Frankfurt a.M., Wiesbaden (epd). Die Stadt Frankfurt am Main fordert mindestens 1,75 Millionen Euro vom Kreisverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO) zurück. Das Bildungsdezernat legte am 26. November einen Rückforderungsbescheid in Höhe von rund 900.000 Euro für Kindertagesstätten vor. Dieser Betrag sei von der AWO in den Jahren 2017 und 2018 unrechtmäßig abgerechnet worden, sagte die Dezernentin Sylvia Weber (SPD). Der Verband habe "mit dem Geld Dinge finanziert, die nicht förderfähig sind, oder falsch abgerechnet". Davon abgesehen habe die AWO stets die geforderte Leistung in ihren Kitas erbracht. Kurz zuvor stellte die benachbarte AWO Wiesbaden enen Insolvenzantrag.
Grundlage ist nach den Worten von Weber der Abschlussbericht des Wirtschaftsprüfers, der nachgewiesen habe, dass Verwaltungskosten nicht ordnungsgemäß berechnet und Einnahmen nicht oder in falscher Höhe angegeben waren. Die Stadt habe vorsorglich von Januar bis August dieses Jahres die Verwaltungskostenpauschale gekürzt und rund 950.000 Euro einbehalten. "Diese Gelder decken die Höhe unserer Rückforderungen vollständig ab", sagte Weber.
Die Dezernentin kritisierte die ehemalige AWO-Führung: "Hier haben sich einige wenige Mächtige auf Kosten der Allgemeinheit und zum Schaden der gesamten Arbeiterwohlfahrt eiskalt und vorsätzlich persönlich bereichert."
Darüber hinaus fordert das Sozialdezernat der Stadt von der AWO rund 600.000 Euro für den früheren Betrieb zweier Flüchtlingsunterkünfte zurück. Dort seien höhere Personalkosten abgerechnet worden als Personal vorhanden gewesen sei, sagte die Sprecherin Uta Rasche dem Evangelischen Pressedienst (epd). Weitere zehn Rückforderungsbescheide in der Höhe von insgesamt rund 250.000 Euro beträfen die Sozialarbeit wie den Betrieb von Altentagesstätten und Jugendhäusern.
Wenn die Gespräche mit der AWO zu keiner Einigung führten, werde die Stadt den Rechtsweg beschreiten, sagte Rasche. Das Sozialdezernat habe in diesem Jahr eine Erstattung von Verwaltungskosten in Höhe von 50.000 Euro pro Quartal einbehalten, bisher also 150.000 Euro.
Die Arbeiterwohlfahrt hat Widerspruch gegen die Rückforderung des Bildungsdezernats eingelegt. Der habe jedoch keine aufschiebende Wirkung, weil die Stadt sofortigen Vollzug für die Überweisung der rund 900.000 Euro angeordnet habe, sagte der Referent des Vorstandsvorsitzenden, Eduard Szekeres, dem epd.
Der Verband habe Akteneinsicht beantragt. Die Gesamtkosten der Kitas seien 2017 und 2018 sogar deutlich höher gewesen als die Platzkostenpauschale, die die Stadt an alle Kitaträger gezahlt habe. Den übersteigenden Teil habe die AWO Frankfurt aus eigenen Mitteln bezahlt. Unabhängig von den Forderungen der Stadt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen mehrere frühere AWO-Leitungskräfte wegen der Vorwürfe Untreue und Betrug.
Zuvor hatte der Vorstand des AWO-Kreisverbandes Wiesbaden aufgrund aktueller Liquiditätsprobleme einen Insolvenzantrag gestellt. Das Amtsgericht Wiesbaden habe daraufhin ein Insolvenzverfahren angeordnet, das in Eigenverantwortung durchgeführt werden könne, teilte die AWO Wiesbaden am 25. November mit. Die Löhne und Gehälter seien für drei Monate über das Insolvenzgeld gesichert, sagte die Geschäftsführerin Andrea Piro. Danach würden die Gehälter wieder selbst gezahlt. Der Geschäftsbetrieb in Pflegeeinrichtungen und Kitas gehe in der gesamten Zeit unvermindert weiter.
Nach den Worten des Wiesbadener AWO-Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Hessenauer war die Entscheidung, den Antrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit zu stellen, "aufgrund des jahrelangen Missmanagements im Kreisverband unausweichlich". Piro fügte hinzu: "Mit dem Sanierungsverfahren streben wir nun einen kompletten Neuanfang an und lassen damit die Ergebnisse der chaotischen Geschäftsführung der früheren AWO-Verantwortlichen endgültig hinter uns."