wann kommt er, der erste Impfstoff gegen das Corona-Virus? Gesundheitspolitiker und Virologen nähren die Hoffnung, dass spätestens Anfang nächsten Jahres einer oder mehrere Impfstoffe bereitstehen. Doch dann naht eine Herkulesaufgabe für die Bundesländer. Sie müssen die flächendeckenden Impfungen organisieren. Längst sind dazu die Vorarbeiten angelaufen und sollen fast überall bis Mitte Dezember beendet sein. epd sozial hat erfragt, wie und wo die Impfzentren entstehen sollen. Dabei zeigt sich: Trotz Föderalismus gehen die Länder ähnliche Wege.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte gute Nachrichten für die Seniorinnen und Senioren im Gepäck: Trotz Konjunkturdelle wegen Corona würden die Renten 2021 nicht sinken - Folge der Rentengarantie. Heil stellte den Alterssicherungsbericht 2020 vor und verwies auf die seit Jahren wegen der guten Lohnentwicklung stetig gestiegenen Altersbezüge. Doch damit sei nun erst mal Schluss.
Folgt man dem Paritätischen Wohlfahrtsverband, dann liegt die Armutsquote in Deutschland auf Rekordhoch. 15,9 Prozent sind laut jüngstem Armutsbericht der höchste Wert seit der Wiedervereinigung. Corona, so ist zu hören, werde die Lage der Bedürftigen noch verschärfen. Höchste Zeit für Reformen, fordert Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider. Er warf der Bundesregierung eine "armutspolitische Verweigerungshaltung" vor.
Ein Wortgefecht im Betriebrat mit drastischen Folgen: Ein bereits zuvor wegen Beleidigung abgemahnter Mitarbeiter ist wegen rassistischer Äußerungen zu Recht fristlos gekündigt worden. Er hatte gegenüber einem dunkelhäutigen Kollegen Affenlaute nachgeahmt. Das sei eine schwere Beleidigung und gefährde den Betriebsfrieden, entschied das Bundesverfassungsgericht.
Lesen Sie täglich auf dem Twitteraccount von epd sozial Nachrichten aus der Sozialpolitik und der Sozialbranche. Auf diesem Kanal können Sie mitreden, Ihren Kommentar abgeben und über Neuigkeiten Ihrer Einrichtung berichten. Gerne lese ich auch Ihre E-Mail.
Hier geht es zur Gesamtausgabe von epd sozial 48/2020. Eine interessante Lektüre wünscht Ihnen
Dirk Baas
Frankfurt a.M. (epd). Der Bundesverband der Diakonie begrüßt den Beschluss von Bund und Ländern, dass Risikogruppen im Dezember FFP2-Schutzmasken gegen ein kleines Entgelt erhalten sollen. "Wichtig ist, dass die Masken nicht nur an Menschen in den Pflege-Einrichtungen ausgegeben werden, sondern sich die betroffenen Menschen, also Über-60-Jährige, Diabetiker, Übergewichtige die Masken in den Apotheken abholen können", sagte der Gesundheitsexperte des Verbandes, Peter Bartmann, am 26. November dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Der Beschluss zu den Masken betrifft 27 Millionen Menschen in Deutschland, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Bundestag sagte. Niemand solle so tun, als könne man eine solche Zahl an Menschen schützen, indem man sie aus dem öffentlichen Bereich fernhalte: "Das wird nicht gehen und ich halte das auch nicht für ethisch vertretbar", sagte Merkel.
Die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten hatten am 25. November entschieden, dass im Zuge der neu beschlossenen Beschränkungen pro Pflegeheimbewohner ab 1. Dezember 30 Schnelltests pro Monat kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Dadurch sollen "Bewohner in Einrichtungen zu Weihnachten unter möglichst sicheren Bedingungen Familienbesuch erhalten können", heißt es in dem Bund-Länder-Beschluss. Außerdem will der Bund erreichen, dass Risikogruppen im Dezember preisgünstig 15 FFP2-Masken angeboten werden, also rechnerisch eine pro Winterwoche.
Die Diakonie Deutschland zeigte sich mit der neuen Regelung für Schnelltests in Pflegeeinrichtungen zufrieden. Der Verband kritisierte allerdings, dass der mit den Tests verbundene Personalaufwand nur im Krankenhaus und in der Pflege refinanziert werde, nicht aber in der Arbeit mit Menschen mit Behinderung. "Dort haben sich auch viele Menschen angesteckt", sagte Bartmann. "Die Pflegeeinrichtungen bekommen neun Euro pro Testung, das brauchen vergleichbare Behinderteneinrichtungen auch", forderte er.
Das Diakonische Werk Rheinland-Westfalen-Lippe (RWL) mahnte ebenfalls Corona-Schnelltests für alle Angebote der Behindertenhilfe an. "Die Einrichtungen müssen für die freiwilligen Testungen erst Anträge bei den örtlichen Gesundheitsämtern und Landschaftsverbänden stellen und wissen nicht, ob sie die Kosten erstattet bekommen", kritisierte Diakonie-Vorstand Christian Heine-Göttelmann in Düsseldorf.
Einrichtungen müssten in Vorkasse gehen. Der bürokratische Aufwand sei zudem hoch. Dies habe zur Folge, dass dringend notwendige Testungen oft nicht stattfinden könnten, sagte Heine-Göttelmann. "Wir können die Menschen mit Beeinträchtigung, die in unseren besonderen Wohnformen und Wohngruppen leben, nicht monatelang isolieren, um sie gesundheitlich zu schützen", erklärte der Chef des größten diakonischen Landesverbandes in Deutschland. Das widerspreche der Menschenwürde und dem Gedanken der Teilhabe.
Der Bundesverband privater Pflegeeinrichtungen (bpa) erklärte sich mit den zusätzlichen Schutzmaßnahmen für vulnerable Gruppen einverstanden. Denn bei einer guten Ausstattung mit Schutzkleidung und Schnelltests könnten die Pflegeträger versuchen, möglichst viel Normalität in den Heimen zu unterstützen. Allen Beteiligten müsse aber klar sein, dass die eingeübten Hygieneregeln selbst bei einem negativen Testergebnis sowohl außerhalb als auch innerhalb der Heime befolgt werden müssen, appellierte der Verband an die Angehörigen. Wenn den Pflegebedürftigen zu Hause zusätzliche Schutzmasken zur Verfügung gestellt werden, schütze das nicht nur die Familie, sondern auch die Pflegekräfte.
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, kritisierte die Beschlüsse von Bund und Ländern als unzureichend. "Mit 30 Schnelltests pro Monat kann es nicht gelingen, das Virus dort frühzeitig zu erkennen und aufzuhalten, wo es am härtesten zuschlägt", sagte Brysch dem epd. Dabei gebe es an Testmaterial keinen Mangel. "So wird die Wirkung des Teil-Lockdowns erheblich geschmälert. Das hat Folgen für Leib und Leben der Hochrisikogruppe und gefährdet die Kapazitäten der Intensivstationen", bemängelte er.
Berlin (epd). Bund und Länder haben sich am 25. November auf Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie bis ins nächste Jahr verständigt. Sie wollen eine Verlängerung der derzeit geltenden Schließungen, eine Verschärfung der Kontaktbeschränkungen, aber Ausnahmen zu Weihnachten. So sieht der Corona-Fahrplan aus:
Verlängerung der Beschränkungen: Die seit dem 2. November geltenden Schließungen von Kultur- und Freizeiteinrichtungen, Restaurants, Bars und einzelnen Branchen werden bis zum 20. Dezember verlängert. Allerdings gehen Bund und Länder davon aus, dass die Beschränkungen wegen weiterhin hoher Infektionszahlen noch bis Anfang Januar erforderlich sein werden. Dazu soll es vor Weihnachten eine Bewertung geben. Die finanzielle Unterstützung betroffener Betriebe soll fortgeführt werden.
Kontaktbeschränkungen: Private Treffen werden auf höchstens fünf Personen aus maximal zwei Haushalten begrenzt. Bislang galt eine Obergrenze von zehn Personen. Kinder unter 14 Jahren werden dabei nicht mitgezählt. Für Weihnachten und Silvester soll es Ausnahmen geben: Familien und Freunde dürfen vom 23. Dezember bis längstens zum 1. Januar im Kreis von zehn Personen aus mehreren Haushalten zusammenkommen. Um insbesondere ältere Familienmitglieder nicht zu gefährden, wird eine mehrtägige freiwillige Quarantäne vor und als Vorsichtsmaßnahme auch nach den Festtagen empfohlen. Die häusliche Quarantäne nach Kontakt mit Infizierten wird einheitlich von 14 Tagen auf 10 Tage reduziert.
Schule und vorgezogene Weihnachtsferien: In Regionen mit mehr als 50 Corona-Ansteckungen auf 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen soll grundsätzlich eine Maskenpflicht auch im Schulunterricht ab der siebten Klasse gelten. In besonderen Hotspots solle in älteren Jahrgängen beispielsweise Wechselunterricht eingeführt werden, um die Kontakte zu reduzieren. Die Weihnachtsferien werden bundesweit auf den 19. Dezember vorgezogen. Hochschulen und Universitäten sollen grundsätzlich auf digitale Lehre umstellen.
Weniger Kunden in Geschäften: Für kleine Läden bleibt es dabei, dass pro zehn Quadratmeter Verkaufsfläche ein Kunde im Geschäft sein darf. In Geschäften mit mehr als 800 Quadratmetern Fläche erhöht sich das mit dem aktuellen Beschluss auf 20 Quadratmeter pro Kunde.
Pflegeheime: Um Besuche von Verwandten in Pflegeheimen insbesondere auch zu Weihnachten zu ermöglichen, sollen sich Angehörige testen können. Pro Heimbewohner sollen ab 1. Dezember 30 Schnelltests pro Monat kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.
Hotspots: Bei besonders extremen Infektionslagen (über 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner pro Woche) und zugleich einem diffusen Infektionsgeschehen sollen die Beschränkungen noch einmal verschärft werden.
Weihnachtsgottesdienste: Es sollen Gespräche mit den Kirchen über Gottesdienste zu Weihnachten geführt werden. Dabei soll es "möglichst Vereinbarungen für Gottesdienste und andere religiöse Zusammenkünfte mit dem Ziel einer Kontaktreduzierung" geben. In dem Beschluss heißt es: "Religiöse Zusammenkünfte mit Großveranstaltungscharakter müssen vermieden werden."
Silvester mit weniger Feuerwerk: Um große Menschenansammlungen zu vermeiden, soll es an sonst belebten Plätzen ein Feuerwerksverbot für Silvester geben. Im privaten Bereich konnten sich die Länder zu keinem Böllerverbot durchringen, empfehlen aber den Verzicht - auch vor dem Hintergrund, die Krankenhäuser durch die erfahrungsgemäß auftretenden Verletzungen nicht noch mehr zu belasten.
Homeoffice: Arbeitgeber werden gebeten, ihren Beschäftigten unbürokratisch Homeoffice zu ermöglichen. Zwischen dem 23. Dezember und dem 1. Januar sind sie aufgerufen zu prüfen, ob die Betriebsstätten entweder durch Betriebsferien oder Homeoffice-Lösungen geschlossen werden könnten.
Frankfurt a.M. (epd). Die Bundesländer haben damit begonnen, Zentren für bevorstehende Massen-Impfungen mit einem Corona-Impfstoff aufzubauen. In den meisten Ländern sollen nach einer bundesweiten Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) die Impfzentren ab Mitte Dezember einsatzbereit sein. Offen ist allerdings, ob das Serum, mit dem die Pandemie bekämpft werden soll, bis dahin bereits zugelassen und verfügbar ist. Melanie Huml (CSU), Gesundheitsministerin in Bayern, sagte der Impfbeginn "hängt von vielen Faktoren ab". Es gebe zwar vielversprechende Präparate, dies lasse hoffen, "aber auf den genauen Zeitpunkt haben wir keinen Einfluss".
Offen ist zudem, wie viele Bürger sich schnell immunisieren lassen wollen. Laut Umfragen sind in Hessen etwa zwei Drittel der Bevölkerung impfwillig. Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) rechnet damit, dass in einem Zeitraum von acht bis neun Monaten die Covid-19-Impfungen erfolgt sind.
Vereinbart ist, dass der Bund den Impfstoff beschafft. Klar ist, dass die Mengen an Impfstoff zunächst bei weitem nicht ausreichen werden, um in wenigen Wochen die gesamte Bevölkerung zu impfen. Deshalb sollen die in den Impfzentren tätigen Ärzte zunächst mit dem Impfen von Risikogruppen beginnen. Das sind vor allem ältere Menschen und solche mit Vorerkrankungen. An zweiter Stelle steht das Personal von Gesundheitseinrichtungen wie Krankenhäusern und Pflegeheimen.
Die bundesweit flächendeckend einzurichtenden Zentren haben eine Brückenfunktion. Sie sollen so lange die Massenimpfung übernehmen, bis die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in Deutschland diese Aufgabe weiterführen können. Damit wird jedoch frühestens im Sommer 2021 gerechnet.
Nach der epd-Umfrage wird in der Regel pro Landkreis bzw. kreisfreier Stadt ein Impfzentrum errichtet. Ausnahmen sind Großstädte: Dort wird es mehr als ein Zentrum geben, der Berliner Senat etwa plant in der Millionenstadt sechs solcher Einrichtungen. Zusätzlich zu den stationären Zentren werden mobile Teams bewegungseingeschränkte Menschen in Betreuungseinrichtungen oder auch zu Hause aufsuchen, um sie zu impfen, hieß es.
In Niedersachsen sollen nach den Plänen des Gesundheitsministeriums bis zum 15. Dezember 60 Impfzentren einsatzbereit sein. Im Schnitt steht damit ein Impfzentrum für 150.000 Einwohner zur Verfügung. Die Rekrutierung des ärztlichen Impfpersonals wird das Land in Kooperation mit der Kassenärztlichen Vereinigung ebenso übernehmen wie die Verteilung des Impfstoffs.
In Bayern sollen bis Mitte Dezember mindestens 96 Corona-Impfzentren in allen Landkreisen und kreisfreien Städten einsatzbereit sein. Im Freistaat werden die Landkreise und kreisfreien Städte die Impfzentren in Eigenregie betreiben und sich auch um Personal kümmern. Der Betrieb oder einzelne Leistungen könnten aber auch an externe Dienstleister vergeben werden, erläuterte Ministerin Huml.
In Nordrhein-Westfalen soll es mindestens 53 Impfzentren geben - pro Kreis oder kreisfreier Stadt mindestens eins. Die Städte und Kreise müssen geeignete Räume zur Verfügung stellen und ausstatten, außerdem stellen sie nichtmedizinisches Personal wie Wachleute und Personal für die Anmeldungen. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte, er sei optimistisch, dass die Vorbereitungen bis Weihnachten abgeschlossen sind.
26 Landkreise und kreisfreien Städte wurden in Hessen mit einem sogenannten "Einsatzbefehl" beauftragt, bis zum 11. Dezember jeweils mindestens ein Impfzentrum zu errichten. Die Landesregierung rechnet wenige Tage später mit der Auslieferung der ersten Impfstoffe durch den Bund. Die Impfzentren sollen an sieben Tagen der Woche täglich rund 1.000 Impfungen vornehmen.
Baden-Württemberg will pro Regierungsbezirk zwei bis drei sogenannte "Zentrale Impfzentren" ab dem 15. Dezember so weit aufgebaut haben, dass Impfungen stattfinden könnten. Für sie ist eine Betriebsbereitschaft ab dem 15. Januar geplant. Mittelfristig sollen die Impfungen in den Regelstrukturen, also in den Arztpraxen, stattfinden.
Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) plant, "die organisatorische Vorbereitung im Dezember dieses Jahres abzuschließen". Wichtig sei, auch alle Risikogruppen, die keine größeren Wege mehr zurücklegen können, mit Impfstoff zu versorgen.
In Rheinland-Pfalz sollen die Impfzentren "voraussichtlich Mitte Dezember" einsatzbereit sein, wie die Landesregierung mitteilte. Die Zentren sollen eine Fläche von mindestens 600 Quadratmetern sowie barrierefreie Zugänge haben. Im Gespräch sind Messehallen und große Sporthallen.
Der Senat in Bremen strebt nach eigenen Angaben an, dass die beiden geplanten Impfzentren Mitte Dezember einsatzbereit sind. Das Zentrum in Bremen soll in der Messehalle 7 stehen, in Bremerhaven wird es in der Stadthalle eingerichtet.
Im Saarland sollen laut Gesundheitsministerium bis zum 15. Dezember drei Impfzentren in Saarbrücken, Saarlouis und Neunkirchen einsatzbereit sein. In einer ersten Phase würde es um Impfungen für Risikopatienten sowie Beschäftigte in der Altenpflege, im Gesundheitswesen sowie Polizisten und Mitarbeiter der zuständigen Ämter gehen. Die Impfkommission im Saarland plant zunächst mit 4.000 Impfungen täglich.
In Thüringen sollen die Impfzentren bis Mitte Dezember einsatzbereit sein. Nach Anlieferung des Impfstoffs wird es nach Einschätzung des Sozialministeriums noch zwei Wochen dauern, bis mit den Impfungen auch tatsächlich begonnen werden kann. In Thüringen soll nach vorheriger Terminvergabe geimpft werden.
"Wir werden bereit sein, sobald ein Covid-19-Impfstoff verfügbar ist. Bis zum 15. Dezember sollen die Strukturen stehen", sagte Heiner Garg (FDP), Gesundheitsminister in Schleswig-Holsteins dem epd. Nach seinen Angaben werden 28 Impfzentren in den Kreisen und kreisfreien Städten aufgebaut. Als Orientierungswert gilt, dass ein Impfzentrum pro rund 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern entstehen soll. Weitere Personen sollen in Krankenhäusern und über mobile Impfteams in Pflegeheimen und ähnlichen Einrichtungen geimpft werden.
Mecklenburg-Vorpommerns Gesundheitsminister Harry Glawe (CDU) strebt mindestens 5.000 Impfungen pro Impftag an. Glawe sagte: "Wir brauchen eine gemeinsame Kraftanstrengung. Es geht beispielsweise auch um aktive oder im Ruhestand befindliche Ärztinnen und Ärzte, Betriebsärzte und -ärztinnen, Fachkräfte im Rettungsdienst oder Studierende, die aktiv an Impfaktionen in Impfzentren mitwirken."
In Berlin werden nach Angaben des Senats sechs Impfzentren in verschiedenen Bezirken eingerichtet. Für den Betrieb der Impfzentren würden mindestens 1.000 Personen benötigt. Der Senat geht von 450.000 Impflingen aus, die zwei Mal erscheinen müssen. Sachsen plant im Kampf gegen das Coronavirus derzeit mindestens 13 Impfzentren. Die Standorte würden derzeit noch abgestimmt.
Für Hamburg wird nur ein zentrales Impfzentrum errichtet, das in der Spitze eine Kapazität von über 7.000 Impfungen pro Tag vorhalten wird. In Brandenburg ist geplant, dass bis Mitte Dezember die ersten beiden Impfzentren in Potsdam und Cottbus einsatzbereit sein sollen. Später sollen bis zu zehn Zentren im gesamten Land betrieben werden.
Berlin (epd). Tabak und Alkohol richten laut der Bundesdrogenbeauftragten Daniela Ludwig (CSU) nach wie vor mit Abstand den größten gesundheitlichen Schaden in Deutschland an. Trotz erfolgreicher Präventionsarbeit unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen seien 2018 rund 127.000 Menschen an den Folgen des Rauchens gestorben, sagte Ludwig am 26. November in Berlin bei der Vorstellung ihres Jahresberichtes. Das seien mindestens 6.000 mehr gewesen als noch 2015.
Rauchen sei der wichtigste vermeidbare Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Atemwegserkrankungen, Krebs und Diabetes. Zudem gebe es "mittlerweile mehrere wissenschaftliche Belege dafür, dass Raucher sich einem doppelten Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf aussetzen", sagte Ludwig.
Zugleich verwies sie auf die bereits beschlossene weitere Einschränkung der Werbung für Tabakprodukte wie Zigaretten ab Anfang 2021. Die Weltgesundheitsorganisation empfehle zudem, heißt es in dem Bericht, während der Pandemie den Alkoholkonsum "weitestgehend einzuschränken".
Große Probleme machten zudem die steigenden Cannabis-Konsumenten- und Behandlungszahlen, sagte Ludwig. Noch nie seien so viele illegale Drogen in Deutschland unterwegs gewesen wie aktuell. "Kokain ist das Megathema" und sei mittlerweile "in der Mitte der Gesellschaft angekommen". Gefahren gingen aber auch von Glückspielen und "Games mit Suchtpotenzial" aus.
Weiter warnte die CSU-Politikerin vor Gefahren der Corona-Pandemie für Suchtkranke. Elementar wichtig sei aktuell, dass Beratungsstellen, niedrigschwellige Hilfsangebote und Suchtkliniken für alle Bedürftigen offen bleiben. Der Bedarf sei größer denn je. Die Versorgung mit Ersatzstoffen für Opiatabhängige sei derzeit gesichert. Schwerpunkte seien aktuell der Ausbau lebensrettender Maßnahmen wie Substitution oder die bundesweite Verbreitung des Nasensprays Naloxon gegen Atemstillstand bei Überdosierungen. Hierdurch sollen Todesfälle durch den Konsum illegaler Drogen verhindert werden.
Mehr Hilfe als bisher bräuchten auch Kinder von Suchtkranken: "Viele von ihnen sind nahezu auf sich allein gestellt", sagte Ludwig. "Wir dürfen niemanden vergessen."
Weiter steht die zunehmende Zahl medienabhängiger Kinder und Jugendlicher im Fokus des Berichts. Während des ersten Lockdowns im Frühjahr hätten Jugendliche etwa 70 Prozent häufiger zu digitalen Spielen gegriffen und soziale Netzwerke genutzt. "Damit steigen auch in diesem Bereich die Suchtgefahren", sagte Ludwig. Laut Bericht waren im Herbst 2019 rund drei Prozent aller Kinder und Jugendlichen und damit fast 700.000 junge Menschen süchtig nach "Gaming oder Social Media".
Demzufolge bestehe auch ein größerer Bedarf nach Informationen zur Bildschirmmediennutzung, heißt es mit Blick auf eine repräsentative Umfrage vom Juli dieses Jahres. Danach sprachen sich knapp zwei Drittel (64 Prozent) der Erwachsenen dafür aus, dass in Schulen mehr Medienkompetenz vermittelt werden müsse. Ludwig verwies in dem Zusammenhang auch auf ihre Kampagne "Familie.Freunde.Follower". Sie biete niedrigschwellige Hilfestellung "für einen gesunden Alltag mit Bildschirmmedien in den Familien".
Kirsten Kappert-Gonther, Sprecherin für Drogenpolitik der Grünen, warf der Beauftragten vor, die Drogenpolitik habe versagt. "Der Anteil der jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren, die innerhalb eines Jahres Cannabis konsumiert haben, ist in nur vier Jahren um 57 Prozent gestiegen." Die Drogenbeauftragte lege ihre Scheuklappen an und mache weiter wie bisher. "Ihre Präventionskampagne zum Cannabis-Konsum von Jugendlichen agiert wieder einmal mit dem erhobenen Zeigefinger und wird genauso verstauben wie viele andere vorher."
Die erleichterten Bedingungen für die Substitutionstherapie in der Pandemie haben sich laut Kappert-Gonther für Ärzte und ihre Patientinnen und Patienten bewährt. "Sie muss über März 2021 hinaus verstetigt werden. Es müssen mehr Opioid-Anhängige Zugang zur Substitutionstherapie bekommen, auch zur Originalstoffvergabe mit Diamorphin." Es reiche nicht, wenn Daniela Ludwig hochtrabende Ziele verkünde, "sie muss auch klipp und klar erklären, wie sie diese Ziele erreichen will".
Berlin (epd). Die rund 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner haben in den vergangenen Jahren von der guten Wirtschaftsentwicklung profitiert. Das geht aus dem Alterssicherungsbericht hervor, den das Bundeskabinett zusammen mit dem Rentenversicherungsbericht am 25. November in Berlin beschlossen hat. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erklärte, im Durchschnitt seien die Haushaltsnettoeinkommen der Älteren von 2015 bis 2019 um 14 Prozent gestiegen und damit stärker als die Preise mit fünf Prozent im selben Zeitraum.
Dem Alterssicherungsbericht zufolge erreichen Ehepaare im Durchschnitt ein Netto-Gesamteinkommen aus ihrer Alterssicherung und anderen Einnahmen von 2.907 Euro im Monat. Männer über 65 Jahre beziehen im Durchschnitt 1.816 Euro im Monat, Frauen durchschnittlich 1.607 Euro. Damit liegen die Gesamteinkünfte deutlich über der gesetzlichen Altersrente von derzeit rund 950 Euro im Monat, weil die Senioren noch andere Einkünfte haben. Rund drei Prozent der Rentnerinnen und Rentner sind auf Grundsicherung im Alter angewiesen, weil ihre Rente nicht für das Existenzminimum ausreicht.
Die Rentenerhöhungen der vergangenen Jahre werden sich im kommenden Jahr indes nicht fortsetzen. Die Renten würden aber 2021 dank der Rentengarantie auch nicht sinken, versicherte Arbeitsminister Heil. Die Deutsche Rentenversicherung teilte mit, von 2015 bis 2019 seien die Renten der Männer um 9,6 Prozent und die der Frauen um 17,5 Prozent gestiegen. Grund für die Steigerung sei die positive Lohnentwicklung in den vergangenen Jahren. Bei den Frauen habe sich zusätzlich die Einführung der Mütterrente ausgewirkt.
Laut Rentenversicherungsbericht wird der Beitragssatz in den beiden kommenden Jahren weiter bei 18,6 Prozent des Bruttoeinkommens liegen. Im Jahr 2023 steigt er auf 19,3 Prozent und in den Jahren 2024 und 2025 auf 19,9 Prozent, also nicht über die für die Jahre bis 2025 beschlossene Obergrenze von 20 Prozent.
Die in den vergangenen Jahren hohen Rücklagen der Rentenversicherung werden dem Rentenversicherungsbericht zufolge sinken, bereits in diesem Jahr um 4,2 Milliarden auf 36,3 Milliarden Euro.
Der sozialpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Peter Weiß, erklärte, die gesetzliche Rentenversicherung bleibe für die meisten Bürger die wichtigste Säule der Alterssicherung, doch seien die Einkünfte der Senioren vielfältig. Als Probleme benannte Weiß die unzureichende Alterssicherung vieler Selbstständiger, die dadurch von Altersarmut bedroht seien sowie die Stagnation bei Betriebs- und Riester-Renten. Sie müssten vereinfacht und insbesondere Geringverdienern leichter zugänglich gemacht werden, forderte Weiß. Die beteiligten Bundesministerien dürften nicht länger auf der Bremse stehen.
Die Bundesregierung ist verpflichtet, jedes Jahr einen Rentenversicherungsbericht zu veröffentlichen. Er gibt Auskunft über die voraussichtliche finanzielle Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung in den kommenden fünf Jahren und enthält Modellrechnungen für die kommenden 15 Jahre. Bis zur Angleichung 2025 wird zudem über die Renten in Ostdeutschland gesondert berichtet.
Der Alterssicherungsbericht wird einmal pro Wahlperiode vorgelegt und ergänzt den Rentenversicherungsbericht. Er bietet einen größeren Überblick, so etwa über die Verbreitung der betrieblichen und privaten Altersvorsorge und die tatsächliche Einkommenssituation der Rentnerinnen und Rentner.
Berlin (epd). Die schwarz-rote Koalition will jetzt auch für Vorstände großer Unternehmen in Deutschland eine feste Frauenquote vorschreiben. Nach langem Ringen hat die dafür eingesetzte Arbeitsgruppe der Koalition am 20. November eine Einigung erzielt, wie die zuständigen Bundesministerien für Justiz und Familie sowie Abgeordnete der Koalition mitteilten. Demnach muss in Vorständen börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen mit mehr als drei Mitgliedern künftig ein Mitglied eine Frau sein.
Für Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes soll den Angaben zufolge eine Aufsichtsratsquote von mindestens 30 Prozent und eine Mindestbeteiligung in Vorständen gelten. Ebenso soll bei den Körperschaften des öffentlichen Rechts wie den Krankenkassen, bei den Renten- und Unfallversicherungsträgern sowie bei der Bundesagentur für Arbeit eine Mindestbeteiligung eingeführt werden.
"Wir machen Schluss mit frauenfreien Vorstandsetagen in den großen Unternehmen", erklärte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD). Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) sagte, Frauen trügen mit hoher Qualifikation und Leistung zum Unternehmenserfolg bei. Das müsse auch in den Führungsebenen der Unternehmen abgebildet werden.
Seit 2016 gilt für Aufsichtsräte großer börsennotierter und mitbestimmungspflichtiger Unternehmen eine Frauenquote. Sie müssen mindestens 30 Prozent der Posten mit Frauen besetzen. Bei den Vorständen setzte die Bundesregierung damals auf Freiwilligkeit. Die Unternehmen sollten sich eigene Zielmarken setzen. Mehrere wissenschaftliche Studien sowie Gutachten der Bundesregierung zeigen, dass die Mehrheit der Unternehmen sich das Ziel von "0" Frauen im Vorstand setzt. Zudem ist der Anteil weiblicher Führungskräfte dort kaum gestiegen. Die SPD-Ministerinnen Lambrecht und Giffey hatten deshalb auf eine gesetzlich verankerte, verbindliche Regelung gedrungen.
Das Ergebnis der Koalitionsarbeitsgruppe soll jetzt den Koalitionsspitzen zur abschließenden Entscheidung vorgelegt werden. Danach soll die Ressortabstimmung über ein Gesetz starten. Einen ersten Referentenentwurf hatten die Ministerinnen für Justiz und Familie bereits vorgelegt. Eine Kabinettsentscheidung soll "zeitnah" erfolgen, hieß es.
Wolfgang Stadler, Vorstandsvorsitzender des AWO Bundesverbandes, sprach von einem wichtigen Etappensieg auf dem Weg in Richtung Gleichstellung. "Die Quote für hochdotierte Posten wird hoffentlich dazu beitragen, wichtige Führungs- und Entscheidungspositionen paritätischer zu besetzen."
Neben der gesetzlichen Vorgabe brauche es aber veränderte Rahmenbedingungen, wenn die Quote Erfolg haben solle, sagte Stadler: „Eine Quote ist schön und gut, wird aber ins Leere laufen, wenn die Unternehmenskulturen unangetastet bleiben. Es gilt, strukturelle Barrieren zu identifizieren und zu beseitigen: Wie ist eigentlich die Arbeit organisiert und welche impliziten Werte gibt es?"
Zudem gelte es, sich nicht auf dem Teilerfolg auszuruhen. Man müsse die Strukturen angehen, die die Gleichstellung behinderten: zum Beispiel die schlechte Bezahlung in den vor allem von Frauen ausgeübten sozialen Berufsfeldern und die ungerechte Verteilung von unbezahlter Sorgearbeit in der Familie, erklärte der Verbandschef.
"Dieses Signal war überfällig", sagte der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann am 24. November. "Wir brauchen eine verbindliche Quote für mehr Frauen in den Vorstandsebenen. Es ist einfach nur noch peinlich, nach jahrelanger, offensichtlich wirkungsloser Selbstverpflichtung der Wirtschaft das Gegenteil zu behaupten."
Allerdings sei das Ziel, dass in einem mehr als dreiköpfigen Vorstand künftig eine Frau vertreten sein soll, eher bescheiden, so der DGB-Chef: "Deshalb bleiben wir dabei: Gerade in größeren Vorständen müssen Frauen mindestens gemäß ihrer Repräsentanz im Unternehmen vertreten sein."
Frankfurt a.M. (epd). Wer den Begriff "Crowdwork" das erste Mal hört, wird von ihm leicht in die Irre geführt. "Crowdwork" - zu Deutsch etwa Menschenmengen-Arbeit - klingt zunächst nach einer geselligen Tätigkeit mit zahlreichen Kolleginnen und Kollegen. In der Realität sieht das anders aus. Crowdworker sind in der Regel allein und selbstständig tätig, meist Zuhause vor ihrem Computer oder Laptop. Zum Alleinsein kommt eine große Unberechenbarkeit - sozialrechtlich abgesichert sind sie nämlich nicht.
Was genau Crowdwork umfasst, ist in Deutschland nicht per Gesetz definiert, sagt die Arbeitsrechtlerin Christina Hießl von der Goethe-Universität Frankfurt am Main. "Allgemein versteht man darunter größere Aufgaben, die in kleine Teile zerstückelt und dann an die Crowd verteilt werden", sagt sie. Darunter falle zum Beispiel Plattformarbeit, also Dienstleistungen, die über web-basierte Portale vermittelt oder erbracht werden.
In der Regel hätten Crowdworker keinen Arbeitsvertrag, sagt Hießl. Vereinbarungen zwischen den Auftraggebern und - nehmern seien in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs) festgelegt. Zwar seien die Crowdworker wirtschaftlich abhängig von den Unternehmen, die ihre Dienste in Anspruch nehmen, weitere zentrale Merkmale eines Angestelltenverhältnisses wie eine Weisungsgebundenheit oder Kontrollbefugnis fehlten aber.
Vanessa Barth ist Bereichsleiterin "Zielgruppenarbeit und Gleichstellung" beim Vorstand der IG Metall, die auch Crowdworker vertritt. Sie sieht das Problem im großen Machtungleichgewicht zwischen Plattform und Crowdworkern und darin, dass die Plattformen Crowdworker "pauschal zu Selbstständigen erklären". Zudem seien die Auftragnehmerinnen und Auftragnehmer intransparenten Entscheidungen wie Änderungen der Algorithmen oder der AGBs ausgesetzt.
Diese rechtliche Unsicherheit kritisierte die Links-Fraktion im Bundestag kürzlich in einem Antrag. Den Erwerbstätigen fehlten zentrale Schutzrechte. Dies müsse wegen "der zunehmenden Bedeutung" der Arbeitsform geändert werden, so die Linkspartei. Dafür fordert sie unter anderem eine Mindestvergütung und eine Anpassung des Betriebsverfassungsgesetzes, um die Mitbestimmungsrechte der Crowdworker zu stärken. Zudem brauche es eine Schlichtungsstelle, die bei Problemen mit der Plattform vermitteln kann.
Arbeitsrechtlerin Hießl glaubt nicht, dass diese Forderungen leicht durchzusetzen sind. Zunächst stelle sich die Frage, wer überhaupt als Arbeitgeber gelten würde. "Meistens sind die Crowdworker auf mehreren Plattformen tätig", sagt sie. Zudem hätten viele Plattformen ihren Sitz im Ausland. In US-amerikanischen Organisationen gebe es zum Beispiel keinen Betriebsrat. Das deutsche Recht könne diese nicht zwingen, eine solche Mitarbeitervertretung zuzulassen, "auch wenn zahlreiche für das Unternehmen tätige Crowdworker in Deutschland arbeiten".
Ein Mindestentgelt für Crowdworker sei "ein durchaus legitimer sozialpolitischer Ansatz", um eine faire Bezahlung zu garantieren - allerdings müsse dann in Kauf genommen werden, dass die internationale Konkurrenzfähigkeit im Niedriglohnsektor wegbräche, warnt Hießl. Es blieben nur die Crowdworker am Markt, die entweder höher qualifiziert sind oder Aufgaben erledigen, die deutsche Sprachkenntnisse erfordern. Unter Umständen litten dann besonders die Menschen, "für die Crowdwork die einzig realistische Option für einen Zuverdienst darstellt", gibt Hießl zu bedenken.
Das sei ein altbekanntes Abwehrargument, sagt Gewerkschafterin Barth. Zudem könnten nicht alle Aufgaben ohne weiteres global vergeben werden. Viele seien kultur- oder sprachspezifisch oder setzten eine räumlich-institutionelle Nähe voraus. Im Antrag der Linksfraktion vermisst sie derweil einen Aspekt: Crowdworker müssten auch in die gesetzliche Renten- und Krankenversicherung einbezogen werden, sagt sie.
Frankfurt a.M. (epd). Flexibilität, schnelle Verarbeitung, geringere Kosten: All das sind Gründe für Unternehmen, auf das sogenannte Crowdsourcing zurückzugreifen. Interne Teilaufgaben werden dabei an eine Gruppe außenstehender und allein arbeitender Auftragnehmer, der Crowd (Masse), ausgelagert. Diese wiederum betreiben dann "Crowdwork". In der engen Definition geht es in der Regel um Plattformarbeit, zum Beispiel Programmierungen oder Bewertungen von Internetinhalten. Im weiteren Sinne können auch Menschen dazugezählt werden, die zum Beispiel auf YouTube oder für den Fahrdienst Uber tätig sind.
Wie viele Crowdworker es in Deutschland gibt, ist nicht genau bekannt. Das Bundesarbeitsministerium schätzte ihre Zahl 2017 auf rund eine Million. Es sei "von einer steigenden Relevanz" dieser Arbeitsform in Deutschland auszugehen. Dies könnte sich in einer zunehmenden Zahl an Menschen zeigen, die als Crowdworker tätig sind: 2013 gab die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di ihre Zahl nach Hochrechnungen noch mit 300.000 an. Direkte Vergleiche sind allerdings aufgrund der unterschiedlichen Definitionen schwierig.
Nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums arbeiteten vor drei Jahren fast 19 Prozent aller Unternehmen hierzulande zumindest in ausgewählten Bereichen mit Crowdworkern zusammen. Diese erhielten ihre Aufträge von etwa 2.000 Crowdsourcing-Plattformen weltweit. Einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2016 zeigte, dass ein Crowdworker im Schnitt auf zwei Plattformen tätig sind.
Für die meisten Crowdworker ist die Arbeit der Studie nach nur eine Nebentätigkeit. Im Schnitt verdienten sind je nach Art der Plattform, über die sie Aufträge bekommen, zwischen 144 Euro und 660 Euro monatlich. Nur rund ein Fünftel arbeitete hauptsächlich als Crowdworker. So liegt die Hauptmotivation für Crowdarbeit einer Erhebung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) darin, die Bezahlung aus anderen Tätigkeiten zu ergänzen.
Einen typischen Crowdworker gibt es nicht. Unter ihnen finden sich Mensch verschiedenster Altersklassen, von Studenten bis hin zu Rentnerinnen. Weltweit gibt die ILO ihr Durchschnittsalter in Industrieländern mit 35 Jahren an. Ein Großteil sei gut ausgebildet. Insgesamt 37 Prozent hätten einen Bachelor und 20 Prozent einen Master- oder Doktor-Abschluss.
Berlin (epd). Mit einer Fahnenaktion vor dem Brandenburger Tor hat die Frauenrechtsorganisation "Terre des Femmes" (TDF) in Berlin gegen Zwangsverheiratungen und Frühehen demonstriert. Anlass war der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November. An dem Tag hisst "Terre des Femmes" jedes Jahr weltweit an zentralen Orten die von der Organisation selbst entwickelte blaue Fahne mit der gelb-roten Aufschrift "Frei leben - ohne Gewalt". Zugleich startete die Organisation eine Social-Media-Kampagne mit dem Titel #meinherzgehörtmir, um über Zwangs- und Frühehen zu informieren.
Nach Angaben von "Terre des Femmes" gab es in den vergangenen drei Jahren 1.232 Frühehen in Deutschland. Die meisten Früh- und Zwangsverheiratungen würden im Rahmen von religiösen und traditionellen Zeremonien stattfinden, die statistisch jedoch nicht offiziell erfasst werden, kritisierte die Frauenrechtsorganisation.
Bei der Fahnenaktion am Brandenburger Tor forderte TDF-Bundesgeschäftsführerin Christa Stolle, dass auch "religiöse und soziale Zwangsverheiratungen" nach Strafgesetzbuch-Paragraf 237 strafbar sein sollten. "Weiterhin muss ein Verbot der religiösen Voraustrauung auch für Volljährige gelten", sagte Stolle.
Ausgebaut werden müsse die Präventionsarbeit in Schulen und die Arbeit der Jugendämter. Fälle von Früh- und Zwangsehen sollten besser erfasst und regelmäßig veröffentlicht werden. "Verheiratete Minderjährige müssen bereits bei der Einreise an die zuständige Behörde gemeldet werden, deswegen fordern wir eine Meldepflicht der Ausländerbehörde", so Stolle.
Berlin (epd). Diakonie-Präsident Ulrich Lilie übergab das große Gesteck. Es ist der 13. traditionelle Wichern-Adventskranz, der nun bis Weihnachten im Reichstagsgebäude seinen Platz hat. Lilie erklärte, die Adventszeit weise auf das Licht hin, das Jesus Christus in die Welt gebracht habe, und auf die Hoffnung, die Christen damit verbinden. "Es trotzt aller Menschenfeindlichkeit", sagte der Diakonie-Präsident.
Der Adventskranz kommt in diesem Jahr aus Brandenburg, aus den Hoffnungstaler Werkstätten in Biesenthal bei Berlin. Die Tradition des Adventskranzes geht zurück auf eine Idee des evangelischen Theologen Johann Hinrich Wichern (1808-1881). 1839 ließ er im Betsaal des "Rauhen Hauses" in Hamburg, einer von ihm gegründeten Einrichtung für Straßenkinder, zum ersten Mal einen Leuchter mit roten und weißen Kerzen für die Werk- und die Sonntage aufhängen. Der Kranz sollte den Kindern die Zeit des Wartens vom ersten Advent bis Weihnachten verkürzen. Der Wichernsche Adventskranz trägt demzufolge in jedem Jahr eine andere Anzahl von Kerzen, in diesem Jahr sind es 26.
Berlin (epd). Die Armutsquote in Deutschland hat nach dem aktuellen Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes mit 15,9 Prozent den höchsten Wert seit der Wiedervereinigung erreicht. Im Vorjahr lag sie bei 15,5 Prozent. Der Verband warnt in der am 20. November in Berlin vorgestellten Studie, dass die Corona-Krise Armut und soziale Ungleichheit verschärfen werde.
Der Paritätische warf der Bundesregierung angesichts von 13,2 Millionen Menschen in Armut eine "armutspolitische Verweigerungshaltung" vor und forderte eine sofortige Anhebung der finanziellen Unterstützungsleistungen für arme Menschen sowie armutsfeste Reformen der Sozialversicherungen. Der Sozialverband VdK forderte die Bundesregierung auf, "endlich etwas zu tun".
"Die vorliegenden Daten zur regionalen Verteilung, zur Entwicklung und zur Struktur der Armut zeigen Deutschland als ein in wachsender Ungleichheit tief zerrissenes Land. Volkswirtschaftliche Erfolge kommen seit Jahren nicht bei den Armen an und in den aktuellen Krisen-Rettungspaketen werden die Armen weitestgehend ignoriert", kritisierte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes.
Die Befunde seien alarmierend: Bei allen seit Jahren besonders armutsbetroffenen Gruppen wie Alleinerziehenden, Arbeitslosen und kinderreichen Familien habe die Armut laut Studie von 2018 auf 2019 zugenommen. Die Armut sei 2019 im Vergleich zum Vorjahr in nahezu allen Regionen gewachsen. "Positive Entwicklungen, die zuletzt in den ostdeutschen Bundesländern zu beobachten waren, sind gestoppt", heißt es in dem Bericht des Sozialverbandes. In Ostdeutschland sei die Quote von 17,5 auf 17,9 Prozent gestiegen.
Der Paritätische stützt sich auf den Mikrozensus des Statistischen Bundesamts. Bei der Berechnung der Armutsquote zählt dem Bericht zufolge jede Person als einkommensarm, die mit ihren Einkünften unter 60 Prozent des mittleren Einkommens liegt. Eingerechnet wird das gesamte Nettoeinkommen des Haushalts inklusive Wohngeld, Kindergeld, Kinderzuschlag oder sonstiger Zuwendungen. Die Armutsschwelle für einen Single betrug 2019 beispielsweise 1.074 Euro, für einen Paarhaushalt mit zwei Kindern unter 14 Jahren 2.256 Euro.
Armutsgeografisch zerfällt Deutschland in zwei Teile: Im gut gestellten Süden haben Bayern und Baden-Württemberg eine gemeinsame Armutsquote von 12,1 Prozent. Der gesamte Rest der Republik komme auf eine Quote von 17,4 Prozent. Außerhalb von Bayern und Baden-Württemberg lebt durchschnittlich mehr als jeder Sechste unterhalb der Armutsgrenze.
Das problematischste Bundesland bleibe Nordrhein-Westfalen: Seit 2006 sei die Armutsquote in dem bevölkerungsreichen Bundesland zweieinhalbmal so schnell gewachsen wie die gesamtdeutsche Quote. Armutstreiber in NRW sei das Ruhrgebiet mit einer Quote von 21,4 Prozent. "Das größte Ballungsgebiet Deutschlands muss damit zweifellos als Problemregion Nummer 1 gelten", betonen die Sozialexperten.
Der VdK findet es "erschreckend", dass auch erwerbstätige Menschen betroffen sind. "Sie haben nicht genug zum Leben, und für die Rente können sie auch nicht vorsorgen." Arbeit und Rente müssten zum Leben reichen", sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele.
Der Paritätische warnt vor einer drastischen Verschärfung der Armut in der Corona-Pandemie. Besonders betroffen seien geringfügig Beschäftigte, Leiharbeiter sowie junge Menschen, die coronabedingt von wachsender Arbeitslosigkeit betroffen seien. "Es gibt genügend Hinweise darauf und wir sollten uns darauf einstellen, dass die Corona-Krise in Deutschland nicht nur mit einer Vergrößerung von Ungleichheit, sondern auch mit einer Zunahme der Einkommensarmut einhergeht", sagte Schneider.
Der Paritätische fordert zur Beseitigung von Armut, die Regelsätze für die sieben Millionen Bezieherinnen und Bezieher von Hartz IV und Leistungen der Grundsicherung von derzeit 432 Euro für einen alleinstehenden Erwachsenen auf 644 Euro anzuheben. Außerdem seien die Einführung einer Kindergrundsicherung sowie Reformen von Arbeitslosen- und Rentenversicherung nötig.
Der VdK fordert, den Mindestlohn auf 13 Euro anzuheben. Außerdem sei es notwendig, prekäre Beschäftigungen wie Leiharbeit und Minijobs weiter einzudämmen.
Berlin, Jena (epd). Es kann ein Krebsbefund sein oder eine schwere Herz-Kreislauf-Erkrankung: Ärztinnen und Ärzte müssen regelmäßig mit ihren Patienten Diagnosen besprechen, die für diese existenziell sind. An der Universität werden die Medizin-Studenten zwar auf solche Situationen vorbereitet. Dennoch sind viele Patienten unglücklich mit dem Verlauf von Arztgesprächen, zeigen Untersuchungen des BQS Instituts für Qualität und Patientensicherheit zwischen 2017 und 2019.
Das Medizinstudium muss "Gesichtspunkte ärztlicher Gesprächsführung" beinhalten; so steht es in der Approbationsordnung, die den Rahmen für die medizinische Ausbildung in Deutschland vorgibt. Nach dem "Praktischen Jahr" in einem Krankenhaus sollen die Studierenden in einer mündlichen Prüfung unter Beweis stellen, dass sie sich der Situation entsprechend zu verhalten wissen.
Oft müssen die Prüflinge dabei Patienten befragen, untersuchen und im Anschluss einen Bericht schreiben. Das könne als indirekte Prüfung der Kommunikationsfähigkeiten gewertet werden, meint Corinne Dölling vom Medizinischen Fakultätentag, dem Verband der Medizinischen Ausbildungs- und Forschungsstätten Deutschlands. Aktuell gebe es allerdings "wenig konkrete Vorgaben zur Medizinethik". Im Fach "Medizinethik" geht es um das ethische Denken und Verhalten beim Behandeln von Patienten.
Die Kommunikation zwischen Arzt und Patient habe in der Ausbildung bereits an Bedeutung gewonnen, sagt Tobias Löffler, Bundeskoordinator für Medizinische Ausbildung in der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland. Fast überall sei das Thema etabliert. An vielen Universitäten gebe es engagierte Lehrende und sogenannte OSCEs (objective structured clinical examination), die die klinische Kompetenz prüfen. Dort werden vor allem praktische Fähigkeiten geübt wie "Rezepte ausstellen" oder "einen venösen Zugang legen" - aber auch die "Arzt-Patient-Kommunikation".
Eine Ausbilderin ist Swetlana Philipp vom Institut für Psychosoziale Medizin, Psychotherapie und Psychoonkologie des Universitätsklinikums Jena. Ihrer Meinung nach ist die Kommunikationsausbildung "ein Tropfen auf den heißen Stein". Im zweiten Studienjahr werde psychologisches Grundwissen vermittelt und es würden fordernde Gesprächssituationen praktisch mit Schauspiel-Patienten geübt. "Das ist sehr früh im Studium, denn bis dahin haben die Studierenden kaum Patientenkontakt. Besser wäre, es gäbe weitere aufbauende Kurse während der klinischen Phase des Studiums."
Die Realität in Praxen und Krankenhäusern sei für viele Studierende ein Schock, hat Gertrud Greif-Higer beobachtet, geschäftsführende Ärztin des Ethikkomitees der Universitätsmedizin Mainz. Die angehenden Mediziner müssten sich verstärkt mit den Grenzen ihrer Disziplin auseinandersetzen. "Wir können extrem viel behandeln, aber wir sollten akzeptieren, dass wir auch Hoffnungen enttäuschen müssen." Zudem fehle oft die Zeit für gute Gespräche, weil sie nicht entsprechend vergütet würden.
Marianne Rabe, bis zum Beginn ihres Ruhestandes in diesem Jahr Geschäftsführerin der ehemaligen Charité Gesundheitsakademie Berlin, sagt, man könne auch mit wenig Zeit gute Gespräche führen, wenn man den Patienten als Mensch wahrnehme und möglichst im Team kommuniziere. Ihre Kürzest-Empfehlung für medizinisches Personal lautet "mehr hören als reden".
Künftig könnte die Kommunikation mit Patienten und Patientinnen einen höheren Stellenwert in der Ausbildung von Medizin-Studierenden erhalten. Das steht nach Angaben der Bundesärztekammer zumindest in einem Arbeitsentwurf zu einer neuen Approbationsordnung für Ärzte, den das Bundesgesundheitsministerium Ende 2019 vorgelegt hat. Wegen der Corona-Pandemie verzögere sich allerdings die Weiterentwicklung des Papiers. Es sei aber davon auszugehen, "dass noch in diesem Jahr das übliche Anhörungsverfahren erfolgen wird", teilte ein Ministeriumssprecher dem Evangelisches Pressedienst (epd) mit.
Marianne Rabe und Swetlana Philipp vom Universitätsklinikum Jena empfehlen darüber hinaus, dass Gesprächsführung auch berufsbegleitend eine Rolle spielen sollte - in Form von Beratungen und Fortbildungen mit Trainings. "Die Ärztekammer könnte das Absolvieren auch in diesem Bereich mit Fortbildungspunkten verpflichtend einführen", schlägt Rabe vor.
Hürth (epd). Vor mehr als elf Jahren, am 26. März 2009 ist die UN Behindertenrechtskonvention in Deutschland ratifiziert worden. Sie ist ein wesentliches Fundament für die Inklusion. Seitdem hat sich viel bewegt in Deutschland. Kindertagesstätten und Schulen sind inklusiv geworden. Mit dem Bundesteilhabegesetz und den darin enthaltenen Änderungen der Sozialgesetzbücher ist der Mensch mit Behinderung nicht mehr Bittsteller, sondern hat einen Anspruch auf Leistungen für ein inklusives Leben.
Die neue Sicht auf die "Eingliederungshilfe" und die Trennung von den Grundsicherungsleistungen finden sich auch im neuen Landesrahmenvertrag in Nordrhein-Westfalen - aber noch kämpfen Leistungsanbieter, Menschen mit Behinderung, ihre Eltern und Betreuer mit der Umsetzung. Bis auch hier eine neue inklusive Denkweise und ein inklusiveres Leben erreicht ist, wird noch etwas Zeit vergehen. Ein wichtiger und notwendiger Schritt hin zur Inklusion ist es aber auf jeden Fall. Nicht alle Regelung sind derzeit schon perfekt, viel wird noch nachjustiert werden müssen und an manchen Stellen verhindert oder begrenzt der mangelnde Wille zur Finanzierung der Inklusion eigentlich notwendige Leistungen.
Das größte Problem bei der Inklusion ist der Bereich der Arbeit. Selbst in Zeiten des Fachkräftemangels war es schwer für Menschen mit Behinderungen, einen Job auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu bekommen. Ganz besonders schwierig war und ist das für Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen. Meist liegt für diesen Kreis eine Fachkraftausbildung außerhalb der aller Möglichkeiten. Sie bewegen sich in einem Teil des Arbeitsmarkts, der ständig durch die Automatisierung bedroht ist und der oft durch ein Überangebot an Arbeitskräften gekennzeichnet ist. Nicht zuletzt erfordert Inklusion auf diesem Feld auch die Bereitschaft der Kolleginnen und Kollegen, den Mitarbeitenden mit Behinderung gleichberechtigt und offen anzunehmen.
Wie können Arbeitgeber und Kollegen für einen inklusiven Arbeitsmarkt gewonnen werden? Schon die integrativen Kitas und Schulklassen haben gezeigt, dass das gemeinsame Spielen und Lernen eine inklusive Einstellung hervorbringt. Das alleine wird aber nicht genügen - abgesehen davon, dass es noch lange Jahre dauern wird, bis es sich im Erwachsenenalter auswirkt.
Daher sind kreative Ideen gefragt, wie der allgemeine Arbeitsmarkt für Menschen mit geistiger Behinderung geöffnet werden kann. Neben den schon existierenden Ansätzen, wie den betriebsintegrierten Werkstattarbeitsplätzen und Inklusionsbetrieben, sind das Arbeitsangebote, die Menschen mit und ohne Behinderung zusammenbringen, wie etwa der Betrieb von Werkskantinen. Es gibt aber noch viel Raum für weitere Ideen, beispielsweise das räumliche Zusammenbringen von Arbeitsbereichen der Werkstätten und von Handwerksbetrieben im gleichen Tätigkeitsbereich einschließlich der gemeinsamen Nutzung von Investitionsgütern.
Inklusion kann nicht alleine durch die Unterstützung von Menschen mit Behinderung kommen. Inklusion erfordert auch die Annahme durch die Menschen ohne Behinderung und die Überwindung von Vorurteilen. Klar ist: Das lässt sich nicht durch Verordnungen und Gesetze erreichen. Vielmehr muss der Umgang mit und der Kontakt zu Menschen mit Behinderungen zur Normalität, zum Alltag werden. Das können Kita, Schule und Arbeitsplatz alleine nicht leisten. Deswegen sind inklusive Angebote im täglichen Leben und in der Freizeit nicht nur Inklusionsziele an sich, sondern wichtige Elemente auf dem Weg zu einem generell offenen und freundlichen Umgang miteinander.
Gerade in diesen Lebensbereichen ist die ehrenamtliche Arbeit unverzichtbar. Die Teilnahme an vielen Veranstaltungen und Aktivitäten in Vereinen sind für Menschen mit Behinderungen - insbesondere für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung - oft ohne ehrenamtliche Unterstützung oder Begleitung nicht möglich. Das Schaffen von neuen inklusiven Freizeitangeboten, beispielsweise in Vereinen, erfordert unabdingbar ehrenamtliches Engagement.
Wie schnell Menschen mit Behinderungen aus dem Fokus der Politik fallen, zeigt die Corona-Krise ganz offen. Einrichtungen der Eingliederungshilfe waren zunächst überhaupt nicht auf dem Schirm der Politik. Dass dann für Pflegeeinrichtungen und Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderungen gleiche Regeln aufgestellt wurden, hat Inklusion regelrecht konterkariert, weil überhaupt nicht berücksichtigt wurde, dass die Menschen in den Wohneinrichtungen sich in einer vollkommen anderen Lebenssituation befinden als Menschen in Pflegeeinrichtungen. Sie sind in der Regel berufstätig, um nur einen Punkt zu nennen.
Was sind wichtige Aufgaben für die Zukunft? Nach der Umsetzung des Landesrahmenvertrags wird es für Leistungsanbieter, Menschen mit Behinderungen, Eltern und Betreuer auch darauf ankommen, die neuen Ansätze zu leben, das heißt, die neuen Möglichkeiten für mehr Inklusion zu nutzen und sich nicht auf eine reine Änderung der Leistungs- und Vergütungsberechnungen zu beschränken.
Die Leistungsanbieter müssen kreativ neue inklusive Angebote schaffen, auch in Zusammenarbeit mit Anbietern des allgemeinen Marktes. Die Förderung, Begleitung und Unterstützung von ehrenamtlichem Engagement wird essentiell sein, um den Inklusionsgedanken in der gesamten Bevölkerung möglichst schnell zu verankern.
Weil das Ziel Inklusion noch lange nicht erreicht ist, muss auch bei der Politik weiterhin um Aufmerksamkeit für das Thema Inklusion gekämpft werden, und es müssen weitere Verbesserungen in den gesetzlichen Rahmenbedingungen auf den Weg gebracht werden.
Rotenburg/Wümme (epd). Pflegekräfte der Unfallchirurgie des Agaplesion Diakonieklinikums in Rotenburg bei Bremen haben ihrem Arbeitgeber ein Ultimatum bis Anfang Dezember gestellt, um bessere Arbeitsbedingungen zu erreichen. Durch Personalmangel kommt es nach Angaben von ver.di-Gewerkschaftssekretär Jörn Bracker zu massiven Überlastungen und Gefährdungen des Pflegepersonals und der Patienten. Der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung im Haus, Torsten Rathje, sprach von konstruktiven Gesprächen mit der Leitung, die aber noch nicht viel geändert hätten. Der Konflikt habe grundsätzliche Bedeutung, unabhängig von der Corona-Krise.
Schon im August haben die Pflegekräfte in einem offenen Brief an die Klinikleitung vor gesundheitsgefährdenden Zuständen gewarnt. Ausgelöst würden sie durch Überstunden, zu wenig Pausen, das Nichteinhalten des Arbeitszeitgesetzes und psychischem Druck durch fehlende Zeit und körperliche Belastung. Unzuverlässige Dienstpläne sowie häufige Anrufe und somit Störungen in der Freizeit- und Erholungsphase verhinderten eine ausreichende Regeneration.
Die Klinik habe zwar mit Leiharbeitern nachgesteuert, was vereinzelt auch geholfen habe, sagte Rathje dem Evangelischen Pressedienst (epd). Aber in den vergangenen Wochen sei die Situation eher noch belastender geworden. "Die Kolleginnen und Kollegen haben den Notstand lange Zeit mit persönlichem Einsatz kompensiert, nun ziehen sie sich zum Selbstschutz auf ihre vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung zurück", sagte der Mitarbeitervertreter. Gewerkschaftssekretär Bracker ergänzte, das gelte ab Anfang Dezember.
Die Beschäftigten der Unfallchirurgie fordern nach Gewerkschaftsangaben neben strukturellen Verbesserungen insbesondere verlässliche Dienstpläne, eine Mindestbesetzung und Entlastungstage, wenn diese nicht eingehalten werden kann. Es gehe nicht um ein spezielles Problem einer Station, sondern um eine Blaupause für Klinik, Konzern und Branche, sagte Rathje. Deshalb würden nun freiwillig erbrachte Leistungen wie Mehrarbeit, Übernahme ärztlicher Tätigkeiten und ein Einspringen aus dem Frei eingestellt.
Zwar zeichneten sich für Dezember Verbesserungen ab, räumte Rathje ein, der auch Vorsitzender der Gesamtmitarbeitervertretung im Agaplesion-Konzern ist. Doch das, was der Arbeitgeber bisher in den Gesprächen als Lösungen anbiete, zeige, dass er den Ernst der Lage nicht erkannt habe: "Uns geht es um vernünftige Arbeitsbedingungen, mit denen wir erfolgreich Pflegekräfte werben könnten, die aufgrund der Belastungen den Job verlassen haben oder auf Teilzeit gegangen sind."
Unternehmenssprecher Matthias Richter wies die Vorwürfe dagegen in weiten Teilen zurück und sagte dem epd, ab Dezember komme die Klinik in der Unfallchirurgie zu einer Besetzungsplanung deutlich über die gesetzlichen Vorgaben hinaus. Bei erhöhten Krankenquoten könne es aber auch zu erhöhter Belastung des vorhandenen Personals kommen. Hier hoffe die Klinik auf gute Lösungen durch Maßnahmen wie einen verstärkten Einsatz von Zeitarbeit, der Umsteuerung von Personal und Pool-Lösungen.
Keine Einigung habe es bei zusätzlichen Entlastungstagen gegeben, die über den Tarifvertrag hinausgingen. Richter: "Das sind Forderungen, die unter der gegebenen Krankenhausfinanzierung leider kein Krankenhaus in Deutschland erfüllen könnte." Insgesamt gesehen seien die Themen Belastung und Personalbesetzung in jedem Bereich und in jedem deutschen Krankenhaus aktuell.
Zum christlichen Gesundheitskonzern Agaplesion gehören eigenen Angaben zufolge bundesweit mehr als 100 Einrichtungen, darunter mit Rotenburg 23 Krankenhausstandorte mit über 6.300 Betten. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen mehr als 20.000 Frauen und Männer.
Meckenbeuren (epd). Beschäftigte der Häuser der Pflege Liebenau "Leben im Alter" im baden-württembergischen Meckenbeuren (Bodenseekreis) haben für eine bessere Bezahlung gestreikt. Wie die Gewerkschaft ver.di am 25. November mitteilte, finde damit bundesweit erstmalig ein Streik in Pflegeeinrichtungen der Caritas statt.
Die Beschäftigten forderten einen Tarifvertrag "auf dem Niveau des öffentlichen Dienstes". Seit Jahren gälten in den 21 Einrichtungen der Liebenau Leben im Alter gGmbH mit rund 850 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schlechtere Arbeitsbedingungen als im Öffentlichen Dienst und in anderen Caritas-Einrichtungen Baden-Württembergs, kritisierte ver.di. Der Arbeitgeber verweigere sich den kirchlichen Regelungen und nun auch dem Abschluss eines Tarifvertrags. Lange Zeit habe die Stiftung den Eindruck erweckt, als sei eine faire Tarifeinigung möglich, doch am 2. November habe sie die Verhandlungen nach der zehnten Runde abgebrochen, kritisierte die Gewerkschaft.
Für "unbegründet" halten die Verantwortlichen der Stiftung Liebenau dagegen den Warnstreik. "Mit Wirkung zum 1. Januar 2021 wird in der Liebenau Leben im Alter die kirchliche Grundordnung wirksam und damit auch das kirchliche Arbeitsrecht und die entsprechenden Vergütungen", erklärte Stiftungsvorstand Prälat Michael Brock laut einer Mitteilung der Stiftung Liebenau. Der Vorstand der Stiftung habe Anfang November entsprechend entschieden.
Für die Mitarbeiter würden damit künftig die Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) der Caritas gelten, wie bereits in anderen Unternehmen im Stiftungsverbund. "Die AVR sind der verbindliche Rahmen, den die Gewerkschaft fordert", so Brock. Die Vergütungen richten sich in den AVR in der Regel nach denen im Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes. Auch die Grundforderung der Mitarbeitenden nach einer Gleichbehandlung mit den Kollegen im Schwesterunternehmen Liebenau Lebenswert Alter seien damit erfüllt.
Die Tarifverhandlungen für die Liebenau Leben im Alter seien Anfang November abgebrochen worden, weil die Gewerkschaft die angebotene Gleichbehandlung nicht akzeptiert hatte, so die Stiftung Liebenau. Wären jedoch die Forderungen der Gewerkschaft erfüllt worden, hätte das zur Folge gehabt, dass die Mitarbeitenden der Liebenau Leben im Alter besser bezahlt worden wären als die nach AVR beschäftigten Mitarbeitenden. Für das Jahr 2020 werde es eine weitere Einmalzahlung an alle Mitarbeitenden geben, versprach die Stiftung Liebenau.
Bezahlung und Arbeitsbedingungen der rund 1,8 Millionen Beschäftigten von Kirchen, Diakonie und Caritas werden in weiten Teilen durch das kirchliche Arbeitsrecht bestimmt. Ein Tarifvertrag bei der Liebenau Leben im Alter gGmbH wäre laut ver.di der bundesweit erste in einer Caritas-Einrichtung gewesen.
Würzburg (epd). "Gerade Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung werden in Krankenhäusern schlechter versorgt als Patienten ohne Behinderung", sagte Wolfgang Trosbach, Vorsitzender der Lebenshilfe Würzburg, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das will eine Petition der Lebenshilfe Bayern ändern. Viele Landtagsabgeordnete unterstützen den Vorstoß.
Doch die Forderungen sollen auch beim Bundesgesundheitsministerium eingebracht werden, so die Lebenshilfe Bayern: "Menschen mit Behinderungen müssen genauso gut gemeindenah gesundheitlich versorgt werden wie Menschen ohne Behinderungen", heißt es in der Petition: "Zusätzlich sollen sie so unterstützt werden, wie es speziell wegen ihrer Behinderungen nötig ist."
Dass bei Patienten mit geistigem Handicap in Kliniken häufig nicht alles nach Wunsch läuft, liegt laut Trosbach auch daran, dass Ärzte und Schwestern zu wenig von deren speziellen Bedürfnissen wissen. Die Patienten selbst könnten sich meist nicht verständlich äußern. "Menschen mit Trisomie 21 haben oft nur einen einzigen Ausdruck, um zu sagen, dass irgendetwas in ihrem Körper nicht normal ist", erläutert der Vater eines erwachsenen Sohnes mit Down-Syndrom.
Wenn sein Sohn zum Beispiel sage, er habe "Bauchweh", könne das alles Mögliche sein: Bauchschmerzen, Kopfweh oder Fieber. Das könne bei einer klinischen Behandlung dann dazu führen, dass falsch therapiert werde, so Trosbach.
Assistenten, die den Patienten gut kennen, aber auch Mütter und Väter sollen ihnen künftig in Kliniken beistehen: "Sie müssten unter Lohnfortzahlung von der Arbeit freigestellt werden." Leben Betroffene nicht mehr daheim, dann müssten die Träger dieser Wohnformen Gelder erhalten, damit Mitarbeiter bei Bedarf 24-Stunden-Assistenz im Krankenhaus leisten könnten.
Auch das Aufnahmeverfahren behinderter Patienten müsse besser werden, fordert Trosbach, der als Mitarbeiter in einer Diabetes-Klinik die Krankenhausstrukturen gut kennt. Wie fatal sich Informationsdefizite bei einer Behandlung auswirken können, schildert er am Beispiel einer Frau mit geistiger Behinderung, die wegen Epilepsie starke Medikamente einnehmen muss. Bei Operationen braucht sie viel mehr Narkosemittel als andere Patienten. Als diese Information einmal fehlte, wachte die Frau nach dem Eingriff zu früh auf "und riss sich alle Schläuche weg".
In einer Zeit, in der Steuern wegbrechen und Etats schrumpfen, haben Forderungen nach neuen Leistungen naturgemäß schlechtere Chancen. Das weiß auch Trosbach. Er hoffe aber dennoch, dass die Forderungen der Lebenshilfe aufgegriffen werden, auch um im Gesundheitswesen Kosten durch falsche Therapien zu sparen.
Stuttgart (epd). Schwungvoll kurvt an diesem Tag ein E-Bike-Fahrer die Rampe einer Tiefgarage im Stuttgarter Osten hinab, nimmt den Helm vom Kopf und grüßt in die Runde. Bernhard Schneider, Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung (EHS), kommt gerade von einem Termin in der City. Damit will der Chef der EHS auch persönlich zeigen, dass das größte diakonische Unternehmen in Baden-Württemberg auf dem Weg zur klimaschonenden Mobilität ist.
Schon 2012 hat der Pflegeheimbetreiber das "Grüne Segel" als Symbol für Umwelt- und Nachhaltigkeitsorientiertes Wirtschaften im Kontext des Pariser Klimaschutzabkommens aus der Taufe gehoben. "Für uns ist es eine diakonische Selbstverständlichkeit, die gesellschaftlichen Bemühungen um eine Begrenzung der globalen Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu unterstützen", sagt Schneider.
Der Beitrag der Heimstiftung zur Bewahrung der Schöpfung hat Schwerpunkte bei energieeffizienten Gebäuden, weniger Gefahrenstoffen und nachhaltiger Bildung. Zudem engagiert sich die EHS im Stuttgarter Bündnis der Luftreinhaltung. Umwelt, Klima und Nachhaltigkeit spielen hier nicht erst seit der Fridays for Future-Bewegung eine wichtige Rolle. "So können überdies unsere Einrichtungen individuell ihren ökologischen Fußabdruck verbessern", ergänzt Martin Suchanek, Umweltreferent der EHS, die nach eigenen Angaben Arbeitgeber für 9.200 Mitarbeitende ist und 13.500 Personen unterstützt oder pflegt.
Vorreiter für ökologische Fortbewegung ist die Verwaltungszentrale, die seit zwei Jahren ihren Fuhrpark nach und nach durch teil- und vollelektrische Dienstfahrzeuge ersetzt. "Hybrid- und Elektrofahrzeuge erfüllen derzeit trotz erheblicher Bedenken am besten die ökologischen Anforderungen", sagt Suchanek. Das Thema Wasserstoff als Antrieb habe die EHS zwar im Auge, doch sei es dafür noch zu früh.
An diesem Tag lädt gerade der elektrische Nissan seine Akkus auf, flankiert von vier Benzinhybridfahrzeugen. Das Elektrofahrzeug diene vor allem für citynahe Besorgungen, die Hybridfahrzeuge eigneten sich dagegen sehr gut für Überlandfahrten bei deutlich verminderten CO2-Emissionen. "Stell dir vor, dein Arbeitgeber sorgt für gutes Klima", steht auf den fünf Autos.
Die höheren Anschaffungskosten für die Ökoautos amortisierten sich durch steuerliche Vorteile und deutlich geringere Treibstoff- oder Stromkosten, sagt Suchanek. Er verweist auf die Ankündigung der Bundesregierung, vom nächsten Jahr an die Benzin- und Dieselpreise um sieben Cent pro Liter höher zu besteuern. Und damit der Umstieg noch leichter fällt, fördert die EHS-Zentrale die Fahrt ihrer Mitarbeiter zum Arbeitsplatz mit "Voll- oder Teilstromern", gleich ob mit zwei oder vier Rädern, durch kostenfreie Ladestationen in der Tiefgarage. Außerdem stellt sie Umkleideräume für die E-Biker zur Verfügung.
Dabei hat die Verwaltungszentrale gleichsam eine Pilotfunktion für ihre 145 Einrichtungen, wo nicht nur mancher Hausmeister überzeugt sein will. "Wir laden Mitarbeiter unserer Pflegezentren und Mobilen Dienste in die Hauptverwaltung ein, unsere 'grüne Flotte' zu begutachten und auszuprobieren", berichtet Suchanek. Das Lasten-E-Bike etwa lasse sich ausgezeichnet im nahen Rosensteinpark Probe fahren.
Stuttgart habe in Sachen Radinfrastruktur noch Hausaufgaben zu machen, moniert Schneider. "Ich wohne in Stuttgart, kenne meine Radstrecken, doch wer sich nicht auskennt mit den radfreundlichen Straßen, hat es hier einfach schwer." Radwege sollten besser ausgeschildert sein und geschützt geführt werden.
Zu Terminen wie etwa im Wirtschafts- oder Sozialministerium nehme er gerne das weiße Lasten-E-Bike. Als er damit unlängst zu einem Termin im weißen Saal am Neuen Schloss vorfuhr, stahl er den Limousinen "die Show" und zog die Kameras auf sich, erinnert sich der EHS-Hauptgeschäftsführer amüsiert. Dann hängt er das Lasten-E-Bike an die Ladestation und entschwindet an seinen Arbeitsplatz.
Frankfurt a.M., Wiesbaden (epd). Die Stadt Frankfurt am Main fordert mindestens 1,75 Millionen Euro vom Kreisverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO) zurück. Das Bildungsdezernat legte am 26. November einen Rückforderungsbescheid in Höhe von rund 900.000 Euro für Kindertagesstätten vor. Dieser Betrag sei von der AWO in den Jahren 2017 und 2018 unrechtmäßig abgerechnet worden, sagte die Dezernentin Sylvia Weber (SPD). Der Verband habe "mit dem Geld Dinge finanziert, die nicht förderfähig sind, oder falsch abgerechnet". Davon abgesehen habe die AWO stets die geforderte Leistung in ihren Kitas erbracht. Kurz zuvor stellte die benachbarte AWO Wiesbaden enen Insolvenzantrag.
Grundlage ist nach den Worten von Weber der Abschlussbericht des Wirtschaftsprüfers, der nachgewiesen habe, dass Verwaltungskosten nicht ordnungsgemäß berechnet und Einnahmen nicht oder in falscher Höhe angegeben waren. Die Stadt habe vorsorglich von Januar bis August dieses Jahres die Verwaltungskostenpauschale gekürzt und rund 950.000 Euro einbehalten. "Diese Gelder decken die Höhe unserer Rückforderungen vollständig ab", sagte Weber.
Die Dezernentin kritisierte die ehemalige AWO-Führung: "Hier haben sich einige wenige Mächtige auf Kosten der Allgemeinheit und zum Schaden der gesamten Arbeiterwohlfahrt eiskalt und vorsätzlich persönlich bereichert."
Darüber hinaus fordert das Sozialdezernat der Stadt von der AWO rund 600.000 Euro für den früheren Betrieb zweier Flüchtlingsunterkünfte zurück. Dort seien höhere Personalkosten abgerechnet worden als Personal vorhanden gewesen sei, sagte die Sprecherin Uta Rasche dem Evangelischen Pressedienst (epd). Weitere zehn Rückforderungsbescheide in der Höhe von insgesamt rund 250.000 Euro beträfen die Sozialarbeit wie den Betrieb von Altentagesstätten und Jugendhäusern.
Wenn die Gespräche mit der AWO zu keiner Einigung führten, werde die Stadt den Rechtsweg beschreiten, sagte Rasche. Das Sozialdezernat habe in diesem Jahr eine Erstattung von Verwaltungskosten in Höhe von 50.000 Euro pro Quartal einbehalten, bisher also 150.000 Euro.
Die Arbeiterwohlfahrt hat Widerspruch gegen die Rückforderung des Bildungsdezernats eingelegt. Der habe jedoch keine aufschiebende Wirkung, weil die Stadt sofortigen Vollzug für die Überweisung der rund 900.000 Euro angeordnet habe, sagte der Referent des Vorstandsvorsitzenden, Eduard Szekeres, dem epd.
Der Verband habe Akteneinsicht beantragt. Die Gesamtkosten der Kitas seien 2017 und 2018 sogar deutlich höher gewesen als die Platzkostenpauschale, die die Stadt an alle Kitaträger gezahlt habe. Den übersteigenden Teil habe die AWO Frankfurt aus eigenen Mitteln bezahlt. Unabhängig von den Forderungen der Stadt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen mehrere frühere AWO-Leitungskräfte wegen der Vorwürfe Untreue und Betrug.
Zuvor hatte der Vorstand des AWO-Kreisverbandes Wiesbaden aufgrund aktueller Liquiditätsprobleme einen Insolvenzantrag gestellt. Das Amtsgericht Wiesbaden habe daraufhin ein Insolvenzverfahren angeordnet, das in Eigenverantwortung durchgeführt werden könne, teilte die AWO Wiesbaden am 25. November mit. Die Löhne und Gehälter seien für drei Monate über das Insolvenzgeld gesichert, sagte die Geschäftsführerin Andrea Piro. Danach würden die Gehälter wieder selbst gezahlt. Der Geschäftsbetrieb in Pflegeeinrichtungen und Kitas gehe in der gesamten Zeit unvermindert weiter.
Nach den Worten des Wiesbadener AWO-Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Hessenauer war die Entscheidung, den Antrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit zu stellen, "aufgrund des jahrelangen Missmanagements im Kreisverband unausweichlich". Piro fügte hinzu: "Mit dem Sanierungsverfahren streben wir nun einen kompletten Neuanfang an und lassen damit die Ergebnisse der chaotischen Geschäftsführung der früheren AWO-Verantwortlichen endgültig hinter uns."
Frankfurt a.M. (epd). Nach Recherchen des Investigativ-Netzwerkes Correctiv zeigen die Aktivitäten der Deutschen Fachkräfteagentur für Gesundheits- und Pflegeberufe (Defa) mit Sitz in Saarbrücken bisher kaum Wirkung. Die 2019 von Bundesminister Jens Spahn (CDU) gemeinsam mit dem Saarland gegründete Einrichtung habe bislang nur 28 Anerkennungsfälle abgeschlossen, heißt es in einer Presseinformation vom 24. November. Dabei sei der Bedarf an Vermittlung groß: Die Defa habe seit ihrer Gründung bereits über 4.000 Anfragen erhalten, hieß es.
Ausländische Pflegekräfte sollen leichter in den deutschen Arbeitsmarkt integriert werden, um den Mangel an Pflegefachkräften zu mindern. Die Dauer der Anerkennung ausländischer Pflegeabschlüsse sollte auf wenige Monate reduziert werden. Eingliederungsverfahren dauern Correctiv zufolge derzeit bis zu zwei Jahre. Eine epd-Anfrage beim Bundesgesundheitsministerium zur Bewertung der Lage bei der Defa blieb unbeantwortet.
Correctiv beklagt zudem, dass der größte Teil der ausländischen Pflegekräfte über private Vermittlungsagenturen nach Deutschland komme. In der Recherche "Nurses for Sale" würden fragwürdige Praktiken von privaten Personalvermittlern aufgedeckt, die für deutsche Kliniken und Krankenhäuser Pflegekräfte aus aller Welt anwerben. In der Kritik stünden Knebelverträge und hohe Kosten für die Anwerbung, die die Fachkräfte später selbst zurückzahlen müssten.
Diese Kosten könnten bis zu 15.000 Euro betragen, hieß es. In einigen Fällen habe die Zahlungsfrist fünf Jahre betragen. "Das ist moderne Schuldknechtschaft. Wie soll ein Arbeitnehmer, der vielleicht etwas mehr als Mindestlohn verdient, solche Summen zurückzahlen?", zitiert Correctiv Professorin Christiane Brors, Arbeitsrechtsexpertin an der Universität Oldenburg.
Rummelsberg (epd). 840 Kinder und Jugendliche leben aktuell in einer heilpädagogischen, sozialpädagogischen oder therapeutischen Wohngruppe der Rummelsberger Dienste für junge Menschen in Bayern. Um sie über ihre Rechte zu informieren, erhalten alle jungen Bewohnerinnen und Bewohner einen Rechtekatalog, der 2009 in Zusammenarbeit mit Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen und Betreuerinnen entstanden ist, teilte die Rummelsberger Diakonie mit.
Die Publikation wurde neu gestaltet und aktualisiert, insbesondere mit Blick auf die vielen Veränderungen in der digitalen Welt. Damit passe sich "Deine Rechte" der Lebensrealität der Mädchen und Jungen an.
"Ein wichtiger Bestandteil von Bildung und Persönlichkeitsförderung in der Kinder- und Jugendhilfe ist Partizipation. Grundlage dafür ist die Auseinandersetzung mit den eigenen Rechten und Pflichten", sagte Thomas Grämmer, fachlicher Leiter der Rummelsberger Dienste für junge Menschen.
Zur Mitbestimmung gehöre auch das Recht, sich zu beschweren und seine Meinung frei äußern zu können. "Wir setzen dabei auf ein vielfältiges und lebendiges Beschwerdeverfahren", erklärte Grämmer. Es gebe jugendliche Haussprecherinnen, Vertrauens-Erzieher und Beschwerdebriefkästen in den Einrichtungen sowie externe Rummelsberger Ombudsfrauen und -männer.
"Mit dem "Vertrauens(W)ORT" wollen wir nun Transparenz und Verlässlichkeit der Beschwerdemöglichkeiten und -bearbeitung für die jungen Menschen noch einmal erhöhen", so Grämmer über das neue Beschwerdemanagement. Und um möglichst alle Jungen und Mädchen zu erreichen, sei Vertrauens(W)ORT ein analoger und digitaler Ort zugleich. So könnten sich die jungen Menschen entweder über eine Broschüre oder über eine Webseite informieren und dort auch gleich zur Tat schreiten.
Karlsruhe (epd). Einem dunkelhäutigen Kollegen bei einem Wortwechsel den Affenlaut "Ugah, Ugah!" an den Kopf zu werfen ist rassistisch und kann zur fristlosen Kündigung führen. Die herabsetzende, "die Menschenwürde antastende Äußerung" ist nicht vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt, stellte das Bundesverfassungsgericht in einem am 24. November veröffentlichten Beschluss klar.
Im Streitfall ging es um einen heute 38-jährigen Mann, der seit 2009 Mitglied im Betriebsrat eines Logistikunternehmens im Raum Köln ist. Während einer Betriebsratssitzung im November 2017 lieferte sich der als Serviceagent angestellte Arbeitnehmer mit einem dunkelhäutigen Betriebsratsmitglied ein Wortgefecht. Der Serviceagent ahmte gegenüber seinem Kollegen "Ugah, Ugah"-Affenlaute nach. Dieser bezeichnete den Serviceagenten daraufhin als „Stricher“.
Die rassistischen Äußerungen wollte der Kollege nicht auf sich sitzenlassen. Er beschwerte sich beim Personalleiter und führte an, dass die diskriminierenden Affenlaute eine Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) darstellten.
Dem Serviceagenten wurde fristlos gekündigt. Der Arbeitgeber verwies darauf, dass der Beschäftigte schon mal einen Kollegen beleidigt hatte und daher abgemahnt worden war.
Der Gekündigte erhob gegen seine fristlose Entlassung Klage. Sie sei unverhältnismäßig. Der Umgangston in einem Betriebsrat sei nun mal "hin und wieder flapsig". Alle Betriebsratsmitglieder wollten so die Gesprächsatmosphäre angesichts der teil abstrakten bürokratischen Betriebsratsarbeit auflockern. Dies gehöre zum "gepflegtem Umgangston", so der Kläger.
Doch die Klage hatte bis hin zum Bundesarbeitsgericht (BAG) keinen Erfolg. Zu Recht, befand nun auch das Bundesverfassungsgericht. Die vom Kläger eingereichte Verfassungsbeschwerde sei zum einen wegen einer unzureichenden Begründung unzulässig, zum anderen auch unbegründet. Nachgeahmte Affenlaute gegenüber einem Menschen stellten keine nur derbe Beleidigung dar, sondern seien "fundamental herabwürdigend".
Solch eine menschenverachtende Diskriminierung sei nicht mehr vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Die Menschenwürde werde angetastet, "wenn eine Person nicht als Mensch, sondern als Affe adressiert wird", so die Verfassungsrichter. Die fristlose Kündigung sei gerechtfertigt, zumal das Betriebsratsmitglied bereits einschlägig abgemahnt worden war.
Ähnlich traf es auch eine bereits wegen Beleidigung von Kollegen abgemahnte Kinderkrankenschwester einer Caritas-Einrichtung. Mit Urteil vom 18. Mai 2016 bestätigte das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in Mainz die fristlose Kündigung der Frau, weil sei eine Kollegin als "faule Sau" bezeichnet und sie mit "Hi, Arschloch" begrüßt hatte. Ein legerer Umgangston sei dies nicht, befand das LAG. Die fristlose Kündigung sei wegen des irreparabel gestörten Betriebsfriedens gerechtfertigt.
Beleidigt dagegen ein Klinikarzt seinen Chef in einer privaten SMS-Kommunikation als "autistisches krankes Arschl...", muss das selbst keine ordentliche Kündigung begründen. Denn die "vertrauliche Kommunikation in der Privatsphäre ist Ausdruck der Persönlichkeit und grundrechtlich gewährleistet", urteilte das LAG Mainz am 22. Januar 2015. Die Kündigung des Arztes war damit unwirksam, weil der damit rechnen konnte, dass die SMS-Nachricht an eine Operationsassistentin auch wirklich vertraulich bleibt.
Diffamierende und rassistische Meinungen führen nach einem Urteil des BAG vom 27. Juni 2019 aber nicht automatisch zu einer fristlosen Kündigung. Abhängig vom Einzelfall könne es dem Arbeitgeber zuzumuten sein, den Beschäftigten abzumahnen und ihn zumindest bis Ablauf der regulären Kündigungsfrist auf einen weniger sicherheitsrelevanten Arbeitsplatz zu versetzen.
Im Streitfall hatte der klagende LKA-Beschäftigte auf Facebook unter anderem Muslime als "Brut" und "Abschaum" bezeichnet. Die fristlose Kündigung war jedoch unwirksam, so das BAG. Eine Abmahnung hätte hier erst einmal ausgereicht.
Im Einzelfall kann nach einem Urteil des LAG Stuttgart auch ein Emoji-Symbol in Schweineform eine fristlose Kündigung begründen. Die Bezeichnung eines Vorgesetzten mit den Worten "das fette" in Kombination mit einem Schweine-Symbol auf Facebook stelle eine schwere Beleidigung dar. Im Streitfall war die fristlose Kündigung jedoch unwirksam, weil der Arbeitnehmer zunächst hätte abgemahnt werden müssen.
Az.: 1 BvR 2727/19 (Bundesverfassungsgericht)
Az.: 4 Sa 350/15 (LAG Mainz, Kinderkrankenschwester)
Az.: 3 Sa 571/14 (LAG Mainz, Klinikarzt)
Az.: 2 AZR 28/19 (BAG)
Az.: 4 Sa 5/16 (LAG Stuttgart)
Leipzig (epd). Auch bei einer vorherigen Flüchtlingsanerkennung in einem anderen EU-Mitgliedstaat hat ein Asylsuchender in Deutschland Anspruch auf internationalen Familienschutz. Leben im Bundesgebiet nahe Familienangehörige, die ebenfalls als Flüchtlinge anerkannt worden sind, kann der Asylsuchende hierzulande einen abgeleiteten Schutzstatus geltend machen und eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, urteilte am 17. November das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.
Im Streitfall wurde der nach eigenen Angaben aus Somalia stammende Kläger in Italien als Flüchtling anerkannt. Trotzdem reiste er nach Deutschland weiter und stellte erneut einen Asylantrag. Seine drei minderjährigen Kinder sowie deren Großmutter, die Mutter des Klägers, reisten nach ihm ebenfalls ins Bundesgebiet ein. Den Kindern wurde inzwischen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Sie haben eine Aufenthaltserlaubnis erhalten.
Doch der Vater sollte wieder nach Italien zurück. Sein Asylantrag wurde als unzulässig abgelehnt, weil er bereits in Italien Schutz gefunden habe. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) forderte den Mann zur Ausreise auf, andernfalls werde er nach Italien abgeschoben.
Das Bundesverwaltungsgericht urteilte nun, dass er in Deutschland bleiben darf. Zwar habe der Kläger bereits als Flüchtling in Italien Schutz gefunden. Er könne sich aber in Deutschland auf den im Asylgesetz enthaltenen Anspruch auf "internationalen Familienschutz" berufen. Weil seinen Kindern in Deutschland Flüchtlingsschutz gewährt wurde, könne er als Familienangehöriger einen abgeleiteten Schutzstatus erhalten, befand das Gericht.
Der internationale Familienschutz diene der Förderung der Integration der Familienangehörigen. Der Familienverband solle danach gewahrt werden. Familienangehörige eines hier anerkannten Flüchtlings könnten daher ebenfalls deren asylrechtlichen Schutzstatus erhalten. Dabei spiele es keine Rolle, dass hier der Familienangehörige bereits in einem anderen EU-Mitgliedstaat anerkannt wurde.
Weil die Kinder des Klägers in Deutschland als Flüchtlinge anerkannt wurden, stehe dem Vater in Deutschland internationaler Familienschutz und ein entsprechendes Aufenthaltsrecht zu. Das sei auch mit EU-Recht im Einklang, urteilte das Bundesverwaltungsgericht.
Az.: 1 C 8.19
Koblenz, Kaiserslautern (epd). In der Corona-Pandemie haben Schüler keinen Anspruch auf Fernunterricht, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen nicht in die Schule kommen wollen. Das rheinland-pfälzische Oberverwaltungsgericht in Koblenz wies in einer am 24. November veröffentlichten Entscheidung den Eilantrag eines Gymnasiasten ab, der wegen seiner Asthma-Erkrankung und Vorerkrankungen seines 73-jährigen Vaters erfolglos seine Befreiung vom Präsenzunterricht beantragt hatte.
Die Verfassung gebiete "keinen vollkommenen Schutz vor jeglichen Gesundheitsgefahren", heißt es in der Entscheidung. Im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie gehöre ein "gewisses Infektionsrisiko mit dem Corona-Virus derzeit für die Gesamtbevölkerung zum allgemeinen Lebensrisiko". Zuvor hatte bereits das Verwaltungsgericht in Neustadt an der Weinstraße zuungunsten des Schülers entscheiden.
Eine Befreiung vom Präsenzunterricht ist auch nach Auffassung der Koblenzer Richter aktuell nur in Fällen zulässig, in denen die Teilnahme am Unterricht trotz Hygienemaßnahmen für bestimmte Schüler unzumutbar sei. Die Landesärztekammer habe klargestellt, dass dies nur bei wenigen Diagnosen der Fall sei. Die vorgelegten Atteste des Schülers seien nicht aussagekräftig genug gewesen.
Auch die Sorge um Angehörige rechtfertige keine Befreiung von der Pflicht zum Schulbesuch. Schulen seien nicht dafür zuständig, dem Antragsteller und seiner Familie ein risikofreies Zusammenleben zu ermöglichen. Den Familienmitgliedern könne zugemutet werden, dass sie selbst verstärkte Hygienemaßnahmen ergreifen. Einen "Anspruch auf Vollisolation des Familienverbundes" gebe es in der Pandemie nicht.
Az.: 2 B 11333/20.OVG
Münster (epd). Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat am 20. November per Eilbeschluss die Quarantänepflicht für Auslandsrückkehrer vorläufig ausgesetzt. Dass alle Urlaubsrückkehrer und sonstige Einreisende aus Risikogebieten grundsätzlich für zehn Tage in häusliche Quarantäne müssen, sei unverhältnismäßig und voraussichtlich rechtswidrig, erklärte das Gericht in Münster.
Nach der aktuellen Corona-Lage seien NRW und ein Großteil der Bundesrepublik selbst als Risikogebiet einzustufen. Das von den Rückkehrern ausgehende Infektionsrisiko sei ähnlich hoch wie wenn sie zu Hause geblieben wären. Der Beschluss ist unanfechtbar.
Im konkreten Fall wohnt der Antragssteller in Bielefeld und hielt sich bis zum 13. November auf Ibiza auf, bevor er nach Teneriffa weiterreiste. Von dort wollte er am 22. November nach Deutschland zurückkehren. Er machte deutlich, dass er nicht aufgrund seines Aufenthalts auf den Balearen als ansteckungsverdächtig gelten könne, wenn dort die Sieben-Tage-Inzidenz niedriger als in Bielefeld sei.
Das Oberverwaltungsgericht folgte dieser Argumentation. Eine solche Quarantäne "sei nicht geeignet, einen nennenswerten Beitrag zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu leisten, wenn in den Gebieten des jeweiligen Aufenthalts kein höheres Ansteckungsrisiko als hierzulande bestehe", entschieden die Richter. Der vorläufige Stopp der voraussichtlich rechtswidrigen Norm sei auch "wegen des erheblichen Gesundheitseingriffs geboten".
Az.: 13 B 1770/20.NE
Neuruppin (epd). Berufstätige Eltern können bei der Betreuung ihres kranken Kindes nicht immer auf Krankengeldzahlungen von ihrer Krankenkasse vertrauen. Springt ein getrennt lebender Vater bei seiner Ex-Partnerin für die Betreuung des gemeinsamen Kindes ein, geht er beim Krankengeld leer aus, entschied das Sozialgericht Neuruppin in einem am 18. November veröffentlichten Gerichtsbescheid.
Im Streitfall wohnen die zwei Kinder des getrennt lebenden Vaters bei der Ex-Partnerin, eine Hartz-IV-Bezieherin. Als eines der Kinder im März krank wurde und das andere nach Angaben des Klägers zeitweise mit der Mutter ins Krankenhaus musste, sprang der Vater für die Betreuung daheim ein. Wegen seines Arbeitsausfalls beantragte er Krankengeld. In Krankheitsfällen der Kinder organisiere er mit der Mutter gemeinsam die Betreuung der Kinder, auch weil er über ein Auto verfüge, lautete seine Begründung.
Nach den gesetzlichen Bestimmungen besteht ein Krankengeldanspruch, wenn ein Versicherter für die Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege eines erkrankten Kindes von der Arbeit fernbleiben muss und keine andere Person im Haushalt sonst dazu in der Lage ist. Das Kind muss unter zwölf Jahre alt sein. Pro Kalenderjahr wird für längstens zehn Arbeitstage, bei Alleinerziehenden für 20 Arbeitstage Krankengeld gezahlt.
Die Krankenkasse wies den Anspruch jedoch ab. Zu Recht, befand das Sozialgericht. Für den Erhalt von Krankengeld müsse nach dem Gesetz das Kind zwingend im Haushalt des Versicherten leben. Das sei hier nicht der Fall. Doch selbst wenn man die Bestimmung erweiternd zugunsten des Klägers auslegen würde, bestehe kein Anspruch auf Gewährung von Krankengeld. Denn der Kläger habe lediglich pauschal erklärt, dass die Mutter mit einem anderen Kind "teilweise" ins Krankenhaus musste.
Die Krankenkasse habe aber dargelegt, dass keine stationären Krankenhausaufenthalte der Tochter vorlagen. Zu Recht habe die Versicherung daher darauf abgestellt, dass die Mutter die Betreuung hätte übernehmen können.
Az.: S 20 KR 244/19
Straßburg (epd). Nur 3,39 Quadratmeter Platz für einen Häftling in einer Gefängniszelle stellt keine unmenschliche Behandlung dar. Dauert solch eine Haftunterbringung etwas mehr als drei Monate und liegen weitere positive Haftbedingungen wie eine ausreichende Belüftung oder Freigänge vor, ist die geringe Zellengröße hinzunehmen, urteilte am 24. November der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Die Straßburger Richter wiesen damit die Beschwerde eines irakischen Häftlings gegen die Schweiz ab.
Der Mann wurde im April 2015 wegen schwerer Körperverletzung und der unerlaubten Einreise in die Schweiz zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Haftstrafe musste er im Gefängnis Champ-Dollon im Kanton Genf verbüßen. Über einen Zeitraum von 98 Tagen war er in einer kleinen Zelle mit drei weiteren Personen untergebracht. Die Unterbringung hielt er für unmenschlich. Ihm stünden nur 3,39 Quadratmeter Platz zur Verfügung.
Sowohl die Schweizer Gerichte als auch der EGMR wiesen die Beschwerde wegen einer unmenschlichen Unterbringung ab. Zwar sehen die Schweizer Vorschriften vor, dass über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten der persönliche Platz für einen Häftling nicht weniger als vier Quadratmeter betragen darf. Allein der persönliche Platz sage aber noch nichts über eine unmenschliche Unterbringung aus.
Maßgeblich seien die Gesamtumstände. Hier sei die Dreimonatsfrist nur kurz überschritten worden. Der Häftling habe regelmäßig Freigang und Zugang zu Sportaktivitäten gehabt und habe Besuche erhalten können. Die Belüftung der Zelle sei gut gewesen. Eine menschenrechtswidrige Unterbringung liege daher nicht vor.
Az.: 31623/17
Luxemburg (epd). Ein syrischer Wehrdienstverweigerer ist in Europa nicht automatisch als Flüchtling anzuerkennen. Es spreche aber viel dafür, dass die Verweigerung mit einer Verfolgung aus politischen oder anderen Gründen zusammenhängt, die eine Anerkennung als Flüchtling begründet, urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 19. November in Luxemburg zu dem Fall aus Deutschland.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hatte dem Mann zwar subsidiären Schutz gewährt, ihn aber nicht als Flüchtling anerkannt, erläuterte der EuGH. Es fehlte demnach eine Verknüpfung der Wehrdienstverweigerung mit einem der fünf anerkannten Verfolgungsgründe: Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, politische Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Der Mann klagte gegen den Bescheid und die deutsche Justiz wandte sich an den EuGH.
Dieser stellte zunächst fest, dass selbst Wehrpflichtige im syrischen Bürgerkrieg wahrscheinlich an Kriegsverbrechen mitwirken müssten. Vor diesem Hintergrund bestätigte er zwar einerseits, dass für die Flüchtlingseigenschaft eine eventuelle Verfolgung des Mannes in Syrien mit einem der fünf Gründe zusammenhängen müsse - es gibt also keinen Automatismus zwischen Verweigerung und Anerkennung als Flüchtling.
Andererseits liege die Verknüpfung aber nahe, urteilte der EuGH. Schließlich sei die Wehrdienstverweigerung oft Ausdruck politischer oder religiöser Überzeugungen oder gründe in der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe.
Davon abgesehen sei sehr wahrscheinlich, dass in einem Bürgerkrieg, in dem man den Wehrdienst nicht legal verweigern könne, die Behörden im Bürgerkriegsland die Weigerung auch unabhängig von den Gründen des Betroffenen als "Akt politischer Opposition" auffassen, erklärte der EuGH. Im Licht des Urteils muss die deutsche Justiz den Fall nun abschließen.
Az.: C-238/19
Landau, Speyer (epd). Angela Diesel (55) übernimmt die Leitung des Erziehungswissenschaftlichen Fort- und Weiterbildungsinstituts (EFWI) der evangelischen Kirchen in Rheinland-Pfalz mit Sitz in Landau. Die promovierte Theologin war zuletzt Schulreferentin im Kirchenkreis Koblenz der Evangelischen Kirche im Rheinland. Diesel, die im saarländischen Ottweiler geboren wurde, ist Nachfolgerin des bisherigen Direktors Volker Elsenbast, der zum Jahresende in den Ruhestand geht. Das EFWI unterstützt Lehrerinnen und Lehrer durch Fortbildung und Beratung.
Mit ihren neuen Aufgaben betraut wurden auch Anne Deckwerth als Dozentin und stellvertretende Direktorin des EFWI sowie Karin Elxnath als Verwaltungsleiterin. Sie sei sehr froh und dankbar, dass in Diesel eine hochkompetente und überaus freundliche Persönlichkeit für die Leitung des EFWI gefunden worden sei, sagte die landeskirchliche Bildungsdezernentin und zukünftige neue Kirchenpräsidentin, Dorothee Wüst.
"Das EFWI ist ein gestaltgewordener Niederschlag christlichen Engagements in der Gesellschaft im Bereich Bildung, ermöglicht und mitgetragen von staatlicher Seite", sagte Diesel. Die Angebote des Instituts müssten auf eine sich stetig verändernde Bildungslandschaft ausgerichtet sein und sich an deren zunehmend auch digitalisierten Anforderungen orientieren. Zudem gelte es, Akzente in den bildungspolitischen Diskurs in Rheinland-Pfalz einzubringen.
Seit 1972 unterhalten die Evangelische Kirche der Pfalz, die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau und die Evangelische Kirche im Rheinland gemeinsam das Bildungsinstitut auf dem Landauer Butenschoen-Campus, das auch mit Landesmitteln gefördert wird. Schwerpunkte der Arbeit des EFWI sind unter anderem die pädagogische Schulentwicklung, die Förderung von Lernkompetenzen, Religionspädagogik, Schulseelsorge sowie pädagogisch-psychologische Beratung. Im Weiterbildungskurs "Evangelische Religion" können sich Lehrkräfte aller Schularten berufsbegleitend für das Erteilen von Religionsunterricht qualifizieren.
Rainer Dulger ist am 26. November zum Präsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) gewählt worden. Die Mitgliederversammlung sprach ihm in Berlin in geheimer Wahl für eine zweijährige Amtszeit ohne Gegenstimmen das Vertrauen aus. Dulger folgt auf Ingo Kramer, der seit November 2013 Präsident war. Dulger ist amtierender Vizepräsident der BDA und seit 2003 Mitglied des Präsidiums. Er ist seit 2012 Präsident von Gesamtmetall und seit 2014 Präsident der Landesvereinigung Baden-Württembergischer Arbeitgeberverbände. Seit mehr als 20 Jahren ist er geschäftsführender Gesellschafter der ProMinent GmbH. Für Dulger folgt Stefan Wolf, Vorstandsvorsitzender des Automobilzulieferers Elringklinger, ins Vizepräsidium der BDA nach.
Winfried Hardinghaus, Professor und Pallitativarzt, bleibt Vorstandschef des Deutschen Hospiz- und PalliativVerbandes. Die Mitgliederversammlung bestätigte ihn am 19. November turnusgemäß im Amt, das er seit 2014 innehat. Ebenso wiedergewählt wurde Anja Schneider als stellvertretende Vorsitzende. Neu als zweiter stellvertretender Vorsitzender im geschäftsführenden Vorstand ist Paul Herrlein, Geschäftsführer der St. Jakobus Hospiz gemeinnützige GmbH Saarbrücken und Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft Hospiz Saarland.
Dieter Kaufmann (65) ist am 19. November virtuell als Chef der Württemberger Diakonie aus dem Amt verabschiedet worden. Seit 2009 stand er an der Spitze des nach eigenen Angaben der größte Wohlfahrtsverband in Baden-Württemberg mit rund 1.400 Einrichtungen. Sozialminister Manne Lucha (Grüne) nannte Kaufmann eine wichtige Persönlichkeit des gelebten Sozialstaats. Er habe Paradigmenwechsel gefördert, unter anderem durch die Dezentralisierung von Angeboten und personenzentrierte Hilfe, sagte Lucha. Kaufmann sei auf dem politischen Parkett "immer ein Vollblutpolitiker für die soziale Sache gewesen". Der Präsident der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie, verlieh Kaufmann das goldene Kronenkreuz, die höchste Auszeichnung der Diakonie. Er sagte, Kaufmann sei ein Mensch, "der um der Sache und der Menschen willen genau hinsieht".
Susanne Kränzle, Gesamtleiterin des Hospiz Esslingen, bleibt Vorsitzende des Hospiz- und Palliativverbands Baden-Württemberg. Bei der Mitgliederversammlung in Esslingen wurde Sabine Horn von der Hospizinitiative Ludwigsburg als Stellvertreterin bestätigt. Zweiter Stellvertreter bleibt Frank Schöberl vom Heidelberger Hospiz Louise. 226 ambulante und stationäre Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Baden-Württemberg gehören zu dem Verband, 17 kamen seit der letzten Mitgliederversammlung im Mai 2019 hinzu.
Peter Kühnen, Arzt und Wissenschaftler an der Charité – Universitätsmedizin Berlin, ist für seine Studien zur Normalisierung des Körpergewichts mit dem Paul-Martini-Preis ausgezeichnet worden. Er ist Wissenschaftler am Institut für Experimentelle Pädiatrische Endokrinologie der Charité, seit September 2020 hat er eine DFG-Heisenberg-Professur inne. Genetische Störungen, die zu schwer behandelbarem, starkem Übergewicht führen, stehen im Zentrum seiner Forschungsarbeiten. Der Preis wird jährlich von der gleichnamigen Stiftung mit Sitz in Berlin für herausragende Leistungen in der klinisch-therapeutischen Arzneimittelforschung verliehen. Er ist mit 50.000 Euro dotiert.
Wir haben Tagungen, Seminare, Workshops und Webinare aufgelistet, die aktuell geplant sind. Wegen der Corona-Epidemie sagen Veranstalter allerdings Termine auch kurzfristig ab. Wir bitten unsere Leserinnen und Leser, dies zu beachten.
8.-9.12.:
Online-Seminar: "Mit EU-Geldern das eigene Profil stärken"
der Fortbildungsakademie des Caritasverbandes
Tel.: 0761/200 1700
8.-11.12.:
Online-Seminar "Führung auf Distanz - Praxiserprobte Werkzeuge für erfolgreiche Führungsleistung in verteilt arbeitenden Teams"
der Paritätischen Akademie Süd
Tel.: 0711/25298-925
10.12.:
Online-Seminar "Digitaler Jugendschutz - Herausforderungen an den Jugendschutz im Zeitalter der Digitalisierung"
der Paritätischen Akademie Berlin
Tel.: 030/2758282-27
14.-15.12.:
Online-Fachveranstaltung "Aktuelle fachliche, fachpolitische und rechtliche Entwicklungen in der Sozialhilfe"
Tel.: 030/62980606
14.-15.12.:
Online-Fortbildung: "Sozialräumliches Arbeiten in der Arbeit mit Menschen mit Behinderung"
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0172/3012819
14.-16.12. Berlin:
Fortbildung "Umgang mit Sprachbarrieren in niedrigschwelligen Settings sozialer Arbeit"
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0174/3473485
7.-8.1. Hamburg:
Seminar "Implementierung von Peerarbeit in Organisationen und Teams der Sozialpsychiatrie"
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0172/3012819
14.-15.1.:
AWO-Jahrestagung (online): Suchthilfe und Wohnungsnotfallhilfe
Tel.: 030/26309-139
19.1.-20.1. Berlin:
Seminar "Sexualpädagogische Konzeptentwicklung in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe"
der Paritätischen Akademie Berlin
Tel.: 030/2758282-27
21.-27.1.:
Online-Seminar "Agile Führung - Teams und Organisationen in die Selbstorganisation führen" der Paritätischen Akademie Berlin
Tel.: 030/275828215
22.1.-4.2.:
Online-Seminar "Ausländer- und Sozialrecht für EU-Bürger*innen"
Tel.: 030/26309-139
25.-29.1. Freiburg:
Fortbildung "Moderations- und Leitungskompetenz für Konferenzen, Arbeitsteams und Projektgruppen"
der Fortbildungsakademie der Caritas
Tel.: 0761/2001700
27.1. Berlin:
Seminar "Strategisches Management und Management-Modelle in Non-Profit-Organisationen - Wie kann besseres Management gelingen?"
der BFS Service GmbH
Tel.: 0221/97356-159