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Sozialverbände fordern Finanzhilfen für den Hitzeschutz




Bundesgesundheitsminister Lauterbach (vorn) hat in Berlin seine Pläne zu einem gesetzlichen Hitzeschutz vorgestellt.
epd-bild/Christian Ditsch
Mehrere Sozialverbände wollen gemeinsam mit dem Bundesgesundheitsminister den Hitzeschutz in sozialen Einrichtungen verbessern. Sie begrüßten dessen Vorhaben, dafür gesetzliche Regelungen zu finden, denn bislang gebe es vor Ort kaum bindende Notfallpläne. Doch ohne finanzielle Hilfen seien Umbauten für mehr Klimaschutz kaum machbar, hieß es.

Berlin (epd). Um auf die Dringlichkeit eines besseren Hitzeschutzes aufmerksam zu machen, gab es am 14. Juni an über 20 Orten in Deutschland Aktionen, bei denen auf die Gesundheitsgefahren durch hohe Temperaturen hingewiesen wurde. „Hitze ist eine tödliche Gefahr, die durch die eskalierende Klimakrise und die damit verbundene erhöhte Wahrscheinlichkeit extremer Hitzewellen immer weiter zunimmt“, sagte Sonja Schmalen vom Mitorganisator Health for Future. „Unsere Gesundheitssysteme sind darauf nicht vorbereitet.“ Allein in Deutschland gab es nach ihren Worten zwischen 2018 und 2020 mehr als 19.000 Hitzetote.

In der EU würden Schätzungen zufolge bereits 2030 ca. 30.000 zusätzliche hitzebedingte Todesfälle pro Jahr erwartet. Besonders stark betroffen sind Risikogruppen wie Kinder, Ältere und Menschen mit Vorerkrankungen.

Lilie: Bauliche Maßnahmen schwer zu finanzieren

Diakoniechef Ulrich Lilie sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), um gerade vulnerable Gruppen effektiver vor Hitze zu schützen, brauche es ein Gesamtkonzept. Dazu gehörten auch bauliche Maßnahmen. Doch ohne Geld sei baulich wenig zu erreichen, betonte Lilie: „Die energetische Sanierung von Sozialimmobilien schützt das Klima. Wir wollen klimaneutral werden und wir wollen in den gesundheitlichen Hitzeschutz investieren, brauchen dafür aber gesetzliche Grundlagen und finanzielle Förderung.“

„Angesichts des großen Investitionsstaus und ihrer chronischen Unterfinanzierung können die Krankenhäuser die Transformation nicht aus eigenen Kräften stemmen, und die vorhandenen Programme sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, so Peggy Kaufmann vom St. Elisabeth-Krankenhaus in Leipzig, die auch Mitglied im Vorstand des Katholischen Krankenhausverbandes Deutschland ist. „Bund und Länder müssen zeitnah ein umfassendes Klima-Förderprogramm für die Krankenhäuser auflegen.“

Ärzte: 4.500 Hitzeopfer im Jahr 2022

Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, forderte, den gesundheitlichen Hitzeschutz als Pflichtaufgabe gesetzlich zu verankern und in die Planungen das Gesundheitswesen einzubeziehen. Er sagte, im vergangenen Jahr seien 4.500 Menschen wegen großer Hitze gestorben.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte zuvor angekündigt, einen Hitzeschutzplan für Deutschland zu erarbeiten. Er werde dazu in der kommenden Woche Vertreterinnen und Vertreter der Ärzteschaft, der Pflege und des Gesundheitswesens einladen, sagte Lauterbach am 13. Juni in Berlin. Er wolle sich an Frankreich orientieren, wo je nach Schwere einer Hitzewelle im ganzen Land Schutzmaßnahmen ausgelöst werden. Diese reichen von Kälteräumen über Hitzeaktionspläne für Pflegeeinrichtungen und Kliniken bis zu Anrufen bei alten Menschen in ihren Wohnungen, damit sie regelmäßig trinken. Für die Umsetzung wären in Deutschland Länder und Kommunen verantwortlich.

Warnung vor hohen Gesundheitsrisiken

Hitze stellt derzeit das größte klimawandelbedingte Gesundheitsrisiko für Menschen in Deutschland dar. Reinhardt sagte, Hitzestress und Erschöpfung könnten jeden treffen. Erkrankungen könnten sich verschlimmern, beispielsweise Kreislauf- und Atemwegserkrankungen. Neugeborene, Kleinkinder und alte Menschen seien durch extreme Hitze besonders gefährdet. Nachgewiesen sei inzwischen auch, dass sich psychische Leiden verstärkten.

Bereits im heißen Sommer 2018 registrierte das Robert Koch-Institut 8.700 hitzebedingte Sterbefälle. Zusätzliche Patientinnen und Patienten belasten Praxen und Kliniken. In den Pflegeheimen nehme die Arbeit in Hitzeperioden noch zu bei zugleich besonders belastenden Arbeitsbedingungen, erklärte Jana Luntz aus dem Präsidium des Deutschen Pflegerats. Dennoch haben nur wenige Kommunen und Einrichtungen bereits Hitzeschutzpläne. „Der Hitzeschutz ist nicht nur Gesundheitsschutz für die Bevölkerung. Er ist auch Gesundheitsschutz für Pflegebedürftige und deren Pflegenden. Wir müssen endlich ins Handeln kommen.“

„Hitzeschutz muss öffentliche Pflichtaufgabe werden“

Der Vorsitzende der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit, Martin Herrmann, nannte als wichtigste Aufgabe einen gesetzlichen Rahmen für den Hitzeschutz auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene. Hitzeschutz müsse für öffentliche Einrichtungen eine Pflichtaufgabe werden und außerdem auch im Arbeitsschutzrecht verankert werden, sagte Herrmann. Es existierten bisher auch keine Pläne für einen durch Hitze ausgelösten Katastrophenfall.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) erklärte, die Kliniken stünden beim Klima- und Hitzeschutz vor großen Herausforderungen. Viele alte Gebäude müssten energetisch saniert werden. „Dabei sind Krankenhäuser schon aus baulichen Gründen oft nicht in der Lage, ohne größeren Aufwand nachhaltige Kühlungskonzepte umzusetzen. Oftmals stammen die Gebäude aus dem 19. Jahrhundert oder der Nachkriegszeit, stehen unter Denkmalschutz und besitzen eine geringe Wärmedämmung“, sagte die stellvertretende Vorstandsvorsitzende Henriette Neumeyer.

Hinzu kommt nach ihren Worten, dass seit Jahrzehnten die Investitionskostenfinanzierung der Bundesländer den Bedarf nicht ansatzweise deckt, obwohl die Länder gesetzlich zur Finanzierung der Klinik-Investitionen in tatsächlicher Höhe verpflichtet sind. „Das wenige Geld fließt in dringend benötigte Gerätschaften und Bauarbeiten. Für energetische Sanierung mit optimaler Gebäudeisolierung, effizienten Kühlungssystemen, Verschattung und Begrünung fehlen oftmals die Mittel“, so Neumeyer.

Zustimmung der Ärztekammer

„Wir begrüßen die Ankündigung des Bundesgesundheitsministers, einen ‚Hitzeplan Deutschland‘ zu erstellen, der sich an den Erfahrungen in Frankreich anlehnt. Wir brauchen eine solche Blaupause mit Handlungsempfehlungen und verbindlichen Maßnahmen, die konkrete Umsetzung obliegt dann den Kommunen“, sagte Susanne Johna, Vorsitzende des Marburger Bundes, am 14. Juni.

„Zur Gefahr können Hitzewellen insbesondere für ältere Menschen aufgrund eines verminderten Durstgefühls werden. Neben Senioren sind auch Säuglinge, Schwangere, chronisch Kranke und Arbeitskräfte im Freien, darunter Bauarbeiter und Landwirte, durch Hitzewellen besonders gefährdet“, so die Ärztin. Die gesundheitlichen Risiken reichten von Hitzeerschöpfung über Hitzschlag und Sonnenbrand bis hin zum gefährlichen Hitzekollaps.

Bettina Markmeyer, Dirk Baas


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