sozial-Recht

Landgericht

Sexueller Missbrauch: Erzbistum Köln muss Opfer 300.000 Euro zahlen



Köln (epd). Wegen des langjährigen sexuellen Missbrauchs durch einen katholischen Priester muss das Erzbistum Köln dem Betroffenen ein Schmerzensgeld in Höhe von 300.000 Euro zahlen. Das Landgericht Köln sah es am 13. Juni als erwiesen an, dass der heute 64 Jahre alte Kläger als Messdiener von dem Priester in den 1970er-Jahren in mehreren Hundert Fällen missbraucht worden war.

Bei dem Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist, handelt es sich Einschätzungen zufolge um die erste Klage dieser Art gegen ein katholisches Bistum in Deutschland. Der Fall ist überdies ungewöhnlich, da der beschuldigte Geistliche bereits tot ist und die Taten aus juristischer Sicht eigentlich verjährt sind.

Erzbistum begrüßt Entscheidung

Das Erzbistum Köln begrüßte die Entscheidung. „Ich bin froh und dankbar, dass das Gericht mit seiner Entscheidung zur Klarheit in diesem Fall beigetragen hat“, sagte Kardinal Rainer Maria Woelki. Sexueller Missbrauch sei „ein Verbrechen, dessen Folgen die Betroffenen oft ein ganzes Leben lang beeinträchtigen, beziehungsweise begleiten“.

In seiner Urteilsbegründung folgte das Gericht den Ausführungen der Klägerseite. Zudem waren die Vorwürfe unstrittig, da der Priester die Taten vor seinem Tod zugegeben hatte. Der Geistliche hätte den Kläger als Jungen in den 1970er-Jahren in mindestens 320 Fällen sexuell missbraucht.

Obwohl der Täter verstorben und die Taten verjährt sind, verklagte der Anwalt des Betroffenen das Erzbistum in dem Zivilverfahren mit Verweis auf die sogenannten Amtshaftung der Kirche als öffentlich-rechtliche Institution. In einem Zivilprozess muss die beklagte Institution demnach aktiv die Verjährung der Taten geltend machen. Das habe das Erzbistum aber unterlassen - offenbar aus moralischen Gründen und um auch weitere Anerkennungszahlungen an Betroffene leisten zu können.

Zunächst nur 25.000 Euro als Anerkennungszahlung

Der Kläger, der im Erzbistum Köln angestellt ist, erhielt eine solche Zahlung in Höhe von 25.000 Euro. Diese Zahlung wird von der Schmerzensgeldsumme abgezogen. Als Folge des jahrelangen Missbrauchs leidet er nach eigenen Angaben unter Schlafstörungen, Migräne und Neurodermitis. In dem Verfahren hatte der Kläger ein Schmerzensgeld und eine Entschädigung in Höhe von rund 800.000 Euro gefordert. Zudem verurteilte das Gericht das Erzbistum dazu, künftige Behandlungskosten des Klägers zu übernehmen, die als Folge des Missbrauchs auftreten sollten.

„Das Erzbistum Köln übernimmt für dieses erlittene Unrecht und Leid institutionelle Mitverantwortung“, sagte Woelki. Deswegen habe das Erzbistum auch entschieden, die Verjährung der Taten nicht zu beantragen. Auch der Vortrag des Klägers sei im Prozess nicht bestritten worden.

Der katholische Priester selbst wurde im Jahr 2014 mit Berufsverbot, Entzug des Titels und Geldstrafe belegt. Zudem erging gegen ihn die Auflage, sich künftig nicht mehr Kindern zu nähern.

„Immens wichtiges Signal“

Das Urteil sei ein „immens wichtiges Signal“ für Betroffene aller Kontexte, nicht nur der Kirchen, sagte die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es zeige, dass über rechtsstaatliche, kirchenunabhängige Wege eine zivilrechtliche Prüfung möglich sei.

Auch für den Kölner Staatsrechtler Stephan Rixen besteht die Signalwirkung über die katholische Kirche hinaus für die evangelische Kirche oder den Staat, wenn es um Schulen oder die Aufsicht über Heime gehe. „Die Sorge vor Klagen wird dazu führen, dass Sorgfalts- und Aufsichtspflichten noch ernster genommen werden, insoweit wirkt das Urteil präventiv“, sagte der Jurist, der dem Deutschen Ethikrat angehört, dem epd.

Az.: 5 O 197/22