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Drogenbeauftragte: Tabak und Alkohol richten größten Schaden an




Der wachsende Cannabis-Konsum bereitet Experten zunehmend Sorge.
epd-bild/Maike Glöckner
Mehr Prävention und mehr Schadensreduzierung hat sich die Drogenbeauftragte der Bundesregierung auf die Fahnen geschrieben. Neben Alkohol, Tabak, Spielsucht und Cannabis ist inzwischen auch Kokain "in der Mitte der Gesellschaft angekommen". Kritik kommt von der Opposition.

Tabak und Alkohol richten laut der Bundesdrogenbeauftragten Daniela Ludwig (CSU) nach wie vor mit Abstand den größten gesundheitlichen Schaden in Deutschland an. Trotz erfolgreicher Präventionsarbeit unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen seien 2018 rund 127.000 Menschen an den Folgen des Rauchens gestorben, sagte Ludwig am 26. November in Berlin bei der Vorstellung ihres Jahresberichtes. Das seien mindestens 6.000 mehr gewesen als noch 2015.

Rauchen sei der wichtigste vermeidbare Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Atemwegserkrankungen, Krebs und Diabetes. Zudem gebe es "mittlerweile mehrere wissenschaftliche Belege dafür, dass Raucher sich einem doppelten Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf aussetzen", sagte Ludwig.

Zugleich verwies sie auf die bereits beschlossene weitere Einschränkung der Werbung für Tabakprodukte wie Zigaretten ab Anfang 2021. Die Weltgesundheitsorganisation empfehle zudem, heißt es in dem Bericht, während der Pandemie den Alkoholkonsum "weitestgehend einzuschränken".

Cannabis-Konsum bereitet Probleme

Große Probleme machten zudem die steigenden Cannabis-Konsumenten- und Behandlungszahlen, sagte Ludwig. Noch nie seien so viele illegale Drogen in Deutschland unterwegs gewesen wie aktuell. "Kokain ist das Megathema" und sei mittlerweile "in der Mitte der Gesellschaft angekommen". Gefahren gingen aber auch von Glückspielen und "Games mit Suchtpotenzial" aus.

Weiter warnte die CSU-Politikerin vor Gefahren der Corona-Pandemie für Suchtkranke. Elementar wichtig sei aktuell, dass Beratungsstellen, niedrigschwellige Hilfsangebote und Suchtkliniken für alle Bedürftigen offen bleiben. Der Bedarf sei größer denn je. Die Versorgung mit Ersatzstoffen für Opiatabhängige sei derzeit gesichert. Schwerpunkte seien aktuell der Ausbau lebensrettender Maßnahmen wie Substitution oder die bundesweite Verbreitung des Nasensprays Naloxon gegen Atemstillstand bei Überdosierungen. Hierdurch sollen Todesfälle durch den Konsum illegaler Drogen verhindert werden.

Mehr Hilfe als bisher bräuchten auch Kinder von Suchtkranken: "Viele von ihnen sind nahezu auf sich allein gestellt", sagte Ludwig. "Wir dürfen niemanden vergessen."

Medienabhängigkeit vermehrt im Fokus

Weiter steht die zunehmende Zahl medienabhängiger Kinder und Jugendlicher im Fokus des Berichts. Während des ersten Lockdowns im Frühjahr hätten Jugendliche etwa 70 Prozent häufiger zu digitalen Spielen gegriffen und soziale Netzwerke genutzt. "Damit steigen auch in diesem Bereich die Suchtgefahren", sagte Ludwig. Laut Bericht waren im Herbst 2019 rund drei Prozent aller Kinder und Jugendlichen und damit fast 700.000 junge Menschen süchtig nach "Gaming oder Social Media".

Demzufolge bestehe auch ein größerer Bedarf nach Informationen zur Bildschirmmediennutzung, heißt es mit Blick auf eine repräsentative Umfrage vom Juli dieses Jahres. Danach sprachen sich knapp zwei Drittel (64 Prozent) der Erwachsenen dafür aus, dass in Schulen mehr Medienkompetenz vermittelt werden müsse. Ludwig verwies in dem Zusammenhang auch auf ihre Kampagne "Familie.Freunde.Follower". Sie biete niedrigschwellige Hilfestellung "für einen gesunden Alltag mit Bildschirmmedien in den Familien".

Grünen sprechen von Versagen

Kirsten Kappert-Gonther, Sprecherin für Drogenpolitik der Grünen, warf der Beauftragten vor, die Drogenpolitik habe versagt. "Der Anteil der jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren, die innerhalb eines Jahres Cannabis konsumiert haben, ist in nur vier Jahren um 57 Prozent gestiegen." Die Drogenbeauftragte lege ihre Scheuklappen an und mache weiter wie bisher. "Ihre Präventionskampagne zum Cannabis-Konsum von Jugendlichen agiert wieder einmal mit dem erhobenen Zeigefinger und wird genauso verstauben wie viele andere vorher."

Die erleichterten Bedingungen für die Substitutionstherapie in der Pandemie haben sich laut Kappert-Gonther für Ärzte und ihre Patientinnen und Patienten bewährt. "Sie muss über März 2021 hinaus verstetigt werden. Es müssen mehr Opioid-Anhängige Zugang zur Substitutionstherapie bekommen, auch zur Originalstoffvergabe mit Diamorphin." Es reiche nicht, wenn Daniela Ludwig hochtrabende Ziele verkünde, "sie muss auch klipp und klar erklären, wie sie diese Ziele erreichen will".

Lukas Philippi