Luftangriffe der US-geführten internationalen Koalition haben in der syrischen Stadt Rakka nach Erkenntnissen von Menschenrechtlern mehr als 1.600 Zivilisten das Leben gekostet. Amnesty International und die Organisation Airwars stellten am 25. April in London eine Studie vor, nach der das Militärbündnis im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) Bomben zum Teil nicht zielgenau abwarf und zahlreiche Artillerieangriffe wahllos Zerstörung anrichteten. "Es ist nicht überraschend, dass dabei Hunderte Zivilisten getötet und verletzt wurden", sagte Donatella Rovera, Chefberaterin bei Amnesty International. Mehr als 11.000 Gebäude wurden den Angaben zufolge zerstört.

Den Erkenntnissen nach wurde beispielsweise am Abend des 25. September 2017 ein fünfstöckiges Wohnhaus getroffen. Im Keller hatten zu der Zeit vier Familien Zuflucht gesucht. Mindestens 32 Menschen, unter ihnen 20 Kinder, seien getötet worden. Eine Überlebende wurde zitiert mit den Worten: "Flugzeuge bombardierten und Raketen schlugen rund um die Uhr ein und IS-Scharfschützen waren überall. Man konnte kaum atmen." Sie habe alle verloren, die ihr wichtig waren, ihre vier Kinder, ihren Ehemann, die Mutter und die Schwester." Mit Blick auf die Militärkoalition fügte sie demnach hinzu: "War das Ziel nicht, die Zivilisten zu befreien?"

Menschenrechtsverstöße

Innerhalb von knapp zwei Jahren haben die Menschenrechtler über Interviews, Satellitenbilder, Besuche vor Ort und Videoanalysen die direkten Folgen der US-, britischen und französischen Luftangriffe sowie der Artillerieangriffe der Koalitionstruppen untersucht, die von Juni bis Oktober 2017 die IS-Hochburg Rakka im Norden Syriens zurückerobert hatten. Bis dahin hatten die Dschihadisten beinahe vier Jahre in der Stadt geherrscht.

Die Menschenrechtsorganisationen fordern nun die beteiligten Staaten auf, uneingeschränkt aufzuklären, was in Rakka schiefgegangen sei. Denn bei vielen der dokumentierten Fälle könnte es sich um Menschenrechtsverstöße handeln. Die US-geführte Koalition müsse einen unabhängigen Mechanismus einführen, um künftig selbst möglichst zügig ermitteln zu können. Opfer und deren Familien müssten zudem entschädigt werden.