Frankfurt a.M. (epd). Wer den Begriff "Crowdwork" das erste Mal hört, wird von ihm leicht in die Irre geführt. "Crowdwork" - zu Deutsch etwa Menschenmengen-Arbeit - klingt zunächst nach einer geselligen Tätigkeit mit zahlreichen Kolleginnen und Kollegen. In der Realität sieht das anders aus. Crowdworker sind in der Regel allein und selbstständig tätig, meist Zuhause vor ihrem Computer oder Laptop. Zum Alleinsein kommt eine große Unberechenbarkeit - sozialrechtlich abgesichert sind sie nämlich nicht.
Was genau Crowdwork umfasst, ist in Deutschland nicht per Gesetz definiert, sagt die Arbeitsrechtlerin Christina Hießl von der Goethe-Universität Frankfurt am Main. "Allgemein versteht man darunter größere Aufgaben, die in kleine Teile zerstückelt und dann an die Crowd verteilt werden", sagt sie. Darunter falle zum Beispiel Plattformarbeit, also Dienstleistungen, die über web-basierte Portale vermittelt oder erbracht werden.
In der Regel hätten Crowdworker keinen Arbeitsvertrag, sagt Hießl. Vereinbarungen zwischen den Auftraggebern und - nehmern seien in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs) festgelegt. Zwar seien die Crowdworker wirtschaftlich abhängig von den Unternehmen, die ihre Dienste in Anspruch nehmen, weitere zentrale Merkmale eines Angestelltenverhältnisses wie eine Weisungsgebundenheit oder Kontrollbefugnis fehlten aber.
Vanessa Barth ist Bereichsleiterin "Zielgruppenarbeit und Gleichstellung" beim Vorstand der IG Metall, die auch Crowdworker vertritt. Sie sieht das Problem im großen Machtungleichgewicht zwischen Plattform und Crowdworkern und darin, dass die Plattformen Crowdworker "pauschal zu Selbstständigen erklären". Zudem seien die Auftragnehmerinnen und Auftragnehmer intransparenten Entscheidungen wie Änderungen der Algorithmen oder der AGBs ausgesetzt.
Diese rechtliche Unsicherheit kritisierte die Links-Fraktion im Bundestag kürzlich in einem Antrag. Den Erwerbstätigen fehlten zentrale Schutzrechte. Dies müsse wegen "der zunehmenden Bedeutung" der Arbeitsform geändert werden, so die Linkspartei. Dafür fordert sie unter anderem eine Mindestvergütung und eine Anpassung des Betriebsverfassungsgesetzes, um die Mitbestimmungsrechte der Crowdworker zu stärken. Zudem brauche es eine Schlichtungsstelle, die bei Problemen mit der Plattform vermitteln kann.
Arbeitsrechtlerin Hießl glaubt nicht, dass diese Forderungen leicht durchzusetzen sind. Zunächst stelle sich die Frage, wer überhaupt als Arbeitgeber gelten würde. "Meistens sind die Crowdworker auf mehreren Plattformen tätig", sagt sie. Zudem hätten viele Plattformen ihren Sitz im Ausland. In US-amerikanischen Organisationen gebe es zum Beispiel keinen Betriebsrat. Das deutsche Recht könne diese nicht zwingen, eine solche Mitarbeitervertretung zuzulassen, "auch wenn zahlreiche für das Unternehmen tätige Crowdworker in Deutschland arbeiten".
Ein Mindestentgelt für Crowdworker sei "ein durchaus legitimer sozialpolitischer Ansatz", um eine faire Bezahlung zu garantieren - allerdings müsse dann in Kauf genommen werden, dass die internationale Konkurrenzfähigkeit im Niedriglohnsektor wegbräche, warnt Hießl. Es blieben nur die Crowdworker am Markt, die entweder höher qualifiziert sind oder Aufgaben erledigen, die deutsche Sprachkenntnisse erfordern. Unter Umständen litten dann besonders die Menschen, "für die Crowdwork die einzig realistische Option für einen Zuverdienst darstellt", gibt Hießl zu bedenken.
Das sei ein altbekanntes Abwehrargument, sagt Gewerkschafterin Barth. Zudem könnten nicht alle Aufgaben ohne weiteres global vergeben werden. Viele seien kultur- oder sprachspezifisch oder setzten eine räumlich-institutionelle Nähe voraus. Im Antrag der Linksfraktion vermisst sie derweil einen Aspekt: Crowdworker müssten auch in die gesetzliche Renten- und Krankenversicherung einbezogen werden, sagt sie.