Kirchen

Zeichen gegen die Angst


Tanz-Performance beim Abschlussgottesdienst
epd-bild/Friedrich Stark
Das Leitwort "Suche Frieden" prägte mit kaum vorhersehbarer Aktualität den Deutschen Katholikentag in Münster. Die Iran-Krise, innergesellschaftliche und innerkirchliche Kontroversen machten die "Suche nach Frieden bitter nötig", so die Veranstalter.

Iran-Krise, Terrorismus oder neuer Nationalismus - die Welt wird offenbar nicht nur gefühlt unberechenbarer und unsicherer: Mit seinem Leitwort "Suche Frieden" war der 101. Deutsche Katholikentag so aktuell wie selten. Und Münster - wo neben dem rund 50 Kilometer entfernten Osnabrück 1648 der Dreißigjährige Krieg in Europa beendet wurde - war dafür der geeignete Ort. Am 13. Mai ging das Christentreffen mit einem festlichen Abschlussgottesdienst zu Ende. Fünf Tage lang war der Katholikentag mit mehr als 70.000 Besuchern Forum für die großen Zeitthemen wie Klimawandel, Flüchtlinge, Globalisierung oder soziale Gerechtigkeit.

Kardinal Reinhard Marx rief im Abschlussgottesdienst dazu auf, trotz der "Zerissenheit" und Krisen in der Welt die Hoffnung nicht zu verlieren. Es brauche ein "Mehr an Hoffnung", sagte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz in seiner Predigt. Die Christen und die Kirchen sollten "Instrumente des Friedens" sein, denn Frieden sei nicht allein mit militärischen Mitteln zu erreichen. Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), rief zum Dialog mit anderen Religionen auf. Richtig gelebte Religionen seien nicht Ursache von Krieg, sondern "Motor des Friedens".

Weltpolitik und Kreuz-Erlass

Weltpolitik nach Münster brachten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und auch der kolumbianische Präsident und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos. Eindringlich bezeichnete Merkel den Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran als "schweren Einschnitt" für die internationale Zusammenarbeit. Steinmeier warb dafür, sich mit den anderen beteiligten Mächten für einen Fortbestand des Abkommens einzusetzen. Einen Krieg zu führen sei einfach, so Santos, Frieden zu machen viel schwieriger.

Thema Innenpolitik: Auch der Streit um den bayerischen Kreuz-Erlass setzte sich auf dem Katholikentag fort: Während Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) die umstrittene Kreuz-Pflicht in bayerischen Behörden verteidigte, warf der ehemalige religionspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, dem CSU-Politiker vor, der Bevölkerung seine Bedeutung des Kreuzes aufzwingen zu wollen. Auf dem Katholikentag sprach sich auch der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki gegen eine Kreuz-Pflicht in Behörden aus: "Ich finde es schwierig, so etwas einfach von oben zu verordnen."

Beim Auftritt des AfD-Politikers Volker Münz kam es zum Tumult. Vertreter aller Bundestagsparteien diskutierten bei einer emotional hochaufgeladenen Veranstaltung die Rolle der Religion in der Gesellschaft. Dabei wurde der Auftritt von Münz zu Beginn von massiven Protesten und Störungen aus dem Publikum begleitet. Die religionspolitische Sprecherin der Linken-Bundestagsfraktion, Christine Buchholz, warnte vor einer "Normalisierung der Positionen der AfD". Münz kritisierte einen zu starken Einfluss von Kirchenvertretern in der Politik.

Der Arzt und Kabarettist Eckart von Hirschhausen las den Kirchen die Leviten. Der TV-Moderator plädierte für die zur Zeit unter den katholischen Bischöfen heftig umstrittene Öffnung der Eucharistie für evangelische Ehepartner: "Wenn Sie die Hälfte meiner Kirchensteuer für die katholische Kirche abzwacken, geben Sie mir mit Freude eine Oblate dafür oder geben Sie mir mein Geld zurück", so Hirschhausen in Münster. Der Fernsehmoderator ist evangelisch, seine Frau Katholikin.

50.000 Dauergäste

Beim Thema Ökumene herrscht zur Zeit eine gewisse Erschöpfung. Nach dem Reformationsjubiläum 2017 - das die großen Kirchen in zuvor nie gekannter Gemeinsamkeit feierten - riefen die Spitzenrepräsentanten beider großen Kirchen dazu auf, in der Ökumene nicht zu ermüden. Die Christen sollten "nicht überlegen, was nicht, sondern was geht", sagte Kardinal Marx, man wolle nicht nachlassen im ökumenischen Engagement. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, betonte, die 2017 erreichten Annäherungen zwischen den Kirchen seien "nicht mehr rückholbar".

Bei dem viele Menschen berührenden Zentralen Ökumenischen Gottesdienst am Freitag im Münsteraner Dom ermutigte die lutherische Erzbischöfin der Schwedischen Kirche, Antje Jackelén, zum geduldigen Dialog zwischen den Konfessionen: "Wir müssen uns immer wieder verpflichten, die sichtbare Einheit der Kirchen zu suchen", so die gebürtige Deutsche Jackelén in ihrer Predigt.

Kein Katholikentag der vergangenen Jahre war so gut besucht und so politisch wie der in Münster, bilanzieren Beobachter. Seit der Wiedervereinigung habe es nicht mehr so viele Besucher auf dem Katholikentag gegeben, bestätigte ZdK-Präsident Sternberg zum Abschluss. Zum Treffen der katholischen Laien kamen den Angaben zufolge bislang 50.000 Dauergäste und 25.000 Tagesteilnehmer. Im kommenden Jahr findet der Deutsche Evangelische Kirchentag in Dortmund statt, der 3. Ökumenische Kirchentag wird 2021 in Frankfurt am Main ausgerichtet.

Von Stephan Cezanne (epd)


Politiker und die Gretchenfrage


Der AfD-Politiker Volker Münz auf dem Katholikentag
epd-bild/Friedrich Stark
"Nun sag', wie hast du's mit der Religion?" - So lautet die berühmte Frage, die das Fräulein Margarete im ersten Teil von Goethes "Faust" stellt. Auf dem Katholikentag in Münster suchten Vertreter der Bundestagsparteien darauf eine Antwort.

Welche Rolle spielen Kirche und Religion in unserem Staat? Die Diskussion mit den Vertretern der Bundestagsparteien wäre ohne den kirchenpolitischen Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Volker Münz, sicherlich ohne große Spannungen verlaufen. Doch die seit Wochen anhaltenden Proteste gegen den AfD-Politiker hielten auch während des Podiums massiv und lautstark an. Letztlich ging es bei der Diskussion aber vor allem um eine Frage: Wie geht man mit der AfD um?

Die religionspolitische Sprecherin der Linken-Bundestagsfraktion, Christine Buchholz, attackierte Münz direkt. Sie warnte vor einer "Normalisierung der Positionen der AfD". Münz wies die Kritik energisch zurück, wollte sich nicht in die Nähe des Nationalsozialismus bringen lassen. Doch während die anderen Politiker vor allem ihre persönliche Beziehung zum Christentum, Glauben und zu den Kirchen schilderten, transportierte Münz an vielen Stellen die Politik seiner Partei.

Mit Blick auf die Öffnung der Grenzen für Flüchtlinge sagte Münz, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe "Schuld auf sich geladen". Aber vor allem die Kirchen bekamen ihr Fett weg. Diese agierten oft wie eine Art politischer Partei, dies sei nicht in Ordnung, sagte Münz.

Zwischenrufe und Demo

Zugleich betonte der AfD-Bundestagsabegeordnete, er wolle "Brücken bauen" und auch mit anderen politischen Anschauungen im Gespräch bleiben. Die Diskussion vor rund 1.000 Katholikentags-Besuchern wurde immer wieder durch Zwischenrufe unterbrochen. Am Anfang mussten Sicherheitskräfte und Einsatzkräfte der Polizei Störer zur Ruhe bringen. in Münster demonstrierten rund 1.000 Menschen gegen den Auftritt der AfD.

Münz äußerte Verständnis für AfD-Parteimitglieder, die aus der Kirche austreten wollten. Sie wollten sich "nicht bieten lassen, ständig von Kirchenvertretern beschimpft zu werden, fügte Münz hinzu. Er empfinde es auch als diskriminierend, dass kirchliche Einrichtungen davor gewarnt haben, Spenden der AfD anzunehmen. Der christliche Glaube sei ihm wichtig, bekräftigte Münz. Er richte sein Leben nach den biblischen Geboten aus. Und der christliche Glaube sei die Grundlage der westlichen Rechtsordnung und Kultur. Daher wolle er auch nicht aus der Kirche austreten, "sondern auftreten". Münz: "Ich möchte, dass Deutschland christlich geprägt bleibt."

Unter dem Motto "Nun sag', wie hast du's mit der Religion?" diskutierten neben Münz und Buchholz auf dem Podium Karlheinz Busen, Mitglied der FDP-Bundestagsfraktion, die Sprecherin des Arbeitskreises Christinnen und Christen in der SPD, Kerstin Griese, der Vorsitzende des Kardinal-Höffner-Kreises in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Christian Hirte sowie Bettina Jarasch, religionspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus.

"Kontroverse Themen auf den Tisch"

Die Religionsexperten von SPD, Union, FDP und Linken erklärten, sie würden die Rolle der Kirchen im Staat grundsätzlich unterstützen. Zugleich betonten die meisten, ihr christlicher Glaube sei die Grundlage für ihre politische Arbeit. Allerdings, sagte die SPD-Politikerin Griese, gehe "das Christentum weiter als die Politik." Die Linken-Politikerin Buchholz fügte hinzu, ihre Partei sei "keine religiöse, aber auch keine antireligiöse Partei". Und der FDP-Politiker Busen meine lapidar: "Wir sind voll im Reinen mit der Kirche."

Innerhalb der Kirchen gibt es eine Diskussion über den Umgang mit der AfD und mit AfD-Mitgliedern in Gemeinden und kirchlichen Gremien. Auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag 2017 in Berlin hatte der Berliner evangelische Bischof Markus Dröge und die damalige Sprecherin der Vereinigung "Christen in der AfD", Anette Schultner, diskutiert. Schultner ist inzwischen aus der AfD ausgetreten.

Das religionspolitische Podium passte letztlich in die Tradition der Katholikentage und evangelischen Kirchentage. Dort gehören Meinungsvielfalt, Austausch und Streit schon Jahrzehnten fest zum Programm. "Beim Katholikentag ist es gute Tradition, dass kontroverse Themen auf den Tisch kommen", erklärte Thomas Sternberg, Vorsitzender der Katholikentagsleitung. Und der Präsident des Deutschen Kirchentages 2019 in Dortmund, der Journalist Hans Leyendecker, kündigte bereits ein "hochpolitisches" Protestantentreffen in der Ruhrmetropole an.

Von Stephan Cezanne (epd)


In der Ökumene setzen Protestanten auf den Papst


Zentraler Ökumenischer Gottesdienst am 11. Mai: der Münsteraner Bischof Felix Genn, die westfälische Präses Annette Kurschus, Metropolit Augoustinos, Vorsitzender der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland, und die schwedische Erzbischöfin Antje Jackelen
epd-bild/Friedrich Stark
Der Katholikentag zeigt, dass die Debatte um die Öffnung der Kommunion auch viele Laien beschäftigt. Sie haben einen eigenen Blick auf die Dinge.

Er wollte sich auf dem 101. Deutschen Katholikentag in Münster inspirieren lassen, ein paar interessante Vorträge hören und Anregungen zum Nachdenken finden. Mehr als 1.000 Veranstaltungen umfasst das Programm, da wäre etwas für ihn dabei. Mit einer neuen religiösen Erfahrung hatte der Protestant Dieter Reetz, ein 79-jähriger Ruheständler aus dem nordrhein-westfälischen Nordkirchen, nicht gerechnet. Doch dann entschied er sich spontan dazu, an einer katholischen Eucharistiefeier teilzunehmen. Er empfing mit den Katholiken die heilige Kommunion. "Das war das erste Mal", erzählt er. "Bis dahin habe ich gezögert. Da war ich noch nicht so weit."

Vielleicht hing Reetz' Beschluss mit dem Gemeinschaftsgefühl zusammen, an Christi Himmelfahrt als einer von 25.000 Menschen an einem Gottesdienst unter freiem Himmel auf dem Schlossplatz teilzunehmen. Oder auch mit der Rede des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, der am Vortag bei der Eröffnung des diesjährigen Christentreffens mehr Anstrengung für das gemeinsame Abendmahl gefordert hatte.

"Wahrscheinlich war es auch ein lange aufgestautes Bedürfnis", überlegt Reetz laut, der in der Vergangenheit schon häufig katholische Gottesdienste besucht hat und auch schon vor zehn Jahren auf dem Katholikentag in Osnabrück war. Aber jetzt schien ihm der richtige Moment dafür gekommen, gemeinsam mit Katholiken zur Kommunion zu gehen. "Hinterher fühlte ich eine tiefe Befriedigung", sagt Reetz.

Umstrittene Öffnung

Dass Katholiken und Protestanten ein unterschiedliches Verständnis vom Abendmahl haben, ist ihm bewusst. Dass es in der katholischen Kirche deshalb bisher offiziell nicht vorgesehen ist, dass Protestanten an der Kommunion von Katholiken teilnehmen, auch. Aber Papst Franziskus hätte sicher nichts dagegen, ist Reetz überzeugt. Der Papst hatte die beiden Kirchen in Deutschland in der Vergangenheit zu einem Voranschreiten in der Ökumene ermutigt. Außerdem gingen viele Protestanten in der Praxis ja längst mit zur Kommunion, argumentiert Reetz.

Zuletzt hatte jedoch selbst der Versuch, die Eucharistie für jene Protestanten zu öffnen, die mit Katholiken verheiratet sind, für Kontroversen unter katholischen Bischöfen gesorgt. Die Deutsche Bischofskonferenz will den Weg für deren Teilnahme in Einzelfällen frei machen, doch stößt dies auf Widerstand von sieben Bischöfen, die den Vatikan eingeschaltet haben. Auf dem Katholikentag in Münster äußerten sowohl der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, als auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands, Heinrich Bedford-Strohm, die Hoffnung auf eine einvernehmliche Lösung.

Die Öffnung der Kommunion zumindest für protestantische Ehepartner wäre wohl auch im Sinne der meisten katholischen Laien. Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, hat mehrfach darauf hingewiesen, dass die gemeinsame Teilnahme von Ehepaaren unterschiedlicher Konfession an katholischen Eucharistiefeiern in der Praxis gut funktioniere.

"Ökumene genießen"

Die Ansicht, dass ökumenische Fortschritte wünschenswert wären, wird von vielen Besuchern des Katholikentags geteilt. Bettina Drummer zum Beispiel, Katholikin aus Bayern, zählt zu den rund 2.000 Helfern. Es sei doch schön, wenn man den Glauben gemeinsam leben könne, findet die 27-Jährige, da solle man doch nicht die Unterschiede betonen. Der Bundespräsident habe ihr aus der Seele gesprochen, erzählt sie.

Eine Sozialarbeiterin berichtet, dass in den katholischen Gottesdiensten in dem Pflegeheim, in dem sie tätig ist, auch immer wieder Protestanten die Kommunion empfingen. Und eine andere Besucherin des Katholikentags meint, sie stamme zwar aus einem streng katholischen Elternhaus, aber inzwischen halte sie ein gemeinsames Abendmahl für vertretbar.

Christian Behrendt findet, man könne jetzt "endlich mal die Ökumene genießen". Der 73-Jährige ist Katholik und Religionslehrer im Ruhestand. Für ihn ist die Debatte "Haarspalterei". Er ist gemeinsam mit Dieter Reetz auf dem Katholikentag. Dass Reetz mit ihm gemeinsam zur Kommunion gegangen sei, habe ihn überhaupt nicht gestört, erzählt Behrendt. "Im Gegenteil: Das ist völlig in Ordnung. Wir haben ja auch beide kräftig mitgesungen."

Von Julia Lauer (epd)


Kirchen warnen vor Tendenzen der Ausgrenzung

Die Kirchen in Deutschland haben vor Tendenzen der Ausgrenzung und Abschottung in der Gesellschaft gewarnt. "Ablehnung von Fremden, anderen Meinungen, von Angehörigen jüdischer und islamischer Gemeinden oder von anderen Lebensentwürfen äußert sich viel zu oft in gewalttätigen, menschenfeindlichen Übergriffen", heißt es in einem am 8. Mai verbreiteten Gemeinsamen Wort der Kirchen zur 43. Interkulturellen Woche vom 23. bis 29. September 2018. Darin rufen der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sowie der Vorsitzende der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland, Metropolit Augoustinos, zum Zusammenhalt in der Gesellschaft auf.

Die Kirchen werben zudem für eine humane und verantwortungsvolle Lösung beim Familiennachzug. Menschen, die Schutz suchen, dürften nicht dauerhaft von ihren engsten Angehörigen getrennt werden. Außerdem müsse ein kritischer Blick auf die großen Aufnahmeeinrichtungen gelenkt werden, in denen neu ankommende Flüchtlinge künftig getrennt von der Außenwelt untergebracht werden sollen. Integration werde so erschwert, hieß es. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus wurde am 9. Mai vom Bundeskabinett beschlossen.

"Vielfalt ist Alltag"

Die Staaten Europas müssten Fragen der Migration menschengerecht gestalten, erklärten die drei Bischöfe: "Wenn wir uns daran gewöhnen, dass tagtäglich schutzsuchende Menschen an den Außengrenzen ihr Leben verlieren, drohen unsere Grundwerte bedeutungslos zu werden. Seenotrettung darf daher nicht kriminalisiert werden. Sie stellt eine völkerrechtliche und humanitäre Verpflichtung dar."

"Vielfalt ist Alltag in unserem Land", heißt es in dem Gemeinsamen Wort weiter. Vielfalt könne allerdings auch eine Herausforderung für das Zusammenleben und den Zusammenhalt in einem Gemeinwesen darstellen: "Wir leben in Zeiten, in denen die Fundamente unseres Zusammenlebens infrage gestellt werden. Zivilisatorische Errungenschaften, wie das friedliche Miteinander in einem geeinten demokratischen Europa, sogar die universelle Geltung der Menschenrechte, scheinen an Gewicht zu verlieren. Rechtspopulistische, ja rassistische Strömungen gewinnen an Zulauf."

Auch unter Christen gebe es Tendenzen der Ausgrenzung und Abschottung, räumen die Bischöfe ein: "Dabei gehört Vielfalt konstitutiv zum Wesen der Kirche. Der Glaube verbindet Menschen über Ländergrenzen, Sprachen und Kulturen hinweg. In der Nachfolge Jesu verlieren Unterschiede ihre trennende Macht", betonen Kardinal Marx, der bayerische Landesbischof Bedford-Strohm und Metropolit Augoustinos.

Die 43. Interkulturelle Woche steht unter dem Leitthema "Vielfalt verbindet". Geplant sind mehr als 5.000 Veranstaltungen an über 500 Orten im gesamten Bundesgebiet.



Iran-Atomabkommen: EKD-Friedensbeauftragter setzt auf Europa


Renke Brahms
epd-bild/Jürgen Blume

Nach dem Ausstieg von US-Präsident Donald Trump aus dem Atomabkommen mit dem Iran setzt der evangelische Friedensbeauftragte Renke Brahms auf europäisches Engagement zur Rettung des Deals. "Der Ausstieg geschah wider besseren Wissens, ohne politische Weitsicht und mit wenig Solidarität zu Europa", sagte der leitende Bremer Theologe am 9. Mai dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er hoffe, dass Europa zusammen mit Russland und China dabei bleibe. "Vielleicht schweißt das die Europäer zusammen", bekräftigte der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Trump will sofort wieder scharfe Sanktionen gegen den Iran einsetzen und warnt auch andere Länder vor Geschäften mit Teheran. Brahms sagte, er hoffe trotzdem, dass sich die verbliebenen Vertragspartner schnell an einen Tisch setzten, um darüber zu reden, unter welchen Konditionen das Abkommen aufrecht erhalten werden könne. "In meinen Augen ist es hoffnungsvoll, dass der Iran sagt: Wir wollen dabei bleiben."

"Fatales Signal"

Der kirchliche Friedensexperte verwies auf die Gefahr, dass durch den Ausstieg Trumps der Einfluss der Hardliner im Iran im Machtkampf mit dem reformerisch ausgerichteten Präsidenten Hassan Rohani wächst. "Und dann ist da noch das fatale Signal, dass die USA keine verlässlichen Vertragspartner sind - eine schwere Hypothek beispielsweise für die Verhandlungen im Atomstreit mit Nordkorea." Trumps Wildwest-Methoden und seine martialische Rhetorik verstärkten die Konflikte und machten die Welt unsicherer.

Er sei auch entsetzt, dass Trump seine Entscheidung auf der Grundlage längst überholter Informationen gefällt habe, die Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kürzlich präsentiert habe. "Das erinnert mich an den Auftritt des damaligen US-amerikanischen Außenministers Colin Powell im UN-Sicherheitsrat, der 2003 dem Irak mit Lügen den Besitz von Massenvernichtungswaffen nachweisen wollte." Allen Experten zufolge halte sich der Iran an das Atomabkommen, das 2015 geschlossen worden sei.

"Natürlich muss man Iran differenziert betrachten", ergänzte Brahms. "Das Problem ist seine Rolle in der Region, seine Unterstützung der radikal-schiitischen Hisbollah beispielsweise, seine Drohungen gegenüber Israel und sein Machtkampf mit Saudi-Arabien." Das destabilisiere den Nahen Osten. Doch darüber müsse politisch getrennt vom Atomabkommen gesprochen werden: "Wir dürfen den Vertrag nicht aufkündigen, wir dürfen das eine nicht mit dem anderen verbinden."

epd-Gespräch: Dieter Sell


Öko-Faires Einkaufsportal für Kirchengemeinden wächst

Das von der Evangelischen Landeskirche in Baden gegründete "Faire Einkaufsportal" für Kirchengemeinden ist jetzt ökumenisch und auf mittlerweile fünf Kirchen gewachsen. Seit Mai gehören die Erzdiözese Freiburg und die Evangelischen Landeskirchen von Hessen-Nassau, Kurhessen-Waldeck und im Rheinland dazu, wie die badische Landeskirche am 9. Mai mitteilte. Ziel ist ein jährlicher Umsatz von einer Million Euro.

Das 2015 gestartete Portal wir-kaufen-anders.de ermöglicht es Kirchengemeinden, ohne weitere Eigenrecherchen öko-fair-soziale Produkte zu beschaffen. Das Umsatzziel soll laut Projektleiter Florian Hahnfeldt 2021 erreicht sein. Die Plattform mache die faire Beschaffung auch günstiger, weil sie Rahmenverträge mit Lieferanten habe, hieß es. Sie bietet nicht nur Wareneinkauf, sondern auch Informationen und Veranstaltungen wie Workshops.

Kirchengemeinden, kirchliche Verwaltungseinrichtungen und Sozialstationen allein in der Evangelischen Landeskirche in Baden kaufen jährlich im Wert von rund 57 Millionen Euro ein. "Es geht uns nicht primär um den großen Einspareffekt, sondern darum, dass Kirchengemeinden wieder mehr ökologisch, fair und sozial hergestellte Produkte einkaufen", erläuterte Hahnfeldt zum Internationalen Tag des Fairen Handels am 12. Mai.



Tote bei Anschlägen auf Kirchen in Indonesien

Die Selbstmordattentäter suchten sich ihre Opfer unter Gottesdienstbesuchern: Bei mehreren Bombenanschlägen auf der indonesischen Insel Java kamen zahlreiche Menschen ums Leben. Die Terrormiliz IS reklamiert das Blutbad für sich.

Nach einer Reihe von Bombenanschlägen auf christliche Kirchen in Indonesien am 13. Mai ist die Anzahl der Toten auf mindestens 13 gestiegen. Wie das indonesische Fernsehen berichtete, waren drei Kirchen in Indonesiens zweitgrößter Stadt Surabaya auf der Insel Java betroffen. Mehr als 40 weitere Menschen wurden verletzt. Nach Angaben der Polizei wurden die Angriffe fast zeitgleich während der Morgengottesdienste verübt. Die arabische Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) habe sich dazu bekannt.

Die Behörden befürchten, dass die Zahl der Opfer weiter steigt. Es sind die schwersten Anschläge auf Christen seit den Bombenanschlägen am Heiligabend im Jahr 2000, bei denen 15 Menschen getötet und fast 100 verletzt worden waren.

Die Selbstmordattentäter waren nach Polizeiangaben auf Motorrädern oder Autos vorgefahren oder hatten sich unter die Teilnehmer der Gottesdienste gemischt. Indonesiens Polizeichef Tito Karnavian teilte mit, dass alle Täter aus derselben Familie stammten, die sich zwischenzeitlich in Syrien aufgehalten haben soll. Es soll sich um ein Elternpaar, zwei ihrer Söhne im Alter von 16 und 18 Jahren sowie zwei Mädchen von neun und zwölf Jahren gehandelt haben.

Laut Augenzeugen soll sich die Frau gemeinsam mit den beiden Mädchen unter die Kirchgänger gemischt und sich dort in die Luft gesprengt haben. Die Polizei fand weitere Sprengsätze, die sie aber unschädlich machen konnte. Alle weiteren für den 13. Mai geplanten Gottesdienste in Surabaya wurden abgesagt.

Nach Informationen der Behörden standen die mutmaßlichen Attentäter in Verbindung mit einer lokalen Terror-Zelle, die ihre Unterstützung für den IS bekundet hat. Laut Indonesiens Geheimdienst ist eines Gruppierung namens Jemaah Ansharut Daulah (JAD) dafür verantwortlich.

Papst ruft zum Gebet auf

Stunden nach den Anschlägen reiste Präsident Joko Widodo nach Surabaya. Die Attentate verurteilte er als barbarische und feige Akte. Ähnlich äußerte sich Außenministerin Retno Marsudi, die den Familien der Toten sowie den Verletzten ihr Mitgefühl aussprach. Auch die größte muslimische Massenorganisation Indonesiens, Nahdlatul Ulama (NU), übte deutliche Kritik: "Alle Taten, insbesondere die, die im Namen der Religion verübt werden und dabei Terror, Hass und Gewalt verbreiten, entsprechen nicht dem Charakter des Islam", erklärte die Organisation, die etwa 50 Millionen Mitglieder hat.

Auch Papst Franziskus verurteilte die Anschläge. Beim Regina-Coeli Gebet betonte er auf dem römischen Petersplatz seine Anteilnahme am Leid der Opfer, der Verletzten und ihrer Angehörigen. Gleichzeitig rief er zum Gebet für ein Ende der Gewalt auf. "Auf dass im Herzen aller nicht Gefühle des Hasses und der Gewalt sondern Versöhnung und Brüderlichkeit Platz finden." Ebenso verurteilte der Weltkirchenrat die Angriffe auf das Schärfste. Die Attacken auf betende Menschen seien schockierend, erklärte der Generalsekretär des Rates, Olav Fykse Tveit, in Genf. Unter den rund 350 Mitgliedskirchen des Ökumenischen Rates der Kirchen befinden sich 27 in Indonesien.

Die Behörden bringen die Attentate mit einem Aufstand in einem Hochsicherheitsgefängnis nahe Jakarta in Verbindung, in dem auch Mitglieder und Sympathisanten des IS inhaftiert sind. Im Zuge der Revolte vor wenigen Tagen, bei der Insassen Polizisten als Geiseln genommen hatten, wurden fünf Beamte einer Anti-Terror-Einheit sowie ein Gefangener getötet. Zu dem Aufstand soll sich ebenfalls der IS bekannt haben.

Indonesien hat lange geleugnet, ein Terrorproblem im eigenen Land zu haben. Das änderte sich erst nach den verheerenden Bombenanschlägen auf der Insel Bali im Oktober 2002, bei denen 202 Menschen starben. Die meisten Opfer waren ausländische Touristen, insbesondere Australier. Für die Bali-Attentate wurde das südostasiatische Terrornetzwerk Jemaah Islamiyah mit Verbindungen zu Al-Kaida verantwortlich gemacht.

Indonesien ist das Land mit der größten muslimischen Bevölkerung weltweit. Rund 88 Prozent der rund 260 Millionen Einwohner bekennen sich zum islamischen Glauben, die meisten sind moderat. Allerdings erlebt das Inselreich seit Jahren eine Zunahme fundamentalistischer Strömungen. Neun Prozent der Bevölkerung sind Christen.




Gesellschaft

Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz können auf Familiennachzug hoffen


Demonstration für Familiennachzug (Archivbild)
epd-bild/Christian Ditsch
Vor zwei Jahren ging es für viele nicht mehr weiter: Flüchtlinge, die nur einen untergeordneten Schutzstatus hatten, durften ihre Ehegatten und Kinder nicht nachholen. Das soll sich ändern - wenn auch begrenzt.

Flüchtlinge mit untergeordnetem Schutzstatus können wieder auf den Nachzug ihrer Familien hoffen. Das Bundeskabinett brachte am 9. Mai in Berlin eine Neuregelung auf den Weg, wonach der im Frühjahr 2016 ausgesetzte Familiennachzug ab August wieder möglich sein soll. Allerdings ist dieser auf 1.000 Angehörige pro Monat begrenzt.

Der Bedarf ist deutlich höher: Es gibt an den deutschen Auslandsvertretungen schon rund 26.000 Terminanfragen der Angehörigen von Flüchtlingen mit dem sogenannten subsidiären Schutz, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine FDP-Anfrage hervorgeht. In den Auslandsvertretungen werden die Visa-Anträge für den Familiennachzug eingereicht. Nach Angaben der Bundesregierung hielten sich zum Stichtag 31. März 2018 rund 200.000 Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz in Deutschland auf - etwa 140.000 sind Syrer.

"Humanitäre Auswahl"

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) stellte klar, dass für diese Flüchtlinge ein Anspruch auf Familiennachzug künftig nicht mehr bestehe. Er setze bei diesen Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutz auf einen begrenzten Familiennachzug mit einer humanitären Auswahl nach klaren Kriterien. Diese Auswahl treffe das Bundesverwaltungsamt. Der Nachzug gilt für Mitglieder der Kernfamilie, also Ehepartner, Kinder und Eltern von minderjährigen Flüchtlingen.

Laut Seehofer gilt in der Startphase des Gesetzes die Grenze von 5.000 Visa in fünf Monaten. Anträge vom August können dann also auch noch im September oder Oktober bearbeitet werden. Ab 1. Januar 2019 gelte aber die strikte Grenze von 1.000 im Monat.

Ausgeschlossen ist der Familiennachzug laut Entwurf, wenn eine Ausreise aus Deutschland kurzfristig zu erwarten ist, wenn die Ehe nicht vor der Flucht geschlossen wurde oder wenn ein Urteil wegen einer schwerwiegenden Straftat vorliegt. Dem Gesetzentwurf müssen noch Bundestag und Bundesrat zustimmen.

Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) widersprach Medienberichten, wonach sogenannten Gefährdern in Ausnahmefällen der Familiennachzug gestattet wird. Gefährder seien nach wie vor von der Familienzusammenführung ausgenommen, betonte sie. Allerdings könne bei Personen, die früher einmal als Gefährder galten, sich aber glaubhaft losgesagt hätten, die Möglichkeit eines Nachzugs der Familie geprüft werden. Glaubhaft losgesagt haben sich laut Barley etwa Personen, die mit den Behörden zusammenarbeiten, um Straftaten zu verhindern.

"Gnadenrecht"

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Stephan Mayer (CSU), sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger", dass sein Ministerium diesen Zusatz nur widerwillig mittrage. "Wir tragen das so mit, vor allem weil die Letztentscheidung beim Bundesinnenministerium liegt", sagte er dem Blatt und betonte: "Wir haben da die Hand drauf."

Die Caritas äußerte die Sorge, dass sich die Verfahren für die betroffenen Familien noch weiter verzögern, vor allem weil künftig nach komplizierten Kriterien entschieden werde. Die Arbeitsgemeinschaft der Familienorganisationen forderte die Regierung auf, dafür einstehen, dass Deutschland seiner Verantwortung für die Menschenrechte und den Schutz der Familie gerecht werde. Pro Asyl kritisierte, dass aus dem Grundrecht auf Familie ein "Gnadenrecht des Staates" werde. Der Paritätische Wohlfahrtsverband betonte, dass das Regelwerk gegen das Diskriminierungsverbot verstoße.

Die migrationspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Linda Teuteberg, forderte Nachbesserungen. Das monatliche Kontingent von 1.000 Personen nannte sie "willkürlich". Grüne und Linke kündigten Widerstand gegen das Gesetz im Parlament an. Der Bundestag dürfe diesem "verfassungswidrigen Gesetz" auf keinen Fall zustimmen, erklärte die Innen-Expertin der Linksfraktion, Ulla Jelpke. Die Grünen-Sprecherin für Flüchtlingspolitik, Luise Amtsberg, erklärte, dass ihre Partei das Gesetz entschieden ablehnen werde.

Von Mey Dudin (epd)


Kreuz-Pflicht in Bayern: Seehofer kritisiert Kardinal Marx

Die Kreuz-Pflicht in bayerischen Behörden stößt auf Ablehnung in der katholischen Kirche. Nach Kardinal Marx äußerte nun auch der Kölner Kardinal Woelki Kritik. CSU-Chef Seehofer zeigt dafür wenig Verständnis.

In der Diskussion über die Kreuz-Pflicht in bayerischen Behörden verschärft die CSU den Ton gegenüber der katholischen Kirche. Parteichef Horst Seehofer wies Kritik des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, zurück: "Ich habe keinerlei Verständnis dafür, dass der Kardinal es kritisiert, wenn Kreuze in unseren bayerischen Behörden aufgehängt werden", sagte der Bundesinnenminister dem "Spiegel". Auf dem Katholikentag in Münster sprach sich am 13. Mai auch der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki gegen eine Kreuz-Pflicht in Behörden aus.

Seehofer sagte laut Vorabmeldung des Nachrichtenmagazins: "Das Kreuz ist ein religiöses Symbol und gleichzeitig Ausdruck der christlichen Prägung Bayerns." Der Münchner Erzbischof Marx hatte den Kreuz-Erlass kritisiert, weil er "Spaltung, Unruhe, Gegeneinander" schaffe. "Wenn das Kreuz nur als kulturelles Symbol gesehen wird, hat man es nicht verstanden. Dann würde das Kreuz im Namen des Staates enteignet", sagte der Kardinal Ende April der "Süddeutschen Zeitung".

Kardinal Woelki sagte zur Kreuz-Pflicht: "Ich finde es schwierig, so etwas einfach von oben zu verordnen." Er selbst würde das Kreuz in Behörden nicht vorschreiben wollen. Zugleich zeigte er ein gewisses Verständnis für den Beschluss. Das Kreuz in Gerichten könne den Richter - auch wenn er nicht glaube - daran erinnern, dass er in seiner Rechtsprechung unabhängig sei und sich dennoch in einem letzten Schritt vor einer übergeordneten Instanz rechtfertigen müsse, erklärte der Erzbischof von Köln.

"Enger Dialog mit Kirchen"

Derweil bleibt die Kreuz-Pflicht auch innerhalb der Union umstritten. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) gingen auf Distanz zu der bayerischen Entscheidung. Es sei "fatal und gefährlich, das Kreuz rein utilitaristisch zu verwenden, statt aus innerer Überzeugung", sagt Grütters, die Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken ist, dem "Spiegel".

Ministerpräsident Laschet betonte, die Neutralität des Staates sei ein hohes Gut, das man bei einer solchen Entscheidung abwägen müsse. "Wenn man dieses Thema angeht, sollte man das im engen Dialog mit den Kirchen tun", sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). In Nordrhein-Westfalen bestehe "diesbezüglich kein Handlungsbedarf", fügte er hinzu. Religion finde aber in NRW im öffentlichen Raum statt, und es sei gut, "wenn das sichtbar und maßvoll geschieht". "In zahlreichen Klassenräumen und Gerichten hängt ein Kreuz, und ich finde es richtig, dass ein religiöses Symbol dort seinen Raum hat."

Im Eingangsbereich aller bayerischen Dienstgebäude soll ab dem 1. Juni ein Kreuz hängen. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte Ende April zu dem Beschluss des Landeskabinetts: "Das Kreuz ist grundlegendes Symbol unserer bayerischen Identität und Lebensart."



Opferfamilie rügt Streit über Cavusoglu-Rede beim Solingen-Gedenken


Mevlüde Genc
epd-bild/Guido Schiefer

Vor den Gedenkfeiern zum 25. Jahrestag des fremdenfeindlichen Brandanschlags von Solingen kritisiert die Familie der Opfer den politischen Streit über die geplante Teilnahme des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu. "Es erfüllt mich mit tiefer Trauer, dass das Gedenken an den wichtigsten Tag meines Lebens von politischen Auseinandersetzungen überschattet wird", sagte Mevlüde Genç, die bei dem rassistisch motivierten Verbrechen vom 29. Mai 1993 zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte verlor, dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Bereits im Februar sei beschlossen worden, dass Cavusoglu am 29. Mai in Solingen eine Rede halten soll, sagte die 75-Jährige. "Einen Zusammenhang mit den vorgezogenen Wahlen in der Türkei herzustellen, ist daher mindestens unschlüssig." Jedes Jahr nähmen sowohl türkische als auch deutsche Vertreter am Gedenkprogramm teil. "Keiner der Repräsentanten des türkischen oder deutschen Staates hat auch nur ansatzweise daran gedacht, die Gedenkveranstaltung für die eigenen politischen Zwecke zu instrumentalisieren", betonte Genç. "Ich habe nicht die geringsten Zweifel daran, dass dies dieses Jahr genauso sein wird."

Kein Gedenken im Landtag

Die Beteiligung Cavusoglus ist wegen Befürchtungen umstritten, er könnte seinen Auftritt für Wahlkampfzwecke nutzen. Im Düsseldorfer Landtag wird es deshalb in diesem Jahr keine Gedenkfeier geben. Die nordrhein-westfälische Landesregierung plant aber eine eigene Veranstaltung am 29. Mai in Düsseldorf, zu der Cavusoglu ebenso eingeladen ist wie zum anschließenden Gedenken in Solingen.

Mevlüde Genç rief im epd-Gespräch zu einem friedlichen Miteinander auf. "Wir sollten in diesem Land friedlich und liebevoll zusammenleben und keinen Unterschied machen zwischen den Nationalitäten", sagte sie. "Wir sind doch alle Menschen und sollten uns auch wie Menschen verhalten und als Geschwister leben."

Der Schmerz über den Verlust ihrer Angehörigen werde sie bis zu ihrem Lebensende begleiten, erklärte Genç. Sie wolle nicht, dass auch andere Menschen dieses Leid erfahren müssten. Deshalb habe sie bereits kurz nach dem Anschlag von vier jungen Männern aus der rechtsextremen Szene gesagt: "Lasst uns alle zusammen für Versöhnung, Menschenfreundlichkeit und ein friedliches Miteinander eintreten, damit solche Taten nicht noch einmal verübt werden."

epd-Gespräch: Ingo Lehnick


Aachener Friedenspreis für Satireaktionen gegen Rüstung

Der Aachener Friedenspreis ehrt in diesem Jahr Friedensarbeit in Kolumbien sowie Satireaktionen gegen Rüstungskonzerne und soziale Missstände. Die Auszeichnung geht an die kolumbianische Menschenrechts- und Entwicklungsorganisation "Concern Universal Colombia", wie die Friedenspreisinitiative am 8. Mai mitteilte. Nationaler Preisträger ist das Berliner Aktivistenkollektiv "Peng!". Der mit je 2.000 Euro dotierte Preis wird am Antikriegstag am 1. September verliehen.

"Concern Universal Colombia" erhält die Auszeichnung "für die praxisbezogene Sozialarbeit und das ganzheitliche Verständnis von Frieden, das mehr beinhaltet als die Abwesenheit von Krieg und Gewalt", hieß es. Die Organisation wurde den Angaben zufolge in den 1980er Jahren von der walisischen Entwicklungshelferin Siobhan McGee und dem kolumbianische Lehrer Jaime Bernal gegründet. Sie initiierten den Aufbau von Kleinstbetrieben, Kinderbetreuung und Seniorenbildung sowie politischer Bildung zum Thema Menschenrechte.

Heute sei das Projekt mit fast 100 Mitarbeitern in vielen Stadtteilen von Ibagués und in der gesamten Provinz Tolima aktiv, hieß es weiter. Ein neuer Schwerpunkt sei die Arbeit mit indigenen Gruppen im Süden der Provinz, deren Kultur auszusterben drohe. Programmleiter Jaime Bernal beteilige sich darüber hinaus aktiv am Friedensprozess, nachdem die Regierung einen Friedensvertrag mit den FARC-Rebellen unterzeichnet hat. Seit mehr als 20 Jahren gebe es zudem Partnerschaftsbeziehungen zu Gruppen in der Stadt und im Bistum Aachen.

Fake-Kampagnen

Das Künstler- und Aktivistenkollektiv "Peng!" wird für seine "mutigen, kreativen und humorvollen Aktionen im Internet und in den Medien" geehrt. Die Mitglieder infiltrieren Veranstaltungen mit falschen Identitäten und starten Fake-Kampagnen. Damit wollten sie Ungerechtigkeiten anprangern und politische Absurditäten entlarven, hieß es. Ein großer Schwerpunkt liege dabei auf Friedensthemen.

Unter anderem verbreitete das Kollektiv im Namen des Bundesarbeitsministeriums eine Entschuldigung für die Hartz IV-Gesetze. Es verkündete den Rückruf aller Heckler&Koch-Waffen in den USA und warnte auf einer der Bundeswehr-Werbeseite nachempfundenen Website vor den Gefahren deutscher Auslandseinsätze. An einen Rüstungsmanager verliehen "Peng!"-Aktivisten einen Friedenspreis der Waffenindustrie. Die Verleihung des Aachener Friedenspreises solle das Kollektiv in seiner Arbeit bestärken und möglichst viele Menschen zum Nachahmen und Mitmachen animieren, hieß es weiter.

Der Aachener Friedenspreis wird seit 1988 an Menschen verliehen, die sich in ihrem Umfeld für Frieden und Völkerverständigung einsetzen. Er wird von rund 50 kirchlichen, politischen, gewerkschaftlichen und gesellschaftlichen Gruppen sowie von etwa 350 Einzelpersonen getragen, die im Verein "Aachener Friedenspreis" zusammengeschlossen sind. Die Preisverleihung ist traditionell am 1. September.



Merkel erhält Friedenspreis des Franziskanerordens

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat dazu aufgefordert, die Europäische Union weiterzuentwickeln, damit sie weltweit stärker zur Konfliktlösung beitragen kann. "Frieden gibt es nicht umsonst, Frieden verlangt Arbeit", sagte sie am 12. Mai in Assisi, wo der Franziskanerorden sie für ihre Entscheidung, während der Flüchtlingskrise die Grenzen zu öffnen, mit der Lampe des Friedens auszeichnete.

Der Kustos des Franziskanerkonvents von Assisi, Mauro Gambetti, sagte, die Ehrung sei zugleich eine Aufforderung dazu, die zivilen Kräfte Europas um sich zu sammeln, um durch den Verzicht auf Einzelinteressen, Privilegien und kurzsichtige Formen der Machtausübung einen Horizont der Einheit zu öffnen.

Merkel sagte mit Hinweis auf die Lage in Syrien, die Annektierung der Krim durch Russland und die Aufkündigung des Atomabkommens mit Iran durch die USA, Frieden zu schaffen sei die "vornehmste Aufgabe der Politik". Dass die europäische Integration ein Friedensprojekt sei, sei vielen heute nicht immer bewusst. Wenn man sich die wechselvolle Geschichte des Kontinents vor Augen halte, werde dies aber klar, betonte sie auch im Hinblick auf die Flüchtlingskrise.

Auch der italienische Ministerpräsident Paolo Gentiloni würdigte in Assisi Merkels Bemühungen um die Bewältigung der Flüchtlingskrise von 2015. Sie habe auch in den schwierigsten Momenten als zentrale Figur der "friedliche Supermacht" Europa gehandelt und dafür einen hohen politischen Preis gezahlt. "Wehe dem, der der auf Abrüstungs- und Friedensverträge verzichtet", sagte er unter Anspielung auf die Absage von US-Präsident Donald Trump an das Atomabkommen mit Iran.

Warnung vor Klischees

Der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos lobte in Assisi Merkels Einsatz für Frieden und Versöhnung in der Europäischen Union. Er war Ende 2016 für den Friedensvertrag zwischen der kolumbianischen Regierung und den Farc-Rebellen mit der Lampe des Friedens ausgezeichnet worden. Merkel habe "mit richtigen aber nicht immer populären Entscheidungen" im Geist der Solidarität gehandelt, sagte Santos unter Hinweis auf die Öffnung der Grenzen für syrische Flüchtlinge, die auf dem Höhepunkt der Migrationskrise aus der Türkei über Griechenland nach Deutschland strömten.

Bei einer Fragestunde mit Jugendlichen und Novizen warnte die Bundeskanzlerin vor Populismus. "Lassen Sie sich nicht verführen", mahnte sie. Einfache Lösungen für komplexe Probleme gebe es nicht. Es gebe nicht den Italiener, den Deutschen und den Griechen. "Sobald wir in Stereotype verfallen, zerstören wir Europa."

Integration von Flüchtlingen sei "keine Einbahnstraße". Diese müssten vieles lernen und seien "in den allermeisten Fällen" dazu bereit, sagte Merkel. Die Menschen in den Zielländern müssten sich jedoch auch in die Lage von Flüchtlingen versetzen. Für viele von ihnen stelle sich Deutschland gewiss als "sehr komisches Land" dar, solange niemand ihnen erkläre, warum Dinge dort auf eine bestimmte Weise getan würden.

Die Lampe des Friedens der Franziskaner wurde erstmals 1981 an den polnischen Gewerkschaftsführer Lech Walesa verliehen. Bei Besuchen in Assisi erhielten überdies die Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI. sowie Persönlichkeiten wie Mutter Teresa, der Dalai Lama, Palästinenserpräsident Jassir Arafat und der israelische Präsident Shimon Peres die Auszeichnung.



Landgericht soll über Wittenberger "Judensau" urteilen


Die umstrittene "Judensau" an der Wittenberger Stadtkirche
epd-bild / Norbert Neetz
Soll die Wittenberger "Judensau", eine Schmäh-Plastik aus dem Mittelalter, von der Fassade der Stadtkirche verschwinden? Muss sie sogar? Diese Fragen hat das Wittenberger Amtsgericht nicht beantwortet - und den Prozess an das Landgericht verwiesen.

Die Verhandlung über eine mögliche Entfernung der antisemitischen Schmäh-Skulptur "Judensau" an der Wittenberger Stadtkirche geht in die nächste Instanz. Richter Thomas Tilch erklärte das Amtsgericht Wittenberg am 7. Mai mit Verweis auf den zu hohen Streitwert für nicht zuständig. Damit gab der Amtsrichter dem Antrag des Klägeranwalts statt, das Verfahren an das Landgericht Dessau-Roßlau zu überweisen. Zuvor war der Versuch eines Vergleichs zwischen den Streitparteien gescheitert.

Tilch erklärte, das Amtsgericht dürfe nur Streitwerte von bis zu 5.000 Euro verhandeln. Im Fall der "Judensau" liege er jedoch in etwa doppelt so hoch. Zuvor hatte Klägeranwalt Ludwig Benecke erklärt, ein Steinmetz habe ihm gegenüber die Kosten für eine eventuelle Entfernung des Reliefs auf rund 10.000 Euro beziffert.

Das Sandsteinrelief aus dem Jahr 1305 zeigt einen Rabbiner, der einem Schwein unter den Schwanz schaut und Juden, die an den Zitzen der Sau trinken. Im Mittelalter wurden durch solche Abbildungen, die auch an anderen Kirchen in Deutschland zu finden sind, Juden geschmäht. Die Debatte um die Wittenberger "Judensau" hatte im vergangenen Jahr zum 500. Reformationsjubiläum erneut an Schärfe zugenommen.

Zivilklage

Die Zivilklage war von Michael Düllmann eingereicht worden, einem Mitglied einer jüdischen Gemeinde in Berlin. Sie lautete unter anderem auf Beleidigung nach Paragraf 185 Strafgesetzbuch, da die rund 700 Jahre alte Skulptur an der Fassade der Kirche Menschen jüdischen Glaubens diffamiere. Düllmann fordert von der Kirchengemeinde, die "Judensau" zu entfernen.

Nach der Verhandlung sagte Düllmann, wer die Juden ihrer Menschenwürde beraube, beraube jeden Menschen seiner Menschenwürde. "Wenn die Juden zu Schweinen erklärt werden können, kann jeder Mensch zu einem Schwein erklärt werden", erklärte Düllmann.

Stadtkirchenpfarrer Johannes Block, der als einer von drei Vertretern der Beklagtenseite erschienen war, bekräftigte nach der Verhandlung die Position der Gemeinde, mit dem Originalobjekt am Originalschauplatz verantwortlich der Geschichte gedenken zu wollen. Zugleich äußerte der Pfarrer Verständnis für die Position des Klägers. Natürlich handele es sich bei der "Judensau" um ein verspottendes Schmähobjekt, und "es wäre fatal, wenn so eine Plastik keine Erschütterung auslösen würde", sagte Block.

Gedenkkultur

Es gehe jedoch auch um die Frage der Gedenkkultur, fügte der Pfarrer hinzu. Die Gemeinde sei davon überzeugt, dass Geschichte zugegeben werden müsse und nicht verborgen werden dürfe. Man müsse mit der "negativen Geschichte so umgehen, dass etwas Positives daraus wird", betonte der Pfarrer. Die Stadtkirchengemeinde hatte bereits 1988 ein Mahnmal eingeweiht, das sich unter anderem kritisch mit der Schmähplastik befasst. Auch der Stadtrat sprach sich für einen Erhalt der Skulptur aus.

Reformator Martin Luther (1483-1546) hetzte besonders in seinem Spätwerk gegen Juden. Die evangelische Kirche setzte sich anlässlich des Reformationsjubiläums 2017 wiederholt mit dieser Schattenseite des Reformators auseinander. Der Überlieferung nach veröffentlichte Luther am 31. Oktober 1517 an der Wittenberger Schlosskirche seine 95 Thesen mit Kritik an der Kirche seiner Zeit. Der Thesenanschlag gilt als Auslöser der weltweiten Reformation, die die Spaltung in evangelische und katholische Kirche zur Folge hatte.



Berliner Grundschullehrerin darf nicht mit Kopftuch unterrichten

Mit Spannung war in Berlin ein neues Kopftuch-Urteil erwartet worden. Aufmerksamkeit erregte vor allem die Frage, ob das Verbot religiöser Symbole an Berliner Schulen verfassungskonform ist. Das Arbeitsgericht bestätigte die Regelung.

Eine muslimische Grundschullehrerin in Berlin darf im Unterricht kein Kopftuch tragen. Das örtliche Arbeitsgericht wies am 9. Mai die Klage der Pädagogin gegen das Land Berlin zurück. Das Kopftuch war ihr untersagt worden, weil sie damit gegen das Berliner Neutralitätsgesetz verstieß. Laut dem Gesetz ist es Lehrern, Richtern und Polizisten verboten, religiöse Symbole zu tragen. Richter Arne Boyer betonte, dass das Neutralitätsgesetz seiner Auffassung nach verfassungskonform sei. (Aktenzeichen 60 Ca 8090/17)

Die junge Frau hatte gegen ihre Versetzung von einer Grundschule an eine Berufschule geklagt, wo Ausnahmen vom Neutralitätsgesetz gelten. Sie sah sich in ihrer Religionsfreiheit eingeschränkt. Die Klägerin, die sich derzeit in Elternzeit befindet, kann gegen das Urteil Berufung einlegen, über die dann in nächster Instanz entschieden wird.

"Dialektisch und konfliktorisch"

"In diesem Gerichtssaal hängt kein Kreuz. Wir finden es auch richtig, dass eine Lehrerin, die vor Grundschülern steht, kein Kopftuch trägt", sagte der Richter in der mündlichen Entscheidung. Zugleich verwies er darauf, dass alle religiösen Symbole auch mit Blick auf die Geschichte "immer dialektisch und konfliktorisch" seien und einen enormen Effekt nach außen "in die eine oder andere Richtung" haben könnten. Das Berliner Neutralitätsgesetz sei deshalb richtig.

Vor allem im Schulbereich hatte das Neutralitätsgesetz in den vergangenen Jahren immer wieder für Konfliktstoff gesorgt. Muslimische Lehrerinnen oder Lehramtsanwärterinnen mit Kopftuch für allgemeinbildende Schulen fühlten sich diskriminiert. Eine Ausnahme von dem Verbot religiöser Symbole gibt es nur für Berufsschulen oder Oberstufenzentren.

Der Richter betonte, dass die Entscheidung vom Mittwoch eine Einzelfallentscheidung sei und noch kein wegweisendes Urteil. Um die generelle Verfassungsmäßigkeit des Berliner Neutralitätsgesetz zu prüfen sei es noch ein weiter Weg durch zahlreiche Instanzen. "Das Urteil ist nur eine gedankliche Durchgangsstation", sagte Richter Boyer: "Die Entscheidung betrifft den Fall einer Klägerin und löst die Gesamtproblematik in keiner Weise."

Grundsatzurteil

In Deutschland hatte das Bundesverfassungsgericht 2015 entschieden, dass ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrerinnen an öffentlichen Schulen nicht mit der Verfassung vereinbar ist. Seither haben die Bundesländer hierzu unterschiedliche Regelungen entwickelt. Erst Anfang Mai hatte das Verwaltungsgericht Kassel unter Verweis auf das Karlsruher Urteil einer hessischen Beamtin zugestanden, ein Kopftuch zu tragen.

Im aktuellen Kopftuchfall wurde das beklagte Land Berlin von der Anwältin und muslimischen Frauenrechtlerin Seyran Ates vertreten. Auch diese hatte in der Vergangenheit betont, dass die Verfassungsmäßigkeit des Berliner Neutralitätsgesetzes endgültig geklärt werden müsse.



Ist Tierzucht gemeinnütziger als Globalisierungskritik?


Attac-Aktion gegen den G20-Gipfel 2017 in Hamburg
epd-bild/Stephan Wallocha
Für Vereine ist es aus steuerlichen Gründen wichtig, als gemeinnützig anerkannt zu werden. Doch immer wieder gibt es deswegen Ärger mit den Finanzämtern. Kritiker halten die Regeln für veraltet.

Rund 14 Jahre lang hatte Attac die steuerlichen Vergünstigungen eines Vereins genossen. Im Oktober 2014 war dann plötzlich Schluss damit. Das Finanzamt Frankfurt erkannte der globalisierungskritischen Organisation die Gemeinnützigkeit ab. Der Grund: Der Verein verfolge allgemeinpolitische Ziele. "Das ist eine enorme Behinderung unserer Arbeit", klagt Attac-Sprecherin Frauke Distelrath.

Denn die Aberkennung der Gemeinnützigkeit hat für Vereine gravierende finanzielle Folgen. Sie dürfen keine steuerlich absetzbaren Spendenquittungen mehr ausstellen, was in der Regel viele Spender abschreckt. Auch die Nutzung öffentlicher Versammlungsräume wird dann wesentlich teurer. Zudem bleiben Fördertöpfe verschlossen.

"Kooperationspartner, die unsere Veranstaltungen in der Vergangenheit unterstützt haben, können das jetzt nicht mehr, weil sie nur gemeinnützige Organisationen fördern dürfen", sagt Distelrath. Attac hatte gegen die Entscheidung des Finanzamts geklagt. Der Rechtsstreit zieht sich hin. Mittlerweile liegt der Fall beim Bundesfinanzhof.

Meist keine Verhandlung

Attac sei mit seinem Kampf gegen die Finanzbehörden keine Ausnahme, sagt Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz "Rechtssicherheit für politische Willensbildung", einem Zusammenschluss von rund 80 Stiftungen und Vereinen. Bei ihm meldeten sich immer wieder Vereine, die Probleme mit den Finanzämtern hätten.

Auch der Hamburger Sektion des Naturschutzverbandes BUND war wegen ihres politischen Engagements vorübergehend die Gemeinnützigkeit aberkannt worden. Der Verein hatte sich für die Volksinitiative "Unser Hamburg - Unser Netz" eingesetzt. Im August vergangenen Jahres entschied der Bundesfinanzhof dann zugunsten der BUND-Sektion, die nun wieder gemeinnützig ist.

"Die meisten Fälle landen aber gar nicht erst vor Gericht", sagt Diefenbach-Trommer. Oft hätten die Vereine gar nicht die Mittel für einen jahrelangen Rechtsstreit, auch wenn eine Klage erfolgversprechend sei. Als Grund für die Aberkennung oder Ablehnung der Gemeinnützigkeit führten die Finanzämter häufig deren politische Zielrichtung an.

Birgit Weitemeyer ist Direktorin des Instituts für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen an der Bucerius Law School in Hamburg. Sie sagt: Gemeinnützige Vereine dürften sehr wohl im Rahmen ihres Vereinszweckes politische Meinungen äußern und auch zu Demonstrationen aufrufen. "Aber sie dürfen nicht tagespolitisch tätig sein."

Was das genau bedeutet, dazu gibt es bei den Finanzämtern offenbar sehr unterschiedliche Vorstellungen. Das zeigt eine Studie, die die Allianz "Rechtssicherheit für politische Willensbildung" Ende März gemeinsam mit dem Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement und der gewerkschaftsnahen Otto Brenner Stiftung vorstellte. Für die Studie wurden Finanzämtern in Deutschland zum Test drei gleiche Vereinssatzungen zur Genehmigung vorgelegt. Rund die Hälfte der 166 Finanzämter erkannte die Gemeinnützigkeit an, die andere nicht.

"Schwere Entscheidungen"

Diefenbach-Trommer macht den Behörden wegen ihrer widersprüchlichen Entscheidungen noch nicht einmal einen Vorwurf: "Die Finanzämter haben es bei der Entscheidung schwer." Grund sei die gesetzliche Abgabenordnung aus dem Jahr 1977. Diese listet die 25 Zwecke auf, welche die Anerkennung der Gemeinnützigkeit einer Organisation rechtfertigen, darunter etwa Förderung des Sports, des Umweltschutzes, der Seniorenhilfe oder aber der Tierzucht. Auch die "Förderung des demokratischen Staatswesens" ist hier aufgeführt. "Doch was das heißt, das weiß keiner so genau", sagt Diefenbach-Trommer.

Hinzu komme, dass viele Zwecke der mittlerweile rund 620.000 Vereine in Deutschland in der Abgabenordnung gar nicht erfasst seien. So fehle in der Liste zum Beispiel das Engagement gegen Rassismus oder für Frieden, kritisiert Diefenbach-Trommer. Seine Forderung: "Die Liste müsste erweitert werden." Zuständig dafür sei der Gesetzgeber.

Birgit Weitemeyer hält hingegen nichts von der Erweiterung der Abgabenordnung. "Man kann nicht für jeden einzelnen Verein einen Zweck anführen." Stattdessen schlägt die Juristin vor, die Anerkennung der Gemeinnützigkeit von Vereinen zu zentralisieren. So könnten Schwerpunkt-Finanzämter bestimmt werden, wo dann spezialisierte Abteilungen mit besonderem Know-how diese Aufgabe übernähmen. Diese könnten sich dann künftig an gerichtlich entschiedenen Musterfällen orientieren.

So wie zum Beispiel an der erwarteten Entscheidung des Bundesfinanzhofs zum Fall von Attac. Die werde sich aber wohl noch mehrere Jahre hinziehen, erwartet Attac-Sprecherin Distelrath. Viele Vereine würden so eine Durststrecke nicht überstehen, ist sie sicher. Da hat Attac mit seinen rund 30.000 Einzelmitgliedern und Mitgliedorganisationen einen entscheidenden Vorteil. "Wir haben sehr treue Mitglieder und Spender."

Von Claudia Rometsch (epd)


"Charakter wie Beton"

Eintönig war gestern. Todesanzeigen werden individueller und spiegeln immer häufiger in kreativer Weise die Wechselfälle des Lebens. Manchmal wird aber auch nachgetreten - von Angehörigen und von Verstorbenen selbst.

Eigentlich gilt ja: Über Tote schreibt und spricht man nicht schlecht. "Von allen Menschen gehn immer nur die guten", singt folgerichtig Liedermacher Reinhard Mey mit Blick auf die Todesanzeigen, die er in der Zeitung studiert. Doch manchmal kommt es doch zum Tabubruch, hat die Psychologin Margit Schröer festgestellt. So beschreiben die Angehörigen eines Philosophieprofessors den verstorbenen 91-Jährigen als "Personifizierung geistigen Hochmuts und menschlichen Versagens". Einem anderen Toten wird ein "Charakter wie Beton" attestiert.

Wenn Schröer auf Todesanzeigen zu sprechen kommt, leuchten ihre Augen. "Das ist eine kulturgeschichtliche Fundgrube", schwärmt die 71-Jährige, die seit vier Jahrzehnten sammelt. Aus ihrem Fundus von mittlerweile mehr als 35.000 Anzeigen hat die Düsseldorferin zusammen mit der Palliativmedizinerin Susanne Hirsmüller (56) am Freitag auf der Bremer Kongressmesse "Leben und Tod" einige Exemplare vorgestellt. Dokumente, die einen Bogen von konventionell bis schrill, von tieftraurig bis humorvoll spannen.

Krach und Rache

Seit Erscheinen der ersten deutschen Todesanzeige 1753 im "Ulmer Intelligenzblatt" seien die Bekanntmachungen einem steten Wandel unterworfen, meint Schröer. Doch damals wie heute sagten sie viel über Verstorbene, Angehörige, Freundeskreis und Kollegium aus. Es seien "Kurzromane über das Leben und Sterben".

Besonders dann, wenn sie von den Verstorbenen selbst gestaltet wurden. So ließ Hans Weichlein aus Hannoversch Münden 2012 als "Letzte Meldung" veröffentlichen, jedem, den er irgendwann mal kritisiert oder auf den Arm genommen habe, versichere er: "Ich habe es gerne getan, es war ein Riesenspaß."

Bundesweit Schlagzeilen machte vor knapp zwei Jahren Hubert Martini aus Trier, der in seiner selbst verfassten Todesanzeige seine Geschwister "und deren Partner und Nachkommen" von der Trauerfeier auslud. Die einen sprachen von der "ehrlichsten Traueranzeige Deutschlands", andere kritisierten den öffentlichen Pranger. "Es gibt eben nicht nur den 'tollsten Opa der gesamten Galaxie', sondern auch Beispiele aus der Kategorie Krach und Rache", meint Schröer.

Doppeldeutig könnte es verstanden werden, wenn es heißt: "Er war ein Mann wie ein strahlender Stern. Sein Schweif glühte für uns alle." Und zunehmend häufiger melden sich auch Haustiere zu Wort, wie etwa Chica, die Frauchen Evelin verloren hat und fragend trauert: "Merkst Du, wie meine Pfoten mit aller Zärtlichkeit rumwühlen in der schönen Vergangenheit? Merkst Du, wie ich belle beim Gedanken daran, dass wir uns wiedersehen?" Manchmal werden unter den Kondolierenden auch bereits Verstorbene (mit einem Kreuz hinter dem Namen) oder Ungeborene (mit XX oder XY hinter dem Namen) aufgeführt.

Selbstinszenierung

Früher seien die Botschaften seriös und dann konventionell gewesen. "Heute sind sie zunehmend individuell", bilanziert Schröer. Als Psychologin sieht sie darin auch eine öffentliche Selbstinszenierung der Trauernden und der Toten. Beispielsweise in den Botschaften, die Fotos der Verstorbenen transportieren: "Manchmal ist in der Todesanzeige einer 83-Jährigen das Porträt aus der Jugend zu sehen, manchmal aber auch ein Foto mit Rollator, Gehhilfen und Mütze auf dem kahlen Kopf."

QR-Codes auf den Anzeigen lassen die Tote noch einmal singen. Andernorts verraten Sätze, dass der Tod herbeigesehnt wurde wie bei Hilde Müller, die mit fast 102 Jahren gestorben ist und mit den Worten zitiert wird: "Manchmal wünsche ich mir, dass ich morgens aufwache und feststelle, dass ich gestorben bin." Und zuweilen sprechen skurril verpackt die Wechselfälle des Lebens aus den Formulierungen. Gerda Vera Wilke, mit 86 gegangen, formulierte es laut Todesanzeige so: "Das Leben ist nicht nur littiti, sondern auch mal lattata."

Von Dieter Sell (epd)



Soziales

Auf der Suche nach dem Personal


Dringend gesucht: Altenpflegerin bei der Arbeit
epd-bild / Werner Krüper
In den bundesweit 13.600 Pflegeheimen wird das Personal immer knapper. Einrichtungen zahlen Mitarbeitern Prämien, wenn sie neue Kollegen anwerben. Wie heikel die Situation ist, darauf machen Heimleitungen aus Anlass des "Tags der Pflege" aufmerksam.

Die Otto-und-Anna-Herold-Altersheimstiftung im unterfränkischen Karlstadt muss immer wieder auf Personalengpässe reagieren. "Das tun wir, indem wir kurzfristig die Wochenstunden von Teilzeitmitarbeitern erhöhen", erläutert die Leiterin der Einrichtung, Elfriede Roth. "Bei Stellenausschreibungen mit Schicht- und Wochenenddienst kommen meist gar keine Bewerbungen mehr herein", sagt Roth.

Uwe Berndt, Einrichtungsleiter des Marie-Juchacz-Zentrums der Arbeiterwohlfahrt in Köln, kennt das Problem. Er versucht, über Zeitarbeitsfirmen personelle Engpässe zu kompensieren. "Die Suche nach geeigneten Pflegekräften auf dem freien Markt ist inzwischen fast aussichtslos." Nur durch "sehr teure" Werbemaßnahmen gelinge es, neue Mitarbeiter zu gewinnen und zu binden.

Nach einer repräsentativen Befragung von Heim- und Pflegeleitungen durch das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung können derzeit in den rund 13.500 Pflegeheimen 17.000 offene Stellen nicht besetzt werden. In der ambulanten Altenpflege sind weitere 21.000 Stellen nicht besetzt. Der Studie zufolge müssen 22 Prozent der Einrichtungen deshalb zeitweilig Aufnahmestopps verhängen. Mehr als 80 Prozent der Anfragen für die Aufnahme in ein Heim oder für eine Kurzzeitpflege müssen zunächst abgelehnt werden. 71 Prozent der Heime führen Wartelisten.

14 Bewohner - eine Pflegekraft

"Wir brauchen eine am tatsächlichen Bedarf orientierte Personalbesetzung. Das heißt: Wir brauchen mehr Personal", erklärt Berndt. Außerdem müssten Pflegekräfte besser bezahlt werden, um den Pflegeberuf attraktiver zu machen.

Auch Kathrin Nachtigall, die das Pflegestift Görlitz-Rauschwalde der "Dienste für Menschen Sachsen gGmbH" leitet, fordert bessere Personalschlüssel. "Bei uns werden derzeit 14 Bewohner von einer Pflegekraft versorgt", berichtet die Pflegemanagerin. Nachts kümmere sich lediglich eine Fachkraft um 43 Bewohner. "So gepflegt zu werden, haben die alten Menschen nicht verdient."

Dass es immer schwieriger wird, Pflegepersonal zu finden, das den hohen physischen und psychischen Anforderungen in der Pflege gewachsen ist, bestätigt Jörg Nagel von der Diakonie Leipzig. Er ist Mitarbeitervertreter in mehreren Altenpflegeeinrichtungen und Sozialstationen. Die Personaldecke sei so dünn, dass kurzfristige Ausfälle kaum noch kompensiert werden könnten: "Was früher die Mindestbesetzung war, ist heute normal."

Prämie von 500 Euro

"Wir hier kommen noch relativ gut über die Runden", meint dagegen Johannes Amrhein, der das St. Thekla-Heim des Caritasverbands in Würzburg leitet. Caritas-Heime profitieren nach seiner Aussage personell noch immer davon, dass der katholische Wohlfahrtsverband einen guten Ruf hat. Aber auch die Caritas muss sich immer mehr anstrengen, um Personal zu gewinnen. Der Würzburger Diözesanverband schuf deshalb eine eigene Stelle für Personalmarketing, von der alle Häuser im Bistum profitieren sollen. Zum Jahresbeginn wurde außerdem eine Vermittlungsprämie eingeführt: Pflegekräfte, die neue Mitarbeiter werben, erhalten bei einer erfolgreichen Vermittlung 500 Euro. Dreimal wurde die Prämie in St. Thekla bisher ausgezahlt.

Im "Haus Lehmgruben", einer Senioreneinrichtung der Rummelsberger Diakonie im unterfränkischen Marktheidenfeld, ist die Personalknappheit laut Heimleiterin Andrea Keller "extrem stark spürbar". Im Juni soll eine neue Wohngruppe für Senioren mit Pflegegrad 1 und 2 eröffnet werden: "Ich habe zu kämpfen, dass ich die Gruppe mit den nötigen Fachkräften besetzen kann." Die Wohngruppe sei bereits zur Hälfte belegt, aus personellen Gründen sei es jedoch fraglich, ob sie rechtzeitig an den Start gehen kann.

Weil sie in der Region niemanden findet, greift Keller auf Pflegekräfte aus dem Ausland zurück. Eine serbische und eine litauische Kraft fand sie inzwischen. Beide beherrschen die deutsche Sprache: "Das ist bei uns Voraussetzung, denn viele unserer Bewohner sprechen Dialekt."

Von Pat Christ (epd)


Deutscher Ärztetag will Werbeverbot für Abtreibungen beibehalten

Im Streit über den Paragrafen 219a, der Werbung für Abtreibungen verbietet, plädiert der Deutsche Ärztetag für eine Beibehaltung der bestehenden Regelung - bei maßvollen Änderungen.

Der Deutsche Ärztetag will das Werbeverbot für Abtreibungen im Grundsatz beibehalten. Nötig seien allerdings maßvolle Änderungen, "damit sichergestellt wird, dass Ärztinnen und Ärzte, die innerhalb dieses Rahmens über ihre Bereitschaft informieren, gesetzlich zulässige Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen, nicht bestraft werden", heißt es in einer mit großer Mehrheit angenommen Entschließung, wie die Bundesärztekammer am 12. Mai in Erfurt mitteilte.

Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung Ralf Brauksiepe (CDU) hält das geltende Werbeverbot für Abtreibungen für "sehr vernünftig". Er sehe keinen Bedarf für eine Gesetzesänderung, sagte Brauksiepe der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Als Abgeordneter und als Patientenbeauftragter finde ich, dass das, was im Gesetz steht, eine gute Formulierung ist." Flächendeckend sorgten Beratungsstellen dafür, dass Familien insbesondere in Konfliktsituationen unterstützt und beraten würden. "Ich sehe kein ungedecktes Informationsbedürfnis."

Straffreie Straftat

Zudem handele es sich nicht um einen normalen medizinischen Eingriff, sondern vielmehr um "eine Straftat, die unter ganz bestimmten, im Gesetz definierten Voraussetzungen straffrei bleibt", sagte der Beauftragte.

Anlass für die Debatte um die Informationsrechte von Frauen ist ein Gerichtsurteil gegen die Gießener Ärztin Kristina Hänel vom November 2017. Sie wurde zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie auf der Webseite ihrer Praxis über die Durchführung von Abtreibungen informiert hatte. Dem Bundestag liegen Anträge zur Streichung oder Überarbeitung des Paragrafen 219a vor, der Werbung für Abtreibungen in grob anstößiger Weise oder des Vermögensvorteils wegen unter Strafe stellt. Die Union will den Paragrafen beibehalten.

Die Ärzteschaft ist über eine Reform des Werbeverbots genauso uneinig wie die Politik. Ende April ergab eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) bei den Landesärztekammern, dass die meisten Ärztevertretungen die Straffreiheit sachlicher Informationen sichergestellt wissen wollen. Was sie darunter verstehen, ist aber unterschiedlich.

In der Entschließung des Ärztetages heißt es auch, die in Deutschland entwickelten Strukturen mit qualifizierten Beratungsstellen und Hilfsangeboten seien weiter zu fördern. Gemäß Paragraf 5 des Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) haben die Länder ein ausreichendes Angebot wohnortnaher Beratungsstellen sicherzustellen.

Im SchKG sei auch vorzugeben, dass einer Frau, die sich nach der gesetzlich vorgeschriebenen, ergebnisoffenen und neutralen Beratung durch eine anerkannte Beratungsstelle für einen Schwangerschaftsabbruch entscheidet, eine Auflistung der für sie erreichbaren Ärzte zur Verfügung gestellt wird, verlangte der Deutsche Ärztetag. Bei allen Überlegungen zu Änderungen an den gesetzlichen Vorgaben zum Schwangerschaftsabbruch müsse "der besondere Charakter des Schwangerschaftsabbruches" berücksichtigt werden.

Der 121. Deutsche Ärztetag, das Parlament der deutschen Ärzteschaft, tagte vom 8. bis 11. Mai in Erfurt. 250 abgeordnete Ärztinnen und Ärzte aus den 17 Ärztekammern in Deutschland kamen zusammen, um gesundheitspolitische Impulse zu setzen und berufspolitische Themen zu beraten.



Neuer Behindertenbeauftragter ins Amt eingeführt


Jürgen Dusel
epd-bild/Christian Ditsch

Das Bundeskabinett hat am 9. Mai den Juristen Jürgen Dusel zum neuen Behindertenbeauftragten der Bundesregierung bestimmt. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) führte Dusel in sein Amt ein. Er tritt die Nachfolge von Verena Bentele an, die für das Amt der Präsidentin des größten deutschen Sozialverbands VdK nominiert wurde.

Dusel war bisher Behindertenbeauftragter der brandenburgischen Landesregierung in Potsdam. Der 53-Jährige stammt aus Würzburg und ist selbst seit seiner Geburt stark sehbehindert. Seit 1998 lebt und arbeitete er in Brandenburg. Heil würdigte Dusels Erfahrung als brandenburgischer Behindertenbeauftragter, die er in sein neues Amt einbringen werde. In dem ostdeutschen Bundesland habe Dusel die Behindertenpolitik zu einer Querschnittsaufgabe gemacht, sagte Heil.

Dusels Vorgängerin Bentele bescheinigte Heil, sehr viel für behinderte Menschen in Deutschland erreicht zu haben, insbesondere bei den Beratungen zum Bundesteilhabegesetz. Auf Benteles Initiative wurde auch eine Schlichtungsstelle für Streitfälle bei der Durchsetzung von Barrierefreiheit eingesetzt.

Querschnittsaufgabe

Benteles Nachfolger Dusel ist der siebte Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Menschen mit Behinderung und wie seine Vorgängerin Bentele SPD-Mitglied. Dusel versprach eine konstruktive, kritische Amtsführung. Er werde auch im Bund deutlich machen, dass Behindertenpolitik eine Querschnittsaufgabe sei, sagte Dusel, und sich insbesondere für Chancen von Behinderten am Arbeitsmarkt und mehr Barrierefreiheit, etwa im sozialen Wohnungsbau, einsetzen.

Bentele war die erste Behindertenbeauftragte mit einem Handicap. Die frühere Leistungssportlerin, die blind ist, war mehrfache Weltmeisterin und Paralympics-Siegerin im Skilanglauf und Biathlon. Mit Blick auf die Aktivitäten der AfD im Bundestag warnte Bentele bei ihrem Abschied vor einem neuen, aggressiven Politikstil. Die AfD versuche, die Ausgrenzung von behinderten Menschen salonfähig zu machen. Dagegen müssten Demokraten aufstehen, forderte Bentele.



Hirschhausen kritisiert Gewinnstreben im Gesundheitssystem


Eckart von Hirschhausen
epd-bild/Camillo Wiz

Gewinnstreben und überbordende Digitalisierung schaden nach Ansicht des Arztes und TV-Moderators Eckhart von Hirschhausen dem Gesundheitssystem. "Viele Ärzte schauen heute erst mal auf den Bildschirm statt ihren Patienten in die Augen", sagte der Buchautor am 9. Mai bei einer Podiumsdiskussion der Hanns-Lilje-Stiftung in Hannover. Menschlicher Kontakt zwischen Patienten und Ärzten sowie Pflegenden sei ein wichtiger Faktor, der aus Renditegründen jedoch immer weiter zurückgedrängt werde. Der digitale Beitrag werde in seiner positiven Wirkung hingegen überschätzt.

Grundgedanken des Gesundheitssystems seien Nächstenliebe und Gastfreundschaft, sagte der Mediziner. Daher stammten wortgeschichtlich auch Begriffe wie "Hospital" oder "Charité". In modernen Kliniken sei von diesen Werten jedoch kaum noch etwas zu spüren. Seit den 1980er Jahren werde das Gesundheits- und Pflegesystem von fachfremden Wirtschaftsberatern immer stärker auf Rendite getrimmt, kritisierte er. So entstehe ein "zynisches" System, das nur heile, wenn damit dauerhaft Profit zu machen sei. Es sei ein Skandal, dass nicht lauter dagegen protestiert werde.

Rationalisierungslogik

Es sei in der Rationalisierungslogik nur folgerichtig, dass bald Gesundheits-Apps Diagnosen stellten und Roboter die Pflege übernähmen, sagte Hirschhausen. Dabei verbessere gerade ein zwischenmenschlicher Kontakt die Heilungschancen und erhöhe nachgewiesenermaßen die Wirksamkeit von Medikamenten.

Der Mediziner und frühere Kirchentagspräsident, Eckhard Nagel, sagte, die neue digitale Welt habe durchaus nützliche Entwicklungen hervorgebracht. So werteten Computer heute automatisch EKGs aus. Zudem könnten Chirurgen Operationen per Robotersteuerung - und damit präziser als früher ausführen. Künstliche Intelligenzen wie der IBM-Computer "Watson" versuchten herauszufinden, unter welchen seltenen Krankheiten bestimmte Menschen litten. Die meisten Gesundheits-Apps für Smartphones seien jedoch nur Spielereien.

Das Behandlungsverhältnis zwischen Arzt und Patient beruhe vor allem auf Vertrauen, betonte Nagel, der Chefarzt und Direktor des Instituts für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften in Berlin ist. "Der Arzt muss seinen Patienten im wahrsten Sinne des Wortes begreifen." Inzwischen stehe der Deutsche Ärztetag jedoch kurz davor, das "Fernbehandlungsverbot" aufzuheben, das bislang eine ärztliche Untersuchung per Telefon oder Bildschirm ausschloss.

Die Digitalisierung im Gesundheitssystem habe Schattenseiten. Der einzelne Mensch werde immer unwichtiger, warnte Nagel. Es drohe die Gefahr, dass Patienten letztlich zu Statisten würden.



Hildebrandt-Preis für Moderatorin Hayali und Integrationsprojekte


Dunja Hayali
epd-bild/Jennifer Fey

ZDF-Moderatorin Dunja Hayali und das Berliner Integrationsprojekt "Über den Tellerrand" sind am 11. Mai in Bielefeld mit dem Regine-Hildebrandt-Preis der Stiftung Solidarität ausgezeichnet worden. Das Preisgeld von insgesamt 10.000 Euro kommt gemeinnützigen Einrichtungen nach Wahl der Preisträger zugute. Ein mit 3.000 Euro dotierter regionaler Förderpreis ging an die gemeinnützige Initiative Mozaik in Bielefeld für interkulturelle Bildungs- und Beratungsangebote. Die Preisverleihung fand in der Altstädter Nicolaikirche in Bielefeld statt.

Hayali verkörpere einen streitbaren Journalismus, Toleranz und Mut, hieß es in der Begründung. Diese seien notwendige Bedingungen für Solidarität. Die im Jahr 2013 gegründete Berliner Initiative "Über den Tellerrand" setzt sich nach eigenen Angaben für die Integration und soziale Teilhabe von Flüchtlingen ein. Die Initiative ermögliche den gleichberechtigten Austausch von Menschen mit und ohne Fluchterfahrung, erklärte die Jury. Dadurch würden beiderseitig Vorurteile abgebaut, Offenheit und Respekt gefördert sowie Sprachkenntnisse und kulturelles Wissen weitergegeben.

Besonderes Engagement

Die Auszeichnung wird seit 1997 für besonderes soziales Engagement vergeben. Zu den bisherigen Preisträgern gehören unter anderem die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU), die frühere Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD) und der Deutsche Kinderschutzbund. Im vergangenen Jahr ging die Auszeichnung an die Bahnhofsmission Zoologischer Garten in Berlin und den Verein "Mit uns gelingt's (MUG) Brandenburg". Die erste Preisträgerin und spätere Namensgeberin der Auszeichnung war die SPD-Politikerin Regine Hildebrandt (1941-2001).




Medien & Kultur

Raus in die Natur


"Die Begegnung oder Bonjour Monsieur Courbet", Gustave Courbet 1854
epd-bild/Musee Fabre de Montpellier Mediterranee/Frederic Jaulmes
In Berlin widmet sich eine neue Ausstellung dem Thema "Wanderlust". Immer wieder setzten sich Künstler aller Genres damit auseinander. Sie taten dies auf höchst unterschiedliche Art, wie die Schau zeigt.

Ein Wanderer hat den Gipfel erreicht: Der Mann ist von hinten zu sehen, sein Haar sturmzerzaust, er stützt sich auf den Wanderstab, hält inne, blickt auf eine weite Wolkenlandschaft, aus der einzelne Felsen ragen, am Horizont erhebt sich ein höherer Berg. Caspar David Friedrichs Wanderer über dem Nebelmeer von 1817 markiert den Anfang der Begeisterung der Kunst für ein Thema, die zur Leidenschaft wurde und sich über mehr als ein Jahrhundert zieht.

Den Schlusspunkt setzt das monumentale Gemälde einer Frau: 1912 stellt der dänische Künstler Jens Peter Willumsen mit der Bergsteigerin eine Frau in den Mittelpunkt. Sie steht am Hang, dem Betrachter zugewandt. In langem Rock, das Cape über die Schulter geworfen, den Stock in die Seite gestützt hält auch sie inne, genießt den Blick auf die in expressiven Farben gemalte sonnige Berglandschaft.

Caspar David Friedrichs romantisches Hauptwerk und diese Ikone der dänischen Malerei um 1900 bilden die geistige und künstlerische Klammer der Sonderausstellung "Wanderlust. Von Caspar David Friedrich bis Auguste Renoir" in der Alten Nationalgalerie in Berlin. Erstmals spürt die Schau einem Thema, mit dem sich seit der Romantik Künstler aller Genres immer wieder auseinandersetzten, auf dem Gebiet der Malerei nach. Ausgehend von der hauseigenen Sammlung mit bedeutenden Arbeiten von Caspar David Friedrich, Carl Blechen und Karl Friedrich Schinkel, ergänzt durch internationale Leihgaben, führen mehr als 120 Meisterwerke vor Augen, wie sehr das Wandern als Leidenschaft und die Natur als Motiv die bildenden Künstler in ganz Europa begeisterte.

Humboldt und Schinkel

Der Rundgang im zweiten Obergeschoss der Alten Nationalgalerie ist in verschiedene Kapitel gegliedert. Er beginnt mit der Entdeckung der Natur und dem Hochgebirge als bevorzugtes Motiv. Den Auftakt macht der Pionier der Hochgebirgsmalerei, Jakob Philipp Hackert, mit dem Gemälde Vesuvausbruch von 1774. Daneben sind seine Schweizer Zeitgenossen Caspar Wolf und Johann Heinrich Wüest zu entdecken.

Alexander von Humboldt als Prototyp des forschenden Reisenden darf in der Berliner Ausstellung nicht fehlen, die hier den jüngsten Ankauf des Museums präsentiert: eine Ölstudie von Ferdinand Keller von 1875, auf der Humboldt mit seinem Assistenten Bonplands beim Botanisieren in Brasilien dargestellt ist. Karl Friedrich Schinkel hält 1818 seine Eindrücke einer Reise nach Rom in dem eindrucksvollen Bild eines Felsentors in Friaul fest. Neben den tonigen Farben der Romantiker wirkt Ernst Ludwig Kirchners Gemälde "Sertigtal" mit seinen schrillen Farben von 1926 in dem engen Ausstellungsgang deplatziert, auch wenn es thematisch passt.

Ähnlich unglücklich gehängt ist im Kapitel "Spaziergänge" das kleinformatige Gemälde von August Macke "Spaziergang in Blumen" von 1906. Trotz seiner expressiven Farben wird es von dem benachbarten Monumentalbild "Reifende Ären" des Berliner Secessionisten Otto Heinrich Engel geradezu erdrückt. Die Darstellung dreier Frauen im sommerlichen Kornfeld von 1904 belegt, wie unterschiedlich das Thema künstlerisch aufgefasst wurde.

Gipfeltreffen

Dass die neue Wanderlust in der Malerei auch Ausdruck neuen Sehens und einer subjektiven Weltsicht war, zeigt das Kapitel "Künstlerwanderung". Hier kommt es zu einem Gipfeltreffen der besonderen Art: 1854 zeigt sich Gustave Courbets in seinem Gemälde "Bonjour Monsieur Courbet" mit Rucksack und wallendem Bart als Naturenthusiast, der auf seinen gut gekleideten Mäzen Alfred Bruyas und dessen Diener trifft - eine Darstellung, die vor Selbstbewusstsein strotzt und als Leihgabe aus Montpellier kommt.

Gleich daneben ein kleineres Gemälde von Paul Gauguin mit dem Titel "Bonjour Monsieur Gauguin". 1889, vor seiner Anerkennung als Maler und geplagt von finanziellen Nöten, malte er sich in intensiven Farben als Außenseiter der Gesellschaft mit tief ins Gesicht gezogener Mütze, der auf eine bretonische Bäuerin trifft - die Antwort des Jüngeren auf Courbets Anmaßung. Erstmals hängen beide Bilder für vier Wochen nebeneinander in einer Ausstellung. Die Gauguin-Leihgabe aus Prag wandert dann für eine Schau nach Quimper in der Bretagne weiter - auch Bilder packt mitunter die Wanderlust.

Wie der Aufbruch in die Natur insbesondere nach 1900 zum Bild für das Ablegen gesellschaftlicher Fesseln wird, zeigen zum Abschluss der Schau zwei höchst unterschiedliche Werke: Otto Dix’ Selbstbildnis als junger Wanderer mit Hut von 1912 ist noch romantisch geprägt und verrät die Nähe zur Wandervogelbewegung. Ernst Barlachs 1934 entstandene Holzfigur Wanderer im Wind kündet bereits von stürmischen Zeiten, die der Wanderlust endgültig das Ende bereiteten.

Von Sigrid Hoff (epd)


Das Geheimnis der Nasca-Kultur


Exponat aus der geheimnisvollen Nasca-Kultur
epd-bild/Meike Böschemeyer
Die großflächigen Erdgravuren der Nasca-Kultur im Süden Perus gaben Forschern seit mehr als 100 Jahren Rätsel auf. Die Bundeskunsthalle in Bonn gewährt nun einen Einblick in die Kultur des geheimnisvollen Volkes.

Es sind merkwürdige Zeichen und Wesen, die den Boden der Küstenwüste im Süden Perus bevölkern: Tausende riesiger Spinnen, Wale, Vögel, aber auch Spiralen oder Trapeze sind auf einer Fläche von 500 Quadratkilometern in den Boden eingraviert. Das größte Bild ist fast zwei Kilometer lang. Wer hat diese geheimnisvollen Zeichen in die steinige Wüste gegraben? Und was sollen sie bedeuten? Diese Frage stellten sich Archäologen seit gut 100 Jahren.

Seit ab den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts zunehmend kommerzielle Flüge das Gebiet überquerten, wurde das Ausmaß der Gravuren deutlich. Die meisten sind in die flache Hochebene gegraben und so groß, dass sie vom Boden aus gar nicht zu erkennen sind. Inzwischen sind die Forscher ein ganzes Stück weitergekommen. Vor allem durch Ausgrabungen seit Mitte der 90er Jahre konnten Archäologen entscheidende Erkenntnisse über das Volk gewinnen, das in der Zeit von etwa 200 vor Christus bis 650 nach Christus dort lebte.

Rituelle Prozessionen

Unter dem Titel "Nasca. Im Zeichen der Götter" präsentiert die Bundeskunsthalle nun bis zum 16. September den aktuellen Erkenntnisstand zu den Erdbildern sowie rund 200 sensationell gut erhaltene Objekte aus der Nasca-Kultur. Es waren die Archäologen Markus Reindel und Johny Isla, die ab 1996 die sogenannten Geoglyphen im Rahmen eines Forschungsprojektes erstmals umfassend archäologisch untersuchten und kartieren ließen. Parallel lieferten geologische Untersuchungen wichtige Daten.

Die Ausgrabungsfunde widerlegten eine frühere These, wonach die Geoglyphen astronomische Markierungen darstellten. Vielmehr zeigten die Ausgrabungen, die viele Scherben und Keramikgefäße zutage förderten, dass es sich offenbar um Kultstätten handelte. Die nachgewiesene Verdichtung des Bodens entlang der Erdbilder lässt darauf schließen, dass dort regelmäßig Menschen entlangliefen.

Offenbar gaben die Erdbilder die Richtung und den Ablauf ritueller Prozessionen vor. Dass dabei Keramikgefäße und andere Opfergaben auf Steinpodesten abgelegt wurden, wissen die Forscher aufgrund entsprechender Funde. Aber auch Musik hat bei den Zeremonien offenbar eine Rolle gespielt. Darauf weisen zahlreiche Funde von Instrumenten hin, darunter kunstvoll bemalte Keramik-Flöten.

Die Ausstellung bietet nun einen Überblick über die Forschungen, die erstmals die genaue Lage der Erdbilder festhielten. Zwei animierte Modelle zeigen die Küstenlandschaft, die aus steinigen Hochebenen und fruchtbaren Tälern besteht. Mit 3-D-Brillen können Besucher sich Luftaufnahmen ansehen und so einen realistischen Eindruck der Geoglyphen erhalten. Ein knapp halbstündiger Film liefert Hintergrundinformationen zu den archäologischen Forschungsarbeiten.

Hochentwickelte Kultur

Beeindruckend ist der gute Zustand der rund 200 Exponate, die für die Ausstellung zum Teil erstmals Peru verlassen durften. Zu verdanken dieser dem extrem trockenen Klima. Viele Objekte stammen zudem aus Gräbern, die praktisch luftdicht verschlossen waren. Zahlreiche kunstvoll gearbeitete Keramikgefäße zeugen davon, dass die fruchtbaren Täler, die die wüstenartige Hochebene durchschneiden, den Nährboden für eine hochentwickelte Kultur boten. Die ebenmäßigen, glänzenden Gefäße sind in Weiß-, Schwarz- und Rotbrauntönen kunstvoll mit geometrischen Mustern sowie Tier- und Fabelwesen bemalt.

Die Forscher vermuten, dass es sich bei vielen der übermenschlich dargestellten Wesen auf den Keramiken um Götter handelt. Kriegerisch wirkt eine häufig auftauchende Figur, die einen abgetrennten Kopf am Haarschopf in der Hand hält. Es handele sich dabei um das sogenannte "Anthropomorphe Mythische Wesen", das im Mittelpunkt der Kultur gestanden habe, sagt Archäologe Markus Reindel. Der abgeschlagene Kopf stelle aber keine Trophäe dar. Vielmehr dienten die Köpfe offenbar dem Ahnenkult. "Der Kopf war Ort der Macht und Energie, die man erhalten wollte."

Bemerkenswert ist die Farbigkeit der rund 2.000 Jahre alten Textilien, die in der Ausstellung zu sehen sind. Da sind etwa Kopfbänder mit plastisch gearbeiteten bunten Kolibris. Meterlange mit Wolle bestickte Umhänge in Rot, Gelb und Blau lassen staunen, welche Kenntnisse der Textilverarbeitung in der Nasca-Kultur vorhanden waren.

Interessant wäre es gewesen, etwas darüber zu erfahren, wie die Menschen in der Lage waren, Farben von solcher Qualität und Leuchtkraft herzustellen. Vor allem Rot war ja eine Farbe, die in Europa noch im Mittelalter nur unter großen Mühen aus den Farbdrüsen unzähliger Schnecken gewonnen werden konnte. Und eine weitere Frage bleibt offen: Wie kam es, dass diese hoch entwickelte Kultur verschwand?

Von Claudia Rometsch (epd)


1968 auf der Bühne

Im Jahr 1968 zogen auch Schauspieler protestierend durch die Straßen. Vor allem aber erneuerte sich der Stil der Aufführungen grundlegend.

Sommer 1968: Im Werkraumtheater der Münchner Kammerspiele wird am 5. Juli der "Viet Nam Diskurs" von Peter Weiss aufgeführt, Regie hat Peter Stein. Nach der Vorstellung fordert Schauspieler Wolfgang Neuss das Publikum auf, Geld für Waffen der Vietcong-Guerilla zu spenden. Viele Zuschauer geben Geld, andere buhen. Die Inszenierung wird schon nach vier Aufführungen abgesetzt. Kaum jemand hat sie gesehen, trotzdem gilt sie bis heute als ein Symbol für die Politisierung des Theaters im Jahr 1968.

Das Kammerspiel-Ensemble war überhaupt politisch wach. Als im Mai 1968 im Bundestag die Notstandsgesetze verabschiedet wurden, mit deren Hilfe die Rechte des Einzelnen stark beschnitten werden können, zog das Ensemble protestierend durch die Münchner Innenstadt. Theaterzuschauer und Passanten schlossen sich an.

Aggressive Inszenierung

Ein zweiter, weniger wahrgenommener Schwerpunkt des theatralischen Widerstands in München fand in Schwabing statt: Ein kleines Ensemble um Rainer Werner Fassbinder zeigte sozialkritische Stücke in meist aggressiven Inszenierungen. Um zu zeigen, wie brutal die Polizei oft gegen Demonstranten vorging, wurden an einem Abend die Besucher am Ende der Vorstellung mit einem Wasserstrahl aus dem Theater gejagt. Die einzige Rettung war, nicht nach hinten zum Ausgang zu fliehen, sondern nach vorne zur Bühne - dann ging das Wasser über einen hinüber.

Mochten viele der Aktionen der jungen Demonstranten eher ziellos wirken, so hatten sie doch einen harten politischen Kern. Besonders der Mord an Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 und das Attentat auf Rudi Dutschke am 11. April 1968 in Berlin trieben die jungen Leute auf die Straße. Dazu kamen Proteste an den Universitäten (Motto "Unter den Talaren - Muff von 1000 Jahren"), Hausbesetzungen, weil es zu wenige Wohnungen für Studenten gab, und nicht zuletzt die Empörung über die Nazivergangenheit vieler Politiker und Beamten.

Beginn des Regietheaters

Wie haben die professionellen Bühnen auf die gesellschaftlichen Veränderungen reagiert? Schnell oder zögernd - insgesamt aber waren die gesamten 60er Jahre ein Jahrzehnt, in dem sich das Schauspieltheater erneuert hat. Regisseure wie Peter Stein, Claus Peymann oder Peter Zadek wurden schon frühzeitig und dann regelmäßig zum Theatertreffen nach Berlin eingeladen - die Zeit des Regietheaters hatte begonnen. Mit Stücken und den Texten wurde freier umgegangen.

Das Regietheater ist sicher das wichtigste Erbe aus dem Jahr '68 für das deutsche Sprechtheater. Das Theater näher an die Gegenwart heranzuführen, den konservativ-gepflegten Schauspielstil zu überwinden - darum ging es Zadek, Stein oder Peymann, aber auch Bühnenbildnern wie Wilfried Minks, der in diesem Jahr gestorben ist, oder Dramaturgen wie Hermann Beil, meist Partner von Peymann.

Bei neuen Stücken, die bevorzugt gespielt wurden, verstand sich das von selbst. Aber auch in den Klassikern suchte und fand man Bezugspunkte zur Gegenwart.

Berühmt ist die Inszenierung von Schillers "Räubern" durch Zadek und Minks 1966 in Bremen: Die Bühne, eine Comic-Welt, war angelehnt an ein Bild des Pop-Art-Künstlers Roy Lichtenstein.

Sehr schnell wurde die Schaubühne in Berlin, geleitet ab 1970 von Peter Stein, zum wichtigsten Theater. Der 68er-Geist der Erneuerung wurde realisiert, ohne dass man sich ausdrücklich auf ihn berief.

"Publikumsbeschimpfung" im TAT

Eine spektakuläre Aufführung des neuen Theaters kann man heute noch ungekürzt auf der Videoplattform Youtube sehen: Die Uraufführung von Peter Handkes "Publikumsbeschimpfung" vom 8. Juni 1966 im Theater am Turm in Frankfurt, inszeniert von Claus Peymann. Das Spiel steigert sich zum Ende hin immer mehr zu einer Schimpforgie. Die noch sehr bürgerlich gekleideten meist jungen Zuschauer sind begeistert.

Das damals entstandene Regietheater und seine Persönlichkeiten haben fast 50 Jahre lang das Schauspiel in Deutschland bestimmt. Das ändert sich seit einiger Zeit. Junge Regie-Talente, zu denen endlich auch Frauen gehören, setzen sich durch. Das Theater ist international geworden, hat sich gegenüber Regisseuren und Schauspielern aus Europa, aber auch Asien, Afrika und Lateinamerika geöffnet. Was damals die Schaubühne war, ist jetzt das Maxim-Gorki-Theater in Berlin: beispielhaft.

Von Wilhelm Roth (epd)


Vom "Papiertiger" zum "Hinterfragen": Die 68er hinterließen auch in der Sprache ihre Spuren

"Basisdemokratie", "ausdiskutieren" oder "hinterfragen": Zahlreiche Begriffe der 68er-Bewegung sind längst in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen - und einige haben dort einen erstaunliche Bedeutungswandel erfahren, wie der Sprachwissenschaftler Horst Dieter Schlosser betont. "So hat später der ADAC im Kampf gegen Tempolimits den 'mündigen Bürger' propagiert, der auf der Autobahn 230 Stundenkilometer schnell fahren darf", sagte der Professor im Ruhestand dem Evangelischen Pressedienst (epd). Für die Studentenbewegung war ein mündiger Bürger ein Ideal - einer, der sich politisch einmischt, von der Vernunft geleitet ist, seine eigene Meinung hat.

Die Sprache der 68er sei nicht homogen gewesen, sondern bunt und abwechslungsreich wie die Protestbewegung selbst, und habe aus unterschiedlichen Quellen geschöpft. Die "Guerilla-Taktik" sei den lateinamerikanischen Befreiungsbewegungen entlehnt, das "Hinterfragen" habe seinen Ursprung in der historisch-kritischen Bibelexegese des 19. Jahrhunderts. "Daneben machten die 68er Begriffe von Mao Zedong in Deutschland salonfähig: den 'Papiertiger' etwa oder den 'Marsch durch die Institutionen'", sagte Schlosser.

"Freier und lockerer"

Befeuert von den Medien hat die Protestbewegung nach Einschätzung des Linguisten das sprachliche Niveau der politischen Auseinandersetzung verändert. "Wir haben heute eine sprachlich freiere und lockerere Weise, mit den Dingen umzugehen", sagt Schlosser. Joschka Fischer berühmtes "Mit Verlaub Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch", 1984 an Bundestagsvizepräsident Richard Stücklen von der CSU gerichtet, sei ohne die Revolte von 68 nicht denkbar gewesen. "Da wären sie früher abgeführt worden, das war ein absolutes Tabu", sagte der Wissenschaftler, der 1991 die Suche nach dem "Unwort des Jahres" initiierte.

Die 68er hätten einer allgemeinen Lockerung des Sprachgebrauchs und der kommunikativen Atmosphäre den Boden bereitet, etwa mit dem "repressionsfreien Sprechen" in den alternativen Kinderläden. Damals hätten Kinder erstmals ihre Eltern beim Vornamen genannt, statt sie "Mama" und "Papa" zu nennen.

Eine "Psychologisierung der Sprache" sei ein weiteres Erbe der 68er, meint Schlosser. "Sie haben psychologisches Fachvokabular wie 'internalisieren' oder 'rationalisieren' in die Alltagssprache getragen." Zudem sei "Soziologen-Deutsch" in die Umgangssprache eingesickert, der besonders schwer verständliche Duktus des Sozialphilosophen Theodor W. Adorno oder der des Studentenanführers Rudi Dutschke dagegen habe sich wieder verloren - "zum Glück", wie Schlosser sagt: "Das waren ja teils völlig unverständliche Sätze."

Ein großer Teil des 68er-Vokabulars sei mittlerweile Geschichte, hat der Sprachforscher beobachtet. "Die 'Sit-Ins', 'Teach-Ins' oder die 'Drittelparität' sind den Jüngeren völlig unbekannt", sagte Schlosser: "Sie sind mit der Revolte untergegangen."

epd-Gespräch: Uwe Gepp


Kunstinstallation am Berliner Hauptbahnhof


Kunstinstallation #FREIHEITBERLIN am Berliner Hauptbahnhof
epd-bild/Rolf Zoellner

Berlin hat ein neues Freiheitsdenkmal: Das temporäre Graffiti-Kunstwerk vor dem Hauptbahnhof mit dem 23 Meter langen und mehr als zwei Meter hohen Schriftzug #FREIHEITBERLIN wurde am 11. Mai vom Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) der Öffentlichkeit übergeben. Das im Stil von Elementen der Berliner Mauer an der einige Kilometer entfernten East Side Gallery gestaltete Kunstwerk ist bis zum 18. Juni zu sehen.

In Zeiten, in denen wieder Tendenzen der Abschottung um sich griffen, sei es besonders wichtig, die Bedeutung von Freiheit zu betonen, sagte der Regierende Bürgermeister und würdigte zugleich die einstige Bürgerbewegung der DDR, die den Weg zu Wiedervereinigung und Freiheit geebnet habe. "Es musste erkämpft werden, dass wir gemeinsam in Freiheit leben können", betonte Müller. Die Kunstinstallation solle dazu anregen, sich mit dem Thema Freiheit auseinanderzusetzen.

800 Vorschläge

"Freiheit hat viele Gesichter" steht an den Seiten des Schriftzugs. 800 Designvorschläge wurden dafür eingereicht, 15 Künstler wurden dann für die Gestaltung der einzelnen Buchstaben ausgewählt. Die Motive thematisieren unter anderem die Care-Pakete und die Luftbrücke nach West-Berlin der Jahre 1948 und 1949, die Vielfalt der Identitäten in der Stadt, Wahrzeichen verschiedener Stadtteile und die Kommunikation mit Zetteln im öffentlichen Raum wie bei der Wohnungssuche.

Auf einem der Buchstaben steigen spiegelnde Luftballons über dem Brandenburger Tor in den Himmel. Das Motiv stammt vom evangelischen Kirchenkreis Tempelhof-Schöneberg, wurde von der Zeitung "Berliner Morgenpost" ausgewählt und soll Berlin als Ort gelebter Glaubensfreiheit mit mehr als 250 Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften symbolisieren.

Was am Anfang des Schriftzugs "#FREIHEITBERLIN" aussieht wie eine große Scheibe marmoriertes rohes Fleisch, soll die Umrisse der Stadt und ihrer Bezirke zeigen. Das Werk sei eine Hommage an ein Wandbild an der Bernauer Straße, an der einst die Mauer die Stadt teilte, hieß es: "Das Kunstwerk erinnert an den Mauerbau, der 1961 die Freiheit Berlins zerschnitt."

Die Denkmal-Aktion ist Teil der Anfang 2017 gestarteten Kampagne "#FreiheitBerlin" des Hauptstadtmarketings.



Israel gewinnt den Eurovision Song Contest

Mit einem überraschenden vierten Platz hat Michael Schulte die Reihe der schlechten deutschen ESC-Platzierungen der vergangenen Jahre beendet. Siegerin Netta aus Israel war von ihrem Erfolg zu Tränen gerührt.

Sie galt von Anfang an als Favoritin des Musikwettbewerbs und konnte sich am Ende gegen eine starke Konkurrenz durchsetzen - die israelische Sängerin Netta hat den 63. Eurovision Song Contest (ESC) in Lissabon gewonnen. Deutschland landete überraschend auf Platz vier. Nettas Lied "Toy" mit den unverkennbaren Gackergeräuschen setzte sich in einem spannenden Finale am 12. Mai gegen Zypern, Österreich und Deutschland durch.

Zuerst sah es so aus, als ob Österreich den Wettbewerb gewinnen würde. Die österreichischen Journalisten im Pressezentrum standen schon auf den Stühlen und umarmten eine lebensgroße Pappfigur ihres Sängers Cesar Sampson. Dann gaben die Moderatorinnen in Lissabon die Summe der Televoting-Ergebnisse bekannt, beginnend mit dem Land, das von den Zuschauern die wenigsten Punkte bekommen hatte. Am Ende lag Israel mit 529 Punkten vor Zypern mit 436 Punkten. Österreich belegte mit 342 Punkten den dritten Platz. Auch beim deutschen Publikum schnitt Netta mit immerhin zehn Punkten gut ab. Von der deutschen Jury bekam die Israelin allerdings nur einen Punkt.

Netta war zu Tränen gerührt. Die 25-Jährige rief Frauen auf, sich Gehör zu verschaffen und an sich selbst zu glauben. "Mir wurde so oft gesagt, ich sei nicht hübsch, nicht pfiffig und nicht dünn genug, um das zu tun, was ich tun möchte." Sie sei daher froh, dass sich das Publikum für Vielfalt entschieden habe. "Ich bin stolz und fühle mich geehrt, die Welt ein wenig verändert zu haben." Sie hoffe, dass das Lied auch anderen Stärke verleihe. Es ist bereits der vierte Sieg Israels bei dem Musikwettbewerb. Zuletzt hatte das Land 1998 mit Dana International gewonnen.

Michael Schulte, der mit seinem Lied "You Let Me Walk Alone" für Deutschland angetreten war, belegte überraschend Platz vier und beendete damit eine jahrelange Durststrecke. 2017 hatte der deutsche Beitrag beim ESC-Finale lediglich den vorletzten Platz erreicht, in den beiden Jahren zuvor jeweils den letzten Platz.

"Gänsehaut"

In seinem sehr persönlichen Lied verarbeitete der 28-Jährige aus Buxtehude den frühen Tod seines Vaters. Die Ballade hatte bereits bei den Proben viele Beobachter zu Tränen gerührt. "Das ist das einzige Lied, bei dem ich wirklich Gänsehaut bekomme", sagte ein irischer Journalist nach einer der Proben. Seit dem Sieg von Lena 2010 hatte kein deutscher Beitrag besser abgeschnitten als das Lied von Michael Schulte.

Der Wettbewerb wurde während des Auftritts der britischen Sängerin SuRie von einem Mann gestört, der auf die Bühne stürmte und der erschrockenen Sängerin das Mikrofon entriss. Der Störer wurde vom ESC-Personal von der Sängerin weggerissen und anschließend von der portugiesischen Polizei in Gewahrsam genommen. Der Veranstalter, die Europäische Rundfunkunion (EBU), bot der Britin noch während der Sendung die Wiederholung ihres Auftritts an, aber die Sängerin lehnte ab. Am Ende landete sie auf dem drittletzten Platz, was allerdings zuvor bereits erwartet worden war.

Zensur in China

Der diesjährige Wettbewerb wurde in 46 Ländern ausgestrahlt. Außerdem konnte man die Show live im Internet verfolgen. In Deutschland verfolgten im Schnitt 7,71 Millionen Zuschauer das ESC-Finale im Ersten, was einem Marktanteil von 33,3 Prozent entspricht.

Die EBU hatte China nach dem ersten Halbfinale die Übertragungsrechte für das Finale entzogen, nachdem der chinesische Sender Mango TV sowohl den irischen Teilnehmer Ryan O'Shaughnessy als auch Eugent Bushpepa aus Albanien aus dem ersten Halbfinale herauszensiert hatte. In China ist es verboten, Menschen mit Tattoos zu zeigen. Den irischen Beitrag zensierte China, weil zwei Tänzer ein schwules Paar darstellten.

Von Christiane Link (epd)


WDR-Rundfunkrat fordert Ethik- und Verhaltenskodex


Tom Buhrow
epd-bild/Guido Schiefer
Der WDR-Rundfunkrat hat sich mit den Vorwürfen sexueller Belästigung im Sender beschäftigt. Das Aufsichtsgremium fordert einen Ethikkodex für den WDR. Intendant Tom Buhrow will indes den Umgang und das Miteinander im Sender verbessern.

Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) erhält immer mehr Hinweise auf Fälle sexueller Belästigung. Eine Vielzahl von Mitarbeitern sei damit beschäftigt, den größtenteils anonymen Vorwürfen nachzugehen, sagte Intendant Tom Buhrow am 8. Mai in Köln vor dem Rundfunkrat des Senders. Buhrow forderte alle Betroffenen auf, sich an eine der internen und externen Anlaufstellen zu wenden. Der Rundfunkrat verabschiedete eine Stellungnahme, in der Maßnahmen des WDR gefordert werden, "die dazu beitragen, strukturelle Defizite und Risiken zu erkennen, um Fehlverhalten effektiv zu vermeiden".

Das Aufsichtsgremium setzt sich außerdem für einen Ethik- und Verhaltenskodex und ein Meldeverfahren ein, das die personenbezogenen Daten Beteiligter schütze. Der Intendant müsse die Aufarbeitung sowie die Prävention im Rahmen eines Schutzkonzeptes offensiv und vorbehaltlos vorantreiben und notwendige Konsequenzen ziehen, fordern die Rundfunkräte.

"Wir dulden sexuelle Belästigung im WDR nicht", erklärte Buhrow. Auch im Fall des freigestellten Leiters des Programmbereichs Fernsehfilm, Kino und Serie, Gebhard Henke, gelte die Unschuldsvermutung. Henkes Freistellung gebe den Raum, um die Vorwürfe zu überprüfen, betonte der Intendant.

Kritik am Führungsstil

Henke wird von mehreren Frauen, darunter der Autorin und Moderatorin Charlotte Roche, der sexuellen Belästigung beschuldigt. Henke war über seinen Anwalt selbst an die Öffentlichkeit gegangen und weist die Vorwürfe zurück. Bereits Anfang April hatte der WDR einen Auslandskorrespondenten von seiner Arbeit entbunden. Ihm hatten eine Mitarbeiterin und eine ehemalige Praktikantin sexuelle Übergriffe vorgeworfen.

Seit Anfang April hatten verschiedene Medien über mutmaßliche Fälle sexueller Belästigung durch mehrere WDR-Mitarbeiter berichtet, die teilweise mehrere Jahrzehnte zurückliegen sollen. Dem öffentlich-rechtlichen Sender wird vorgehalten, Führungskräfte hätten Hinweise auf Belästigungen in den vergangenen Jahren nicht ausreichend ernst genommen. Interne Kritik am Führungsstil hatte unter anderem Christiane Seitz geäußert, die Vorsitzende des WDR-Personalrats, die Anfang April die Mitarbeit im für solche Fälle zuständigen Interventionsausschuss des Senders eingestellt hatte.

Ende April hatte der öffentlich-rechtliche Sender die frühere EU-Kommissarin Monika Wulf-Mathies (SPD) als externe Gutachterin eingeschaltet. Sie soll den Umgang der Senderspitze mit den Vorwürfen im Haus unabhängig überprüfen. Außerdem beauftragte der Sender eine Anwaltskanzlei als Anlaufstelle.

"Permanente Anlaufstelle"

Buhrow kündigte vor dem Rundfunkrat an, dass eine solche "permanente externe Anlaufstelle" in der neuen Dienstvereinbarung neben dem Interventionsausschuss eingeführt werden solle. Der Intendant will außerdem den Umgang und das allgemeine Miteinander im Sender verbessern. "Ich glaube, '#MeToo' ist auch ein Ventil", sagte er. Er sei "entschlossen, diesen Weg zu beginnen", kündigte aber keine konkreten Maßnahmen an.

Der Vorsitzende des Rundfunkrats, Andreas Meyer-Lauber, bestätigte Medienberichte, dass er die vorzeitige Verlängerung der Verträge von Hörfunkdirektorin Valerie Weber und Fernsehdirektor Jörg Schönenborn in Absprache mit Buhrow von der Tagesordnung der Sitzung am Dienstag genommen habe. Buhrow will erst den Prüfbericht von Wulf-Mathies abwarten, ehe er seine Personalvorschläge für die Direktorenposten unterbreitet. Dies stehe nicht im Zusammenhang mit konkreten Vorwürfen gegen die Direktoren in der Missbrauchsaffäre, betonte der Intendant. "Mein Vertrauen ist nicht erschüttert", sagte Buhrow.



Filme der Woche

Nach einer wahren Geschichte

Die Erfolgsschriftstellerin Delphine trifft bei einer Signierstunde auf die junge Elle, die als Ghostwriterin arbeitet. Die beiden freunden sich an. Und als Delphine sich das Bein bricht, pflegt Elle sie in ihrem Landhaus, vertritt sie bei einer Schulveranstaltung und wird ihr auch äußerlich immer ähnlicher. Für Delphines Schreibblockade ist Elle das Gegenmittel, ihre Geschichte wirkt inspirierend. Aber wer ist in dieser Geschichte wirklich „federführend“? Roman Polanski kehrt zum Mysteriösen zurück und stellt in seinem mehrdeutigen Schriftstellerinnendrama Fragen nach dem Verhältnis von Realität und Erfindung. Dem Zuschauer wird dabei einiges an Interpretationsarbeit zugemutet – was durchaus für den Film spricht.

Nach einer wahren Geschichte (Frankreich/Polen/Belgien 2017). R: Roman Polanski. B: Olivier Assayas, Roman Polanski (nach dem gleichnamigen Roman von Delphine de Vigan. Da: Emmanuelle Seigner, Eva Green, Vincent Perez, Josée Dayan. 100 Min.

Maria by Callas

Tom Volf ist von Haus aus Modefotograf und zeichnet bereits für eine Ausstellung und Bücher über Maria Callas verantwortlich. Einen gut vorbereiteten Dokumentarfilm über die Opern-Diva mit etlichen Gesprächspartnern strebte er an, verwarf zugunsten unzähliger Archivschätze jedoch fast alle Gesprächsbeiträge. Stattdessen füllt Callas zur Gänze selbst den Film, singt ihre Arien aus dem Off, schildert ihre Perspektive auf das eigene Leben in Interviewbeiträgen und äußert sich in nachvertonten Briefen. Ein wunderbar einseitiges Porträt, in dem die ungebrochene Faszination des Regisseurs für seinen Gegenstand fühlbar ist.

Maria by Callas (Frankreich 2017). R u. B: Tom Volf. 113 Min.

The Cleaners

„Content Moderators“ sind Menschen, die für ihre Arbeitgeber, große Internetdienste wie Facebook oder Twitter, die eingestellten Inhalte überprüfen. Das Löschen von terroristischer Propaganda fällt ebenso in ihren Arbeitsbereich wie das fragwürdige Befolgen von Zensurvorgaben. Der Dokumentarfilm „The Cleaners“ stellt die Arbeit dieser Menschen vor, die oft unzureichend ausgebildet und in Schwellenländern beschäftigt sind. Teils sprechen sie über den enormen Druck ihrer Arbeit, teils mit quasi-religiösem Eifer davon, wie sie für das Gute in der Welt kämpfen. Ein spannendes und verstörendes Zeitporträt.

The Cleaners (Deutschland/Brasilien 2018). R u. B: Moritz Riesewieck, Hans Block. 88 Min.

Hagazussa – Der Hexenfluch

Albrun und ihre Mutter leben im 15. Jahrhundert als Ziegenhirtinnen in einer Berghütte in den Alpen. Die beiden sind als Hexen verschrien. 20 Jahre später ist die Mutter gestorben, Albrun hat ein Kind, lebt immer noch in der Hütte, immer noch allein. Die Ausgrenzung nagt an ihr und eine dunkle Macht scheint sich in ihr zu erheben. Lukas Feigelfelds Debütfilm bemüht gekonnt auf allen filmischen Ebenen das Unheimliche, was sich in einem paranoiden Grundton und drastischen An- und Einsichten niederschlägt. Ein schöner Heimatfilm mit Horror- und Fantasy-Elementen.

Hagazussa – Der Hexenfluch (Deutschland/Österreich 2017). R u. B: Lukas Feigelfeld. Da: Aleksandra Cwen, Claudia Martini, Tanja Petrovsky, Haymon Maria Buttinger, Celina Peter. 102 Min.

www.epd-film.de




Entwicklung

Perspektive Kaffee


Der kenianische Kaffeebauer Charles Wanjohi
epd-bild/Bettina Rühl
Kangocho statt Nairobi: Während Tausende junge Kenianer ihr Glück in den Städten suchen, hat Jackson Rugara den entgegengesetzten Weg gewählt. Er ist jetzt Kaffeebauer. Und das mit Erfolg.

An Jackson Rugaras schwarzen Gummistiefeln klebt die dunkle, feuchte Erde des kenianischen Hochlands. Der Mittzwanziger ist Bauer - aber erst seit kurzem. Davor hat er, wie viele junge Menschen in Kenia, sein Glück in der Hauptstadt Nairobi versucht. Doch vor drei Jahren kam er zurück. "Ich habe mich für die Landwirtschaft entschieden, weil ich dabei viel Profit mache und mein eigener Boss bin", erzählt er in seiner Holzhütte im Dorf Kangocho, rund 100 Kilometer nördlich von Nairobi, während der Regen auf das Wellblechdach trommelt. An den Wänden hängen alte Kalenderblätter mit Porträts europäischer Fußballer und Bildern von Hotels. Eine einfach Sitzgarnitur steht auf dem nackten Erdboden.

Rugara ist Mitglied einer Kooperative von 14 jungen Bauern, die gemeinsam Kaffee anbauen. Im fruchtbaren Hochland Kenias gedeihen die mannshohen Bäume besonders gut. Aus ihrem Gewinn vergeben die Landwirte Mikrokredite an die Mitglieder ihrer Genossenschaft. Rugara hat sich das Geld für die Kuh geliehen, die hinter dem Haus steht und bald zum zweiten Mal kalbt. Weil er mit der Milch gut verdiene, könne er den Kredit problemlos abzahlen, erzählt er begeistert. Im kommenden Jahr wollen er und seine Kollegen Honigbienen kaufen.

Biologische Schädlingsbekämpfung

Bevor Rugara auf das Land seiner Eltern zurückkehrte, machte er nach der Schule eine Ausbildung zum Elektriker. Zwei Jahre lang arbeitete er in Nairobi. Wie sehr viele junge Kenianer auf der Suche nach Chancen. Laut den UN hat sich die Bevölkerung Nairobis in etwa 15 Jahren verdoppelt, zum Großteil wegen Landflucht. "Dort verdient man mehr, aber dafür muss man auch für alles mehr bezahlen. Hier haben wir weniger Ausgaben, ziehen zum Beispiel unser Gemüse selbst", erzählt Rugara. Am Ende bleibe mehr Geld übrig. Auch die anderen Mitglieder seiner Kooperative bleiben lieber auf dem Land, weil es ihnen lukrativer erscheint.

Kommerzielle Landwirtschaft galt in Kenia lange als eine Sache für alte Männer. Aber diese Zeiten sind vorbei, zumindest in der Kaffeeregion im Zentrum des Landes. Rugaras Kooperative gehört zur größeren Kaffee-Genossenschaft Gikanda, deren Gelände ganz in der Nähe seiner Hütte liegt. Sie wurde vor über 20 Jahren gegründet und hat inzwischen rund 3.700 Mitglieder, davon ein knappes Drittel Frauen. Etwa die Hälfte aller Mitglieder ist jünger als 40. Gikanda ist wegen der guten Qualität ihres Kaffees auch international bekannt.

Gerade findet auf dem Gelände eine Weiterbildung statt, Bäuerinnen und Bauern jeden Alters sitzen auf Holzstühlen, diskutieren mit dem Referenten. Thema ist die biologische Bekämpfung von Schädlingen, um den Ertrag der Kaffeebäume zu steigern. Zwischen fünf und 15 Kilo Kaffee ernten die Bauern derzeit pro Baum pro Jahr.

Mehr Geld für Fairtrade

"Wenn ich mehr Geld brauche, muss ich bloß mehr Kaffee produzieren", sagt Charles Wanjohi, ein Mittfünfziger mit wachem Blick und voller Energie, während er die roten Kaffeefrüchte von den Ästen pflückt. Natürlich sei der Kaffeeanbau harte Arbeit, das Geld falle einem Bauern nie einfach so in die Tasche. Wanjohi erntet zwölf Kilo pro Baum - das will er aber noch steigern. Auch die Qualität will er ständig verbessern, denn dann bekommt er am meisten Geld. Derzeit ist der Preis gut, mit 105 Shilling (rund 0,86 Euro) pro Kilo - es gab auch Jahre, in denen die Bauern nur ein Zehntel davon bekamen.

Ein Grund für die Verbesserung: die Kooperative hat seit 2006 das Fairtrade-Siegel, das den Bauern höhere Erlöse garantiert. "Außerdem ist die Nachfrage gestiegen. Und wir verbessern ständig die Qualität", erklärt John Gule Maina, der Geschäftsführer der Kooperative. Das wiederum liege an der besseren Ausbildung aller Mitglieder: "Unsere Bauern bilden sich ständig fort und wissen genau, wie sie mit den Pflanzen umgehen müssen. Dasselbe gilt für unsere Mitarbeiter in der Fabrik." Dort werden die roten Kirschen zu Rohkaffeebohnen verarbeitet. Der 39-jährige Leiter gehört selbst zu den jüngeren Mitgliedern von Gikanda, setzt sich für Verbesserungen und Neuerungen ein. Dazu gehört auch die Verbreitung von Informationen durch Apps.

"Die 20 Jahre, in denen ich jetzt schon Kaffeebauer bin, haben sich für mich wirklich gelohnt", meint Wanjohi. "Ich konnte ein weiteres Feld kaufen, und ein Grundstück in der Nähe, auf dem ich baue." Auch der junge Bauer Jackson Rugara und seine Frau Shelmy Gathige sind mit ihrem Leben in Kangocho zufrieden. Sie sind zuversichtlich, dass sie einmal die Schulgebühren für ihre zwei kleinen Töchter bezahlen können. "Man muss für alles was man braucht hart arbeiten", sagt die junge Frau. "Aber ich glaube nicht, dass das in Europa anders ist."

Von Bettina Rühl (epd)


WHO besorgt über Ebola-Ausbruch im Kongo

Die Weltgesundheitsorganisation zeigt sich besorgt über einen neuen Ausbruch der Ebola im Kongo. Zwei Menschen in Bikoro in der nordwestlichen Provinz Equateur seien positiv auf die tödliche Fieberkrankheit getestet worden, bestätigte die WHO dem Evangelischen Pressedienst am 9. Mai in Genf. In den vergangenen fünf Wochen gab es den Angaben zufolge fast 20 Todesfälle, hinter denen eine Ebola-Infektion vermutet wurde.

Die WHO arbeite eng mit der kongolesischen Regierung zusammen, um den Ausbruch der hochansteckenden Ebola einzudämmen, hieß es. Experten der WHO, von Ärzte ohne Grenzen und der Provinzregierung seien auf dem Weg nach Bikoro, dessen Gesundheitseinrichtungen sehr karg ausgestattet seien.

Laut der WHO handelt es sich um den neunten Ausbruch der Ebola im Kongo, seitdem der Erreger 1976 entdeckt wurde. Bei dem bislang schlimmsten Ausbruch der Krankheit vor rund vier Jahren starben in Westafrika 11.300 Menschen, Zehntausende steckten sich an. Damals warfen internationale Seuchenexperten der WHO vor, viel zu langsam auf die Krise reagiert zu haben.



Friedensprozess: Wahrheitskommission in Kolumbien nimmt Arbeit auf

In Kolumbien hat die Wahrheitskommission zur Aufarbeitung der Bürgerkriegsverbrechen ihre Arbeit aufgenommen. Präsident Juan Manuel Santos führte die elf Mitglieder des Gremiums am 8. Mai in ihr Amt ein. Die Leitung übernimmt der Jesuitenpater Francisco de Roux. Die Kommission soll die Gräueltaten des über 50 Jahre währenden bewaffneten Konflikts in Kolumbien untersuchen. Ihr Mandat geht aus dem Friedensvertrag von 2016 zwischen Regierung und der Farc-Guerilla hervor.

Im Gegensatz zur Übergangsjustiz, die über die Täter richtet und für Geständnisse erhebliche Strafnachlässe vorsieht, wird die Wahrheitskommission nur die Geschehnisse offenlegen. Sie dient in erster Linie dem Recht der Opfer, zu erfahren, was geschehen ist und wie es zu den Taten kam.

Das Mandat der Wahrheitskommission dauert drei Jahre. Im Mittelpunkt stehen Gespräche mit Opfern, Tätern und Zeugen. Sie wird eng mit Menschenrechtsorganisationen und staatlichen Stellen zusammenarbeiten. Am Ende soll ein detaillierter Bericht über den Hergang der Kriegsgräuel veröffentlicht werden.

300.000 Tote

In dem Krieg zwischen Regierung, paramilitärischen Milizen und verschiedenen Guerillagruppen wurden etwa 300.000 Menschen getötet und mindestens sieben Millionen Kolumbianer vertrieben. Auslöser waren Landkonflikte und soziale Ungerechtigkeit. Mit der letzten noch aktiven Guerillagruppe ELN führt die Regierung Verhandlungen.

Doch der Friedensprozess kommt nur langsam voran. In den Gebieten, die vor ihrer Entwaffnung von der Farc kontrolliert wurden, rivalisieren bewaffnete Gruppen um die Macht. Dabei gehen sie brutal gegen Zivilisten und Menschenrechtler vor. Mehr als 150 Aktivisten wurden von Januar 2017 bis März 2018 ermordet. Zudem ist die Gesellschaft in ihrer Einstellung zum Friedensvertrag gespalten. Ende Mai stehen in Kolumbien Präsidentschaftswahlen an, bei denen der extremen Rechten, die den Friedensprozess ablehnt, gute Chancen eingeräumt werden.



Amnesty: Todesstrafe gegen vergewaltigte Sudanesin aufheben

Menschenrechtler haben die Aufhebung der Todesstrafe gegen eine Sudanesin gefordert, die ihren Ehemann offenbar in Notwehr erstochen hat. Die Frau habe sich vor einer Vergewaltigung schützen wollen, das Strafmaß sei unakzeptabel und grausam, erklärte der Vizedirektor von Amnesty International in der Region, Seif Magango, nach der Bekanntgabe durch das Gericht in Omdurman am 10. Mai.

Die verurteilte Noura Hussein Hamad sei minderjährig und gegen ihren Willen von ihrem Vater verheiratet worden. Ihr Mann habe sie mit der Hilfe von drei Männern vergewaltigt. Bei einem erneuten Versuch habe Hamad ein Küchenmesser gegriffen und den Vergewaltiger in einem Handgemenge tödlich verletzt.

Das Gericht hatte unter anderem in Abrede gestellt, dass es Vergewaltigung in der Ehe gebe. Magango forderte eine Aufhebung des Urteils und eine Neuverhandlung, die die Umstände der Tat berücksichtigt. Zudem müssten sudanesische Gesetze, die die Eheschließung bereits im Alter von zehn Jahren zulassen, geändert werden. Die Todesstrafe sei überdies unter allen Umständen inhuman.

Amnesty International zufolge haben bislang 106 Länder die Todesstrafe abgeschafft. Im Sudan wurde die Todesstrafe zuletzt 2011 bei sieben Verurteilten vollzogen.




Termine

2.-3.6. Schwerte

Schule und Integration. Politische Konflikte machen nicht vor dem Seminarraum oder dem Klassenzimmer halt. Wie gehen wir in unseren Bildungseinrichtungen mit Auseinandersetzungen um, deren Ursprung nicht hier liegt und deren "Spielregeln" als tradierte Vorstellungen hier auf eine Gesellschaft treffen, die andere Konflikte und einen anderen Umgang damit gewohnt ist? In Deutschland relevant sind der politische Konflikt der Türken mit den Kurden und stärkere Auseinandersetzungen um "Rechtgläubigkeit" und die Präsenz von Religion in der Öffentlichkeit. Im Zuge der Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen werden Differenzen zu anderen oft hervorgehoben, um sich abgrenzen zu können. An dieser Stelle bieten von zu Hause oder dem Herkunftsland mitgebrachte Einstellungen und Konflikte genauso Identifikationspotential wie eine Konzentration auf den rechten Glauben, der aber auch nur zum Teil von entsprechenden Kenntnissen unterfüttert wird. Ein wichtiger Schritt in der Integration ist der geregelte Umgang mit Konflikten und die Vermittlung von Wissen, das oft ganz andere Fakten bietet als die tradierten Erzählungen.

www.kircheundgesellschaft.de

5.-6.6. Bad Boll

Digitalisierung für alle. Sozialer Zusammenhalt in einer digitalen Lebenswelt. Durch die Digitalisierung verändert sich die Arbeits- und Lebenswelt in Städten und auf dem Lande. Das hat Konsequenzen für den einzelnen Menschen wie für das gesellschaftliche Zusammenleben. Wissenschaftler aus Universitäten und Forschungsinstituten berichten aus den Bereichen Demokratisierung der Arbeit, kommunale Sozialpolitik und innovative Stadtentwicklung, mit denen sie den Diskurs über künftige Entwicklungen vorantreiben. Expandierende Metropolregionen und ländlicher Raum werden dabei in den Blick genommen, ebenso Großunternehmen und Solo-Selbstständige. Best-practice-Beispiele veranschaulichen die Themen.

www.ev-akademie-boll.de

8.-10.6. Tutzing

75 Jahre Weiße Rose – Was bleibt? Die letzten Worte von Hans Scholl vor seiner Hinrichtung bezeugen nicht nur den ungebrochenen Geist dieses jungen Widerstandskämpfers, sondern stehen gleichsam als Leitmotiv für das Wirken der Weißen Rose. Ob in Briefen, Tagebuchaufzeichnungen oder den erhaltenen Berichten über die vielen Gesprächsabende des studentischen Widerstandskreises, ihre Gedanken kreisten um die Wiederherstellung von Freiheit und den Schutz von Menschenrechten. Dabei verband die evangelisch, orthodox, katholisch und bekenntnislos aufgewachsenen Protagonisten ein undogmatisches und überkonfessionell gelebtes Christentum. In der Tagung wird nach den Motiven zum Widerstand der einzelnen Protagonisten gefragt, nach dem zeitlichen Kontext des Widerstands und nach den konkreten Aktionen und Zielen der Weißen Rose. Unsere Referierenden richten den Fokus auf die zentralen Akteure und ihr Umfeld sowie auf die Bedingungen für oppositionelles Handeln und Kommunikation in der Diktatur. Zudem geht es auch um die Geschichte der Erinnerung an die Weiße Rose nach 1945: Wie wurde erinnert und hat sich ihr Bild in der Geschichte gewandelt? Was sagt uns die Botschaft der Weißen Rose heute? Darüber reden wir auch mit Zeitzeugen und Studierenden.



www.ev-akademie-tutzing.de