Bonn (epd). Rund 14 Jahre lang hatte Attac die steuerlichen Vergünstigungen eines Vereins genossen. Im Oktober 2014 war dann plötzlich Schluss damit. Das Finanzamt Frankfurt erkannte der globalisierungskritischen Organisation die Gemeinnützigkeit ab. Der Grund: Der Verein verfolge allgemeinpolitische Ziele. "Das ist eine enorme Behinderung unserer Arbeit", klagt Attac-Sprecherin Frauke Distelrath.
Denn die Aberkennung der Gemeinnützigkeit hat für Vereine gravierende finanzielle Folgen. Sie dürfen keine steuerlich absetzbaren Spendenquittungen mehr ausstellen, was in der Regel viele Spender abschreckt. Auch die Nutzung öffentlicher Versammlungsräume wird dann wesentlich teurer. Zudem bleiben Fördertöpfe verschlossen.
"Kooperationspartner, die unsere Veranstaltungen in der Vergangenheit unterstützt haben, können das jetzt nicht mehr, weil sie nur gemeinnützige Organisationen fördern dürfen", sagt Distelrath. Attac hatte gegen die Entscheidung des Finanzamts geklagt. Der Rechtsstreit zieht sich hin. Mittlerweile liegt der Fall beim Bundesfinanzhof.
Meist keine Verhandlung
Attac sei mit seinem Kampf gegen die Finanzbehörden keine Ausnahme, sagt Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz "Rechtssicherheit für politische Willensbildung", einem Zusammenschluss von rund 80 Stiftungen und Vereinen. Bei ihm meldeten sich immer wieder Vereine, die Probleme mit den Finanzämtern hätten.
Auch der Hamburger Sektion des Naturschutzverbandes BUND war wegen ihres politischen Engagements vorübergehend die Gemeinnützigkeit aberkannt worden. Der Verein hatte sich für die Volksinitiative "Unser Hamburg - Unser Netz" eingesetzt. Im August vergangenen Jahres entschied der Bundesfinanzhof dann zugunsten der BUND-Sektion, die nun wieder gemeinnützig ist.
"Die meisten Fälle landen aber gar nicht erst vor Gericht", sagt Diefenbach-Trommer. Oft hätten die Vereine gar nicht die Mittel für einen jahrelangen Rechtsstreit, auch wenn eine Klage erfolgversprechend sei. Als Grund für die Aberkennung oder Ablehnung der Gemeinnützigkeit führten die Finanzämter häufig deren politische Zielrichtung an.
Birgit Weitemeyer ist Direktorin des Instituts für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen an der Bucerius Law School in Hamburg. Sie sagt: Gemeinnützige Vereine dürften sehr wohl im Rahmen ihres Vereinszweckes politische Meinungen äußern und auch zu Demonstrationen aufrufen. "Aber sie dürfen nicht tagespolitisch tätig sein."
Was das genau bedeutet, dazu gibt es bei den Finanzämtern offenbar sehr unterschiedliche Vorstellungen. Das zeigt eine Studie, die die Allianz "Rechtssicherheit für politische Willensbildung" Ende März gemeinsam mit dem Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement und der gewerkschaftsnahen Otto Brenner Stiftung vorstellte. Für die Studie wurden Finanzämtern in Deutschland zum Test drei gleiche Vereinssatzungen zur Genehmigung vorgelegt. Rund die Hälfte der 166 Finanzämter erkannte die Gemeinnützigkeit an, die andere nicht.
"Schwere Entscheidungen"
Diefenbach-Trommer macht den Behörden wegen ihrer widersprüchlichen Entscheidungen noch nicht einmal einen Vorwurf: "Die Finanzämter haben es bei der Entscheidung schwer." Grund sei die gesetzliche Abgabenordnung aus dem Jahr 1977. Diese listet die 25 Zwecke auf, welche die Anerkennung der Gemeinnützigkeit einer Organisation rechtfertigen, darunter etwa Förderung des Sports, des Umweltschutzes, der Seniorenhilfe oder aber der Tierzucht. Auch die "Förderung des demokratischen Staatswesens" ist hier aufgeführt. "Doch was das heißt, das weiß keiner so genau", sagt Diefenbach-Trommer.
Hinzu komme, dass viele Zwecke der mittlerweile rund 620.000 Vereine in Deutschland in der Abgabenordnung gar nicht erfasst seien. So fehle in der Liste zum Beispiel das Engagement gegen Rassismus oder für Frieden, kritisiert Diefenbach-Trommer. Seine Forderung: "Die Liste müsste erweitert werden." Zuständig dafür sei der Gesetzgeber.
Birgit Weitemeyer hält hingegen nichts von der Erweiterung der Abgabenordnung. "Man kann nicht für jeden einzelnen Verein einen Zweck anführen." Stattdessen schlägt die Juristin vor, die Anerkennung der Gemeinnützigkeit von Vereinen zu zentralisieren. So könnten Schwerpunkt-Finanzämter bestimmt werden, wo dann spezialisierte Abteilungen mit besonderem Know-how diese Aufgabe übernähmen. Diese könnten sich dann künftig an gerichtlich entschiedenen Musterfällen orientieren.
So wie zum Beispiel an der erwarteten Entscheidung des Bundesfinanzhofs zum Fall von Attac. Die werde sich aber wohl noch mehrere Jahre hinziehen, erwartet Attac-Sprecherin Distelrath. Viele Vereine würden so eine Durststrecke nicht überstehen, ist sie sicher. Da hat Attac mit seinen rund 30.000 Einzelmitgliedern und Mitgliedorganisationen einen entscheidenden Vorteil. "Wir haben sehr treue Mitglieder und Spender."