Berlin (epd). Die schwarz-rote Koalition will jetzt auch für Vorstände großer Unternehmen in Deutschland eine feste Frauenquote vorschreiben. Nach langem Ringen hat die dafür eingesetzte Arbeitsgruppe der Koalition am 20. November eine Einigung erzielt, wie die zuständigen Bundesministerien für Justiz und Familie sowie Abgeordnete der Koalition mitteilten. Demnach muss in Vorständen börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen mit mehr als drei Mitgliedern künftig ein Mitglied eine Frau sein.
Für Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes soll den Angaben zufolge eine Aufsichtsratsquote von mindestens 30 Prozent und eine Mindestbeteiligung in Vorständen gelten. Ebenso soll bei den Körperschaften des öffentlichen Rechts wie den Krankenkassen, bei den Renten- und Unfallversicherungsträgern sowie bei der Bundesagentur für Arbeit eine Mindestbeteiligung eingeführt werden.
"Wir machen Schluss mit frauenfreien Vorstandsetagen in den großen Unternehmen", erklärte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD). Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) sagte, Frauen trügen mit hoher Qualifikation und Leistung zum Unternehmenserfolg bei. Das müsse auch in den Führungsebenen der Unternehmen abgebildet werden.
Seit 2016 gilt für Aufsichtsräte großer börsennotierter und mitbestimmungspflichtiger Unternehmen eine Frauenquote. Sie müssen mindestens 30 Prozent der Posten mit Frauen besetzen. Bei den Vorständen setzte die Bundesregierung damals auf Freiwilligkeit. Die Unternehmen sollten sich eigene Zielmarken setzen. Mehrere wissenschaftliche Studien sowie Gutachten der Bundesregierung zeigen, dass die Mehrheit der Unternehmen sich das Ziel von "0" Frauen im Vorstand setzt. Zudem ist der Anteil weiblicher Führungskräfte dort kaum gestiegen. Die SPD-Ministerinnen Lambrecht und Giffey hatten deshalb auf eine gesetzlich verankerte, verbindliche Regelung gedrungen.
Das Ergebnis der Koalitionsarbeitsgruppe soll jetzt den Koalitionsspitzen zur abschließenden Entscheidung vorgelegt werden. Danach soll die Ressortabstimmung über ein Gesetz starten. Einen ersten Referentenentwurf hatten die Ministerinnen für Justiz und Familie bereits vorgelegt. Eine Kabinettsentscheidung soll "zeitnah" erfolgen, hieß es.
Wolfgang Stadler, Vorstandsvorsitzender des AWO Bundesverbandes, sprach von einem wichtigen Etappensieg auf dem Weg in Richtung Gleichstellung. "Die Quote für hochdotierte Posten wird hoffentlich dazu beitragen, wichtige Führungs- und Entscheidungspositionen paritätischer zu besetzen."
Neben der gesetzlichen Vorgabe brauche es aber veränderte Rahmenbedingungen, wenn die Quote Erfolg haben solle, sagte Stadler: „Eine Quote ist schön und gut, wird aber ins Leere laufen, wenn die Unternehmenskulturen unangetastet bleiben. Es gilt, strukturelle Barrieren zu identifizieren und zu beseitigen: Wie ist eigentlich die Arbeit organisiert und welche impliziten Werte gibt es?"
Zudem gelte es, sich nicht auf dem Teilerfolg auszuruhen. Man müsse die Strukturen angehen, die die Gleichstellung behinderten: zum Beispiel die schlechte Bezahlung in den vor allem von Frauen ausgeübten sozialen Berufsfeldern und die ungerechte Verteilung von unbezahlter Sorgearbeit in der Familie, erklärte der Verbandschef.
"Dieses Signal war überfällig", sagte der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann am 24. November. "Wir brauchen eine verbindliche Quote für mehr Frauen in den Vorstandsebenen. Es ist einfach nur noch peinlich, nach jahrelanger, offensichtlich wirkungsloser Selbstverpflichtung der Wirtschaft das Gegenteil zu behaupten."
Allerdings sei das Ziel, dass in einem mehr als dreiköpfigen Vorstand künftig eine Frau vertreten sein soll, eher bescheiden, so der DGB-Chef: "Deshalb bleiben wir dabei: Gerade in größeren Vorständen müssen Frauen mindestens gemäß ihrer Repräsentanz im Unternehmen vertreten sein."