Vor den Gedenkfeiern zum 25. Jahrestag des fremdenfeindlichen Brandanschlags von Solingen kritisiert die Familie der Opfer den politischen Streit über die geplante Teilnahme des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu. "Es erfüllt mich mit tiefer Trauer, dass das Gedenken an den wichtigsten Tag meines Lebens von politischen Auseinandersetzungen überschattet wird", sagte Mevlüde Genç, die bei dem rassistisch motivierten Verbrechen vom 29. Mai 1993 zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte verlor, dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Bereits im Februar sei beschlossen worden, dass Cavusoglu am 29. Mai in Solingen eine Rede halten soll, sagte die 75-Jährige. "Einen Zusammenhang mit den vorgezogenen Wahlen in der Türkei herzustellen, ist daher mindestens unschlüssig." Jedes Jahr nähmen sowohl türkische als auch deutsche Vertreter am Gedenkprogramm teil. "Keiner der Repräsentanten des türkischen oder deutschen Staates hat auch nur ansatzweise daran gedacht, die Gedenkveranstaltung für die eigenen politischen Zwecke zu instrumentalisieren", betonte Genç. "Ich habe nicht die geringsten Zweifel daran, dass dies dieses Jahr genauso sein wird."

Kein Gedenken im Landtag

Die Beteiligung Cavusoglus ist wegen Befürchtungen umstritten, er könnte seinen Auftritt für Wahlkampfzwecke nutzen. Im Düsseldorfer Landtag wird es deshalb in diesem Jahr keine Gedenkfeier geben. Die nordrhein-westfälische Landesregierung plant aber eine eigene Veranstaltung am 29. Mai in Düsseldorf, zu der Cavusoglu ebenso eingeladen ist wie zum anschließenden Gedenken in Solingen.

Mevlüde Genç rief im epd-Gespräch zu einem friedlichen Miteinander auf. "Wir sollten in diesem Land friedlich und liebevoll zusammenleben und keinen Unterschied machen zwischen den Nationalitäten", sagte sie. "Wir sind doch alle Menschen und sollten uns auch wie Menschen verhalten und als Geschwister leben."

Der Schmerz über den Verlust ihrer Angehörigen werde sie bis zu ihrem Lebensende begleiten, erklärte Genç. Sie wolle nicht, dass auch andere Menschen dieses Leid erfahren müssten. Deshalb habe sie bereits kurz nach dem Anschlag von vier jungen Männern aus der rechtsextremen Szene gesagt: "Lasst uns alle zusammen für Versöhnung, Menschenfreundlichkeit und ein friedliches Miteinander eintreten, damit solche Taten nicht noch einmal verübt werden."