Berlin, Jena (epd). Es kann ein Krebsbefund sein oder eine schwere Herz-Kreislauf-Erkrankung: Ärztinnen und Ärzte müssen regelmäßig mit ihren Patienten Diagnosen besprechen, die für diese existenziell sind. An der Universität werden die Medizin-Studenten zwar auf solche Situationen vorbereitet. Dennoch sind viele Patienten unglücklich mit dem Verlauf von Arztgesprächen, zeigen Untersuchungen des BQS Instituts für Qualität und Patientensicherheit zwischen 2017 und 2019.
Das Medizinstudium muss "Gesichtspunkte ärztlicher Gesprächsführung" beinhalten; so steht es in der Approbationsordnung, die den Rahmen für die medizinische Ausbildung in Deutschland vorgibt. Nach dem "Praktischen Jahr" in einem Krankenhaus sollen die Studierenden in einer mündlichen Prüfung unter Beweis stellen, dass sie sich der Situation entsprechend zu verhalten wissen.
Oft müssen die Prüflinge dabei Patienten befragen, untersuchen und im Anschluss einen Bericht schreiben. Das könne als indirekte Prüfung der Kommunikationsfähigkeiten gewertet werden, meint Corinne Dölling vom Medizinischen Fakultätentag, dem Verband der Medizinischen Ausbildungs- und Forschungsstätten Deutschlands. Aktuell gebe es allerdings "wenig konkrete Vorgaben zur Medizinethik". Im Fach "Medizinethik" geht es um das ethische Denken und Verhalten beim Behandeln von Patienten.
Die Kommunikation zwischen Arzt und Patient habe in der Ausbildung bereits an Bedeutung gewonnen, sagt Tobias Löffler, Bundeskoordinator für Medizinische Ausbildung in der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland. Fast überall sei das Thema etabliert. An vielen Universitäten gebe es engagierte Lehrende und sogenannte OSCEs (objective structured clinical examination), die die klinische Kompetenz prüfen. Dort werden vor allem praktische Fähigkeiten geübt wie "Rezepte ausstellen" oder "einen venösen Zugang legen" - aber auch die "Arzt-Patient-Kommunikation".
Eine Ausbilderin ist Swetlana Philipp vom Institut für Psychosoziale Medizin, Psychotherapie und Psychoonkologie des Universitätsklinikums Jena. Ihrer Meinung nach ist die Kommunikationsausbildung "ein Tropfen auf den heißen Stein". Im zweiten Studienjahr werde psychologisches Grundwissen vermittelt und es würden fordernde Gesprächssituationen praktisch mit Schauspiel-Patienten geübt. "Das ist sehr früh im Studium, denn bis dahin haben die Studierenden kaum Patientenkontakt. Besser wäre, es gäbe weitere aufbauende Kurse während der klinischen Phase des Studiums."
Die Realität in Praxen und Krankenhäusern sei für viele Studierende ein Schock, hat Gertrud Greif-Higer beobachtet, geschäftsführende Ärztin des Ethikkomitees der Universitätsmedizin Mainz. Die angehenden Mediziner müssten sich verstärkt mit den Grenzen ihrer Disziplin auseinandersetzen. "Wir können extrem viel behandeln, aber wir sollten akzeptieren, dass wir auch Hoffnungen enttäuschen müssen." Zudem fehle oft die Zeit für gute Gespräche, weil sie nicht entsprechend vergütet würden.
Marianne Rabe, bis zum Beginn ihres Ruhestandes in diesem Jahr Geschäftsführerin der ehemaligen Charité Gesundheitsakademie Berlin, sagt, man könne auch mit wenig Zeit gute Gespräche führen, wenn man den Patienten als Mensch wahrnehme und möglichst im Team kommuniziere. Ihre Kürzest-Empfehlung für medizinisches Personal lautet "mehr hören als reden".
Künftig könnte die Kommunikation mit Patienten und Patientinnen einen höheren Stellenwert in der Ausbildung von Medizin-Studierenden erhalten. Das steht nach Angaben der Bundesärztekammer zumindest in einem Arbeitsentwurf zu einer neuen Approbationsordnung für Ärzte, den das Bundesgesundheitsministerium Ende 2019 vorgelegt hat. Wegen der Corona-Pandemie verzögere sich allerdings die Weiterentwicklung des Papiers. Es sei aber davon auszugehen, "dass noch in diesem Jahr das übliche Anhörungsverfahren erfolgen wird", teilte ein Ministeriumssprecher dem Evangelisches Pressedienst (epd) mit.
Marianne Rabe und Swetlana Philipp vom Universitätsklinikum Jena empfehlen darüber hinaus, dass Gesprächsführung auch berufsbegleitend eine Rolle spielen sollte - in Form von Beratungen und Fortbildungen mit Trainings. "Die Ärztekammer könnte das Absolvieren auch in diesem Bereich mit Fortbildungspunkten verpflichtend einführen", schlägt Rabe vor.