Sie galt von Anfang an als Favoritin des Musikwettbewerbs und konnte sich am Ende gegen eine starke Konkurrenz durchsetzen - die israelische Sängerin Netta hat den 63. Eurovision Song Contest (ESC) in Lissabon gewonnen. Deutschland landete überraschend auf Platz vier. Nettas Lied "Toy" mit den unverkennbaren Gackergeräuschen setzte sich in einem spannenden Finale am 12. Mai gegen Zypern, Österreich und Deutschland durch.

Zuerst sah es so aus, als ob Österreich den Wettbewerb gewinnen würde. Die österreichischen Journalisten im Pressezentrum standen schon auf den Stühlen und umarmten eine lebensgroße Pappfigur ihres Sängers Cesar Sampson. Dann gaben die Moderatorinnen in Lissabon die Summe der Televoting-Ergebnisse bekannt, beginnend mit dem Land, das von den Zuschauern die wenigsten Punkte bekommen hatte. Am Ende lag Israel mit 529 Punkten vor Zypern mit 436 Punkten. Österreich belegte mit 342 Punkten den dritten Platz. Auch beim deutschen Publikum schnitt Netta mit immerhin zehn Punkten gut ab. Von der deutschen Jury bekam die Israelin allerdings nur einen Punkt.

Netta war zu Tränen gerührt. Die 25-Jährige rief Frauen auf, sich Gehör zu verschaffen und an sich selbst zu glauben. "Mir wurde so oft gesagt, ich sei nicht hübsch, nicht pfiffig und nicht dünn genug, um das zu tun, was ich tun möchte." Sie sei daher froh, dass sich das Publikum für Vielfalt entschieden habe. "Ich bin stolz und fühle mich geehrt, die Welt ein wenig verändert zu haben." Sie hoffe, dass das Lied auch anderen Stärke verleihe. Es ist bereits der vierte Sieg Israels bei dem Musikwettbewerb. Zuletzt hatte das Land 1998 mit Dana International gewonnen.

Michael Schulte, der mit seinem Lied "You Let Me Walk Alone" für Deutschland angetreten war, belegte überraschend Platz vier und beendete damit eine jahrelange Durststrecke. 2017 hatte der deutsche Beitrag beim ESC-Finale lediglich den vorletzten Platz erreicht, in den beiden Jahren zuvor jeweils den letzten Platz.

"Gänsehaut"

In seinem sehr persönlichen Lied verarbeitete der 28-Jährige aus Buxtehude den frühen Tod seines Vaters. Die Ballade hatte bereits bei den Proben viele Beobachter zu Tränen gerührt. "Das ist das einzige Lied, bei dem ich wirklich Gänsehaut bekomme", sagte ein irischer Journalist nach einer der Proben. Seit dem Sieg von Lena 2010 hatte kein deutscher Beitrag besser abgeschnitten als das Lied von Michael Schulte.

Der Wettbewerb wurde während des Auftritts der britischen Sängerin SuRie von einem Mann gestört, der auf die Bühne stürmte und der erschrockenen Sängerin das Mikrofon entriss. Der Störer wurde vom ESC-Personal von der Sängerin weggerissen und anschließend von der portugiesischen Polizei in Gewahrsam genommen. Der Veranstalter, die Europäische Rundfunkunion (EBU), bot der Britin noch während der Sendung die Wiederholung ihres Auftritts an, aber die Sängerin lehnte ab. Am Ende landete sie auf dem drittletzten Platz, was allerdings zuvor bereits erwartet worden war.

Zensur in China

Der diesjährige Wettbewerb wurde in 46 Ländern ausgestrahlt. Außerdem konnte man die Show live im Internet verfolgen. In Deutschland verfolgten im Schnitt 7,71 Millionen Zuschauer das ESC-Finale im Ersten, was einem Marktanteil von 33,3 Prozent entspricht.

Die EBU hatte China nach dem ersten Halbfinale die Übertragungsrechte für das Finale entzogen, nachdem der chinesische Sender Mango TV sowohl den irischen Teilnehmer Ryan O'Shaughnessy als auch Eugent Bushpepa aus Albanien aus dem ersten Halbfinale herauszensiert hatte. In China ist es verboten, Menschen mit Tattoos zu zeigen. Den irischen Beitrag zensierte China, weil zwei Tänzer ein schwules Paar darstellten.