoher Reichweite in den sozialen Medien - aus den Bereichen Fitness, Fußball und Sport kündigten ihre Teilnahme an, wie es hieß.

2014 hatten sich Prominente und in der Folge Tausende weitere Menschen weltweit an der "Ice Bucket Challenge" beteiligt. Sie gilt als eine der erfolgreichsten Social-Media-Kampagnen. Die Teilnehmer hatten sich dafür einen Eimer Eiswasser über den Kopf geschüttet, um auf die Nervenkrankheit ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) aufmerksam zu machen. Internetnutzer nominierten sich dafür gegenseitig. Wer nominiert war, sollte entweder 100 Dollar an eine ALS-Stiftung spenden oder eine Eisdusche über sich ergehen lassen. Viele kippten sich einen Eimer Eiswasser über den Kopf und spendeten trotzdem. Zahlreiche Teilnehmer stellten Beweisvideos ins Internet, unter anderem Microsoft-Gründer Bill Gates und Facebook-Chef Mark Zuckerberg.



Umfrage: Jeder zweite Deutsche befürwortet inklusives Wahlrecht

Jeder zweite Deutsche (54 Prozent) beurteilt es positiv, dass psychisch kranke und behinderte Menschen mit Vollbetreuung an der Europawahl teilnehmen können. Jeder Vierte (25 Prozent) finde die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hingegen schlecht, erklärte das Meinungsforschungsinstitut YouGov. Für die repräsentative Umfrage wurden 1.837 Menschen Mitte April zu dem Thema befragt.

Das Bundesverfassungsgericht hatte am 15. April entschieden, dass bereits zur Europawahl psychisch kranke und behinderte Menschen mit Vollbetreuung ihre Stimme abgeben können. Bereits im Februar hatte es erklärt, dass die für diese Gruppen geltenden Ausschlüsse vom Wahlrecht unrechtmäßig sind.

Der Umfrage zufolge befürworten vor allem Anhänger der Grünen (76 Prozent), der SPD (67 Prozent) und der Linken (63 Prozent) das Urteil. Ablehnend äußerten sich AfD-Wähler, von denen knapp die Hälfte (49 Prozent) die Teilnahme von Betreuten Menschen an Wahlen schlecht finden.

Im Geschlechtervergleich bewerteten zwei Drittel der Männer (59 Prozent) das inklusive Wahlrecht gut, unter den Frauen waren es nur 49 Prozent. Jüngere Befragte zwischen 18 und 24 Jahren (31 Prozent) finden die Entscheidung des Gerichts sehr gut und liegen damit über dem Durchschnitt (24 Prozent).

Ebenfalls wahlberechtigt sind erstmals auch Straftäter, die wegen Schuldunfähigkeit in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind. Das Gericht hatte bereits im Februar entschieden, dass die für diese Gruppen geltenden Ausschlüsse vom Wahlrecht unrechtmäßig sind. Die Große Koalition brachte daraufhin eine Reform durch den Bundestag, die ein Wahlrecht für Vollbetreute vorsah. Allerdings sollte sie erst nach der Europawahl in Kraft treten. FDP, Grüne und Linke im Bundestag klagten dagegen mit Erfolg in Karlsruhe.




Medien & Kultur

Lutherpreisträgerin Ates: Einsatz für Freiheit nicht einfach


Seyran Ates in der lutherischen Pfarrkirche St. Marien in Marburg.
epd-bild/Rolf K. Wegst
Seit der Eröffnung der von ihr initiierten Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin sei ihre Gefährdung nochmals gestiegen, sagte die Anwältin und Frauenrechtlerin bei der Entgegennahme der Auszeichnung.

Die Frauenrechtlerin Seyran Ates ist am 27. April in Marburg mit dem Lutherpreis "Das unerschrockene Wort" ausgezeichnet worden. "Der Einsatz für Freiheit und Demokratie ist auch in einem Land wie Deutschland leider nicht einfach und keine Selbstverständlichkeit", sagte die in Berlin lebende Anwältin in ihrer Dankesrede laut Redemanuskript. "Wenn ich mich beklage über einen politischen Islam, wenn ich mich fürchte vor rechtsradikalen Deutschen, dann aus denselben Gründen." Diese Extremisten hätten dieselben Wertvorstellungen, betonte die 56-Jährige.

Millionen von Menschen aus allen sozialen Schichten und allen Strömungen des Islam wünschten sich eine Modernisierung dieser Religion, sagte Ates weiter. Sie wünschten sich, befreit zu werden von Terroristen, Erdöl-Millionären und sogenannten Autoritäten, die den Islam für ihr patriarchales Herrschaftssystem und ihre Bankkonten missbrauchten.

Sicherheitsvorkehrungen

Die Preisverleihung in der Lutherischen Pfarrkirche fand unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen statt. "Für mich ist das Realität seit 13 Jahren", sagte Ates vor der Festveranstaltung. Seit 2006 stehe sie unter Polizeischutz. Zeitweilig musste sie ihre Kanzlei schließen und ihre Arbeit einstellen. Doch habe "in diesem freien Land" der Staat gesagt, dass das nicht in Ordnung sei. "Das macht am Ende ein freies Land aus." Seit der Eröffnung der von ihr initiierten Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin sei die Gefährdung nochmals gestiegen.

Grund der Angriffe sei, dass sie als Frau in eine Männerdomäne eingetreten sei. "Das sind Dinge, die bestimmte Menschen nicht mögen." Ihre Gegner rege am meisten auf, dass in der Moschee Männer und Frauen gemeinsam und dass Frauen mit und ohne Kopftuch beteten. Frauen könnten das Gebet leiten. Außerdem setze sich die Moschee für Homosexuelle ein. Jeden Freitag rufe eine Frau - mit Kopftuch - zum Gebet.

Es sei der Charakter des Lutherpreises, alles sagen und denken zu können, ohne gefährdet zu sein, sagte Marburgs Oberbürgermeister Thomas Spies (SPD). "Dass diese Freiheit nicht selbstverständlich ist, wird uns an Frau Ates bewusst."

Im Andenken an das Wirken Martin Luthers wird "Das unerschrockene Wort" seit 1996 alle zwei Jahre in einer der Lutherstädte vergeben. Die Auszeichnung ist mit 10.000 Euro dotiert. Im Bund der Lutherstädte sind 16 Orte in Deutschland zusammengeschlossen, an denen Luther gelebt oder gewirkt hat. Sie würdigen Personen, die Zivilcourage zeigen und sich mit Wort, Tat und Mut gegen Widerstände für die Gesellschaft einsetzen.



Arte-Doku über Missbrauch an Nonnen aus Mediathek entfernt

Der TV-Sender Arte darf seine Dokumentation "Gottes missbrauchte Dienerinnen" nach einer einstweiligen Verfügung des Hamburger Landgerichts vorerst nicht mehr zeigen. Das bestätigte der Pressesprecher des Gerichts, Kai Wantzen, dem Evangelischen Pressedienst (epd) am 24. April in Hamburg. In dem Film, der Anfang März ausgestrahlt wurde, geht es um Missbrauch an Nonnen innerhalb der Kirche, vor allem in Frankreich und Afrika. Ein Priester, der in der Doku zu sehen ist, fühlte sich nach Angaben des Gerichts in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt und erwirkte am 20. März die einstweilige Verfügung. Die "Süddeutsche Zeitung" hatte zuerst über den Fall berichtet.

Arte hat die Dokumentation aus seiner Mediathek entfernt. Der deutsch-französische Sender mit Sitz in Straßburg will sich jedoch gegen die Verfügung wehren. "Arte hält die Entscheidung aus formalen wie aus sachlichen Gründen für falsch und hat sich daher entschlossen, Widerspruch einzulegen", sagte Sprecherin Claude Savin der Zeitung.

Zur Abtreibung gezwungen

Die Dokumentation war am Abend des 5. März zur besten Sendezeit gelaufen. Sie erreichte in Frankreich einen Marktanteil von 6,6 Prozent; insgesamt hatten damit im Nachbarland dreimal so viele Zuschauer wie sonst eingeschaltet. In Deutschland lag der Marktanteil bei 2,2 Prozent, was doppelt so hoch wie der Durchschnitt ist.

Den Berichten der Ordensfrauen zufolge, die in der Dokumentation von Eric Quintin und Jean Marie Raimbault zu Wort kommen, machten Priester als geistliche Begleiter und Beichtväter die Frauen häufig seelisch von sich abhängig, bevor sie sexuelle Gewalt ausübten. Nonnen, die schwanger wurden, drohte demnach der Ausschluss aus ihrer Gemeinschaft. Sie wurden zur Abtreibung gezwungen. Kirchenoberen wurde vorgeworfen, die Täter zu schützen.

Papst Franziskus hatte Anfang Februar erstmals sexuelle Gewalt gegen Nonnen eingeräumt. Dies sei keine Sache der Vergangenheit, sagte der Papst. Er glaube, dass es immer noch getan werde.



Kehrtwende beim ZDF: Grindel hat kein Rückkehrrecht

Der frühere DFB-Präsident Reinhard Grindel hat kein Rückkehrrecht zu seinem ehemaligen Arbeitgeber ZDF. Dies sei das Ergebnis einer externen juristischen Expertise, sagte ZDF-Sprecher Alexander Stock am 24. April dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Sender revidiert damit seine zuvor vertretene Rechtsauffassung, an der öffentliche Kritik geübt worden war. Der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim hatte in einem epd-Gespräch gesagt, er sehe keinen Anhaltspunkt dafür, dass Grindel jetzt noch ein gesetzlich geregeltes Rückkehrrecht zum ZDF hätte.

Grindel war am 2. April nach Korruptionsvorwürfen vom Amt des DFB-Chefs zurückgetreten. Er war von 1992 bis 2002 als Journalist beim ZDF beschäftigt, danach saß er bis 2016 für die CDU im Bundestag. Im April 2016 wurde Grindel zum Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) gewählt.

Das ZDF hatte kurz nach Grindels Rücktritt erklärt, dass der 57-Jährige "aufgrund seiner früheren Mitgliedschaft im Bundestag" ein im Abgeordnetengesetz geregeltes Rückkehrrecht habe. Dieses bestehe für Parlamentarier auch dann fort, "wenn sie nach ihrer Abgeordnetentätigkeit andere Aufgaben wahrnehmen".

Ausschlussfrist

Der Staatsrechtler von Arnim hatte diese Auffassung in Zweifel gezogen. Die im Gesetz genannten drei Monate, in denen nach Beendigung des Mandats ein Antrag auf Rückkehr gestellt werden muss, seien nach seiner Auffassung eine Ausschlussfrist, "von der es keine Ausnahmen gibt", sagte er dem epd. Der 79-Jährige Juraprofessor gilt als einer der renommiertesten deutschen Rechtswissenschaftler. Er lehrt als Emeritus weiter an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer.

Das Abgeordnetengesetz regelt unter anderem die "Rechte und Pflichten aus dem Dienstverhältnis eines in den Bundestag gewählten Beamten". Sinngemäß gelten die Vorschriften auch für Angestellte von Anstalten des öffentlichen Rechts. Im Gesetz heißt es: "Der Beamte ist auf seinen Antrag, der binnen drei Monaten seit der Beendigung der Mitgliedschaft zu stellen ist, spätestens drei Monate nach Antragstellung wieder in das frühere Dienstverhältnis zurückzuführen." Stelle der Beamte nicht binnen drei Monaten seit der Beendigung der Mitgliedschaft im Bundestag einen entsprechenden Antrag, so ruhten die Rechte und Pflichten "weiter bis zum Eintritt oder bis zur Versetzung in den Ruhestand".

Grindel war am 10. April auch von seinen internationalen Ämtern bei den Fußballverbänden Uefa und Fifa zurückgetreten. Ein arbeitsvertraglich eingeräumtes Rückkehrrecht zum ZDF besteht nach Angaben des Senders nicht.



Myanmar: Gericht weist Berufung inhaftierter Reuters-Journalisten ab

Auf Basis eines Gesetzes aus der Kolonialzeit sind zwei Reuters-Reporter in Myanmar zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Sie hatten zu einem Massaker an Rohingya recherchiert. Ihr Antrag auf Berufung wurde nun vom Obersten Gericht zurückgewiesen.

Die beiden in Myanmar inhaftierten Journalisten der Nachrichtenagentur Reuters, Wa Lone und Kyaw Soe Oo, müssen im Gefängnis bleiben. Der Oberste Gerichtshof des südostasiatischen Landes wies einen Antrag der Reporter auf Berufung ab, wie Reuters am 23. April mitteilte. Eine Begründung hätten die Richter nicht genannt. Die zwei Journalisten waren im September 2018 wegen des Verrats von Staatsgeheimnissen zu jeweils sieben Jahren Haft verurteilt worden. International wurde das Verfahren scharf kritisiert.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach von "einer schwerwiegenden Ungerechtigkeit und einem dunklen Tag für die Pressefreiheit in Myanmar". Der Fall zeige die Entschlossenheit der Behörden, jede unabhängige Berichterstattung über Gräueltaten des Militärs im westlichen Staat Rakhine zu verhindern, sagte der Amnesty-Chef für Ost- und Südostasien, Nicholas Bequelin. Wa Lone und Kyaw Soe Oo seien keine Einzelfälle, die Zahl politisch motivierter Festnahmen sei in den vergangenen Wochen in beunruhigendem Maße gestiegen. Bequelin rief die internationale Gemeinschaft auf, den Druck auf die myanmarische Regierung zu erhöhen.

Reuters-Justiziarin Gail Gove betonte, weder hätten Wa Lone und Kyaw Soe Oo ein Verbrechen begangen, noch gebe es Beweise dafür. Reuters werde alles tun, um die Reporter so schnell wie möglich freizubekommen.

Geheimnisverrat

Die Journalisten waren im Dezember 2017 bei Recherchen über ein Massaker an Angehörigen der muslimischen Rohingya-Volksgruppe verhaftet worden. Ihnen wurde vorgeworfen, Geheimdokumente und eine Karte von Rakhine bei sich gehabt zu haben. Von dort flohen wegen einer brutalen Militäroffensive Ende August 2017 mehr als 700.000 Rohingya nach Bangladesch.

Das Gesetz gegen Geheimnisverrat in Myanmar stammt noch aus der britischen Kolonialzeit. Im Prozess hatte ein Polizist ausgesagt, Wa Lone und Kyaw Soe Oo seien in eine Falle gelockt worden. Ein Vorgesetzter habe die Übergabe der Dokumente lanciert, um sie unter diesem Vorwand festzunehmen.

Erst kürzlich waren die beiden Journalisten neben weiteren Kollegen mit dem Pulitzer-Preis für internationale Berichterstattung geehrt worden. Zudem zeichnete die Unesco Wa Lone und Kyaw Soe Oo mit dem Guillermo-Cano-Preis für Pressefreiheit aus.



Seine Gedanken waren frei

"Sag mir, wo die Blumen sind" und "We Shall Overcome" machten ihn bekannt: Folkmusiker Pete Seeger war Friedens- und Umweltaktivist, Bürgerrechtler und überzeugter Linker. Nun wäre er 100 Jahre alt geworden.

Wer Pete Seeger (1919-2014) besuchen wollte, musste eine steile Fahrt auf ungeteertem Waldweg unternehmen, hinauf Richtung Mount Beacon, einen Berg rund 100 Kilometer nördlich von New York City. Der Folksänger und seine Ehefrau, Managerin und Mitstreiterin Toshi Seeger hatten sich dort Ende der 40er Jahre ein Häuschen gebaut mit spektakulärem Blick auf den Hudson-Fluss. Doch Luxus sieht anders aus: Noch in seinen 90ern schwang der hochgewachsene, hagere Musiker gelegentlich selbst die Axt fürs Brennholz.

Er habe "Hoffnung für die Menschheit", antwortete Seeger wenige Monate vor seinem Tod im Januar 2014 auf die Frage, warum er noch immer singe und politisch aktiv sei. Seeger, geboren am 3. Mai vor 100 Jahren, war ein Mann mit festem Händedruck. Erst im hohen Alter wurde sein Tenor brüchig.

Das politisches Engagement hat ihn sein Leben lang begleitet, Lieder wie "Sag mir, wo die Blumen sind", "We Shall Overcome", "If I had a hammer" waren Hymnen der Friedens- und Protestbewegung. Noch im Oktober 2011 zog der alte Mann, rote Strickmütze auf dem Kopf, in jeder Hand einen Gehstock, singend mit der Occupy-Bewegung durch Manhattan.

"Leuchtturm"

Seeger sei "eingetreten für das, was richtig war", würdigte ihn Barack Obama, er habe die Nation "näher zu dem Amerika gebracht, das wir sein könnten". Und Rocker Bruce Springsteen sagte, Seeger sei ein "Leuchtturm" für Menschen, die soziale Gerechtigkeit suchten. "Erneuerer der Folk-Musik" und "musikalischer Begleiter fortschrittlicher Bewegungen" hieß es in den Nachrufen nach seinem Tod.

Man hörte den Banjo spielenden Seeger eher bei Gewerkschaftsveranstaltungen und auf Friedens- und Umweltkundgebungen als in Konzertsälen und in Fernsehshows. Und er sang oft für Kinder. Wenn er auftrat, hörten die Leute nicht nur zu, sie sangen mit. Als Musiker sei es ihm wichtiger, Lieder "auf die Lippen als in die Ohren der Zuhörer" zu legen, sagte er selbst. Singen bringe Menschen zusammen.

Am 3. Mai 1919 kam er in New York auf die Welt. Seegers Mutter war Geigenspielerin, sein Vater Musikwissenschaftler. Kurz vor Petes Geburt verlor er seine Stelle, weil er Reden gegen den Krieg gehalten hatte.

Radikale Politik und Musik hatten Tradition in Pete Seegers Familie: Ein deutscher Seeger habe die preußische Tyrannei verabscheut und sei nach Amerika ausgewandert, schrieb er über seine Vorfahren. Viele seiner Aufsätze und Briefe sind in dem Band "Pete Seeger in his own Words" von Bob Rosenthal und Sam Rosenthal im Jahr 2012 erschienen. Gelegentlich sang Seeger das aus dem 19. Jahrhundert stammende "Die Gedanken sind frei".

Seeger war ein überzeugter Linker und in Amerika nicht immer und nicht überall beliebt. Um kommerziellen Erfolg ging es ihm ohnehin nicht. Anfang der 40er Jahren, genaue Daten wisse er nicht mehr, habe er mit Woody Guthrie, Autor von "This Land is your Land", manchmal in New York bei Fundraising-Partys für die Kommunistische Partei gesungen, erzählt Seeger.

In der DDR gefeiert

Doch Parteidisziplin war nicht seine Sache. Unter anderem wegen der Nachrichten über die Moskauer Schauprozesse mit "einem erzwungenen Geständnis nach dem anderen", sei er "ausgestiegen". Doch Seeger blieb "ein Kommunist mit einem kleinen K", wie er es formulierte. Er hatte keine Berührungsängste, 1967 wurde er in der DDR gefeiert.

Das US-Magazin "Mother Jones" hat Auszüge aus Seegers rund 1.800 Seiten dicker FBI-Akte veröffentlicht. 1955 wurde er vom US-Kongressausschuss zum Thema "unamerikanischen Aktivitäten" vorgeladen. Es war die Zeit des strikten Antikommunismus. Er weigere sich, unter Druck persönliche Fragen über seine "philosophischen und religiösen Überzeugungen" zu beantworten, ließ Seeger die Abgeordneten wissen.

Zum 100. Geburtstag sind in vielerorts Konzerte geplant. Der Verlag Smithsonian Folkways Collection bringt ein CD-Box-Set mit Seegers Musik auf den Markt. Darunter seien 20 noch nie gehörte Aufnahmen, wirbt der Verlag.

Bei Obamas Amtseinführung 2009 sangen Seeger und Springsteen "This Land is Your Land", und zwar auch die oft weggelassenen letzten Strophen. Darin geht es um die vielen hungrigen Menschen in den USA und implizit um die Frage, ob die USA wirklich "für dich und mich geschaffen" worden seien. Für Obama war der Sänger offenbar prägend. Er habe ihm gesagt, erzählte Seeger später in einem Interview, "Mr. Seeger, als ich vier Jahre alt war, hat meine Mutter mir ihre Schallplatten vorgespielt."

Von Konrad Ege (epd)


Entdeckungen der Selbsterfahrung


Bild von Oskar Schlemmer in der Ausstellung "Bühnenwelten"
epd-bild/Stefan Arend
Bewegung findet in szenischer Darstellung eine künstlerische Form. Diesem Gedanken folgte das Bauhaus mit seiner "Bühnenwerkstatt". Das Museum Folkwang zeigt diese Experimente in einer Sonderausstellung.

Leichtigkeit und Spiel waren die wichtigsten Aspekte der Lehre am Bauhaus. Auch die Ausstellung "Bühnenwelten" im Essener Museum Folkwang lebt von ihnen. Seit Sonntag bietet die Kabinettschau einen Einblick in die darstellerische Kultur der Bauhaus-Schule, wie sie von 1921 bis 1929 an der Bühnenwerkstatt gelehrt worden ist. Die rund vierzig Exponate stammen sämtlich aus dem Sammlungsbestand des Museums Folkwang. Bis zum 8. September bieten sie über die damals bekannten Darstellungsformen der Druckgraphik und den neuen der Fotografie einen Einblick in die Kunst- und Ästhetikauffassungen des Bauhauses.

Das Bauhaus war ein Experimentierfeld. Es waren verschiedene Auffassungen, Arbeitsweisen, Arbeitsergebnisse und Kunstrichtungen, die im Bauhaus eine Bühne fanden. "Bauhaus am Folkwang: Bühnenwelten" stellt mit Flachobjekten diese Herangehensweise von "Kunst und Technik" als damals propagierter neuer Einheit vor.

Die "Bühnenwelten" beginnen passend mit Bühnenbildern. Hier haben die "Spielgänge" Lothar Schreyers (1886 - 1996) mit ihren genauen Anweisungen zur Ausführung seiner Bühnenregie einer Mischung von Inszenierungsvorgabe und -dokumentation einen besonderen Aussagewert. Das Bauhaus ist ein Kind der Funktionalität der Moderne.

Die folgende Werkgruppe Fotografie zeigt ungewohnte Blickwinkel, die eine Dynamik ins Bild bringen. Darin kommen die Bauhäusler als experimentierende Amateurfotografen zum Vorschein. Selbstportraits dienen der Selbstinszenierung, etwa wenn Laszlo Moholy-Nagy (1895 - 1946) sich mit Maske abgelichtet hat und sich darüber im Bauhaussinne als Künstler und Person auch selbst erkundet.

Ebenso wollen szenische Fotografien im festgehaltenen Bewegungsmoment wie Abbildungen des Tanzes dem Betrachter eine an sich flüchtige Handlung vermitteln. Mit der Metallwerkstattleiterin Marianne Brandt (1893 - 1983) rückt die Ausstellung ebenso eine der wenigen Bauhausmeisterinnen in den Blick - und den mit ihr verbundenen unterschiedlichen Methoden. Metall hat sie in Spiegelungen und Helligkeit fotografiert und Metallgebrauchsprodukte als Kostümschmuck eingesetzt.

Eines der gezeigten Bilder hat dabei einen besonderen Bezug zum Ausstellungsort, denn es ist das einzige in Essen erhaltene Exemplar des "Folkwangzyklus" von 1928, den der Bauhausmeister Oskar Schlemmer (1888 - 1943) eigens für das Museum anfertigte. Dass es überhaupt hier gezeigt werden kann, nachdem es in den 1930er Jahren als sogenannte Entartete Kunst entfernt worden war, ist einem Wiedererwerb in den 1950er Jahren zu verdanken. Das Bild war ein Entwurf für die Bilder des Brunnenraums des alten Museumsgebäudes.

Die Ausstellung geht über mehr als ein Gedenken an "100 Jahre Bauhaus" hinaus. Zum einen stammt das Museum Folkwang wie die Folkwangidee einer Verschönerung und Verbesserung der Welt durch die Künste aus der selben Zeit wie das Bauhaus. Zum anderen zeigte das Essener Haus schon in seinen frühen Jahren Bauhauswerke. Es besteht also eine doppelte Verbindung, die die künstlerische Arbeit und Aufnahme des seinerzeit neuen Stils im Westen belegt.

Nach den expressionistischen Anfängen des Bauhauses mit "Lyonel Feininger" sind die "Bühnenwelten" die zweite Kabinettausstellung der dreiteiligen Reihe "Bauhaus am Folkwang". Im September folgt noch "Laszlo Moholy-Nagy" und damit die Hinwendung des Bauhauses zu Film und Fotografie.

Peter Noçon (epd)


Fast 1.500 junge Opernsänger bei Wettbewerb "Neue Stimmen"

Für fast 1.500 junge Opernsänger aus 80 Ländern haben am Mittwoch die Vorauswahlen für den 18. internationalen Gesangswettbewerb "Neue Stimmen" der Bertelsmann Stiftung begonnen. Austragungsorte für die ersten Auswahlen sind das Opernhaus im türkischen Izmir und die Canadian Opera Company in Toronto, wie die Stiftung am 24. April in Gütersloh mitteilte. Eine Experten-Jury sucht demnach die 40 bis 45 talentiertesten Teilnehmer für die Endrunde im Oktober in Gütersloh aus.

Mehr als ein Drittel der Bewerber kommt den Angaben zufolge in diesem Jahr aus Ostasien - jeweils rund 230 aus China und Südkorea sowie über 90 aus Japan. Sehr groß ist das Interesse auch in Osteuropa: Aus Russland stellen sich 109 Nachwuchssänger der Jury, aus der Ukraine sind es 90. Deutschland ist mit 91 jungen Frauen und Männern im Wettbewerb.

Auf die Gewinner warten laut der Bertelsmann Stiftung Preise im Gesamtwert von über 60.000 Euro. Die Vorauswahlen finden in insgesamt 25 Städten rund um den Globus statt, darunter Berlin, New York, Moskau, Wien und Kapstadt. Die drei letzten Stationen der Talentsuche führen Anfang September nach Yokosuka in Japan sowie nach Shanghai und Peking.

Zur Jury für die Vorauswahl der "Neuen Stimmen" gehören neben dem früheren Generaldirektor des Chicago Opera Theaters, Brian Dickie, und Evamaria Wieser von den Salzburger Festspielen erstmals Sophie Joyce, Leiterin eines Nachwuchsprogrammes der New Yorker Metropolitan Opera sowie Alexander Neef von der Canadian Opera Company, wie es weiter hieß.

Der 1987 begründete Wettbewerb der Bertelsmann Stiftung gilt in Expertenkreisen als eine der weltweit wichtigsten Talentbörsen für das Opernfach. Für die letzte Ausgabe des Gesangswettbewerbs im Jahr 2017 hatten 1.430 Bewerber vorgesungen. Die ersten Preise gewannen damals die bulgarische Mezzosopranistin Svetlina Stoyanova und der Bass Chan Hee Cho aus Südkorea.



Klostermuseum befasst sich mit Verschwörungstheorien

Das LWL-Landesmuseum für Klosterkultur in Lichtenau-Dalheim nimmt in seiner neuen Ausstellung ab 18. Mai Verschwörungstheorien unter die Lupe. In der Schau "Verschwörungstheorien - früher und heute" berichteten 250 Exponate internationaler Leihgeber aus 900 Jahren Verschwörungstheorien, erklärte der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) am 25. April. Gezeigt würden Entstehung, Funktion und Verbreitung dieser Theorien. Zugleich werde der Frage nachgegangen, warum sie gerade heute wieder Konjunktur hätten.

Ausgehend von bedeutenden historischen Beispielen präsentiere die Ausstellung aktuelle Verschwörungstheorien von "9/11" bis zur Barcode-Verschwörung im Spannungsfeld von Fakt und Fiktion, erklärte der LWL. Die Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der zur Eröffnung am 17. Mai erwartet wird.

Verschwörungstheorien gebe es, seitdem Menschen in staatlichen Verbünden zusammenleben, erklärte der LWL. Terroranschläge, geheimnisvolle Todesfälle oder Finanzkrisen riefen stets Menschen auf den Plan, die den "offiziellen" Darstellungen misstrauten und Geheimdienste oder andere Verschwörergruppen hinter Ereignissen vermuteten. Die Ausstellung ist bis zum 22. März 2020 zu sehen.



Der Reigen der Theater-Festivals 2019 in NRW beginnt

Der Reigen der Theater-Festivals in Nordrhein-Westfalen startet in diesem Jahr am 1. Mai mit den traditionsreichen Ruhrfestspielen. Die fallen wegen eines deutlichen Minus' an Spendergeldern allerdings eine Woche kürzer aus. Bis 9. Juni bieten sie ein Programm rund um utopische Visionen zum Zusammenleben verschiedener Kulturen, kündigte der neue Festspielintendant Olav Kröck an. Gleichzeitig werde auf Grenzziehungen und Abschottungsphantasien in Europa geblickt. Außerdem wollten die Ruhrfestspiele nach romantischen Sehnsüchten nach Lebendigkeit im Spätkapitalismus suchen und Strukturen des Populismus untersuchen.

Das europaweit renommierte Festival der Gegenwartsdramatik, die Mülheimer Theatertage "Stücke 2019", findet vom 11. bis zum 30. Mai in Mülheim an der Ruhr statt. Im Rennen um den mit insgesamt 15.000 Euro dotierten Dramatikerpreis stehen unter anderem die österreichische Autorin Elfriede Jelinek mit ihrem Stück "Schnee Weis (Die Erfindung der alten Leier)" in der Fassung des Schauspiels Köln sowie die Autorin Sibylle Berg mit dem Stück "Wonderland Ave." ebenfalls in der Fassung des Schauspiels Köln.

Im Wettbewerb um den mit 10.000 Euro dotierten Kinder-Stücke-Preis 2019 stehen in Mülheim an der Ruhr unter anderem das Stück "Haydi! Heimat!" von Katja Hensel in einer Inszenierung des LTS Memmingen und das Stück "Die größte Gemeinheit der Welt" von Dirk Lauke in der Version des Jungen Schauspiels Düsseldorf. Die Gastspiele werden von einem Rahmenprogramm begleitet.

NRW-Theatertreffen in Münster

Unter dem Motto "Vorsicht, zerbrechlich" startet am 30. Mai in Münster das diesjährige NRW-Theatertreffen. Allein sechs Bühnen aus der Ruhrregion sind bis zum 8. Juni dabei. Eine Jury wird die beste Inszenierung prämieren sowie einen Ensemble- und einen Darstellerpreis vergeben. Außerdem wird eine Jugendjury ihren Favoriten aus den Gastspielen küren, und auch das Publikum wird einen eigenen Preis vergeben.

Mit dabei sind das Schauspiel Dortmund mit der Komödie "Der Theatermacher", das Theater Mülheim/Ruhr mit "König Ubu # Am Königsweg", die Burghofbühne Dinslaken mit "Extrem laut und unglaublich nah", das Theater Oberhausen mit "Schuld und Sühne - im Kopf von Raskolnikow", das Moerser Schlosstheater mit "Zur schönen Aussicht" und das Bochumer Schauspielhaus mit "Unterwerfung".

Knapp eine Woche nach dem Ende des NRW-Theatertreffens beginnt dann am 13. Juni das Impulse-Theaterfestival in Düsseldorf, Mülheim an der Ruhr und Köln. Das präsentiert unter der künstlerischen Leitung von Haiko Pfost bis einschließlich 23. Juni sowohl etablierte Kollektive und Künstler als auch Neuentdeckungen. Insgesamt stehen elf Stücke aus Deutschland, Österreich und der Schweiz auf dem Programm. Bei einem der wichtigsten Treffen der freien Theaterszene geht es um Begegnungen mit dem Islam, Auseinandersetzungen mit Rassismus sowie Mechanismen häuslicher Gewalt, Utopien von einer geschlechtergerechten Welt und Optimierungszwänge der Gegenwart.

Shakespeare-Festival ab Juni in Neuss

Vom 14. Juni bis zum 13. Juli präsentieren sich 13 Inszenierungen aus Frankreich, Polen, Ungarn, England und Deutschland beim diesjährigen "Shakespeare-Festival" im Nachbau des Londoner Globe-Theaters in Neuss. Zu den Höhepunkten des europaweit bekannten Festivals zählen der aus Ungarn angereiste "Richard III", "Macbett" nach Eugène Ionesco aus Polen und aus München das Tanztheaterstück "For you my Love". Besonderer Gast ist die Band "Woods of Birnam" rund um den Schauspieler und Sänger Christian Friedel mit dem Programm "Searching for William in Concert". Das Festival ist stolz auf seine Auslastung von deutlich über 90 Prozent.

Fast zeitgleich läuft vom 15. bis zum 21. Juni am Theater Oberhausen das inzwischen 35. Theatertreffen NRW für junges Publikum, "Westwind", unter dem Motto "Offene Gesellschaft". Eine Jury hat zehn Inszenierungen für Kinder- und Jugendliche sowie internationale Gastspiele aus 41 Bewerbungen ausgewählt. Eingeladen wurden unter anderem das Duisburger Kom'ma Theater mit dem Stück "Shame, shame but different". Auch das Schlosstheater Moers mit "Elisa und die Schwäne" und das Theaterkohlenpott aus Herne mit der Produktion "Funny Girl" sind zu Gast. Beim Familienfest am 16. Juni sind Gastproduktionen aus El Salvador, Frankreich und Nicaragua zu sehen, kündigte die Sprecherin des Theaters Oberhausen, Monika Madert, an.

Den Schlusspunkt der NRW-Theaterfestivals setzt in diesem Jahr das internationale Kulturfestival Ruhrtriennale, das diesmal seinen Fokus auf Europa richtet. Insgesamt 25 Produktionen und Projekte stehen vom 21. August bis zum 29. September auf dem Programm, darunter 14 Ur- und Erstaufführungen, erklärte Intendantin Stefanie Carp. Gezeigt wird unter anderem die Produktion "Kind of", in der Regisseurin Ofira Henig mit palästinensischen und israelischen Schauspielern die Wirkung von Bildungssystemen in den Blick nimmt, die Toleranz gegenüber Fremdem verweigern. Bespielt werden im Verlauf des Festivals insgesamt 13 Orte, darunter ehemalige Industriehallen in Bochum, Duisburg, Essen und Gladbeck.

Andreas Rehnolt (epd)


Elf Bühnen erhalten Theaterpreis des Bundes

Mit dem Theaterpreis des Bundes werden in diesem Jahr elf Bühnen aus dem gesamten Bundesgebiet geehrt - davon zwei aus Nordrhein-Westfalen. Die diesjährigen Gewinner beeindruckten durch außergewöhnliche Produktionen, ihr künstlerisches Gesamtprogramm oder durch strukturelle Zukunftsentscheidungen, die bundesweite Aufmerksamkeit und Wertschätzung verdienten, hieß es in einer Erklärung von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) anlässlich der Bekanntgabe der Preisträger am 24. April. Die Preisverleihung findet am 27. Mai im thüringischen Gera statt.

Zu den Preisträgern zählen das Theater Thikwa Berlin, das Piccolo Theater Cottbus, das Theater Erlangen, die Theaterwerkstatt Pilkentafel Flensburg, das Boat People Project aus Göttingen, die Oper Halle, das Helios Theater aus Hamm, das Puppentheater Magdeburg, das Landestheater Schwaben in Memmingen, der Ringlokschuppen Ruhr in Mülheim sowie Theater Rampe aus Stuttgart. Jede Auszeichnung ist den Angaben zufolge mit einem Preisgeld von 75.000 Euro verbunden. Insgesamt habe es 119 Bewerbungen gegeben.

Das Helios Theater hat der Jury zufolge seit dem Umzug vom Gründungsort Köln nach Hamm seine Strahlkraft als Kinder und Jugendtheater kontinuierlich ausgebaut. Mit der biennalen Ausrichtung des internationalen Theaterfestivals "hellwach" und durch die Vernetzungsarbeit vor Ort mit Schulen oder im interkulturellen "Café Welt" für geflüchtete Familien gelinge dem Theater der Bogen von kommunalem zu internationalem Engagement.

Der Ringlokschuppen Ruhr sei wiederum eines der wichtigsten freien Produktionshäuser der Republik, urteilte die Jury. Es habe sich in den vergangenen 15 Jahren zu einem fixen Knotenpunkt im Netzwerk der Performing Arts entwickelt. "Das Programm des Ringlokschuppens befragt die Hierarchien des Theaters - und damit ist immer auch die gesellschaftliche Bühne angesprochen - lustvoll und klug", erklärte die Jury.

"Mit dem Theaterpreis des Bundes, der sich vor allem an kleinere und mittlere Häuser richtet, zeichnen wir in diesem Jahr wieder Theater aus, die vor Ort gesellschaftlich wichtige Debatten anstoßen und die das Leben der jeweiligen Stadtgesellschaften aktiv mitgestalten", sagte Grütters. Dafür bräuchten diese Theater Mut zum künstlerischen Experiment, nicht selten müssten sie auch ihre künstlerische Freiheit verteidigen. Die Auszeichnung sei auch als "Ermutigungspreis" gedacht, mit dem die prämierten Bühnen in ihrem Engagement bestärkt werden sollen. Zugleich solle das Preisgeld den Häusern einen weiteren finanziellen Spielraum für ihr künstlerisches Programm eröffnen.



Ruhrfestspiele gehen mit "Poesie und Politik" auf die Bühnen

Die Ruhrfestspiele bringen in diesem Jahr nationales und internationales Theater unter dem Motto "Poesie und Politik" auf die Bühnen von Recklinghausen und Marl. Die insgesamt 90 Produktionen aus 16 Ländern befassten sich ab dem 01. Mai mit dem Zusammenleben verschiedener Kulturen, Abschottungsfantasien in Europa und Strukturen von Populismus, kündigte der neue Intendant Olaf Kröck am 26. April an. Die Produktionen sind bis 9. Juni unter anderem im Ruhrfestspielhaus, der Christuskirche und in der Recklinghäuser Innenstadt zu sehen.

Nach dem Ende des Steinkohlebergbaus wollten sich die Ruhrfestspiele weiterentwickeln, sagte der Intendant. Dabei müssten die Themen die Lebenswirklichkeit der Menschen betreffen. "Wir wollen sie in einem europäischen Kontext im Theater verhandeln", betonte Kröck.

In seiner ersten Saison präsentiert Kröck, Nachfolger von Frank Hoffmann, unter anderem drei Eigenproduktionen. Zu den Höhepunkten des gesamten Festivals zähle die Produktion von "What is the City but the People?", die nach einer Idee des Konzeptkünstlers Jeremy Deller konzipiert wurde. In der Recklinghäuser Innenstadt werden am 4. Mai 100 ausgewählte Bürger ihre Lebensgeschichten auf einem Laufsteg mitten in der Innenstadt präsentieren.

Zu den sieben Deutschlandpremieren zählen "The Prisoner" von Peter Brook und Marie-Hélène Estienne in Zusammenarbeit mit dem Théâtre des Bouffes du Nord Paris. Aus Indien präsentiert sich der Theatermacher Abishek Thapar mit "My Life at the Intersection/Mein Leben an der Kreuzung". Sein Stück über die Frage nach Heimat, Herkunft, Familie und die Bedeutung der Geschichte für das eigene Leben ist auch Teil des Festival-Kapitels #jungeszene mit Arbeiten junger Theatermacher.

Im Rahmen von #jungeszene stellt auch das namibische Kaleni Kollektiv mit seinem Festival "Owela" die Frage nach der Zukunft der Arbeit. Als Eigenproduktion der Ruhrfestspiele entwickelten darin acht Künstler zwischen Deutschland und Namibia mit Initiativen aus Windhoek Performances, Choreographien, Installationen, Filme und Inszenierungen, hieß es.

In diesem Jahr werden mehr als 850 Künstler unter anderem auch aus Israel, Mexiko, den Niederlanden, Griechenland, den USA, Australien, Spanien, der Schweiz und der Ukraine beteiligt sein. Mit Theaterproduktionen, Tanzabenden, Ausstellungen und Diskussionen kommen die diesjährigen Ruhrfestspiele auf 210 Veranstaltungen.

Die Ruhrfestspiele waren vor über 70 Jahren nach dem Motto "Kunst gegen Kohle" in der Nachkriegszeit gegründet worden. Hamburger Theaterleute waren im Winter 1946/47 ins Ruhrgebiet gereist, um Kohle für ihre Spielstätten zu besorgen. Nachdem die Bergleute halfen, die Kohle an der englischen Besatzung vorbei nach Hamburg zu schleusen, bedankten sich die Künstler im folgenden Sommer mit Gastspielen.




Entwicklung

Buddha-Statuen und radikale Mönche


Trauer in Sri Lankas Hauptstadt Colombo
epd-bild/Ralf Maro/version-foto.de
Sri Lanka steht nach den Osteranschlägen unter Schock. Die Suche nach Erklärungen dauert an. Haben religiöse Spannungen die Radikalisierung junger Muslime befördert? Warum waren Christen ihr Ziel, die auch eine angefeindete Minderheit sind?

Teegärten, ein Buddha-Tempel und tropische Natur prägen den malerischen Ort Kandy in Sri Lanka. Doch vor einem Jahr platzte Gewalt in die Idylle: Eine Gruppe aufgebrachter Buddhisten zündete Geschäfte und die Moschee der muslimischen Einwohner an, nachdem bei einem Verkehrsunfall ein buddhistischer Jugendlicher umgekommen war. Das ist kein Einzelfall: Seit dem Ende des Bürgerkrieges 2009 verschärfen sich in Sri Lanka die religiösen Spannungen. Doch die Anschläge auf Kirchen und Hotels am Ostersonntag mit rund 360 Toten haben eine neue Dimension.

"In den drei Jahrzehnten Bürgerkrieg haben wir so etwas nicht erlebt", sagt Meenakshi Ganguly, die Südasien-Direktorin der Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch". Nach dem blutigen Ostersonntag steht Sri Lanka immer noch unter Schock. Islamistische Selbstmordattentäter verübten koordinierte Terroranschläge auf Kirchen und Hotels - mehr als 250 Menschen kamen ums Leben. Die Terrormiliz "Islamischer Staat" hat sich inzwischen zu den Attentaten bekannt. Es ist das erste Mal, dass Sri Lanka Angriffe von Islamisten erlebt. Und es ist auch das erste Mal, dass in dem Tropenstaat Christen so gezielt angegriffen werden.

Bürgerkrieg mit ethnischen Wurzeln

Sri Lanka ist ein multireligiöses Land: Etwa 70 Prozent der 22 Millionen Einwohner sind Buddhisten. Hindus stellen gut zwölf Prozent der Bevölkerung, knapp zehn Prozent sind Muslime. Christen machen gut sieben Prozent aus, zumeist sind es Katholiken. Die übrigen sind Anglikaner, Protestanten und Methodisten.

Sri Lankas bewegte Geschichte von Einwanderung und Kolonialismus durch Portugiesen, Niederländer und Briten hat dazu geführt, dass sich Ethnien, Religionen, Sprachen und Kulturen mischten. Religion und ethnische Zugehörigkeit sind auf der Tropeninsel zwar eng verbunden, aber überlappen sich nicht komplett. Die meisten Buddhisten sind Singhalesen, während die meisten Hindus und Christen Tamilen sind. Die meisten Muslime sind ethnische Malaien oder sogenannte Moors. Sie sprechen Singhalesisch oder Tamilisch, je nachdem, in welchem Teil der Insel sie leben.

Der 25 Jahre andauernde Bürgerkrieg, der die Nation tief spaltete, hatte ethnische und keine religiösen Wurzeln. Die Tamilen kämpften um einen unabhängigen Staat in Sri Lanka. Jahrzehntelang besetzten sie weite Teile des Nordens und Ostens der Insel, wo sie einen Parallelstaat bildeten. Die Kampflinie verlief zwischen den tamilischen Separatisten und den Singhalesen, die in Regierung und Armee in der Mehrheit sind. Doch sowohl die Christen als auch die Muslime gerieten immer wieder zwischen die Fronten des Konfliktes, in dem etwa 100.000 Menschen starben. Mindestens zehn Priester wurden getötet.

Die Kirche setzte sich für Versöhnung ein: Während des "Schwarzen Juli" von 1983, als anti-tamilische Pogrome und Unruhen die Insel erschütterten und Hunderte Tamilen getötet wurden, öffneten die Kirchen ihre Türen für Schutzsuchende. Auch die Muslime traf die Gewalt des Krieges. Die tamilischen Separatisten vertrieben einen großen Teil der Gemeinschaft im Norden und Osten des Landes.

Anti-muslimische Ausschreitungen

Das Ende des Bürgerkriegs mit dem Sieg über die tamilischen Rebellen stärkte die Position der mehrheitlich buddhistischen Singhalesen - auf Kosten der ethnischen und religiösen Minderheiten. Muslime und Christen wurden ausgegrenzt, angegriffen und schikaniert, wobei die Angriffe auf Moscheen und Muslime weit schwerer waren. Im Jahr 2013 griff eine Menschenmenge eine Moschee in Colombo an. Bei mehrtägigen anti-muslimischen Ausschreitungen 2014 wurden mindestens 4 Menschen getötet und 80 verletzt.

Eine Gruppe von muslimischen Rohingya-Flüchtlingen musste 2017 in Colombo in Sicherheit gebracht werden, nachdem eine wütende Menge, angeführt von radikal-buddhistischen Mönchen, ihre Unterkunft gestürmt hatte. Auf Facebook hatten die Aufwiegler verkündet, die Flüchtlinge seien Terroristen, die einen buddhistischen Mönch getötet hätten. Anti-muslimische Ausschreitungen gab es zuletzt 2018, als in Ampara an der Ostküste Gerüchte kursierten, muslimische Restaurants würden Medikamente ins Essen mischen, um Singhalesen unfruchtbar zu machen. Moscheen und Geschäfte wurden angegriffen. Zwei Menschen starben.

All das bietet einen Nährboden für die Radikalisierung junger Muslime. Es scheint aber paradox, dass ausgerechnet Christen das Ziel ihrer Terroranschläge sind, die ebenfalls eine religiöse Minderheit darstellen und selbst Angriffen radikaler Buddhisten ausgesetzt sind. Erst vor einigen Wochen stürmte ein radikaler buddhistischer Mönch mit einigen Leuten einen Gottesdienst bei Colombo und schlug mit einem Palmenzweig auf den Pfarrer ein. Die Gruppe zerstörte Musikinstrumente der Kirche und verprügelte Betende.

Von Agnes Tandler (epd)


Der Traum vom Regenbogen


Nelson Mandela bei der Stimmabgabe 1994.
epd-bild
Lange Schlangen vor Wahllokalen und ein Gefühl, wie frisch verliebt zu sein: Vor 25 Jahren fanden in Südafrika die ersten demokratischen Wahlen statt, es war das Ende der Apartheid. Doch seither hat sich die Stimmung verändert.

25 Jahre nach dem Ende der Rassentrennung sollten in Südafrika wieder Bücher verbrannt werden. Eine Jugendgruppe der Regierungspartei Afrikanischer Nationalkongress (ANC) plante die Verbrennung eines Buches über einen neuen Korruptionsskandal in der Partei. Die Bücherverbrennung wurde zwar abgesagt, bei einer Buchvorstellung in Johannesburg Anfang April wurden jedoch Exemplare öffentlich zerrissen, so dass die Veranstaltung vorzeitig beendet wurde.

Die Aufregung über das Buch "Gangster State" des Journalisten Pieter-Louis Myburgh zeugt nicht nur von Spannungen innerhalb der Regierungspartei, sondern auch von der aufgeheizten Stimmung im Land, wo 25 Jahre nach den ersten demokratischen Wahlen Frustration und Enttäuschung dominieren. Die Euphorie von damals hat sich bei vielen ins Gegenteil gekehrt.

Vom 26. bis 29. April 1994 fanden in Südafrika die ersten freien Wahlen statt. Nelson Mandela kündigte den Beginn einer neuen Epoche an und versprach eine Ära der Hoffnung, der Versöhnung und des Aufbaus einer Nation. Das Land habe die Zeit des Pessimismus, der Spaltung und des Konflikts hinter sich gelassen, sagte er. Das Apartheid-Regime hatte Tausende verbotener Bücher verbrennen lassen, unter anderem in Hochöfen.

Unsicherer Friede

Die Wahlen besiegelten das Ende des Regimes, das die schwarze Mehrheit jahrzehntelang unterjocht hatte. In ganz Südafrika bildeten sich lange Schlangen vor den Wahllokalen. Alte und Gebrechliche wurden von Angehörigen gestützt, einige sogar getragen. Viele Männer und Frauen hatten ihr ganzes Leben auf diesen Tag gewartet, vor allem die Schwarzen, die zum ersten Mal gleichberechtigt mit den Weißen wählen durften. Stundenlange Wartezeiten konnten sie nicht davon abhalten, ihre Stimme abzugeben.

Viele kamen mit Landsleuten ins Gespräch. "Sie erkannten auf einmal, dass sie alle Südafrikaner waren und sie waren stolz darauf", erinnert sich der emeritierte anglikanische Erzbischof Desmond Tutu in seinem Buch "The Rainbow People of God" (Die Regenbogen-Nation Gottes). Alle hätten sich wie frisch verliebt gefühlt, das ganze Land sei tagelang auf Wolke Sieben geschwebt.

Dabei war der Frieden damals höchst unsicher. Seit der Freilassung Mandelas 1990 waren bei politischen Unruhen und Anschlägen Tausende Menschen getötet worden. Kurz nach Öffnung der Wahllokale zündeten weiße Rechtsextremisten eine Bombe am Johannesburger Flughafen. Schon in den Tagen und Wochen zuvor hatten sie mehrere Anschläge verübt, um einen eigenen "Volksstaat" zu erzwingen. Es gab Tote und Verletzte.

Die friedliche, teils euphorische Stimmung der Wähler konnte jedoch weder durch die Angst vor Gewalt, noch durch erhebliche logistische Pannen getrübt werden. Vor allem in den ländlichen Gebieten der Schwarzen, den früheren Homelands, und den dicht besiedelten Townships am Rande der Städte fehlten zunächst Stimmzettel, Wahlurnen und Wahlkabinen. "Diese Wahl ist weit entfernt von Perfektion, aber noch viel weiter von einem Desaster", bilanzierte der sichtlich erschöpfte Leiter der Wahlkommission, Johann Kriegler.

"Endlich frei!"

Internationale Beobachter stimmten ihm zu, dass die erste demokratische Wahl im Großen und Ganzen fair und frei gewesen sei und das Ergebnis den Willen der Wähler widerspiegele. Wenige Tage später verkündete Mandela mit einem Freudentanz und den Worten "Endlich frei!" den Sieg des ANC, der rund 62 Prozent der Stimmen errungen hatte. In den Townships wurde daraufhin die ganze Nacht gefeiert.

25 Jahre später ist die Stimmung umgeschlagen. Wenn am 8. Mai ein neues Parlament und damit auch der Präsident gewählt wird, muss der ANC um seine Mehrheit kämpfen. Die einstige Befreiungsbewegung und Partei Mandelas wird von internen Streitigkeiten und Korruptionsvorwürfen erschüttert. Oppositionsführer Mmusi Maimane von der Demokratischen Allianz sprach gar von einer kriminellen Organisation, die sich für systematische Korruption und Verschwendung öffentlicher Gelder verantworten müsse.

Missmanagement durch die ANC-Regierungen seit 1994 wird auch für den Zustand der Wirtschaft verantwortlich gemacht. Die Arbeitslosigkeit liegt noch immer bei weit über 20 Prozent, viele Menschen leben in Armut und in Teilen des Landes gibt es noch immer kein Stromnetz. Vor 25 Jahren überwog die Hoffnung, dies würde sich rasch ändern.

Von Benjamin Dürr (epd)


Abkommen über Teilung der Macht im Sudan

Es könnte ein Durchbruch sein: Sudans Militärjunta und Vertreter der Zivilgesellschaft haben sich auf die Bildung einer gemeinsamen Regierung geeinigt. Zahlreiche Streitpunkte bleiben jedoch bestehen - wie das Schicksal von Ex-Präsident Al-Baschir.

Im Sudan wollen sich Opposition und Militärjunta in einer Übergangsregierung die Macht teilen. Nach monatelangen Protesten der Zivilgesellschaft und einem Militärputsch einigten sich Vertreter beider Seiten am Samstagabend auf die Bildung eines gemeinsamen Übergangsrates, wie die Onlinezeitung "Sudan Tribune" am 28. April berichtete. Wer dem Rat angehören soll, ist allerdings noch umstritten, ebenso wie die Machtverteilung und das Schicksal des abgesetzten Langzeitherrschers Omar al-Baschir.

Mitte Dezember hatte die sudanesische Zivilgesellschaft, insbesondere die Mittelschicht, zunächst gegen steigende Brot- und Spritpreise protestiert. Die Demonstranten forderten jedoch bald den Rücktritt Al-Baschirs mit für den Sudan außergewöhnlichen Massenkundgebungen. Am 11. April stürzte die Armee den Präsidenten und ersetzte ihn durch einen Militärrat. Doch die Menschen forderten eine Zivilregierung und protestierten weiter.

Streitpunkt Machtverteilung

Gespräche über die Bildung einer Übergangsregierung wurden nach einer Unterbrechung Mitte der Woche fortgesetzt. Vertreter des Militärs und der Koalition "Freiheit und Veränderung", der verschiedene zivilgesellschaftliche Gruppen angehören, einigten sich am 27. April auf die Bildung eines gemeinsamen Übergangsrats, der die Funktion eines Präsidenten erfüllen soll. Zudem sollen eine zivile Regierung und ein Parlament ernannt werden.

Ein Streitpunkt blieb jedoch zunächst die Machtverteilung im Übergangsrat. Medienberichten zufolge fordern die Demonstranten eine Mehrheit von acht Vertretern und sieben Militärs. Die Militärjunta dagegen will demnach einen kleineren Rat mit sieben Militär-Angehörigen und drei Zivilisten. Auch über die Regierungsperiode wurde noch keine Einigung erzielt. Das Militär will eine zwei-jährige Übergangszeit, die Zivilgesellschaft fordert vier Jahre. Die Gespräche wurden am 29. April fortgesetzt.

Auslieferung Al-Baschirs verlangt

Auch der Sicherheitsrat der Afrikanischen Union (AU) beschäftigt sich mit der Lage im Sudan. Der Sicherheitsrat der Organisation hatte der Militärjunta zunächst 15 Tage Zeit gegeben, um die Macht an eine zivile Regierung abzugeben. Ansonsten wird die Mitgliedschaft des Sudans ausgesetzt. Die Frist verstreicht am 30. April, der Rat will sie Beobachtern zufolge jedoch um drei Monate verlängern.

Oppositionsführer Sadik al-Mahdi forderte derweil, der abgesetzte Al-Baschir müsse an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag ausgeliefert werden. Gegen Al-Baschir, der den Sudan 30 Jahre lang autoritär regierte, liegen Haftbefehle des Strafgerichtshofs wegen Völkermords und Kriegsverbrechen in der Krisenregion Darfur vor. Derzeit befindet er sich in einem Hochsicherheitsgefängnis in der sudanesischen Hauptstadt Khartum.

Der Sudan ist kein Mitgliedsstaat des Internationalen Strafgerichtshofs und verweigerte bisher eine Zusammenarbeit mit dem Gericht. Al-Mahdi forderte in Khartum, das Land müsse dem Strafgericht beitreten.



In Ghana sollen Drohnen eilige Medizin fliegen

Das westafrikanische Ghana hat einen Drohnen-Lieferdienst für dringende Medikamente und Blutkonserven gestartet. Das US-Unternehmen Zipline werde dafür zwölf Millionen US-Dollar (10,7 Millionen Euro) für die nächsten vier Jahre bekommen, berichtete der britische Sender BBC am 24. April. Laut der Firma sind bei vollem Betrieb im Mittel 150 Lieferungen pro Tag an mehr als 2.000 Gesundheitseinrichtungen möglich. Maximal könnten es 500 sein. Per SMS oder WhatsApp bestellt, soll die Medizin bereits in 30 Minuten eintreffen. In Ruanda betreibt Zipline bereits einen ähnlichen Lieferdienst.

Präsident Nana Akufo-Addo sprach von einem großen Schritt, um jedem Ghanaer Zugang zu lebensrettender Medizin zu verschaffen. Auch der Generaldirektor des nationalen Gesundheitssystems, Anthony Nsiah-Asare, knüpft an den computergesteuerten Transport auf dem Luftweg große Hoffnungen: "Ghana kann Geld sparen und Leben retten, indem es Drohnen für dringende Medikamentenlieferungen nutzt", sagte er laut dem Portal "GhanaWeb". Kritiker wenden dagegen ein, das Geld würde besser für Kliniken und Ambulanzen eingesetzt.



Amnesty: 1.600 Tote in Rakka bei Luftangriffen der Anti-IS-Allianz

Luftangriffe der US-geführten internationalen Koalition haben in der syrischen Stadt Rakka nach Erkenntnissen von Menschenrechtlern mehr als 1.600 Zivilisten das Leben gekostet. Amnesty International und die Organisation Airwars stellten am 25. April in London eine Studie vor, nach der das Militärbündnis im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) Bomben zum Teil nicht zielgenau abwarf und zahlreiche Artillerieangriffe wahllos Zerstörung anrichteten. "Es ist nicht überraschend, dass dabei Hunderte Zivilisten getötet und verletzt wurden", sagte Donatella Rovera, Chefberaterin bei Amnesty International. Mehr als 11.000 Gebäude wurden den Angaben zufolge zerstört.

Den Erkenntnissen nach wurde beispielsweise am Abend des 25. September 2017 ein fünfstöckiges Wohnhaus getroffen. Im Keller hatten zu der Zeit vier Familien Zuflucht gesucht. Mindestens 32 Menschen, unter ihnen 20 Kinder, seien getötet worden. Eine Überlebende wurde zitiert mit den Worten: "Flugzeuge bombardierten und Raketen schlugen rund um die Uhr ein und IS-Scharfschützen waren überall. Man konnte kaum atmen." Sie habe alle verloren, die ihr wichtig waren, ihre vier Kinder, ihren Ehemann, die Mutter und die Schwester." Mit Blick auf die Militärkoalition fügte sie demnach hinzu: "War das Ziel nicht, die Zivilisten zu befreien?"

Menschenrechtsverstöße

Innerhalb von knapp zwei Jahren haben die Menschenrechtler über Interviews, Satellitenbilder, Besuche vor Ort und Videoanalysen die direkten Folgen der US-, britischen und französischen Luftangriffe sowie der Artillerieangriffe der Koalitionstruppen untersucht, die von Juni bis Oktober 2017 die IS-Hochburg Rakka im Norden Syriens zurückerobert hatten. Bis dahin hatten die Dschihadisten beinahe vier Jahre in der Stadt geherrscht.

Die Menschenrechtsorganisationen fordern nun die beteiligten Staaten auf, uneingeschränkt aufzuklären, was in Rakka schiefgegangen sei. Denn bei vielen der dokumentierten Fälle könnte es sich um Menschenrechtsverstöße handeln. Die US-geführte Koalition müsse einen unabhängigen Mechanismus einführen, um künftig selbst möglichst zügig ermitteln zu können. Opfer und deren Familien müssten zudem entschädigt werden.



Erster Malaria-Impfstoff wird in Pilotprogramm in Afrika erprobt

Der Impfstoff könnte Zehntausende Kinder vor dem Tod durch Malaria bewahren, sagt der Generaldirektor der WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus. Jedes Jahr sterben rund 435.000 Menschen an Malaria, die meisten davon Kinder.

In Malawi hat in einem Pilotprogramm die weltweit erste Impfkampagne zum Schutz gegen die tropische Fieberkrankheit Malaria begonnen. Kinder bis zum Alter von zwei Jahren sollen mit dem Medikament RTS,S geimpft werden, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am 23. April in Genf mitteilte. Der Impfstoff sei nach 30 Jahren Forschung die erste Substanz, die das Malaria-Risiko bei Kindern deutlich senken könne. In klinischen Tests habe RTS,S vier von zehn Infektionen verhindert.

In den nächsten Wochen wird das Pilotprogramm auf Ghana und Kenia ausgeweitet. Der Impfstoff der britischen Firma GlaxoSmithKline könnte Zehntausende Kinder vor dem Tod durch Malaria bewahren, sagte der Generaldirektor der WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus. Die Weltgesundheitsorganisation erhofft sich von der Erprobung in den drei Ländern wichtige Informationen über den Impfschutz gegen Malaria. GlaxoSmithKline stellt den Angaben nach für das Pilotprogramm bis zu zehn Millionen Dosen gratis zur Verfügung.

435.000 Tote

Malaria ist eine der gefährlichsten Krankheiten auf der Erde. Laut WHO werden pro Jahr mehr als 200 Millionen Fälle aus etwa 85 Ländern im südlichen Teil der Welt gemeldet. Jedes Jahr sterben rund 435.000 Menschen an Malaria, die meisten davon Kinder.

Typische Symptome der Malaria sind Fieberschübe, Krämpfe sowie Magen- und Darmbeschwerden. In schweren Fällen treten Hirnschäden oder Blutarmut (Anämie) auf. Ohne schnelle Behandlung verläuft die Krankheit oft tödlich. Die gefährlichste Form, die Malaria tropica, kann bei Babys in wenigen Stunden zum Tod führen.

Resistenzen

Bei rechtzeitiger Diagnose und Medikamentengabe ist Malaria heilbar. Zur Behandlung empfehlen Mediziner Kombinationspräparate auf Grundlage des pflanzlichen Wirkstoffs Artemisinin. In vielen armen Ländern fehlt Erkrankten allerdings der Zugang zu der rettenden Behandlung. Und mancherorts treten erste Resistenzen auf.

Insgesamt verzeichnete der Kampf gegen Malaria in den vergangenen Jahren dennoch greifbare Erfolge: Laut WHO sank die Todesrate seit dem Jahr 2000 um mehr als 40 Prozent, in Afrika sogar um fast 50 Prozent.

Die Krankheit wird von Plasmodium-Parasiten ausgelöst, die durch Stiche der weiblichen Anopheles-Mücken übertragen werden. Mit Moskitonetzen, die mit Insektiziden behandelt sind, kann das Ansteckungsrisiko stark verringert werden.



UN stimmen für Resolution gegen sexuelle Gewalt in Konflikten

Im Sicherheitsrat haben 13 Staaten für einen deutschen Text gegen sexualisierte Gewalt votiert. Russland und China enthielten sich. Die USA hatten zunächst mit einem Veto gedroht.

Der UN-Sicherheitsrat hat auf Initiative Deutschlands eine Resolution gegen sexualisierte Gewalt in Konflikten angenommen. Für den Entwurf stimmten am 23. April in New York 13 Staaten. Russland und China enthielten sich. Die Bundesregierung hatte den Text eingebracht, um wirksamer und schneller gegen Vergewaltigungen in Kriegen vorzugehen.

Die USA hatten zunächst mit einem Veto gegen die Resolution gedroht. Die US-Amerikaner wehrten sich gegen eine Passage über sexuelle und reproduktive Gesundheit, die auch Abtreibungen erwähnte. Die Passage wurde gestrichen.

Mit der Resolution werde sichergestellt, dass sexuelle Gewalt Konsequenzen habe für die Täter, auch in Form von Sanktionen, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD). Die Welt müsse die Strafverfolgung der Täter sicherstellen. Maas leitete die Sitzung, Deutschland hält im April die Präsidentschaft des Rates.

Kriegstaktik

Der Bundesaußenminister betonte, dass die Opfer ins Zentrum der Aufmerksamkeit gehörten. "Die Resolution ruft deshalb alle UN-Mitgliedstaaten dazu auf, sie zu unterstützen, durch besseren Zugang zur Justiz, medizinische und psychologische Hilfe und Unterstützung bei der Wiedereingliederung in die Gesellschaft." Die Opfer müssten nach ihren schrecklichen Erfahrungen ein Leben in Würde führen können.

Die Resolution lenke zudem den Blick auf diejenigen Opfer von sexueller Gewalt, die nicht genug Aufmerksamkeit bekämen. Maas nannte Jungen und Männer, die geschlechtliche Gewalt erfahren mussten, sowie Mütter und ihre Kinder, die aus Vergewaltigungen hervorgegangen sind.

UN-Generalsekretär António Guterres beklagte, dass Vergewaltigung in vielen Krisenregionen der Welt eine Kriegstaktik sei. "Die meisten dieser Verbrechen werden niemals gemeldet, niemals untersucht und erst recht nicht vor Gericht gestellt", sagte Guterres. Bewaffnete Gruppen, auch Extremisten und Terroristen, setzten auf die Unterwerfung von Frauen und Mädchen - zum Beispiel durch Versklavung oder Zwangsheiraten.

Guterres rief die Regierungen aller Länder auf, mehr für den Schutz der Frauen in Kriegsgebieten zu tun. Wenn Frauen stärker in Politik, Wirtschaft, Sozialleben sowie bei Friedensmissionen und Gesprächen eingebunden würden, würden sie sicherstellen, dass das Thema auch mehr Gewicht bekomme. Die Vereinten Nationen verurteilten sexuelle Gewalt in Konflikten bereits in einigen Resolutionen. Sexuelle Gewalt wird vom Völkerrecht als Kriegsverbrechen eingestuft.

Nobelpreisträger

Als Redner eingeladen waren die Friedensnobelpreisträger Nadia Murad und Denis Mukwege. Mukwege forderte entschiedeneres Vorgehen gegen diese "barbarischen Akte". Nötig seien Warnmechanismen und schnelle Reaktionen, um diesen Verbrechen zu begegnen, betonte der kongolesische Arzt, der sich für vergewaltigte Frauen einsetzt.

Murad, die von Kämpfern der Terrormiliz "Islamischen Staat" (IS) als Sexsklavin gefangen gehalten worden war, forderte, dass die Täter, von denen viele noch in Freiheit seien, vor einem internationalen Gericht zur Verantwortung gezogen werden. UN-Ermittler stufen den "Islamischen Staat" als besonders grausam ein. IS-Fanatiker verschleppten und vergewaltigten in den vergangenen Jahren in Syrien und im Irak Tausende Frauen. Viele Opfer überlebten das Martyrium nicht.

Die Menschenrechtlerin Inas Miloud verwies auf die sexuelle Gewalt gegen Frauen in dem Konfliktland Libyen. Sie verlangte vom UN-Sicherheitsrat, sich mit Nachdruck für einen Waffenstillstand einzusetzen. Zudem dürften keine Waffen mehr nach Libyen geliefert werden.



Vergewaltigung als Kriegswaffe


Rohingya-Frauen warten mit ihren Kindern auf die Verteilung von Nahrungsmitteln in einem Flüchtlingscamp in Cox´s Bazar in Bangladesch (Archivbild von 2018).
epd-bild/Nicola Glass
Wie in Myanmar setzen Militärs und Rebellen in vielen Ländern Vergewaltigungen als Kriegswaffe ein. Die Bundesregierung hat das Thema auf die Tagesordnung des UN-Sicherheitsrats gesetzt.

Die Erinnerung lässt Schmerz und Demütigung wieder aufleben: Wie Soldaten die Frauen und Mädchen zusammentrieben, um sie zu vergewaltigen. Wie Müttern vor den Augen ihrer Kinder die Kleider vom Leib gerissen wurden und sie ihre Töchter nicht vor der Gewalt schützen konnten. Diese und andere Gräuel schilderten Rohingya-Flüchtlinge, die vor Myanmars Armee nach Bangladesch flohen.

Das brutale Vorgehen wurde laut der UN-Sonderbeauftragten für sexuelle Gewalt in Konflikten, Pramila Patten, vom Militär befohlen, organisiert und verübt. Auch Grenzpolizisten und Milizen seien an Verbrechen wie Gruppenvergewaltigungen oder sexueller Versklavung beteiligt gewesen. Für diesen Dienstag hat die Bundesregierung den Schutz von Frauen in Konflikten auf die Agenda des UN-Sicherheitsrats gesetzt, in dem Deutschland momentan den Vorsitz hat.

Im April 2018 hatten die UN Myanmars Militär erstmals auf eine internationale Liste von Armeen und Milizen gesetzt, die für sexuelle Gräueltaten in bewaffneten Konflikten berüchtigt sind. Die Verbrechen an den muslimischen Rohingya machte seit der Massenflucht im August 2017 weltweit Schlagzeilen.

Über systematische sexuelle Gewalt gegen Angehörige anderer Minderheiten wird dagegen wenig berichtet. Dabei ist die Armee seit langem dafür berüchtigt, ähnlich brutal gegen Volksgruppen in Bundesstaaten wie Shan und Kachin vorzugehen. Dort kämpfen staatliche Truppen gegen bewaffnete Rebellen, während die Zivilisten die hauptsächlich Leidtragenden sind.

"License to Rape"

Schon zu Zeiten der Militärdiktatur in Myanmar, die formell 2011 endete, dokumentierten einheimische und internationale Menschenrechtsorganisationen, wie die Armee sexuelle Gewalt als "Kriegswaffe" einsetzte. Als eines der wichtigsten Dokumente gilt der 2002 veröffentlichte Bericht "License to Rape" (Lizenz zum Vergewaltigen). Darin listen die "Shan Menschenrechtsstiftung" und das "Aktionsnetzwerk der Shanfrauen" in 173 Fällen Vergewaltigungen und andere sexuelle Gewalttaten an 625 Frauen und Mädchen von 1996 bis 2001 auf. Diese Verbrechen dienten dazu, die lokale Bevölkerung zu terrorisieren und zu unterjochen, erklärte die Mitverfasserin Charm Tong.

Auch die Burmesische Frauenliga dokumentierte 2014 mehr als 100 Vergewaltigungen an Frauen und Mädchen innerhalb von knapp vier Jahren. Manche Opfer waren erst acht Jahre alt. Die meisten der genannten Verbrechen ereigneten sich im nördlichen Kachin-Staat und im Norden des benachbarten Shan-Staates. Fast die Hälfte seien Gruppenvergewaltigungen gewesen, 28 der Opfer seien danach ermordet worden oder an ihren Verletzungen gestorben. Zugleich gingen die Frauenrechtlerinnen davon aus, dass diese Zahlen nur einen Bruchteil der tatsächlich begangenen Verbrechen darstellten.

Angesichts der Tatsache, dass Militärs und andere Täter im früheren Birma fast ausnahmslos straffrei blieben, sind auch die Aktivistinnen der Frauenorganisation der Karen ernüchtert, die sich mit den verfolgten Rohingya solidarisierten. Ihre Kritik zielt zugleich auf Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, die seit 2016 De-facto-Regierungschefin ist. Die Hoffnung, dass mit ihrer Regierung die Gewalt aufhöre, sei bislang vergebens.

Von Nicola Glass (epd)