Wer Pete Seeger (1919-2014) besuchen wollte, musste eine steile Fahrt auf ungeteertem Waldweg unternehmen, hinauf Richtung Mount Beacon, einen Berg rund 100 Kilometer nördlich von New York City. Der Folksänger und seine Ehefrau, Managerin und Mitstreiterin Toshi Seeger hatten sich dort Ende der 40er Jahre ein Häuschen gebaut mit spektakulärem Blick auf den Hudson-Fluss. Doch Luxus sieht anders aus: Noch in seinen 90ern schwang der hochgewachsene, hagere Musiker gelegentlich selbst die Axt fürs Brennholz.

Er habe "Hoffnung für die Menschheit", antwortete Seeger wenige Monate vor seinem Tod im Januar 2014 auf die Frage, warum er noch immer singe und politisch aktiv sei. Seeger, geboren am 3. Mai vor 100 Jahren, war ein Mann mit festem Händedruck. Erst im hohen Alter wurde sein Tenor brüchig.

Das politisches Engagement hat ihn sein Leben lang begleitet, Lieder wie "Sag mir, wo die Blumen sind", "We Shall Overcome", "If I had a hammer" waren Hymnen der Friedens- und Protestbewegung. Noch im Oktober 2011 zog der alte Mann, rote Strickmütze auf dem Kopf, in jeder Hand einen Gehstock, singend mit der Occupy-Bewegung durch Manhattan.

"Leuchtturm"

Seeger sei "eingetreten für das, was richtig war", würdigte ihn Barack Obama, er habe die Nation "näher zu dem Amerika gebracht, das wir sein könnten". Und Rocker Bruce Springsteen sagte, Seeger sei ein "Leuchtturm" für Menschen, die soziale Gerechtigkeit suchten. "Erneuerer der Folk-Musik" und "musikalischer Begleiter fortschrittlicher Bewegungen" hieß es in den Nachrufen nach seinem Tod.

Man hörte den Banjo spielenden Seeger eher bei Gewerkschaftsveranstaltungen und auf Friedens- und Umweltkundgebungen als in Konzertsälen und in Fernsehshows. Und er sang oft für Kinder. Wenn er auftrat, hörten die Leute nicht nur zu, sie sangen mit. Als Musiker sei es ihm wichtiger, Lieder "auf die Lippen als in die Ohren der Zuhörer" zu legen, sagte er selbst. Singen bringe Menschen zusammen.

Am 3. Mai 1919 kam er in New York auf die Welt. Seegers Mutter war Geigenspielerin, sein Vater Musikwissenschaftler. Kurz vor Petes Geburt verlor er seine Stelle, weil er Reden gegen den Krieg gehalten hatte.

Radikale Politik und Musik hatten Tradition in Pete Seegers Familie: Ein deutscher Seeger habe die preußische Tyrannei verabscheut und sei nach Amerika ausgewandert, schrieb er über seine Vorfahren. Viele seiner Aufsätze und Briefe sind in dem Band "Pete Seeger in his own Words" von Bob Rosenthal und Sam Rosenthal im Jahr 2012 erschienen. Gelegentlich sang Seeger das aus dem 19. Jahrhundert stammende "Die Gedanken sind frei".

Seeger war ein überzeugter Linker und in Amerika nicht immer und nicht überall beliebt. Um kommerziellen Erfolg ging es ihm ohnehin nicht. Anfang der 40er Jahren, genaue Daten wisse er nicht mehr, habe er mit Woody Guthrie, Autor von "This Land is your Land", manchmal in New York bei Fundraising-Partys für die Kommunistische Partei gesungen, erzählt Seeger.

In der DDR gefeiert

Doch Parteidisziplin war nicht seine Sache. Unter anderem wegen der Nachrichten über die Moskauer Schauprozesse mit "einem erzwungenen Geständnis nach dem anderen", sei er "ausgestiegen". Doch Seeger blieb "ein Kommunist mit einem kleinen K", wie er es formulierte. Er hatte keine Berührungsängste, 1967 wurde er in der DDR gefeiert.

Das US-Magazin "Mother Jones" hat Auszüge aus Seegers rund 1.800 Seiten dicker FBI-Akte veröffentlicht. 1955 wurde er vom US-Kongressausschuss zum Thema "unamerikanischen Aktivitäten" vorgeladen. Es war die Zeit des strikten Antikommunismus. Er weigere sich, unter Druck persönliche Fragen über seine "philosophischen und religiösen Überzeugungen" zu beantworten, ließ Seeger die Abgeordneten wissen.

Zum 100. Geburtstag sind in vielerorts Konzerte geplant. Der Verlag Smithsonian Folkways Collection bringt ein CD-Box-Set mit Seegers Musik auf den Markt. Darunter seien 20 noch nie gehörte Aufnahmen, wirbt der Verlag.

Bei Obamas Amtseinführung 2009 sangen Seeger und Springsteen "This Land is Your Land", und zwar auch die oft weggelassenen letzten Strophen. Darin geht es um die vielen hungrigen Menschen in den USA und implizit um die Frage, ob die USA wirklich "für dich und mich geschaffen" worden seien. Für Obama war der Sänger offenbar prägend. Er habe ihm gesagt, erzählte Seeger später in einem Interview, "Mr. Seeger, als ich vier Jahre alt war, hat meine Mutter mir ihre Schallplatten vorgespielt."