Rotenburg/Wümme (epd). Pflegekräfte der Unfallchirurgie des Agaplesion Diakonieklinikums in Rotenburg bei Bremen haben ihrem Arbeitgeber ein Ultimatum bis Anfang Dezember gestellt, um bessere Arbeitsbedingungen zu erreichen. Durch Personalmangel kommt es nach Angaben von ver.di-Gewerkschaftssekretär Jörn Bracker zu massiven Überlastungen und Gefährdungen des Pflegepersonals und der Patienten. Der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung im Haus, Torsten Rathje, sprach von konstruktiven Gesprächen mit der Leitung, die aber noch nicht viel geändert hätten. Der Konflikt habe grundsätzliche Bedeutung, unabhängig von der Corona-Krise.
Schon im August haben die Pflegekräfte in einem offenen Brief an die Klinikleitung vor gesundheitsgefährdenden Zuständen gewarnt. Ausgelöst würden sie durch Überstunden, zu wenig Pausen, das Nichteinhalten des Arbeitszeitgesetzes und psychischem Druck durch fehlende Zeit und körperliche Belastung. Unzuverlässige Dienstpläne sowie häufige Anrufe und somit Störungen in der Freizeit- und Erholungsphase verhinderten eine ausreichende Regeneration.
Die Klinik habe zwar mit Leiharbeitern nachgesteuert, was vereinzelt auch geholfen habe, sagte Rathje dem Evangelischen Pressedienst (epd). Aber in den vergangenen Wochen sei die Situation eher noch belastender geworden. "Die Kolleginnen und Kollegen haben den Notstand lange Zeit mit persönlichem Einsatz kompensiert, nun ziehen sie sich zum Selbstschutz auf ihre vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung zurück", sagte der Mitarbeitervertreter. Gewerkschaftssekretär Bracker ergänzte, das gelte ab Anfang Dezember.
Die Beschäftigten der Unfallchirurgie fordern nach Gewerkschaftsangaben neben strukturellen Verbesserungen insbesondere verlässliche Dienstpläne, eine Mindestbesetzung und Entlastungstage, wenn diese nicht eingehalten werden kann. Es gehe nicht um ein spezielles Problem einer Station, sondern um eine Blaupause für Klinik, Konzern und Branche, sagte Rathje. Deshalb würden nun freiwillig erbrachte Leistungen wie Mehrarbeit, Übernahme ärztlicher Tätigkeiten und ein Einspringen aus dem Frei eingestellt.
Zwar zeichneten sich für Dezember Verbesserungen ab, räumte Rathje ein, der auch Vorsitzender der Gesamtmitarbeitervertretung im Agaplesion-Konzern ist. Doch das, was der Arbeitgeber bisher in den Gesprächen als Lösungen anbiete, zeige, dass er den Ernst der Lage nicht erkannt habe: "Uns geht es um vernünftige Arbeitsbedingungen, mit denen wir erfolgreich Pflegekräfte werben könnten, die aufgrund der Belastungen den Job verlassen haben oder auf Teilzeit gegangen sind."
Unternehmenssprecher Matthias Richter wies die Vorwürfe dagegen in weiten Teilen zurück und sagte dem epd, ab Dezember komme die Klinik in der Unfallchirurgie zu einer Besetzungsplanung deutlich über die gesetzlichen Vorgaben hinaus. Bei erhöhten Krankenquoten könne es aber auch zu erhöhter Belastung des vorhandenen Personals kommen. Hier hoffe die Klinik auf gute Lösungen durch Maßnahmen wie einen verstärkten Einsatz von Zeitarbeit, der Umsteuerung von Personal und Pool-Lösungen.
Keine Einigung habe es bei zusätzlichen Entlastungstagen gegeben, die über den Tarifvertrag hinausgingen. Richter: "Das sind Forderungen, die unter der gegebenen Krankenhausfinanzierung leider kein Krankenhaus in Deutschland erfüllen könnte." Insgesamt gesehen seien die Themen Belastung und Personalbesetzung in jedem Bereich und in jedem deutschen Krankenhaus aktuell.
Zum christlichen Gesundheitskonzern Agaplesion gehören eigenen Angaben zufolge bundesweit mehr als 100 Einrichtungen, darunter mit Rotenburg 23 Krankenhausstandorte mit über 6.300 Betten. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen mehr als 20.000 Frauen und Männer.