Köln (epd). Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) erhält immer mehr Hinweise auf Fälle sexueller Belästigung. Eine Vielzahl von Mitarbeitern sei damit beschäftigt, den größtenteils anonymen Vorwürfen nachzugehen, sagte Intendant Tom Buhrow am 8. Mai in Köln vor dem Rundfunkrat des Senders. Buhrow forderte alle Betroffenen auf, sich an eine der internen und externen Anlaufstellen zu wenden. Der Rundfunkrat verabschiedete eine Stellungnahme, in der Maßnahmen des WDR gefordert werden, "die dazu beitragen, strukturelle Defizite und Risiken zu erkennen, um Fehlverhalten effektiv zu vermeiden".
Das Aufsichtsgremium setzt sich außerdem für einen Ethik- und Verhaltenskodex und ein Meldeverfahren ein, das die personenbezogenen Daten Beteiligter schütze. Der Intendant müsse die Aufarbeitung sowie die Prävention im Rahmen eines Schutzkonzeptes offensiv und vorbehaltlos vorantreiben und notwendige Konsequenzen ziehen, fordern die Rundfunkräte.
"Wir dulden sexuelle Belästigung im WDR nicht", erklärte Buhrow. Auch im Fall des freigestellten Leiters des Programmbereichs Fernsehfilm, Kino und Serie, Gebhard Henke, gelte die Unschuldsvermutung. Henkes Freistellung gebe den Raum, um die Vorwürfe zu überprüfen, betonte der Intendant.
Kritik am Führungsstil
Henke wird von mehreren Frauen, darunter der Autorin und Moderatorin Charlotte Roche, der sexuellen Belästigung beschuldigt. Henke war über seinen Anwalt selbst an die Öffentlichkeit gegangen und weist die Vorwürfe zurück. Bereits Anfang April hatte der WDR einen Auslandskorrespondenten von seiner Arbeit entbunden. Ihm hatten eine Mitarbeiterin und eine ehemalige Praktikantin sexuelle Übergriffe vorgeworfen.
Seit Anfang April hatten verschiedene Medien über mutmaßliche Fälle sexueller Belästigung durch mehrere WDR-Mitarbeiter berichtet, die teilweise mehrere Jahrzehnte zurückliegen sollen. Dem öffentlich-rechtlichen Sender wird vorgehalten, Führungskräfte hätten Hinweise auf Belästigungen in den vergangenen Jahren nicht ausreichend ernst genommen. Interne Kritik am Führungsstil hatte unter anderem Christiane Seitz geäußert, die Vorsitzende des WDR-Personalrats, die Anfang April die Mitarbeit im für solche Fälle zuständigen Interventionsausschuss des Senders eingestellt hatte.
Ende April hatte der öffentlich-rechtliche Sender die frühere EU-Kommissarin Monika Wulf-Mathies (SPD) als externe Gutachterin eingeschaltet. Sie soll den Umgang der Senderspitze mit den Vorwürfen im Haus unabhängig überprüfen. Außerdem beauftragte der Sender eine Anwaltskanzlei als Anlaufstelle.
"Permanente Anlaufstelle"
Buhrow kündigte vor dem Rundfunkrat an, dass eine solche "permanente externe Anlaufstelle" in der neuen Dienstvereinbarung neben dem Interventionsausschuss eingeführt werden solle. Der Intendant will außerdem den Umgang und das allgemeine Miteinander im Sender verbessern. "Ich glaube, '#MeToo' ist auch ein Ventil", sagte er. Er sei "entschlossen, diesen Weg zu beginnen", kündigte aber keine konkreten Maßnahmen an.
Der Vorsitzende des Rundfunkrats, Andreas Meyer-Lauber, bestätigte Medienberichte, dass er die vorzeitige Verlängerung der Verträge von Hörfunkdirektorin Valerie Weber und Fernsehdirektor Jörg Schönenborn in Absprache mit Buhrow von der Tagesordnung der Sitzung am Dienstag genommen habe. Buhrow will erst den Prüfbericht von Wulf-Mathies abwarten, ehe er seine Personalvorschläge für die Direktorenposten unterbreitet. Dies stehe nicht im Zusammenhang mit konkreten Vorwürfen gegen die Direktoren in der Missbrauchsaffäre, betonte der Intendant. "Mein Vertrauen ist nicht erschüttert", sagte Buhrow.