Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will den lückenhaften Hitzeschutz in Deutschland verbessern. Die Sozialverbände unterstützen das Vorhaben, denn noch gibt es in Städten und Landkreisen kaum Notfallpläne und gesetzliche Vorgaben, um die Menschen effektiv vor hohen Temperaturen zu schützen. Doch vielen Trägern fehlt das Geld, um mit Umbauten auf den Klimawandel zu reagieren. So auch die Diakonie. Präsident Ulrich Lilie sieht den Staat in der Pflicht.
Der heftig umstrittene EU-Asylkompromiss war auch eines der kontroversen Themen beim evangelischen Kirchentag in Nürnberg. Kanzler Olaf Scholz stand Rede und Antwort und verteidigte die jüngsten Beschlüsse zur gemeinsamen europäischen Flüchtlingspolitik. Doch die Kritik reißt nicht ab. Die Teilnehmer des Christentreffens verabschiedeten eine Resolution gegen die Pläne der EU. Und auch andere sozialpolitische Debatten wurden geführt, so etwa über den Kampf gegen Armut und die Zukunft der Arbeit.
Grund zum Feiern besteht in Hamburg: Im „Sperrgebiet St. Pauli“ bietet die Diakonie seit 50 Jahren professionelle Hilfe für Sexarbeiterinnen. Es gibt Beratung, aber auch Lebensmittel und Kleidung. Viele Frauen sind Stammkundinnen, die täglich oder wöchentlich ins „Sperrgebiet“ kommen - auch, weil sie sich hier sicher fühlen können und so akzeptiert werden, wie sie sind.
Arbeitnehmern in einem Kleinbetrieb darf allein wegen einer Krankschreibung ordentlich gekündigt werden. Das hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg entschieden. Die Entlassung allein wegen des Kranksein stellt keine verbotene Maßregelung, also eine Strafaktion, durch den Arbeitgeber dar, befand das Gericht und wies die Kündigungsschutzklage eines Kurierfahrers ab.
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Ihr Dirk Baas
Berlin (epd). Um auf die Dringlichkeit eines besseren Hitzeschutzes aufmerksam zu machen, gab es am 14. Juni an über 20 Orten in Deutschland Aktionen, bei denen auf die Gesundheitsgefahren durch hohe Temperaturen hingewiesen wurde. „Hitze ist eine tödliche Gefahr, die durch die eskalierende Klimakrise und die damit verbundene erhöhte Wahrscheinlichkeit extremer Hitzewellen immer weiter zunimmt“, sagte Sonja Schmalen vom Mitorganisator Health for Future. „Unsere Gesundheitssysteme sind darauf nicht vorbereitet.“ Allein in Deutschland gab es nach ihren Worten zwischen 2018 und 2020 mehr als 19.000 Hitzetote.
In der EU würden Schätzungen zufolge bereits 2030 ca. 30.000 zusätzliche hitzebedingte Todesfälle pro Jahr erwartet. Besonders stark betroffen sind Risikogruppen wie Kinder, Ältere und Menschen mit Vorerkrankungen.
Diakoniechef Ulrich Lilie sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), um gerade vulnerable Gruppen effektiver vor Hitze zu schützen, brauche es ein Gesamtkonzept. Dazu gehörten auch bauliche Maßnahmen. Doch ohne Geld sei baulich wenig zu erreichen, betonte Lilie: „Die energetische Sanierung von Sozialimmobilien schützt das Klima. Wir wollen klimaneutral werden und wir wollen in den gesundheitlichen Hitzeschutz investieren, brauchen dafür aber gesetzliche Grundlagen und finanzielle Förderung.“
„Angesichts des großen Investitionsstaus und ihrer chronischen Unterfinanzierung können die Krankenhäuser die Transformation nicht aus eigenen Kräften stemmen, und die vorhandenen Programme sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, so Peggy Kaufmann vom St. Elisabeth-Krankenhaus in Leipzig, die auch Mitglied im Vorstand des Katholischen Krankenhausverbandes Deutschland ist. „Bund und Länder müssen zeitnah ein umfassendes Klima-Förderprogramm für die Krankenhäuser auflegen.“
Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, forderte, den gesundheitlichen Hitzeschutz als Pflichtaufgabe gesetzlich zu verankern und in die Planungen das Gesundheitswesen einzubeziehen. Er sagte, im vergangenen Jahr seien 4.500 Menschen wegen großer Hitze gestorben.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte zuvor angekündigt, einen Hitzeschutzplan für Deutschland zu erarbeiten. Er werde dazu in der kommenden Woche Vertreterinnen und Vertreter der Ärzteschaft, der Pflege und des Gesundheitswesens einladen, sagte Lauterbach am 13. Juni in Berlin. Er wolle sich an Frankreich orientieren, wo je nach Schwere einer Hitzewelle im ganzen Land Schutzmaßnahmen ausgelöst werden. Diese reichen von Kälteräumen über Hitzeaktionspläne für Pflegeeinrichtungen und Kliniken bis zu Anrufen bei alten Menschen in ihren Wohnungen, damit sie regelmäßig trinken. Für die Umsetzung wären in Deutschland Länder und Kommunen verantwortlich.
Hitze stellt derzeit das größte klimawandelbedingte Gesundheitsrisiko für Menschen in Deutschland dar. Reinhardt sagte, Hitzestress und Erschöpfung könnten jeden treffen. Erkrankungen könnten sich verschlimmern, beispielsweise Kreislauf- und Atemwegserkrankungen. Neugeborene, Kleinkinder und alte Menschen seien durch extreme Hitze besonders gefährdet. Nachgewiesen sei inzwischen auch, dass sich psychische Leiden verstärkten.
Bereits im heißen Sommer 2018 registrierte das Robert Koch-Institut 8.700 hitzebedingte Sterbefälle. Zusätzliche Patientinnen und Patienten belasten Praxen und Kliniken. In den Pflegeheimen nehme die Arbeit in Hitzeperioden noch zu bei zugleich besonders belastenden Arbeitsbedingungen, erklärte Jana Luntz aus dem Präsidium des Deutschen Pflegerats. Dennoch haben nur wenige Kommunen und Einrichtungen bereits Hitzeschutzpläne. „Der Hitzeschutz ist nicht nur Gesundheitsschutz für die Bevölkerung. Er ist auch Gesundheitsschutz für Pflegebedürftige und deren Pflegenden. Wir müssen endlich ins Handeln kommen.“
Der Vorsitzende der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit, Martin Herrmann, nannte als wichtigste Aufgabe einen gesetzlichen Rahmen für den Hitzeschutz auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene. Hitzeschutz müsse für öffentliche Einrichtungen eine Pflichtaufgabe werden und außerdem auch im Arbeitsschutzrecht verankert werden, sagte Herrmann. Es existierten bisher auch keine Pläne für einen durch Hitze ausgelösten Katastrophenfall.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) erklärte, die Kliniken stünden beim Klima- und Hitzeschutz vor großen Herausforderungen. Viele alte Gebäude müssten energetisch saniert werden. „Dabei sind Krankenhäuser schon aus baulichen Gründen oft nicht in der Lage, ohne größeren Aufwand nachhaltige Kühlungskonzepte umzusetzen. Oftmals stammen die Gebäude aus dem 19. Jahrhundert oder der Nachkriegszeit, stehen unter Denkmalschutz und besitzen eine geringe Wärmedämmung“, sagte die stellvertretende Vorstandsvorsitzende Henriette Neumeyer.
Hinzu kommt nach ihren Worten, dass seit Jahrzehnten die Investitionskostenfinanzierung der Bundesländer den Bedarf nicht ansatzweise deckt, obwohl die Länder gesetzlich zur Finanzierung der Klinik-Investitionen in tatsächlicher Höhe verpflichtet sind. „Das wenige Geld fließt in dringend benötigte Gerätschaften und Bauarbeiten. Für energetische Sanierung mit optimaler Gebäudeisolierung, effizienten Kühlungssystemen, Verschattung und Begrünung fehlen oftmals die Mittel“, so Neumeyer.
„Wir begrüßen die Ankündigung des Bundesgesundheitsministers, einen ‚Hitzeplan Deutschland‘ zu erstellen, der sich an den Erfahrungen in Frankreich anlehnt. Wir brauchen eine solche Blaupause mit Handlungsempfehlungen und verbindlichen Maßnahmen, die konkrete Umsetzung obliegt dann den Kommunen“, sagte Susanne Johna, Vorsitzende des Marburger Bundes, am 14. Juni.
„Zur Gefahr können Hitzewellen insbesondere für ältere Menschen aufgrund eines verminderten Durstgefühls werden. Neben Senioren sind auch Säuglinge, Schwangere, chronisch Kranke und Arbeitskräfte im Freien, darunter Bauarbeiter und Landwirte, durch Hitzewellen besonders gefährdet“, so die Ärztin. Die gesundheitlichen Risiken reichten von Hitzeerschöpfung über Hitzschlag und Sonnenbrand bis hin zum gefährlichen Hitzekollaps.
Berlin (epd). Im Gespräch mit dem epd betonte Diakoniechef Ulrich Lilie, es lägen noch keine Details für das Schutzkonzept auf dem Tisch. Doch diese Initiative, die Folgen des Klimawandels für die Gesundheit ganz oben auf die politische Tagesordnung zu setzen, sei gut und richtig, betonte Lilie. Um gerade vulnerable Gruppen vor Hitze zu schützen, brauche es aber ein Gesamtkonzept. Dazu gehörten auch bauliche Maßnahmen. Doch ohne Geld sei baulich wenig zu erreichen, betont Lilie. Die Fragen stellte Dirk Baas.
epd sozial: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will den Hitzeschutz gesetzlich regeln. Ist das sinnvoll oder ein neuer Fall von „Überregulierung“?
Ulrich Lilie: Ohne Kenntnis der konkreten Ausgestaltung des Hitzeschutzplans, lässt sich das nicht beurteilen. Grundsätzlich begrüßen wir, dass das Gesundheitsministerium das Thema in einer präventiven Perspektive aufgreift. Die gesundheitlichen Belastungen durch Hitze und Klimawandel sind bereits jetzt für alle Menschen spürbar. Einige Personengruppen sind besonders gefährdet: Obdachlose Menschen, chronisch kranke oder pflegebedürftige Menschen, aber auch kleine Kinder oder ältere Menschen. Zu denken ist auch an Geflüchtete, die in unzureichend isolierten Containerunterkünften wohnen.
epd: Wer sollte an den Plänen beteiligt werden?
Lilie: Für uns ist es wichtig, dass der Bund gemeinsam mit den Ländern und Kommunen, den Leistungsträgern sowie den Leistungserbringern an der Hitzeschutz-Prävention arbeitet. Der Minister sollte von vornherein andere Ressorts einbeziehen, denn es geht beispielsweise auch um Arbeitsschutz, um Stadtentwicklung oder um die Förderung von Investitionen. Wir erwarten uns sehr konkrete Maßnahmen, wie die Unterstützung bei der energetischen Gebäudesanierung.
epd: Konzepte müssen auch umgesetzt werden. Ist das gewährleistet angesichts von Personalnot in vielen Häusern?
Lilie: In den stationären Pflegeeinrichtungen, in Krankenhäusern oder Kindertagesstätten ist das Thema Hitzeprävention bereits in den vergangenen Jahren ein wichtiges Handlungsfeld geworden. Wir haben verschiedene Informationsmaterialien wie Empfehlungen, Aufklärungsvideos, Broschüren mit Praxisbeispielen zur Verfügung gestellt, die die Mitarbeitenden nutzen, um angepasste Konzepte in ihren Einrichtungen zu entwickeln. Die Diakonie Deutschland kooperiert mit dem Naturschutzbund mit dem Ziel, die Artenvielfalt unserer Grünflächen rund um unsere Einrichtungen, und damit auch das Mikroklima, zu verbessern.
epd: An wen richten sich diese Tipps?
Lilie: Unsere Empfehlungen gehen vor allem an die Fachkräfte, die mit vulnerablen Personen arbeiten. Ziel ist es, das Arbeitsumfeld hitzetauglich zu gestalten, haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitende zu sensibilisieren und Bewohner und Patientinnen, die auf Hilfe angewiesen sind, zu schützen. Es kommt darauf an, dass gesetzliche Vorgaben in Konzepten regional und arbeitsfeldspezifisch ausgestaltet werden. Es ist wichtig, dass die Erfahrungen aus der Praxis in die Konzepte einfließen. Bitte keine zusätzliche bürokratische Belastung, sondern Konzepte, die in den Diensten und Einrichtungen gut umgesetzt werden können.
epd: Besserer Hitzeschutz erfordert oft auch teure bauliche Veränderungen. Haben die Träger das Geld dafür oder muss ein neuer öffentlicher Fördertopf her?
Lilie: Hitzeschutz ist Klimaschutz und Klimaanpassung. Er muss Bestandteil der Nachhaltigkeitsstrategie sein. Die Klimaschutzforderungen, die die Diakonie Mitte Mai formuliert hat, gelten auch für den Hitzeschutz. Notwendige Investitionen unserer Träger und Einrichtungen in den Klimaschutz und Klimaanpassungsmaßnahmen müssen von den Kostenträgern refinanziert werden. Die Bundesregierung kann ihre Klimaziele nur gemeinsam mit der Sozialwirtschaft erreichen. Der Gebäudesektor hinkt beim Klimaschutz weit hinterher. Die energetische Sanierung von Sozialimmobilien schützt das Klima. Wir wollen klimaneutral werden und wir wollen in den gesundheitlichen Hitzeschutz investieren, brauchen dafür aber gesetzliche Grundlagen und finanzielle Förderung.
Stuttgart, Mannheim (epd). Das Land Baden-Württemberg verstärkt seine Anstrengungen, um den gesundheitlichen Gefahren durch Hitze zu begegnen. Gesundheitsministerium, Landesärztekammer und Deutscher Wetterdienst gaben am 14. Juni in Stuttgart den Startschuss für ein Aktionsbündnis zum Schutz vor gesundheitlichen Auswirkungen von Hitze bekannt. Hitzewellen seien „unterschätzte Gefahren“, sagte Landesgesundheitsminister Manne Lucha (Grüne).
Nach Schätzungen des Statistischen Landesamtes werden im Südwesten jedes Jahr durch Hitzewellen 1.500 Todesfälle mitverursacht. Besonders betroffen seien ältere, pflegebedürftige und vorerkrankte Menschen sowie Schwangere, Säuglinge oder Menschen mit Behinderungen. „Weil wir alle älter werden, werden wir alle vulnerabler für Hitze“, betonte der Minister. Der Hitzeschutz betreffe insofern alle.
Die Empfehlungen des Bundes für kommunale Aktionspläne sollen laut dem Minister übernommen werden, gerade bei baulichen Maßnahmen wie Frischluftschneisen in Städten, der Beschattung von Kindergärten oder der Dämmung und Isolierung von Pflegeheimen.
Hitzewellen, bei denen das Thermometer länger als drei Tage über 30 Grad Celsius klettert, stellen neben dem Gesundheitsrisiko für den Einzelnen auch für das Gesundheitssystem eine zusätzliche Belastung dar, hob der Präsident der Landesärztekammer, Wolfgang Miller, hervor. Mit jedem Grad mehr an Hitze gebe es mehr Frühgeburten, erklärte der Klimaschutzbeauftrage der Landesärztekammer, Robin Maitra. Auch die Zahl der Herzinfarkte steige mit den Temperaturen. „Das Problem ist die fehlende Nachtabkühlung“, so der Mediziner.
„Erste Städte wie Mannheim verfügten bereits über einen Hitzeaktionsplan, berichtete der Leiter des Landesgesundheitsamtes, Gottfried Roller. Heidelberg, Karlsruhe, Freiburg, die Kreise Esslingen und Ludwigsburg hätten sich auf den Weg gemacht. “Wir begleiten diesen Weg und beraten die Gesundheitsämter durch das im Mai 2022 gegründete Kompetenzzentrum Klimawandel und Gesundheit", sagte Roller.
Der Hitzeaktionsplan von Mannheim enthalte unter anderem eine Broschüre mit Notfallnummern, kühlen Plätzen in der Stadt, Orte, an denen man Wasserflaschen auffüllen könne, sowie einen Hitze-Check zur eigenen Empfindlichkeit.
Berlin (epd). Die für eine liberale Regelung der Suizidassistenz eintretenden Gruppen von Bundestagsabgeordneten gehen mit einem gemeinsamen Gesetzesvorschlag in die Abstimmung im Parlament. Am 13. Juni präsentierten die ursprünglich zwei Gruppen um die Parlamentarierinnen Katrin Helling-Plahr (FDP) und Renate Künast (Grüne) in Berlin einen gemeinsamen Entwurf.
Sie schlagen vor, Sterbewilligen den Zugang zu tödlich wirkenden Medikamenten zu ermöglichen, wenn sie zuvor eine Beratung in Anspruch genommen haben. In Härtefällen - wenn sich jemand „in einem existenziellen Leidenszustand mit anhaltenden Symptomen“ befindet - soll ein Arzt auch ohne Beratung die Mittel verschreiben dürfen. Einen Anspruch darauf soll es aber nicht geben. Findet sich kein Arzt, der zur Verschreibung der Mittel bereit ist, soll die im jeweiligen Bundesland zuständige Behörde die Erlaubnis zum Erwerb des Mittels erteilen.
Im Gesetzentwurf finden sich damit Ideen der ursprünglich beiden Gruppen wieder. Dazu gehört das von Helling-Plahr angestrebte bundesweite Beratungsnetz. Die Unterscheidung zwischen Sterbewilligen mit und ohne medizinischer Notlage war die Idee von Künast. Die Gruppen habe eine Grundhaltung geeint, nämlich der Respekt vor dem Recht auf selbstbestimmtes Sterben, sagte Helling-Plahr bei der Vorstellung. Künast sagte, man sei sich zudem einig gewesen, dass es keine strafrechtliche Regelung zur Suizidassistenz geben soll.
Voraussetzung für die Hilfe bei der Selbsttötung soll dem Entwurf zufolge Volljährigkeit und der Nachweis eines autonom gebildeten, freien Willens sein. Beides gilt unabhängig davon, ob der Betroffene ein Härtefall ist oder nicht. Die Gruppe, der weitere Abgeordnete von SPD, Grünen, SPD und Linken angehören, legte am Dienstag zudem einen zusätzlichen Entschließungsantrag vor, der die Bundesregierung auffordert, eine Nationale Strategie zur Suizidprävention vorzulegen.
Dem Parlament liegen für die in der ersten Juli-Woche geplante Abstimmung nur noch zwei statt drei Vorschläge vor. Der Entwurf der Gruppe um Helling-Plahr und Künast konkurriert dann mit dem Vorschlag der Gruppe um Lars Castellucci (SPD), die organisierte Hilfe bei der Selbsttötung im Strafrecht verbieten, unter Bedingungen aber erlauben will. Dazu zählen eine psychiatrische Begutachtung und eine Beratung. Auch sie betonen in einem zusätzlichen Antrag die Notwendigkeit der Suizidprävention.
Das Bundesverfassungsgericht hatte 2020 ein pauschales Verbot der organisierten Suizidassistenz gekippt. Es urteilte, das Recht auf selbstbestimmtes Sterben schließe das Recht ein, sich das Leben zu nehmen und dabei die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen. Seitdem wird um eine Neuregelung gerungen und damit auch die Frage, ob Regeln zur Suizidassistenz per Strafrecht sanktioniert werden können oder nicht.
Die Abstimmung über diese Gewissensfrage soll ohne Fraktionszwang erfolgen. Unterstützung bekommen die Entwürfe jeweils aus unterschiedlichen Fraktionen, auch die Mitglieder der Bundesregierung, die dem Bundestag angehören, werden sich voraussichtlich unterschiedlich entscheiden. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) unterstützen beispielsweise den Castellucci-Entwurf, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) gehören zu den Unterzeichnern des ursprünglichen Helling-Plahr-Entwurfs.
Sollte dieser Entwurf eine Mehrheit bekommen, muss auch der Bundesrat seine Zustimmung geben. Dies werde notwendig durch die Beratungsstruktur, für die die Länder dann aufkommen müssten, erläuterte der Grünen-Abgeordnete Till Steffen. Noch ist aber völlig offen, wie die Abstimmung ausgeht. Es gebe noch viele Abgeordnete, die sich noch nicht entschieden haben, sagte Helling-Plahr.
Ärztepräsident Klaus Reinhardt kritisierte den Zeitplan des Bundestages für die Schlussabstimmung über eine Neuregelung der Sterbehilfe. „Wenn erst jetzt ein neuer Entwurf vorliegt, stellt sich die Frage, ob eine abschließende Entscheidung in den letzten dichtgedrängten Sitzungswochen vor der Sommerpause wirklich klug ist“, sagte Reinhardt dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ am 14. Juni. „Bei der Entscheidung des Gesetzgebers sollte Abwägung und Sorgfalt vor Schnelligkeit gehen“, mahnte er.
Dagegen warnten Patientenschützer davor, Angebote zur Sterbehilfe in Deutschland gesetzlich zu regeln. „Die organisierte Hilfe zur Selbsttötung lässt sich nicht durch ein Gesetz regeln“, sagte Eugen Brysch, Vorstand der Stiftung Patientenschutz, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Selbstbestimmung der Sterbewilligen und der Schutz vor Fremdbestimmung seien viel zu komplex, um sie in Paragrafen zu pressen. Es sei darüber hinaus ein „Irrglaube“, dass autonome Entscheidungen durch Pflichtberatungen, wie sie derzeit im Gespräch sind, allgemeingültig überprüfbar wären.
Brysch beklagte in diesem Zusammenhang, dass Psychotherapie und würdevolle Pflege oder Therapie für viele sterbenskranke, lebenssatte, psychisch kranke oder depressive Menschen weiter unerreichbar seien. „Suizidprävention bleibt somit viel zu häufig auf der Strecke“, sagte er.
Halberstadt (epd). Wenn am Ende des Geldes noch so viel Monat übrig ist: Was dieses geflügelte Wort bedeutet, bekommen Katja Grubert und Ina Tauchel seit über einem Jahr hautnah mit. Die beiden Frauen arbeiten in der Schuldner- und Insolvenzberatung der Caritas in Halberstadt (Sachsen-Anhalt). „Seit dem Ukraine-Krieg haben wir mehr Beratungsgespräche als zuvor“, sagt Grubert.
Vor dem Hintergrund steigender Lebensmittel- und Energiepreise und einer Rekord-Inflation kommen seit Mitte vergangenen Jahres immer mehr Menschen in die Erstberatung. Sie erhalten dort Unterstützung, um ihre privaten Finanzen in den Griff zu bekommen. „Beispielsweise empfehlen wir, alle Ausgaben in ein Haushaltsbuch einzutragen“, sagt Grubert: „Oder wir helfen ihnen, ihre Kreditkarte zu kündigen, damit sich nicht noch mehr Schulden anhäufen.“
Ihre Kollegin Ina Tauchel sagt: „Es kommen jetzt Menschen zu uns, die vorher nicht gekommen wären, wo das Geld bisher gereicht hat.“ Dass die Verschuldung privater Haushalte durch die Preissteigerungen drastisch zugenommen hätte, können die beiden Beraterinnen dennoch nicht beobachten. „Es gab immer schon eine hohe Nachfrage“, sagt Tauchel. Und die Termine seien knapp, denn bei einer Schuldnerberatung sei viel Nacharbeit nötig. Sie nimmt etwa Kontakt mit den Gläubigern auf und versucht, eine Ratenzahlung oder eine Kürzung der Raten zu erreichen.
Zudem seien soziale Härten durch staatliche Leistungen wie die Erhöhung des Mindestlohns und des Kindergeldes abgefedert worden. „Viele Menschen erhalten ihre Energieabrechnungen erst in diesem Jahr“, erklärt Tauchel. „Das wird sich vielleicht noch in der Zahl der Beratungen niederschlagen.“ Knapp 1.700 Beratungen waren es im vergangenen Jahr - mehr als in den Vorjahren. Allerdings hätten sich in der Corona-Zeit auch neue Beratungsformen wie Onlineberatung etabliert. Diese machten inzwischen rund 40 Prozent der Kontakte aus.
Warnrufe kommen derzeit aus allen Teilen Deutschlands. Eva Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, verwies auf eine neue Umfrage. Demnach berichteten zwei Drittel der befragten gemeinnützigen Schuldnerberatungsstellen von einer deutlich höheren Nachfrage als vor sechs Monaten. Bei einem Fünftel von ihnen stieg den Angaben zufolge die Nachfrage sogar um mehr als 30 Prozent.
Welskop-Deffa bestätigte die Daten: „Immer mehr Menschen suchen unsere Beratung auf, weil das Geld hinten und vorne nicht reicht und weil sie angesichts wachsender Schulden weder ein noch aus wissen.“ In der Hälfte der Schuldnerberatungsstellen seien im Frühjahr mehr Ratsuchende wegen Energieschulden als Ende 2022 - und das, nachdem sich schon im Vorjahr die Energiepreisentwicklung als besonderes Sorgenkind erwiesen hatte, so die Verbandschefin.
Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, betonte, dass Menschen, bei denen das Geld nicht zum leben reiche, einen Rechtsanspruch auf Sozialleistungen hätten. „Aus unseren Beratungsstellen wissen wir, dass viele Behörden für die Ratsuchenden schwer erreichbar sind. Bis zur Entscheidung über Anträge dauert es zudem oft sehr lang. Besonders auffällig ist das beim Wohngeld. Leidtragende der Sorgen und Zukunftsängste ihrer Eltern sind letztlich die Kinder und Jugendliche“, so die Vorständin weiter.
Energie- und Mietschulden sind nach ihren Worten die Hauptthemen der Ratsuchenden in den Beratungsstellen. „Besonders armutsgefährdete Familien können Energieschulden oftmals kaum vermeiden. Die sozialen und wirtschaftlichen Folgen von Energiesperren sind für die Betroffenen verheerend. Wir fordern daher ganz klar: Wenn Betroffene sich bereits mit Abschlägen um die Tilgung ihrer Energieschulden bemühen, darf es keine Energiesperre geben“, so die Diakonie Vorständin.
„Gut, dass sich die Menschen Hilfe holen. Und schlecht, dass wir in den Schuldnerberatungsstellen spezielle Lotsenangebote hin zur Energieberatung kaum anbieten können“, so Welskop-Deffaa. Ein entsprechender Förderantrag werde in der Bundesregierung seit Monaten von einem Ressort zum anderen geschoben, obwohl die Gas-Wärme-Kommission ausdrücklich für den Ausbau der Beratung votiert hatte.
„Unsere Beratungsstellen sind überlastet und müssen Ratsuchenden zum Teil lange Wartezeiten zumuten. Es ist längst Zeit, dass sich hier etwas ändert und dass die Schuldnerberatung und die Energieberatung finanziell so ausgestattet werden, dass sie den akuten Bedarf decken können.“
Auch Elke Neuendorf von der Schuldner- und Insolvenzberatung der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt sieht keinen deutlichen Anstieg von Verbraucherinsolvenzen. Dennoch suchten auch dort mehr Menschen Rat und Hilfe, sagt sie. In diesem Jahr habe es zwischen Januar und Mai rund 350 Fälle in der Beratungsstelle gegeben. Im Vorjahreszeitraum seien es nur 145 gewesen.
Die Zahl der Fälle, die tatsächlich zum Gericht gingen, sei aber im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sogar leicht gesunken, sagt Neuendorf. Zwischen Januar und Mai seien es 49 Anträge auf Privatinsolvenz gewesen, im Vorjahreszeitraum 65. Da die Nachfrage nach Beratung weiter steigt, rechnet die Beraterin im Lauf des Jahres allerdings mit mehr Insolvenzanträgen.
„Die Überschuldungslage der deutschen Verbraucher hat sich trotz der Folgewirkungen von Corona-Krise, Ukraine-Krieg und Energiepreiskrise bislang noch nicht dramatisch verschlechtert“, sagt auch Patrik-Ludwig Hantzsch, Sprecher der Wirtschaftsauskunftei Creditreform in Neuss in Nordrhein-Westfalen. Die Energiepreiskrise habe zwar die Verbraucher in Deutschland erreicht, aber nicht mit voller Wucht. So sei eine Mangellage bei Strom und Gas ausgeblieben, und staatliche Hilfsprogramme hätten trotz zeitlicher Verzögerung ihre Wirkung entfalten können.
Laut einer Umfrage der Firma Creditreform Boniversum, die Konsumentendaten erhebt, leiden rund 20 Prozent der Verbraucher unter häufigem finanziellem Stress. Das sei seit Beginn der Umfragen im Jahr 2010 der höchste Wert. „Der andauernde finanzielle Stress setzt den Verbrauchern zu“, sagt Hantzsch: „Betroffen sind vor allem diejenigen, die auch in normalen Zeiten wenig bis gar nichts sparen können.“
Wiesbaden, Bonn (epd). Ältere Menschen haben nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Deutschland im Schnitt mehr Wohnraum zur Verfügung als jüngere. Haushalte, in denen die Haupteinkommensbezieher mindestens 65 Jahre alt waren, hätten im vergangenen Jahr pro Person durchschnittlich 68,5 Quadratmeter Wohnfläche genutzt, teilte die Statistikbehörde am 14. Juni in Wiesbaden mit. Bei der nächstjüngeren Altersgruppe, den 45- bis 64-Jährigen, waren es 54,8 Quadratmeter. Ein Wohnungstausch zwischen Alten und jungen Familien lasse sich allerdings nicht verordnen, erklärte der Verband Wohneigentum.
Das Statistikamt beruft sich auf Erstergebnisse einer Mikrozensus-Zusatzerhebung zur Wohnsituation. Haushalte von 25- bis 44-Jährigen hatten mit 44,7 Quadratmetern am wenigsten Wohnfläche pro Person zur Verfügung, bei den unter 25-Jährigen waren es im Schnitt 45,4 Quadratmeter.
Neben der Größe des Haushalts wirkten sich auch das Einzugsjahr sowie die Frage, ob es sich um Wohneigentum handelt, auf den zur Verfügung stehenden Wohnraum aus, hieß es. Ältere Menschen lebten demnach in sechs von zehn Fällen bereits länger als 20 Jahre in ihrer Wohnung und besonders häufig auch allein. Unter anderem deshalb stehe dieser Gruppe pro Kopf auch durchschnittlich die größte Wohnfläche zur Verfügung.
Die verfügbare Fläche pro Kopf ist den Angaben zufolge umso größer, je weniger Personen in einem Haushalt wohnen. Alleinlebende, die gut 39 Prozent aller Haushalte in Deutschland ausmachen, hatten 2022 im Schnitt 73,4 Quadratmeter zur Verfügung. Dagegen betrug die Pro-Kopf-Wohnfläche in Haushalten mit mindestens vier Personen lediglich 29,9 Quadratmeter.
Wie viel Wohnraum einem Haushalt zur Verfügung steht, hängt laut Statistikbehörde besonders von den Eigentumsverhältnissen ab. Wer im Eigentum lebt, hatte 2022 im Schnitt 65,1 Quadratmeter zur Verfügung, in einer Mietwohnung waren es nur 48,5 Quadratmeter.
Auch bei den Eigentümerhaushalten gibt es große Unterschiede zwischen den Generationen: Wenn die Haupteinkommensbezieher mindestens 65 Jahre alt waren, betrug die Wohnfläche 78,1 Quadratmeter pro Kopf - und damit 28 Prozent mehr Fläche als bei den 45- bis 64-Jährigen (61 Quadratmeter).
Nach Angaben des Verbandes Wohneigentum wollen die meisten Menschen in ihrem Haus oder ihrer gekauften Wohnung so lange wie möglich leben. Das gelinge ihnen, indem sie ihre Immobilie an die verschiedenen Lebensphasen anpassen. „So können sie in der vertrauten Nachbarschaft bleiben“, erklärte die Organisation der Wohnungseigentümer dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Je länger der Einzug in die Wohnung oder das Haus zurückliegt, desto mehr Wohnfläche haben Haushalte durchschnittlich zur Verfügung. So hatten Haushalte, die vor 1999 in ihre Wohnung gezogen waren, 2022 durchschnittlich 69,2 Quadratmeter pro Kopf zur Verfügung. Bei Haushalten, die frühestens 2019 einzogen, waren es 47,5 Quadratmeter. Und: Je älter die Menschen sind, desto größer ist der Anteil derer, die schon lange in derselben Wohnung wohnen.
Wer ältere Menschen dazu bewegen möchte, ihr Haus für eine junge Familie zu verlassen, müsse wohnortnah bezahlbare Alternativen anbieten, erklärte der Verband Wohneigentum. Lösungen wie etwa ein Wohnungstausch ließen sich nicht verordnen. Der Verband plädiert dafür, das Programm „Jung kauft Alt“ auszubauen.
Schwerin (epd). Die Landesarmutskonferenz (LAK) Mecklenburg-Vorpommern hat mehr Unterstützung für Kinder gefordert, die von Armut betroffen sind. Dazu gehöre als Inflationsausgleich eine sofortige Erhöhung der Mittel der Kinder- und Jugendhilfe um 20 Prozent, teilte die LAK am 13. Juni in Schwerin mit. Jedes fünfte Kind im Land sei von Armut betroffen, hieß es. Das bedeute häufig, dass diese Kinder in den Sommerferien nicht verreisen könnten, weil ihre Eltern keinen Urlaub bezahlen können.
Die kommunalen sozialen Einrichtungen und die Ferienbetreuung der Schulen seien wegen der angespannten Personalsituation überfordert und könnten in der derzeitigen Ausstattung kaum angemessene Ferien- und Freizeitgebote bieten. Die Landesregierung müsse mehr Fachpersonal und finanzielle Mittel für Veranstaltungen zur Verfügung stellen, so die Forderung
Armutsgefährdet seien vor allem Kinder von alleinerziehenden Eltern, Kinder von Arbeitslosen oder Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen, so die LAK. Für Kinder und junge Menschen sei der Bildungs- und Lebensweg immer noch stark abhängig von den Ressourcen ihrer Eltern. Allen Kindern müsse jedoch die Chance auf gute Ausbildung und Betreuung ermöglicht werden. Die Kinder- und Jugendhilfe müsse unter den Bedingungen aktuell steigender Lebenshaltungskosten und einer wachsenden Spaltung der Gesellschaft deutlich ausgebaut werden.
Düsseldorf (epd). Die Zahl der Pflegebedürftigen in NRW wird nach Berechnungen von Statistikern bis 2050 auf knapp 1,6 Millionen steigen. Das bedeute ein Plus von 30,4 Prozent gegenüber 2021 (1,2 Millionen), teilte das Statistische Landesamt am 14. Juni in Düsseldorf mit. Bis zu diesem Zeitpunkt kämen die geburtenstarken Jahrgänge der sogenannten „Babyboomer-Generation“ in das Alter mit hohem Pflegebedürftigkeitsrisiko, heißt es in der Pflegemodellrechnung.
Nach Erwartungen der Statistiker werden auch weiterhin mehr als die Hälfte aller Pflegebedürftigen ausschließlich Pflegegeld beziehen. Ihre Zahl steige um 25,2 Prozent von 655.000 (2021) bis 2050 auf rund 820.000 Personen. 325.000 Pflegebedürftige werden demnach voraussichtlich Leistungen eines ambulanten Pflegedienstes in Anspruch nehmen, rund 38 Prozent mehr als 2021. Den größten Anstieg sieht die Modellrechnung bei der stationären Pflege: In diesem Bereich gehen die Statistiker für 2050 von 249.000 Pflegebedürftigen aus, das sind fast 50 Prozent mehr als 2021 (167.000).
Nürnberg (epd). Der Umgang mit Flüchtlingen in Europa hat am 10. Juni die politischen Diskussionen auf dem evangelischen Kirchentag in Nürnberg bestimmt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verteidigte vor rund 5.000 Menschen in Nürnberg den Kompromiss der EU-Innenminister zur Reform des europäischen Asylsystems vom 8. Juni. „Es geht um Solidarität“, sagte Scholz. Der Kanzler erhielt dafür Applaus, aber auch Protestrufe aus dem Publikum.
Die EU-Innenminister hatten sich nach langen Verhandlungen auf eine Asylrechtsverschärfung verständigt. Ein zentraler Punkt ist die Einführung von Grenzverfahren an der EU-Außengrenze. Menschen, die aus Ländern kommen, aus denen nur wenige Flüchtlinge in Europa anerkannt werden, müssen dem Kompromiss zufolge künftig bis zu drei Monate in Lagern oder Einrichtungen an den EU-Außengrenzen ausharren, bis ihr Verfahren abgeschlossen ist. Sie sollen von dort aus zurückgeschickt werden, wenn sie kein Bleiberecht erhalten.
Die Vorschläge der EU-Innenminister sollen die Zahl der Asylbewerber mit geringen Bleibechancen reduzieren und Abschiebungen vereinfachen. Daneben sieht ein Solidaritätsmechanismus eine fairere Verteilung von Schutzsuchenden in den EU-Ländern oder Ausgleichzahlungen vor. „Uns ist eine historische Entscheidung gelungen“, hatte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) Faeser in Luxemburg erklärt.
Scholz erläuterte, dass ein Solidaritätsmechanismus etabliert werde, in dem Staaten wie Deutschland Flüchtlinge aus den EU-Grenzstaaten übernehmen, dort dafür aber alle registriert werden. Dieser vereinbarte Mechanismus sei ein faireres Asylsystem als das heutige, ergänzte Scholz. Gleichzeitig verteidigte Scholz die Pläne für Grenzverfahren, die dazu führen sollen, dass Menschen ohne Schutzberechtigung in der EU schnell wieder zurückgeschickt werden. Es brauche Regeln, so der Kanzler.
Bundesinnenministerin Faeser kündigte unterdessen Nachbesserungen an: „Wir wollen jetzt zusammen mit dem Europäischen Parlament in den weiteren Verhandlungen dafür sorgen, dass Familien mit Kindern nicht ihr Asylverfahren an den Außengrenzen durchlaufen müssen, sondern gleich in die EU einreisen können“, sagte Faeser der „Bild am Sonntag“.
Für die Caritas enthalten die Beschlüsse etliche Pferdefüße. In den anstehenden Verhandlungen müssten unbedingt die Ausnahmen im Rahmen der Grenzverfahren ausgeweitet werden, insbesondere für Familien mit minderjährigen Kindern, sagte Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa am Rande des Katholischen Flühtlingsgipfel am 15. Juni. Die Bestimmung von sogenannten sicheren Drittstaaten darf nach ihren Worten nicht einzelnen Mitgliedstaaten überlassen werden, sondern muss sich an den Standards der Genfer Flüchtlingskonvention orientieren. Anderfalls steuere man „auf einen neuerlichen Flickenteppich im Flüchtlingsschutz zu, der schwerwiegende Folgen für die Einhaltung von Menschenrechten an den EU-Außengrenzen und für die Glaubwürdigkeit der EU haben wird“.
Neben zahlreichen anderen Flüchtlings- und zivilgesellschaftlichen Organisationen haben auch die evangelische Kirche, das Hilfswerk „Brot für die Welt“ und die Diakonie deutliche Kritik an der Einigung der EU-Innenminister zum EU-Asylrecht geäußert. Der EKD-Flüchtlingsbischof Christian Stäblein sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Rande des Kirchentags: „Man lässt keine Kinder und Familien vor den Toren stehen. Punkt.“
Stäblein bezog sich damit auf den Satz „Man lässt keine Menschen ertrinken. Punkt“, der vor vier Jahren auf dem Kirchentag in Dortmund gefallen war und zum Slogan der Seenot-Rettungsbewegung geworden ist. Der Beauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für Flüchtlingsfragen zeigte sich enttäuscht, dass sich Innenministerin Faeser bei den Beratungen der EU-Innenminister und -ministerinnen mit ihren Forderungen nach Ausnahmen für Minderjährige und deren Familienangehörige nicht durchsetzen konnte.
Der Geistliche zeigte Verständnis für die Sorgen der Kommunen, angesichts hoher Flüchtlingszahlen an die Grenze ihrer Aufnahmekapazitäten und Integrationsmöglichkeiten zu kommen. Diese Fragen müssten ernst genommen werden, dürften aber nicht mit humanitären Fragen verknüpft werden. Stäblein verwies in diesem Zusammenhang auf den weitgehend erfolglosen Gipfel von Bund und Ländern zu dieser Frage von Mitte Mai. In der Diskussion den Fokus auf eine schnellere und effizientere Abschiebung von Schutzsuchenden ohne Asylanspruch zu legen, sei insgesamt „ein falscher Zungenschlag“, sagte Stäblein. Im Vordergrund müssten das Recht auf Asyl und eine humane Migrationspolitik stehen.
Gegen eine geplante Verschärfung des EU-Asylrechts protestierten auch Teilnehmende des Kirchentags mit einer Resolution. Darin wenden sie sich gegen einen „Ausverkauf der Menschenrechte“ und einen „Frontalangriff auf den Rechtsstaat und das Flüchtlingsrecht“. Geflüchtete erwarte an den EU-Außengrenzen nach den Plänen künftig nur ein Schnellverfahren ohne inhaltliche Prüfung der Fluchtgründe. „Mit einem fairen rechtsstaatlichen Vorgang hat das nichts zu tun“, hieß es. Die Pläne führten „nur zu noch mehr Entrechtung von Schutzsuchenden“. Ihnen drohe ein „Horrorszenario“ mit Inhaftierung in Lagern.
Eine Gegenrednerin wandte ein, Verfahren an den Grenzen seien nur für Geflüchtete mit schlechter Bleibeperspektive geplant. Hinter der Resolution stehen die Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche sowie die Organisationen „Sea-Watch“ und „Pro Asyl“.
Nürnberg (epd). Die Zukunft der Arbeitswelt wird nicht vom Homeoffice dominiert. Da ist sich Andrea Nahles, die Chefin der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg, sicher. Sie legte am 8. Juni beim Podium „Arbeiten im Neuen Normal“ Zahlen vor: 70 Prozent aller Beschäftigten in Deutschland könnten nicht mobil arbeiten, denn sie sind in der Produktion tätig, in der Pflege, fahren Busse und Bahnen oder schaffen bei der Müllabfuhr. Also rät Nahles, quasi als Nachteilsausgleich, zu mehr Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung. Sonst drohe eine Spaltung des Jobmarktes in „priviligierte“ Beschäftigte im Home-Office und jene, denen diese Vorzüge versagt blieben.
Denn, so die BA-Chefin, auch das sei klar: Wenn kein Home-Office geboten werde, stiegen für die Firmen die Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Mitarbeitenden. Ein Problem, das auch auf die BA zukomme: Bereits heute sei es oft nicht möglich, freie Stellen zügig zu besetzen. Richtig schwierig werde es aber, wenn die Baby-Boomer in den kommenden Jahren in Rente gingen. Auch deshalb werde bei den Arbeitsagenturen mit Hochdruck daran gearbeitet, die Prozesse zu digitalisieren, etwa Online-Anträge möglich zu machen. Nahles: „Auch wir kommen um die Automatisierung nicht herum“, sagte Nahles. Sonst würde man die Arbeit nicht mehr schaffen. Doch klar sei auch: „Die Automatisierung ist keine ethikfreie Zone.“
Zwei weitere Aspekte brachte Nahles in die Debatte in der gut gefüllten Messehalle ein. Zum einen warb sie dafür, die BA zu befähigen, Berufswechsler besser unterstützen zu können. Schon heute sei es eher ungewöhnlich, dass Beschäftigte ein Leben lang in ihrem Lehrberuf blieben. Es müsse daher möglich sein, „eine völlig neue Tätigkeit auszuüben“ - etwa, wenn eine Fachkraft zermürbende Pflegetätigkeiten hinter sich lassen wolle. Das lasse sich jedoch nicht mit Weiterbildung im klassischen Sinn regeln, „sondern es muss eine neue, zweite Ausbildung möglich sein“. Zudem regte Nahles an, die ehrenamtliche Arbeit aufzuwerten. Sie könne sich vorstellen, dass dafür auch Rentenpunkte gesammelt werden.
Von der aktuell wieder neu in die politische Debatte gebrachten Vier-Tage-Woche bei gleichen Bezügen hält Alexander Zumkeller, Arbeitsdirektor der ABB AG und Chef von rund 10.000 Mitarbeitenden, wenig. Man solle individuelle Lösungen in den Unternehmen suchen: Es gehe nicht allein um die Vereinbarkeit von Job und Familie: „Mehr Privatleben, Vereinsaktivitäten und die Lust am Faulenzen“, all das seien Motive für neue Arbeitszeitmodelle.
Die Wünsche der Beschäftigten seien extrem unterschiedlich, betonte der Fachmann. Manche Mitarbeitenden träumten von einem Sabbatical, andere wollten fünf Stunden an sechs Tagen arbeiten, andere nur früh oder überwiegend nur spät, wieder andere bevorzugten lange Mittagspausen oder gar die Arbeit an Feiertagen. Wer als Firma all das ermöglichen wolle, „stößt ganz schnell an Überregulierungen im deutschen Arbeitsmarkt“, so Arbeitsrechtler Zumkeller. Und weil es allerorten an Personal mangelt, müssten Unternehmen sich mit ihren Arbeitszeitmodellen ohnehin schon weit auf die Beschäftigten zubewegen.
Die Soziologin Jutta Allmendinger widersprach nicht direkt, sagte aber, die Erwerbsarbeit für alle Beschäftigten müsse deutlich reduziert werden. Die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) meinte, die heutige Arbeitsverteilung zwischen den Geschlechtern passe „nicht mehr zum Leben“. Sie plädierte für eine lebenslange Arbeitszeit von 32 Wochenstunden, die aber nicht zwingend in einer Vier-Tage-Woche zu leisten seien. Auch sie betont: Individuelle Lösungen seien das Maß aller Dinge.
Allmendinger warb für den Umbau der heutigen Arbeitsstrukturen, vor allem mit dem Blick auf die überwiegend in Vollzeit arbeitenden Männer. Das bestehende Modell des alleinverdienenden Mannes als Ernährer der Familie und der Frau und Mutter, die daheim Kinder versorgt oder Eltern pflegt, habe sich überholt, betonte die Berliner Forscherin: „Männer müssen bei der Arbeit runter, Frauen hoch.“
Ziel müsse sein, dass Männer künftig mehr Care-Arbeit leisten. Dann werde auch die Erwerbarbeit der Frauen zunehmen. Damit das möglich werde, müsse „die Erwerbsarbeit viel stärker flexibilisiert werden“, forderte Allmendinger. Zudem müsse Pflegearbeit zur Unterstützung der Angehörigen endlich vergütet werden. Ganz allgemein formulierte sie: Aus der Erwerbstätigkeitsgesellschaft müsse eine Tätigkeitsgesellschaft werden - mit weit mehr ehrenamtlicher Arbeit als heute.
Doch sollte die dann nicht auch angemessen bezahlt werden? Und sollten damit auch Rentenpunkte gesammelt werden, auf vergütete freiwillige Arbeiten auch Sozialversicherungsbeiträge erhoben werden? Es bleibt viel Diskussionsbedarf für ein weiteres Podium.
Nürnberg (epd). Dieser Satz musste ja fallen: „Die Kindergrundsicherung kommt.“ Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte ihn am 10. Juni beim Kirchentagspodium „Wege aus der Armut - Stärken nutzen, Potentiale heben“ und ergänzte: „Das ist unser wichtigstes Projekt gegen Kinderarmut. Da passt kein Blatt zwischen mich und Familienministerin Paus.“ Insgesamt hatte er einen relativ leichten Stand, auch wenn er sich durchaus Kritik anhören musste, etwa wegen des Schneckentempos der Ampel-Regierung bei den angekündigten Reformen - Stichwort Kindergrundsicherung.
Der Minister verwies auf den in den vergangenen Jahren von den Bundesregierungen mit Erfolg ausgebauten Sozialstaat und nannte das Bürgergeld, höhere Mindestlöhne und den erweiterten sozialen Arbeitsmarkt. Doch alle diese Schritte bräuchten Zeit, um zu wirken. Er warb bei Kritikern um mehr Geduld, anstatt ständig und nicht selten in Talk-Shows nach mehr Geld für Bedürftige zu rufen. Auch er wünscht sich mehr Tempo bei den Reformen und bekannte: „Manchmal wache ich morgens auf und sage: 'Herr, gib mir Geduld - aber sofort!'“
„Wir brauchen künftig eine vorbeugende, aktivierende Sozialpolitik und mehr Angebote zur Armutsprävention“, so der Minister weiter. Dazu gehört es aus seiner Sicht auch, einen Bildungsaufbruch zu organisieren und die Zahl der Schüler ohne Abschluss zu reduzieren (47.000 im Jahr 2021), „statt später mit viel Geld soziale Missstände zu reparieren“. Heil bekräftigte erneut, dass die Kindergrundsicherung noch in dieser Legislatur kommen werde: „Das ist unser wichtigstes Projekt gegen Kinderarmut. Da passt kein Blatt zwischen mich und Familienministerin Paus.“
Doch all diese und weitere Reformen müssten eben auch solide finanziert werden. Dafür fehle es in der Ampelregierung wegen der schwierigen Haushaltslage durch die Folgen der Corona-Pandemie und dem Angriffskrieg auf die Ukraine leider oft an der nötigen Einigkeit: „Ich bespreche meine Pläne gerade ganz freundlich mit Finanzminister Lindner“, so Heil mit einem Augenzwinkern.
Als Erfolg der Eingliederung von ehemals Arbeitslosen nannte der Minister den sozialen Arbeitsmarkt, der künftig dauerhaft finanziert werde: „50.000 Menschen haben wir wieder in Arbeit gebracht.“ Das zeige, dass es möglich ist, mit öffentlicher Beschäftigung Menschen aus der Langzeitarbeitslosigkeit zu holen - und damit auch aus der Armut.
Heil sprach sich zur besseren Orientierung bei der Berufswahl für einen jährlichen Praxismonat für Schülerinnen und Schüler aus. Er griff am 10. Juni beim evangelischen Kirchentag die jüngste Debatte über ein soziales Pflichtjahr auf und sagte, diese Idee sei der bessere Ansatz. Eine verpflichtende Berufsorientierung an allen Schulen könne Jugendlichen helfen, verschiedene Berufe in der Praxis kennenzulernen sowie auch mehr Auszubildende zu finden: „Eltern sind oft keine guten Berufsberater“, so der Minister.
Der ehemalige Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes, Georg Cremer, verwies darauf, dass noch immer ein hoher Prozentsatz von Bürgern bestehende Ansprüche auf soziale Hilfen nicht einlösten. Das habe nicht nur mit überbordender Bürokratie zu tun, sondern auch mit der fehlenden Durchlässigkeit der unterschiedlichen Unterstützungssysteme: „Der Sozialstaat steht sich oft selbst im Weg.“ Das zu beseitigen, sei die viel schwierigere Reformaufgabe, so Cremer, nach dessen Angaben derzeit 16 Prozen der bundesdeutschen Bevölkerung von Armut bedroht seien.
Cremer warb ebenfalls für Reformen im Schulsystem und sagte mit Blick auf die vielen Abgänger ohne Schulabschluss: „Derzeit erzeugt unser Bildungssystem ständig die Armen von morgen.“ Er sagte weiter, Armut lasse sich nur dann überwinden, wenn die Einkommensverteilung geändert werde. Doch das sei ein politisch heikles Unterfangen, denn dann müsste die Steuerpolitik für eine Umverteilung von oben nach unten sorgen. Doch die Frage sei auch: „Zu wie vielen Transferleistungen ist die Gesellschaft bereit?“
Die Sprecherin der Grünen Jugend, Sarah-Lee Heinrich, gab Einblick in ihr persönliches Erleben von Armut als Kind einer alleinerziehenden Mutter im Hartz-IV-Bezug. Sie begrüßte die Pläne der Ampel-Regierung zur Kindergrundsicherung, mahnte aber ebenfalls mehr Tempo in der Umsetzung an.
Zugleich betonte sie, die Regelsätze im Bürgergeld müssten steigen: „Der Level muss angehoben werden. Es ist ein No-go, dass Menschen im öffentlichen Hilfebezug nicht in der Lage sind, Vereinsbeiträge zu bezahlen, an Kulturveranstaltungen teilzunehmen und sich gesund zu ernähren.“ Das sei ein Armutszeugnis für einen reichen Staat wie Deutschland.
Nürnberg (epd). Aus Sicht des Wiener Architekten Alexander Hagner scheitert der Bau von Wohneinrichtungen für obdachlose Menschen vor allem an der fehlenden Akzeptanz der Bürger in der Nachbarschaft. „Es gibt hier keine Offenheit“, sagte der Mitgründer von Wohn- und Beschäftigungseinrichtungen für Obdachlose und Alkoholkranke in Wien am 9. Juni beim Kirchentag in Nürnberg. Er verwies auf das rein spendenfinanzierte Projekt „VinziDorf Wien“, das in 16 Jahren der Realisierung „oft am Rande des Abbruchs stand“.
Nach seinen Worten können die Bewohner hier leben, wie es ihnen möglich ist, ohne sich verändern zu müssen. Sie können Haustiere mitnehmen, Partnerinnen und Partner und müssen auch nicht abstinent sein. Getragen von der Vinzenzgemeinschaft gebe es hier 32 Schlafplätze, auch in Wohngemeinschaften, Werkstätten, Tagungsräume sowie ein Restaurant.
Die Ausgrenzung von Menschen am Rande der Gesellschaft lässt sich laut Hagner nur überwinden, „wenn sich die Nachbarschaft des Themas Obdachlosigkeit annimmt“. Nur so könne es Anknüpfungspunkte für Menschen geben, denen es schlecht gehe. Man schaffe „Häuser für die Unbehausten“.
Hagner warb dafür, statt großer und anonymer Heime für Menschen mit psychosozialen Problemen kleine und individuelle Lösungen zu finden. „Es gibt so viele leerstehende Gebäude“, sagte Hagner. Die könne man sinnvoll nutzen. Zudem müsse man versuchen, die Belange der künftigen Bewohner auch in der Architektur zu berücksichtigen. „Gemeinschaft, auch mit anderen sozialen Gruppen wie Flüchtlingen oder Studenten, kann helfen, beschädigte Menschen wieder aufzubauen.“
Heutige Einrichtungen würden oft am Bedarf vorbei gebaut. In Wien gibt es Hagner zufolge genügend Notschlafstellen und andere Hilfen für Obdachlose. „Aber warum leben dann immer noch 2.000 bis 3.000 Menschen auf der Straße?“
Er freue sich, dass sein Modell nun auch erstmals in Deutschland aufgeggriffen werde. In Marburg soll 2024 ebenfalls ein Vinzi-Dorf entstehen. Partner beim Bau ist die Gemeinnützige Wohnungsbau GmbH Marburg/Lahn (GeWoBau). Zehn kleine Häuser plus Gemeinschaftsgebäude sollen entstehen, noch ist das Betriebskonzept im Werden. Aber klar sei, so der planende Architekt, dass die Bevölkerung von Anfang eingebunden werde, um Ressentiments zu vermeiden.
Karlsruhe (epd). „Herr Nao ist lustig, weil er so viel Quatsch macht“, sagt ein blondes Mädchen in der Kita der Lebenshilfe in Karlsruhe, bevor eine Runde Gymnastik mit dem Roboter beginnt. Kinder und Roboter „NAO“ singen und tanzen gemeinsam, heben die Arme oder zeigen auf ihre Nasen. Als der 58 Zentimeter große und 5,6 Kilogramm schwere Roboter umkippt, stellt sich ein anderes Mädchen beschützend hinter ihn.
Seit Februar begleitet der niedliche, weiße „NAO“ mit den runden Augen die Mädchen und Jungen der inklusiven Kita im Lebenshilfehaus in Karlsruhe. Gemeinsam mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) wird getestet, wie der humanoide Assistent „NAO“ die frühkindliche Pädagogik unterstützen kann.
Die Kinder mit und ohne Behinderung seien sehr neugierig und interessiert, was der Roboter alles könne, sagt Kita-Leiterin Christina Speck vor Journalisten in Karlsruhe. Damit leiste er einen wichtigen Beitrag zum frühkindlichen Erwerb von Medienkompetenz. Nicht nur die Kinder, auch die Eltern seien sehr offen für die neue Technik, die zwei bis drei Mal pro Woche zum Einsatz kommt.
Personal werde der Computer aber nicht ersetzen, betonte Speck: „Er kann kein Kind auf den Schoß nehmen und trösten.“ Das werde immer ein Mensch machen. Der Roboter motiviere die Kinder etwa, sich zu bewegen oder „Tai Chi“-Übungen zu machen. Besonders autistische Kinder reagierten positiv auf „NAO“, hat sie beobachtet.
Einer der beteiligten Wissenschaftler nennt als Ziel: „Wir entwickeln eine Technologie, um Menschen zu unterstützen und ihre Lebensqualität zu verbessern“, sagt Professor Tamim Asfour vom Institut für Anthropomatik und Robotik. Mit Experimenten zur spielerischen Sprach- und Bewegungsförderung in der Kita solle eine Künstliche Intelligenz (KI) für Menschen erfahrbar werden. „Dadurch wollen wir auch Ängste vor KI und Robotik nehmen“, so Asfour.
Der Roboter könne tanzen und erzählen, aber nicht mit den Kindern sprechen. Eine solche Programmierung sei „nicht so einfach, wie viele denken“. Dafür sei noch sehr viel Forschungsarbeit nötig, sagt Asfour: „KI kann noch längst nicht alles, auch wenn das viele Menschen denken.“
Daten würden aber nicht durch den Roboter selbst erfasst, beruhigt der Wissenschaftler. Das sei in Deutschland ethisch und rechtlich nicht möglich. Lediglich die Erzieherinnen und Erzieher berichteten den Forschenden, wie der Roboter genutzt werde. Die menschlich wirkende Maschine werde von den Wissenschaftlern nach den Bedürfnissen in der Kita programmiert. Die Forschenden erproben derzeit noch sechs weitere „NAO“s in Karlsruhe - in einer weiteren Kita, aber auch in Schulen und einem Krankenhaus.
„Digitale Technologien und Robotik unterstützen spielerisch die Anliegen von Inklusion“, sagt Michael Auen, Erster Vorstand der Lebenshilfe. Es gehe dabei nicht um Ersatz für Personal, sondern vielmehr um Teilhabe und eine zusätzliche Assistenz. Kinder müssten schon früh lernen, mit neuen Techniken umzugehen. Ob das Projekt in der Kita ein Erfolg werde, würden allein die Kinder entscheiden, betont er.
Und genauso wie die Kinder muss auch der Roboter nach dem Mittagessen eine Ruhezeit machen - „um den Akku aufzuladen“, erklärt eine Erzieherin.
Karlsruhe (epd). Er ist 58 Zentimeter groß, wiegt 5,6 Kilogramm und spricht 20 Sprachen: Der humanoide Roboter mit dem Namen „NAO“ wurde 2006 von dem französischen Roboterhersteller Aldebaran entwickelt für die Mensch-Maschine-Interaktion. Er kann individuell programmiert werden und ist mit Mikrophonen, Lautsprechern und Kameras ausgestattet. Zudem verfügt er über Berührungssensoren an Kopf, Händen und Füßen und Sonaren, um seine Umgebung wahrzunehmen und sich selbst im Raum zu lokalisieren.
Bislang wurden nach Herstellerangaben mehr als 17.000 Exemplare in 70 Länder verkauft. Durch seine Erscheinung, moderate Größen und menschenähnliche Verhaltensweisen soll er eine empathische Beziehung zu Kindern und Erwachsenen aufbauen. Dies könne neue pädagogische Wege im Klassenraum oder der Kita eröffnen, sagte Aldebaran.
Zum Beispiel in der inklusiven Kita der Karlsruher Lebenshilfe: Der Roboter „NAO“ begleitet die Kinder bei Spracherwerb und Medienkompetenz. Gemeinsam mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) wird der Einsatz von Robotik in der frühkindlichen Pädagogik getestet.
Hamburg (epd). Sein 50-jähriges Jubiläum hat kürzlich das unter dem Namen „Kaffeeklappe“ gestartete „Sperrgebiet St. Pauli“ gefeiert, in zwei Jahren begeht das „Sperrgebiet St. Georg“ 40-jähriges Bestehen. Beide Einrichtungen sind Teil der Fachberatungsstelle Prostitution der Diakonie Hamburg und richten sich an Frauen, die in der Sexarbeit tätig sind. Neben Lebensmitteln und Kleidung erhalten Frauen in den Einrichtungen Beratung zu Themen wie Gesundheit oder Recht. Viele Frauen sind Stammkundinnen, die täglich oder wöchentlich ins „Sperrgebiet“ kommen - auch, weil sie sich in den Räumen sicher fühlen können und weil sie dort so akzeptiert werden, wie sie sind.
„Menschen in der Sexarbeit erleben viel Stigmatisierung, teilweise auch Bedrohung und Gewalt“, sagt Korinna Heimann, Fachbereichsleitung Migrations- und Frauensozialarbeit des Diakonie Hilfswerks Hamburg. Deswegen seien Straßensozialarbeit und gut erreichbare Beratungsstellen im Kiez so wichtig. „So lernen uns die Frauen mit der Zeit kennen, fassen Vertrauen und nehmen Hilfe in Anspruch.“
Zwölf Personen sind in der Fachberatungsstelle Prostitution angestellt, darunter zehn Sozialarbeiterinnen, die je nach Dienstplan im „Sperrgebiet St. Pauli“ und im „Sperrgebiet St. Georg“ anzutreffen sind. Leiterin der Fachberatungsstelle und damit der „Sperrgebiete“ ist seit 2020 Christin Laudon. Honorarkräfte wie Juristinnen, eine Psychologin und Sprachmittlerinnen unterstützen das Team. Auch eine Ärztin wird über Spenden finanziert.
Da viele Sexarbeiterinnen einen Migrationshintergrund haben, erfolgen Beratungsgespräche wahlweise auf Deutsch, Englisch, Spanisch oder Bulgarisch. Sämtliche Beratungsangebote sind anonym und kostenlos, eine Anmeldung nicht erforderlich.
Gründe, warum Sexarbeiterinnen die „Sperrgebiet“-Einrichtungen aufsuchen, gebe es viele, sagt Laudon. Einige kämen wegen Essen oder Kleidung. Andere hätten gesundheitliche Fragen. „Für sie bieten wir zweimal pro Woche in St. Georg eine ärztliche Sprechstunde an.“ Wieder andere benötigten juristischen Rat. „Wohnungslosen Frauen helfen wir bei der Suche nach Wohnraum“, sagt Laudon. Auch kämen Frauen, die beruflich umsteigen möchten. „Wir schreiben gemeinsam mit ihnen Bewerbungen.“ Daneben geht das Team auch auf die Straße, direkt an die Arbeitsorte der Frauen.
Unter anderem für Schülerinnen, Schüler und Studierende bieten Laudon und ihr Team das Projekt „FairLove“ an, das zur Prävention der Prostitution Minderjähriger und zur Aufklärung über die sogenannte Loverboy-Methode dienen solle. Als Loverboys würden junge Männer bezeichnet, die gegenüber minderjährigen Mädchen eine Liebesbeziehung vorspielen und sie dabei in die Prostitution manipulieren, erläutert Laudon.
Für seine Arbeit ist das Team der Fachberatungsstelle Prostitution und der „Sperrgebiet“-Einrichtungen auf Spenden angewiesen. Laudon erläutert: „Wir werden zu zwei Dritteln von der Sozialbehörde finanziert und zu einem Drittel aus Spenden der Diakonie Hamburg.“ Das Projekt „FairLove“ werde von der „Aktion Mensch“ bis Ende des Jahres gefördert, „an einer Weiterfinanzierung sind wir dran“.
Karlsruhe (epd). Eine erneute gesellschaftliche Debatte über ein Verbot von Prostitution hat die Karlsruher Theologin Judith Winkelmann gefordert. Weil die meisten im Prostitutionsgeschäft tätigen Frauen diese Tätigkeit nicht freiwillig ausübten, müsse das deutsche Prostitutionsschutzgesetz überarbeitet werden, sagte die badische Pfarrerin und Studienleiterin am Zentrum für Seelsorge der Evangelischen Kirche in Baden dem Evangelischen Pressedienst (epd). Sie plädierte für die Einführung des sogenannten Nordischen Modells.
Prostitution sei psychisch und physisch verletzend und verstoße gegen die Menschenrechte, sagte die Theologin. Solche Menschenrechtsverletzungen könnten unter der aktuellen Rechtslage, die Prostitution als normale Dienstleistung behandle, nicht effektiv bekämpft werden.
Gewalterfahrungen, Abhängigkeiten und Menschenhandel kennzeichneten das Milieu. Winkelmann sprach sich dafür aus, das Thema Prostitution auch in Kirche und Gesellschaft erneut zu diskutieren: „Wenn Frauen gekauft werden können, widerspricht dies dem christlichen, ganzheitlichen Menschenbild.“ Zudem verhindere es die Gleichstellung der Geschlechter.
Nach dem 1999 in Schweden eingeführten „Nordischen Modells“, das auch „Gleichstellungsmodell“ genannt wird, würden nicht die Prostituierten, sondern ihre Kunden und die Profiteure des Systems für den Kauf von Sex bestraft, erklärte Winkelmann. Nötig seien zugleich flächendeckend Ausstiegshilfen sowie Schutz und Unterstützung für die Frauen.
Befürchtungen, dass die Prostitution dann in der Illegalität stattfinde und die Frauen weniger geschützt würden, bezeichnete sie als „Mythos über die Prostitution“. Wenn Freier trotzdem Wege zu den Frauen fänden, schaffe das auch die Polizei. Die Theologin setzt auf die abschreckende Wirkung einer derartigen Gesetzgebung. Um die Prostitution und die mit ihr verbundene Ausbeutung und Gewalt einzudämmen, wurden entsprechende Regelungen auch in weiteren Ländern wie Norwegen, Frankreich, Kanada und Israel eingeführt, sagte Winkelmann.
Hannover (epd). Mit Blick auf den Tag des Schlafes am 21. Juni hat die Präsidentin der Niedersächsischen Ärztekammer (ÄKN), Martina Wenker, ein „neues Schlafbewusstsein“ gefordert. Gerade in den Industriegesellschaften sei immer weniger Raum für Zeiten notwendiger Erholung, sagte Wenker im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Wir sollten den Schlaf nicht als ineffiziente, also buchstäblich verschlafene Zeit abtun, sondern ihn in seiner elementaren Bedeutung für ein ausgeglichenes und gesundes Leben wertschätzen“, betonte die Internistin und Schlafmedizinerin.
Zudem sei Schlaf alles andere als ein passiver Zustand. „Was im Schlaf so an Stoffwechselprozessen, an Erholung, an Reparaturarbeiten und an psychischer Verarbeitung stattfindet, das ist schon echt ein Hochleistungsbetrieb!“, unterstrich die Kammerpräsidentin.
Wenker sagte, das Schlafbedürfnis könne von Mensch zu Mensch stark variieren: „Der eine kommt bereits mit fünf Stunden Schlaf hin und fühlt sich morgens energiegeladen. Ein anderer schläft sieben oder acht Stunden und hat womöglich das Gefühl, es reicht gerade so.“ Ein eindeutiges „Richtig oder Falsch“ gebe es nicht. Allerdings könnten wiederkehrende Müdigkeit am Tag und ein anhaltendes Gefühl der Energielosigkeit auf Schlafstörungen hindeuten. In diesem Fall sei eine Abklärung beim Hausarzt angezeigt.
Die ÄKN-Präsidentin erläuterte, dass Schlafstörungen eine Ursache oftmals in einem „Auseinanderdriften von innerer Uhr und Lebensrhythmus“ hätten. Der gängige 24-Stunden-Rhythmus entspreche der sogenannten Chronobiologie - also der inneren Uhr - der meisten Menschen allenfalls ungefähr. „Die innere Uhr hat oftmals eher 25 Stunden. Das heißt, äußerer und innerer Rhythmus sind immer nur punktuell synchron“, erläuterte sie. „Meist entfernen sie sich voneinander oder bewegen sich aufeinander zu, was erklärt, warum wir uns bei gleichem Schlafverhalten nicht immer gleich fit oder müde fühlen.“
Bielefeld (epd). Für Menschen mit schweren Beeinträchtigungen ist nach Worten von Bethel-Vorstand Ingmar Steinhart eine Verknüpfung der bestehenden Sozialgesetzbücher nötig. Wenn man sich innerhalb eines Sozialgesetzbuches bewege, seien die Sozialgesetzbücher in Deutschland sehr gut, sagte der Psychologe dem Evangelischen Pressedienst (epd). Wenn man aber schwer beeinträchtigt oder behindert sei, brauche man oft Leistungen aus zwei Sozialgesetzbüchern. Es gebe jedoch keine Stelle, wo eine Gesamtkoordination für diese Menschen stattfinden würde. „Das ist eine der größten Barrieren in unserem Sozialsystem“, sagte das Vorstandsmitglied der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel.
Wenn man psychisch krank sei, brauche man zum Beispiel Psychotherapie und Medikamente, und zusätzlich einen Platz in einer Wohngemeinschaft oder einer eigenen Wohnung mit Unterstützung, erläuterte Steinhart. Dafür seien dann zwei Sozialgesetzbücher nötig.
Um dieses Thema geht es unter anderem auf dem ersten Bielefelder Teilhabekongress, der am 16. Juni endet. Unter den 300 Teilnehmenden sind Fachleute Bethels, der Universität Bielefeld, der Stadt Bielefeld, des Landschaftsverbands Rheinland und von anderen Trägern. Zudem sind laut Veranstalter Betroffene als Experten in eigener Sache dabei.
Eine Lösung könnte in die Richtung gehen, „dass sich jemand von der Krankenkasse und jemand von den Sozialleistungsträgern mit einer Person an einen Tisch setzt und eine gemeinsame Planung für die benötigten Leistungen macht“, sagte der Bethel-Vorstand. „Dann hätte der Betroffene einen Plan oder besser einen Planungsauftrag, mit dem er sich dann entsprechende Leistungen einkaufen kann“, erklärte Steinhart, der zu den Organisatoren des Teilhabekongresses gehört.
Auch müssten diejenigen hinzugezogen werden, die die Leistungen erbringen. Oder der Betreffende müsse „eine Art Lotse haben, der diese Zusammenführung organisiert“.
Berlin (epd). Die Lebenshilfe hat ihren Ratgeber „Recht auf Teilhabe“ völlig neu gestaltet. Er gebe zu allen wichtigen sozialen Leistungen für Menschen mit Behinderung umfassend Auskunft, heißt es in einer Mitteilung vom 12. Juni. Das 520 Seiten starke Buch berücksichtige den Rechtsstand zum 1. Januar 2023 und biete einen Überblick über alle Rechte und Sozialleistungen, die Menschen mit Behinderung aktuell zustehen.
So finden sich den Angaben nach unter anderem Änderungen durch das Teilhabestärkungsgesetz, das Bürgergeldgesetz, die Reform des Wohngeldes und das neue Vormundschafts- und Betreuungsrecht, das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz sowie die Neuregelung zur Begleitung im Krankenhaus.
Um den Leserinnen und Lesern den Einstieg in den Dschungel des Sozialrechts zu erleichtern, würden eingangs die Rechtsansprüche von Menschen mit Behinderung in verschiedenen Lebensphasen und Lebenslagen anhand von Schaubildern dargestellt. „Die einzelnen Kapitel enthalten zusätzlich Tipps und (Rechen-)Beispiele, außerdem wird auf einschlägige Urteile sowie Internetseiten, Zeitschriften oder Bücher verwiesen“, so die Lebenshilfe. Ein Schlagwort- sowie ein Abkürzungsverzeichnis runden das Buch ab. Das Buch kostet 34,50 Euro plus Versandkosten und kann im Online-Shop der Bundesvereinigung Lebenshilfe oder unter Telefon 06421/491-123 bestellt werden.
Dortmund (epd). Die Bank für Kirche und Diakonie (KD-Bank) hat im vergangenen Jahr ihre Kundenkredite ausweiten können. In ihrem Finanzbericht für das Jahr 2022, der auf der Generalversammlung am 14. Juni in Dortmund vorgelegt wurde, verweist die Bank auf Zuwächse im Bereich der Kreditausleihungen in Höhe von 13,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das Kreditgeschäft habe bei 2,83 Milliarden Euro gelegen (2021: 2,49 Milliarden Euro). Kredite in Höhe von 606,4 Millionen Euro seien im Jahr 2022 neu zugesagt worden und größtenteils in die Bereiche bezahlbarer Wohnraum, Bildung und Lebensqualität im Alter geflossen.
Die Bilanzsumme sei 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 3,3 Prozent auf rund sieben Milliarden Euro gesunken, erläuterte die KD-Bank. Auch sei die Entwicklung der Kundeneinlagen rückläufig und um 1,8 Prozent auf knapp 5,6 Milliarden Euro gesunken. Der massive Anstieg der Zinsen am Kapitalmarkt habe unter anderem dazu geführt, dass die KD-Bank in der zweiten Jahreshälfte Verwahrentgelte abschaffen und Kunden wieder positive Zinsen vergüten konnte.
Das Kundenwertpapiervolumen nahm zwar durch eine rückläufige Kursentwicklung um 4,9 Prozent ab und lag bei 4,23 Milliarden Euro (2021: 4,45 Milliarden Euro), wie die Bank erläuterte. Tatsächlich investierten Kunden jedoch verstärkt in nachhaltige Konzepte. Die Nettobestandsveränderung bei Investmentfonds, Spezialfonds oder Direktanlagen in Wertpapiere betrug 390,8 Millionen Euro.
Die KD-Bank beurteilt insgesamt ihre operative Geschäftsentwicklung als erfolgreich. Mit Blick auf die geplante Geschäftsentwicklung und auf die wirtschaftliche Lage sehe man einer positiven Entwicklung im Jahr 2023 entgegen, hieß es. Die Bank rechnet im Hinblick auf die aufsichtsrechtlichen Anforderungen unverändert mit einer angemessenen Vermögens- und Finanzlage sowie Ertragslage.
Die KD-Bank stellt erneut eine Dividende in Höhe von vier Prozent bereit. Vorstandsvorsitzender Ekkehard Thiesler erklärte. „Wir zahlen eine verlässliche Dividende an unsere Anteilseigner aus Kirche und Diakonie.“ Dies sei wichtig, denn die gemeinnützigen Kunden benötigten jede Hilfestellung und Unterstützung in unruhigen Zeiten.
Die KD-Bank ist eine Genossenschaftsbank und gehört Kirche und Diakonie. Mit rund 4.000 Mitgliedern zählt sie nach eigenen Angaben zu den größten Kirchenbanken Deutschlands. Zu den Kunden gehören die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) mit ihren Landeskirchen, kirchliche Einrichtungen, Stiftungen und Freikirchen. Hinzu kommen soziale Unternehmen wie Krankenhäuser, Hospize, Pflegedienste, Behindertenwerkstätten und Kindertagesstätten.
Nürnberg (epd). Eine ordentliche Kündigung nach einer Krankmeldung ist noch keine verbotene Maßregelung durch den Arbeitgeber. Auch ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Arbeitsunfähigkeit und Ausspruch der Kündigung begründe keinen Verstoß gegen das für Arbeitgeber geltende gesetzliche Maßregelungsverbot, stellte das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg in einem am 1. Juni veröffentlichten Urteil klar. Die Nürnberger Richter wiesen damit die Kündigungsschutzklage eines in einem kleinen Familienbetrieb beschäftigten Kurierfahrers ab.
Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht benachteiligen oder „maßregeln“, nur weil dieser „in zulässiger Weise seine Rechte ausübt“. Erfolgt daraufhin eine Kündigung quasi als „Bestrafung“ des Arbeitnehmers, ist dieser Rauswurf unwirksam.
Im Streitfall wurde der Kläger am 16. Dezember 2020 positiv auf das Corona-Virus getestet. Kurz darauf meldete er sich wegen Halsreizung, Husten und Kopfschmerzen krank. Am 21. Dezember 2020 kündigte ihm der Arbeitgeber ordentlich.
Der Kurierfahrer hielt das für unwirksam. Die Kündigung sei allein aufgrund seiner Krankmeldung erfolgt und stelle eine verbotene „Maßregelung“ dar. Der Mann führte an, sein Chef habe sogar eine Quarantäne nicht für nötig gehalten. Dabei müsse er regelmäßig Kurierfahrten zu Krankenhäusern, Privathaushalten und Seniorenheimen durchführen.
Die Kündigung sei auch sozial ungerechtfertigt, so der Kläger. Zwar unterliege der Kleinbetrieb nicht dem Kündigungsschutzgesetz und der bei betriebsbedingten ordentlichen Kündigungen vorgeschriebenen Sozialauswahl. Der Arbeitgeber müsse aber ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme wahren. Er müsse vier Kinder versorgen und sei auch älter als die anderen Mitarbeiter im Betrieb, wandte der Kläger ein.
Der Arbeitgeber bestritt, dass er den Kläger mit der während der Arbeitsunfähigkeit ausgesprochenen Kündigung „maßregeln“ wollte. Es sei auch kein Druck auf den Arbeitnehmer ausgeübt worden, trotz Krankheit zur Arbeit zu erscheinen. Die Kündigung sei nicht willkürlich erfolgt. Dem Betrieb gehe es derzeit wirtschaftlich nicht gut. Bei der Kündigung sei auch das Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme gewahrt worden.
Das LAG hielt die ordentliche Kündigung des Klägers ebenfalls für wirksam. Ein Verstoß gegen das gesetzliche Maßregelungsverbot liege nicht vor. Das sei dann der Fall, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer „maßregeln“ wolle, weil dieser in zulässiger Weise von seinen Rechten Gebrauch gemacht habe. Allein eine Kündigung nach einer Krankmeldung sei für sich genommen nicht verboten, auch wenn sie im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Kranksein erfolgte. Der Kläger sei damit nicht in seinen Rechten verletzt worden, befand das Gericht.
„Es gibt kein Recht auf Krankheit“, erklärte das LAG. Aus der Arbeitsunfähigkeit ergebe sich nur das Recht, zu Hause bleiben zu können. Dieses Recht habe der Arbeitgeber hier aber nicht bestritten. Er habe den Kläger nicht aufgefordert, trotz Krankheit zur Arbeit zu erscheinen. Angesichts der Umsatzeinbußen des Unternehmens sei die Kündigung nicht willkürlich erfolgt. Ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme sei eingehalten worden.
In einem Urteil vom März 2021 hat das LAG entschieden, dass eine ordentliche Kündigung wegen abgelehnter Kurzarbeit ebenfalls keine unzulässige Maßregelung des Arbeitnehmers ist. Denn Ziel der Kurzarbeit sei es, den Betrieb und die Arbeitsplätze zu erhalten - und nicht den Arbeitnehmer zu maßregeln.
Wird ein Arbeitnehmer wegen der Erkrankung seines Kindes nicht vom Arbeitgeber freigestellt und bleibt er dennoch eigenmächtig zu Hause, ist eine deshalb ausgesprochene Kündigung wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot dagegen unwirksam, urteilte das LAG Mainz im November 2016. Denn der Arbeitnehmer habe das Recht, sein krankes Kind zu betreuen und dafür freigestellt zu werden. Im Streitfall blieb die Kündigungsschutzklage dennoch erfolglos, weil der Arbeitnehmer nicht nachweisen konnte, dass die Kündigung tatsächlich auf sein eigenmächtiges Daheimbleiben zurückzuführen war. Vielmehr hatte der Arbeitgeber die Kündigung während der Probezeit mit Leistungsmängeln begründet.
Az.: 8 Sa 340/22 (LAG Nürnberg, Krankmeldung)
Az.: 4 Sa 413/20 (LAG Nürnberg, Kurzarbeit)
Az.: 8 Sa 152/16 (LAG Mainz)
Erfurt (epd). Ein Betriebsratsvorsitzender darf bei möglichen Interessenkonflikten nicht gleichzeitig Datenschutzbeauftragter seines Unternehmens sein. Das gilt nicht erst seit Einführung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), sondern auch für die Zeit davor, urteilte am 6. Juni das Bundesarbeitsgericht (BAG). Die obersten Arbeitsrichter in Erfurt wiesen damit die Klage eines Betriebsratsvorsitzenden des Dresdner Halbleiterherstellers X-FAB ab.
Nach dem Bundesdatenschutzgesetz und der EU-Datenschutzgrundverordnung müssen Unternehmen einen Datenschutzbeauftragten vorweisen, wenn sich in der Regel mindestens 20 Mitarbeiter ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigt sind. Arbeitgeber können dann einen internen oder externen Datenschutzbeauftragten beauftragen.
Soll ein betrieblich bestellter Datenschutzbeauftragter abberufen werden, ist das nach deutschem Recht nur „aus wichtigem Grund“ möglich. Das EU-Recht ist hier weniger streng. Danach darf die Abberufung nicht erfolgen, nur weil der Datenschutzbeauftragte seine Aufgaben erfüllt.
Im Streitfall war der Betriebsratsvorsitzende zum Datenschutzbeauftragten des sächsischen Unternehmens bestellt worden. Auf Veranlassung des Thüringer Landesbeauftragten für Datenschutz widerrief das Unternehmen diese Bestellung Ende 2017 wegen möglicher Interessenkonflikte bei der Ausübung beider Ämter.
Das BAG legte den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor und wollte wissen, ob EU-Recht der Abberufung des Datenschutzbeauftragten entgegensteht. Die Luxemburger Richter verneinten das mit Urteil vom 9. Februar 2023 (Az.: C-453/21).
Das BAG wies nun die Klage des Betriebsratsvorsitzenden ab. Es habe einen wichtigen Grund für die Abberufung gegeben. „Die Aufgaben eines Betriebsratsvorsitzenden und eines Datenschutzbeauftragten können danach typischerweise nicht durch dieselbe Person ohne Interessenkonflikt ausgeübt werden“. Denn personenbezogene Daten dürften dem Betriebsrat „nur zu Zwecken zur Verfügung gestellt werden, die das Betriebsverfassungsgesetz ausdrücklich vorsieht“. Der Datenschutzbeauftragte müsse diese Datenverarbeitung der Arbeitnehmervertreter unabhängig überwachen können, befand das Gericht.
Die Abberufung wegen möglicher Interessenkonflikte sei auch nicht erst seit Inkrafttreten der DSGVO am 25. Mai 2018 gegeben, sondern auch für Zeiträume davor, betonte das BAG.
Az.: 9 AZR 383/19
Celle (epd). Obwohl Krankenkassen gehalten sind, ihre Versicherten bei der Verfolgung von Schadenersatzansprüchen aus ärztlichen Behandlungsfehlern zu unterstützen, hat dieser Anspruch Grenzen. Das geht aus einem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 12. Juni hervor.
Im vorliegenden Fall hatte ein 57-jähriger Mann geklagt, der seine Impotenz und eine daraus folgende Depression auf einen Behandlungsfehler bei einer Vorhautbeschneidung zurückführt. Eine einmalige Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung sei nicht ausreichend, um zu klären, ob ein Behandlungsfehler vorliege, so der Kläger. Das Gericht hatte dessen Forderung nach weiteren medizinischen Gutachten durch seine Krankenkasse zurückgewiesen.
Der Medizinische Dienst war zu dem Schluss gelangt, dass eine Beschneidung nicht geeignet sei, Beschwerden wie Impotenz zu verursachen. Dem widersprach der Kläger. Nach seiner Auffassung müsse eine weitere Begutachtung stattfinden und seine Frau als Zeugin vernommen werden. Hierdurch könne ein Behandlungsfehler bestätigt werden. Zudem habe seine behandelnde Therapeutin bei ihm eine „Anpassungsstörung nach Penisoperation“ diagnostiziert.
Das Landessozialgericht verneinte einen weitergehenden Unterstützungsanspruch. Die Kasse habe ihrer gesetzlichen Hilfspflicht bereits durch Einholung des vorliegenden Gutachtens entsprochen. Nach dem Willen des Gesetzgebers ziele der Unterstützungsanspruch darauf ab, dem Versicherten eine mögliche Beweisführung in seiner Rechtsverfolgung zu erleichtern. Der Umstand, dass der Kläger mit dem Ergebnis des Gutachtens nicht einverstanden sei, verpflichte die Kasse nicht zur Einholung eines weiteren Gutachtens oder zur Vernehmung von Zeugen, hieß es.
Az.: L 16 KR 432/22
Köln (epd). Wegen des langjährigen sexuellen Missbrauchs durch einen katholischen Priester muss das Erzbistum Köln dem Betroffenen ein Schmerzensgeld in Höhe von 300.000 Euro zahlen. Das Landgericht Köln sah es am 13. Juni als erwiesen an, dass der heute 64 Jahre alte Kläger als Messdiener von dem Priester in den 1970er-Jahren in mehreren Hundert Fällen missbraucht worden war.
Bei dem Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist, handelt es sich Einschätzungen zufolge um die erste Klage dieser Art gegen ein katholisches Bistum in Deutschland. Der Fall ist überdies ungewöhnlich, da der beschuldigte Geistliche bereits tot ist und die Taten aus juristischer Sicht eigentlich verjährt sind.
Das Erzbistum Köln begrüßte die Entscheidung. „Ich bin froh und dankbar, dass das Gericht mit seiner Entscheidung zur Klarheit in diesem Fall beigetragen hat“, sagte Kardinal Rainer Maria Woelki. Sexueller Missbrauch sei „ein Verbrechen, dessen Folgen die Betroffenen oft ein ganzes Leben lang beeinträchtigen, beziehungsweise begleiten“.
In seiner Urteilsbegründung folgte das Gericht den Ausführungen der Klägerseite. Zudem waren die Vorwürfe unstrittig, da der Priester die Taten vor seinem Tod zugegeben hatte. Der Geistliche hätte den Kläger als Jungen in den 1970er-Jahren in mindestens 320 Fällen sexuell missbraucht.
Obwohl der Täter verstorben und die Taten verjährt sind, verklagte der Anwalt des Betroffenen das Erzbistum in dem Zivilverfahren mit Verweis auf die sogenannten Amtshaftung der Kirche als öffentlich-rechtliche Institution. In einem Zivilprozess muss die beklagte Institution demnach aktiv die Verjährung der Taten geltend machen. Das habe das Erzbistum aber unterlassen - offenbar aus moralischen Gründen und um auch weitere Anerkennungszahlungen an Betroffene leisten zu können.
Der Kläger, der im Erzbistum Köln angestellt ist, erhielt eine solche Zahlung in Höhe von 25.000 Euro. Diese Zahlung wird von der Schmerzensgeldsumme abgezogen. Als Folge des jahrelangen Missbrauchs leidet er nach eigenen Angaben unter Schlafstörungen, Migräne und Neurodermitis. In dem Verfahren hatte der Kläger ein Schmerzensgeld und eine Entschädigung in Höhe von rund 800.000 Euro gefordert. Zudem verurteilte das Gericht das Erzbistum dazu, künftige Behandlungskosten des Klägers zu übernehmen, die als Folge des Missbrauchs auftreten sollten.
„Das Erzbistum Köln übernimmt für dieses erlittene Unrecht und Leid institutionelle Mitverantwortung“, sagte Woelki. Deswegen habe das Erzbistum auch entschieden, die Verjährung der Taten nicht zu beantragen. Auch der Vortrag des Klägers sei im Prozess nicht bestritten worden.
Der katholische Priester selbst wurde im Jahr 2014 mit Berufsverbot, Entzug des Titels und Geldstrafe belegt. Zudem erging gegen ihn die Auflage, sich künftig nicht mehr Kindern zu nähern.
Das Urteil sei ein „immens wichtiges Signal“ für Betroffene aller Kontexte, nicht nur der Kirchen, sagte die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es zeige, dass über rechtsstaatliche, kirchenunabhängige Wege eine zivilrechtliche Prüfung möglich sei.
Auch für den Kölner Staatsrechtler Stephan Rixen besteht die Signalwirkung über die katholische Kirche hinaus für die evangelische Kirche oder den Staat, wenn es um Schulen oder die Aufsicht über Heime gehe. „Die Sorge vor Klagen wird dazu führen, dass Sorgfalts- und Aufsichtspflichten noch ernster genommen werden, insoweit wirkt das Urteil präventiv“, sagte der Jurist, der dem Deutschen Ethikrat angehört, dem epd.
Az.: 5 O 197/22
Straßburg (epd). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Klage von acht Frauen gegen eine Einschränkung des Rechts auf Abtreibung in Polen abgewiesen. Die Frauen beklagten insbesondere, dass ihnen der Zugang zu legalen Schwangerschaftsabbrüchen auch bei Komplikationen verwehrt werde. Die Straßburger Richter begründeten ihre Entscheidung vom 8. Juni damit, dass die Folge der Gesetzesänderung in der Zukunft liege und damit zu abstrakt sei, um die Frauen als Opfer im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention anzuerkennen.
Das Verfassungsgericht in Polen hatte 2022 das Recht auf Abtreibung eingeschränkt. Seither sind Schwangerschaftsabbrüche in der Regel illegal. Laut dem EU-Parlament kamen in der Folge mehrere Frauen ums Leben, weil ein Abbruch nötig gewesen wäre. Seit 2021 sind mehr als 1.000 Klagen gegen das Abtreibungsverbot beim EGMR eingegangen, über die das Gericht noch entscheiden muss.
Im aktuellen Fall haben acht polnische Frauen, die zwischen 1980 und 1993 geboren wurden, Klage eingereicht. Zwei der Frauen gaben an, an Krankheiten zu leiden, die ein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen mit sich bringen. Zwei andere waren bereits schwanger und befürchteten Komplikationen. Die übrigen Klägerinnen hatten Sorge, dass ihnen im Falle einer schweren Anomalie beim Fötus eine angemessene medizinische Versorgung verweigert werde. Die Klägerinnen erklärten, dass sie potenzielle Opfer der Gesetzesänderung seien, da sie nun gezwungen seien, Schwangerschaften auch im Falle von Komplikationen bis zum Ende auszutragen.
Die sieben Richter aus Polen, Slowenien, der Slowakei, Montenegro, Italien, San Marino und Schweden erklärten, Kläger könnten nur unter „außergewöhnlichen Umständen“ behaupten, Opfer einer Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention zu sein, wenn die Gefahr in der Zukunft liege.
Az.: 4188/21, 4957/21, 5014/21, 5523/21, 5876/21, 6114/21, 6217/21, 8857/21
Ansbach (epd). Raúl Aguayo-Krauthausen (42), der sich selbst als „Aktivist für Inklusion und Barrierefreiheit“ bezeichnet, erhält jedoch nicht nur den Preis, sondern zugleich wird für ein Jahr ein Hörsaal der Uni nach ihm benannt. Der Preis ist mit 2.500 Euro dotiert. Der Schwerpunkt des Bildungspreises liegt dieses Jahr auf dem Thema Vielfalt und Inklusion. Krauthausen, der die Glasknochenkrankheit hat, setze sich seit vielen Jahren für Menschen mit Behinderung und für Inklusion ein.
„Raul Krauthausen ist ein großes Vorbild für unsere Gesellschaft“, sagte Professor Sascha Müller-Feuerstein, Präsident der Hochschule Ansbach. „Beharrlich klärt er uns auf, erläutert Begrifflichkeiten, berichtet von Missständen. Raul Krauthausen sorgt dafür, dass die Themen Vielfalt und Inklusion stets präsent sind und die Wichtigkeit erhalten, die sie verdienen. Und er hält unserer Gesellschaft konsequent den Spiegel vor.“
Für den 30. Juni haben die Studierenden als Organisierende gleich zwei Laudatorinnen und einen Laudator verpflichtet: Kristina Vogel gewann elf WM-Titel, zweimal Olympisches Gold und gilt als erfolgreichste Bahnradfahrerin der Welt. Bei einem Trainingsunfall im Jahr 2018 verletzte sie sich schwer an der Wirbelsäule und ist seitdem querschnittsgelähmt. Adina Hermann engagiert sich als Vorständin für den gemeinnützigen Verein „Sozialhelden“. Sie ist Krauthausens beste Freundin und kämpft gemeinsam mit ihm für mehr Barrierefreiheit, Inklusion und Vielfalt.
Der Laudator, der Arzt, Comedian, Fernsehmoderator und Wissenschaftsjournalist Eckart von Hirschhausen, wird seine Rede per Video halten, hieß es. Krauthausen hat im Vorfeld angekündigt, das von den Hochschulmitgliedern per Crowdfunding bereitgestellte Preisgeld an die beiden Projekte „Bündnis Inklusion Berlin“ und „Mittendrin Köln“ zu spenden.
Andreas Westerfellhaus und Franz Wagner sind zu Ehrenpräsidenten des Deutschen Pflegerats (DPR) ernannt worden. Westerfellhaus war von 2009 bis 2017 DPR-Präsident, Wagner von 2017 bis 2021. Zuvor waren beide über viele Jahre Vize-Präsidenten der Organisation. In ihrer Laudatio betonte Christine Vogler, die heutige Präsidentin des Rats, bei der Übergabe der Urkunden „die hervorragende geleistete Arbeit und den unermüdlichen Einsatz“ der ehemaligen Spitzenvertreter des Deutschen Pflegerats.
Sabine Weingärtner, Präsidentin der Diakonie Bayern, ist stellvertretend für die über 100.000 haupt- und ehrenamtlichen tätigen Mitarbeitenden der Diakonie mit der Bayerischen Staatsmedaille ausgezeichnet worden. Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holotschek (CSU) übergab den Orden am 10. Juni in Nürnberg bei einem Empfang zum 75-jährigen Bestehen der Organisation. „Sie arbeiten solidarisch und barmherzig mit und für Menschen, die Hilfe benötigen. Sie leben Nächstenliebe“, so der Minister. Die Diakonie sei ein „Problemlöser“ und gebe „den Schwachen und Kranken in unserer Gesellschaft eine Stimme“. Weingärtner bedankte sich gemeinsam mit Vorständin Sandra Schuhmann im Namen der Mitarbeitenden: „Ich freue mich im Namen aller über diese Auszeichnung. Sie haben diese Auszeichnung wirklich verdient.“ In Bayern gilt der fränkische Pfarrer Wilhelm Löhe als wichtigster Gründervater der Diakonie. 1948 wurde das „Diakonische Werk Bayern“ gegründet.
Thomas Brahm ist als Vorsitzender des PKV-Verbandes im Amt bestätigt worden. Damit wird der Vorstandsvorsitzende der Debeka Versicherungsgruppe aus Koblenz den PKV-Verband für die nächsten drei Jahre leiten. Die Wahl erfolgte einstimmig. Brahm hatte bereits im Januar das Amt von seinem Vorgänger Ralf Kantak übernommen, der in den Ruhestand getreten ist.
Angelika Eggert, Professorin an der Charité - Universitätsmedizin Berlin, hat für ihre Arbeiten in der Krebsforschung den Deutschen Krebspreis 2023 für Translationale Forschung erhalten. Er wird von der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Krebsstiftung ausgelobt und zählt zu den höchsten Auszeichnungen in der Onkologie. Der Preis ist dotiert mit 7.500 Euro. Eggert ist Direktorin der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie an der Charité, koordiniert als Standortsprecherin die Berliner Krebsforschung im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung und ist Co-Direktorin des im Aufbau befindlichen Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen Berlin.
Michael Kraft hat am 1. Juni sein Amt als Vorstand der Lebenshilfe Marburg-Biedenkopf angetreten. Er arbeitet seit mehreren Jahren für den Träger und tritt die Nachfolge des langjährigen Vorstandes Roland Wagner an, der in den Ruhestand getreten ist. Wagner stand über 40 Jahre im Dienst der Lebenshilfe. Im Jahr 1987 wurde er Leiter der Hinterländer Werkstätten und 1994 übernahm er die die Stellvertretung der Geschäftsführung für das Lebenshilfewerks. 2002 wurde Wagner in den Vorstand des LHW berufen.
André Henselmann hat die Leitung des Telefon-Kontaktdienstes Silbernetz für ältere Menschen mit Sitz in Berlin übernommen. Er folgt auf Celeste Eden, die aus familiären Gründen in den Norden zieht. Henselmann übernimmt ebenfalls die Geschäftsführung der Silbernetz Inklusive gGmbH. Henselmann arbeitete seit 2004 als Projektmanager und später auch als Geschäftsführer für verschiedene sozialwirtschaftliche Unternehmen und Verbände und war zuletzt für die Berliner Verkehsbetriebe im Fördermittelmanagement tätig.
Jan Hempel, ehemaliger Spitzensportler, und das Autorenteam der ARD-Dokumentation „Missbraucht - Sexualisierte Gewalt im deutschen Schwimmsport“ haben den Deutschen Kinderschutzpreis gewonnen. Der Preis in Form eines „Kinderschutznestes“ wurde am 13. Juni in Mannheim beim Deutschen Präventionstag verliehen. Die ARD-Dokumentation von Hajo Seppelt und seinem Team habe schwere Missstände im deutschen Schwimmsport aufgedeckt. Darin sei erstmals von dem schweren sexuellen Missbrauch am Wasserspringer Jan Hempel durch seinen damaligen Trainer berichtet worden. Der ehemalige Leistungssportler beweise „großen Mut, indem er über seine Erlebnisse berichtet“, begründete die Jury ihre Auswahl.
Teresa Enke, die Vorstandsvorsitzende der Robert-Enke-Stiftung, hat das Verdienstkreuz am Bande des Niedersächsischen Verdienstordens bekommen. Die Ehrung erfolgte am 15. Juni durch Oberbürgermeister Belit Onay im hannoverschen Rathaus. Die Witwe des Fußball-Nationaltorwarts Robert Enke, der 2009 nach einer schweren Depression Suizid verübte, setze sich mit der Stiftung für eine Enttabuisierung von Depressionen ein, hieß es zur Begründung. Durch gezielte Informationen in eine breite Öffentlichkeit biete sie Betroffenen Hilfe und Begleitung.
22.6. Freiburg:
Seminar „Steuer-Update für Non-Profit-Organisationen“
der Unternehmensberatung Solidaris
Tel.: 0761/79186-39
22.6. Berlin:
Seminar „Ausgliederungen in gGmbHs und alle anderen Strukturänderungen auf ein Blick - Umsetzung rechtssicher gestalten“
der BFS-Service GmbH
Tel.: 0221/98817-159
22.6.:
Online-Kurs „Resilienz - Training für Führungskräfte“
der Paritätischen Akademie Süd
Tel.: 0711/286976-16
28.6. München:
Seminar „ABC des Umsatzsteuer- und Gemeinnützigkeitsrechts“
der Unternehmensberatung Solidaris
Tel.: 0761/79186-39
29.6.:
Online Barcamp „Alles anders? Alles neu? Veränderung gestalten in und mit Kirche, Diakonie und Sozialwirtschaft“
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 030/48837478
Juli
5.7., 28.7.:
Online-Schulung „Kompetent online beraten per Video“
der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761/200-1700
6.7.:
Online-Seminar „Sozialdatenschutz in der Kinder- und Jugendhilfe“
der Paritätischen Akademie Berlin
Tel.: 030/275828227
11.7.:
Webinar „Wie berichte ich nachhaltig?“
der Unternehmensberatung Solidaris
Tel.: 0761/79186-35
August
15.8. Köln:
Seminar „Vergütungsverhandlungen in der Eingliederungshilfe“
der Unternehmensberatung Solidaris
Tel.: 02203/8997-519
24.8.:
Online-Kurs „Kita-Recht für Leitungskräfte“
der Paritätischen Akademie Hamburg
Tel.: 040/415201-66
28.-31.8. Berlin:
Fortbildung „Bundesrahmenhandbuch Schutzkonzepte vor sexualisierter Gewalt“
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 030/48837-495
30.8. Berlin:
Seminar „Grundlagen des Arbeitsrechtes in Einrichtungen der Sozialwirtschaft - Gestaltungsspielräume nutzen“
der BFS Service GmbH
Tel.: 0221/98817-159
31.8. Berlin:
Seminar „Einfach empfehlenswert! MitarbeiterInnen als MarkenbotschafterInnen“
der Paritätischen Akademie Berlin
Tel. 030/275828221
31.8. Berlin:
Seminar „Datenschutz in sozialen Einrichtungen“
der Unternehmensberatung Solidaris
Tel.: 0251/48261-173
31.8. Berlin:
Seminar „Betriebsverfassungsrecht aus Arbeitgebersicht“
der BFS Service GmbH
Tel.: 0221/98817159