Nürnberg (epd). Aus Sicht des Wiener Architekten Alexander Hagner scheitert der Bau von Wohneinrichtungen für obdachlose Menschen vor allem an der fehlenden Akzeptanz der Bürger in der Nachbarschaft. „Es gibt hier keine Offenheit“, sagte der Mitgründer von Wohn- und Beschäftigungseinrichtungen für Obdachlose und Alkoholkranke in Wien am 9. Juni beim Kirchentag in Nürnberg. Er verwies auf das rein spendenfinanzierte Projekt „VinziDorf Wien“, das in 16 Jahren der Realisierung „oft am Rande des Abbruchs stand“.
Nach seinen Worten können die Bewohner hier leben, wie es ihnen möglich ist, ohne sich verändern zu müssen. Sie können Haustiere mitnehmen, Partnerinnen und Partner und müssen auch nicht abstinent sein. Getragen von der Vinzenzgemeinschaft gebe es hier 32 Schlafplätze, auch in Wohngemeinschaften, Werkstätten, Tagungsräume sowie ein Restaurant.
Die Ausgrenzung von Menschen am Rande der Gesellschaft lässt sich laut Hagner nur überwinden, „wenn sich die Nachbarschaft des Themas Obdachlosigkeit annimmt“. Nur so könne es Anknüpfungspunkte für Menschen geben, denen es schlecht gehe. Man schaffe „Häuser für die Unbehausten“.
Hagner warb dafür, statt großer und anonymer Heime für Menschen mit psychosozialen Problemen kleine und individuelle Lösungen zu finden. „Es gibt so viele leerstehende Gebäude“, sagte Hagner. Die könne man sinnvoll nutzen. Zudem müsse man versuchen, die Belange der künftigen Bewohner auch in der Architektur zu berücksichtigen. „Gemeinschaft, auch mit anderen sozialen Gruppen wie Flüchtlingen oder Studenten, kann helfen, beschädigte Menschen wieder aufzubauen.“
Heutige Einrichtungen würden oft am Bedarf vorbei gebaut. In Wien gibt es Hagner zufolge genügend Notschlafstellen und andere Hilfen für Obdachlose. „Aber warum leben dann immer noch 2.000 bis 3.000 Menschen auf der Straße?“
Er freue sich, dass sein Modell nun auch erstmals in Deutschland aufgeggriffen werde. In Marburg soll 2024 ebenfalls ein Vinzi-Dorf entstehen. Partner beim Bau ist die Gemeinnützige Wohnungsbau GmbH Marburg/Lahn (GeWoBau). Zehn kleine Häuser plus Gemeinschaftsgebäude sollen entstehen, noch ist das Betriebskonzept im Werden. Aber klar sei, so der planende Architekt, dass die Bevölkerung von Anfang eingebunden werde, um Ressentiments zu vermeiden.