die Corona-Krise läßt mit ihren einschneidenden Folgen keinen Lebensbereich aus - auch nicht die Prostitution. Noch ist nahezuhe überall bezahlter Sex in Bordellen strikt verboten. Folglich geraten die Sexarbeiterinnen in finanzielle Nöte, denn sie haben keine Einnahmen mehr. Das geht schnell an die Existenz, wie die Visite von Jana-Sophie Brüntjen in einem Dortmunder Bordell zeigt.
Kinderarmut in Deutschland - darüber ist schon zig mal berichtet worden. Und doch ist die Erregung immer wieder groß, wenn aktuelle Studien zum Thema erscheinen. Wie jetzt wieder, publiziert von der Bertelsmann Stiftung. Demnach bewegt sich die Armut von Kindern ohnehin auf erschreckend hohem Niveau. Doch jetzt kommen die Folgen von Corona hinzu. Arme Mädchen und Jungen trifft es besonders hart. Sozialverbände und Parteien fordern einmal mehr die Einführung der Kindergrundsicherung.
Endlich dürfen Träger wieder Tagespflege anbieten. So kann auch die diakonische Tagespflege in Goslar erste Gäste aufnehmen. Mehr als 60 Prozent Auslastung sind jedoch nicht möglich - nur zwölf Personen sind erlaubt. Mehr sind wegen der Hygiene- und Abstandsregeln nicht gestattet. Zwar arrangiert man sich mit den Regelungen, doch die Angst vor einer möglichen zweiten Corona-Welle geht um. Eine erneute Schließung der Tagespflege würden "weder die Angehörigen noch die Pflegebedürftigen überstehen".
Bald ist es fünf Jahre her, dass Deutschland gestrandete Flüchtlinge ins Land gelassen hat. Und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ihren wohl bekanntesten Satz "Wir schaffen das" sagte. Jetzt ziehen mehrere Organisationen in einer von Pro Asyl, der Diakonie Hessen und dem Initiativausschuss für Migrationspolitik in Rheinland-Pfalz initiierten Erklärung eine Bilanz der Aufnahme von Flüchtlingen seit 2015. Darin steht viel Positives, aber es werden auch etliche Korrekturen der aktuellen Politik angemahnt. Der epd dokumentiert das Papier im Wortlaut.
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Dirk Baas
Dortmund (epd). Wer heute das "Bordoll" im Dortmunder Süden betritt, muss sich erst einmal die Hände desinfizieren und ein Kontaktformular ausfüllen. Danach läuft alles seinen geregelten Gang: Der Freier geht mit einer Sexpuppe aufs Zimmer, anschließend wird alles gereinigt, die Laken getauscht und der Raum gelüftet. Der Unterschied zu gewöhnlichen Zeiten: Sex mit Prostituierten ist hier - wie überall in Nordrhein-Westfalen - wegen der Corona-Pandemie aktuell nicht erlaubt.
Seit dem 16. März darf Evelyn Schwarz, die Betreiberin des Bordells, weder Frauen in ihrem Haus arbeiten lassen noch selbst ihre Dienste anbieten. Damals beschloss die Bundesregierung ein befristetes Verbot aller sexuellen Dienstleistungen. Schwarz erreichte Ende Mai immerhin eine Ausnahme beim Ordnungsamt für den Betrieb mit den Sexpuppen. "Das hat mich finanziell gerettet", sagt sie.
Inzwischen gibt in eigenen Bundesländern Lockerungen des Verbots: In Niedersachsen urteilte beispielweise das Oberverwaltungsgericht Lüneburg kürzlich, dass Escort-Dienste, also Haus- und Hotelbesuche, nicht verboten sind. In Nordrhein-Westfalen dürfen die Bordelle seit dem 13. Juli Wellnessmassagen ohne sexuelle Handlungen anbieten. Andere Länder halten hingegen an den strikten Regelungen fest.
Diese Einschränkungen haben nach Angaben des Bündnisses der Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter oft existenzgefährdende Folgen. Die Zahl der hilfesuchenden Prostituierten habe sich drastisch erhöht. Viele Frauen und Männer hätten sich gezwungen gesehen, in ihre Herkunftsländer zurückzureisen. Die, die blieben, litten unter den ausbleibenden Einnahmen, einem erschwerten Zugang zu öffentlichen Hilfssystemen und drohender Wohnungslosigkeit. Um ihr Überleben zu sichern, arbeiteten sie illegal, was wiederum Bußgeldstrafen nach sich ziehe.
Ende März beschloss die Bundesregierung "Maßnahmen zur Vermeidung von Obdachlosigkeit von Sexarbeitenden" zum Schutz der Betroffenen. Seitdem dürfen Prostitutionsstätten als Schlafunterkünfte genutzt werden, solange die Hilfesuchenden keine sexuelle Dienstleistungen anbieten und die Situation nicht zur Ausbeutung der Menschen führt.
Für Sexarbeitende, die keinen Anspruch auf staatliche Hilfe haben oder die Zeit bis zur Auszahlung überbrücken müssen, richtete der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen einen Nothilfefonds ein. Selbstständige können die vereinfachte Grundsicherung beantragen, bis Ende Mai konnten sie zudem einen Antrag auf Soforthilfe bei den zuständigen Landesbehörden stellen.
Die Soforthilfen galten allerdings nur für die Betriebskosten, die oftmals weit unter den eigentlichen Fixkosten lagen. Die KfW-Schnellkredite aus dem Corona-Sonderprogramm wurden Bordellen derweil laut Betreiberin Schwarz nur ungern bewilligt. Dabei gefährde die aktuelle finanzielle Unsicherheit auch die Arbeitsplätze von Menschen, die indirekt in dem Gewerbe arbeiten, wie dem Security- und Hauspersonal.
In den Nachbarländern Österreich, Schweiz und den Niederlanden ist Sexarbeit inzwischen wieder erlaubt. "Jetzt, wo die Grenzen wieder offen sind, wird es Sextourismus geben", befürchtet Bordellbesitzerin Schwarz.
Auch die ungleichen Regelungen innerhalb Deutschlands könnten dazu führen, dass ihr nicht nur Kunden, sondern künftig auch Mieterinnen fehlen. "Mit einem Hurenpass kann man überall arbeiten und als Selbstständige sind die Frauen unabhängig“, sagt sie.
Besondere Sorgen bereitet Schwarz zudem, dass aktuell wieder ein Sexkaufverbot im Gespräch ist. Im Mai forderten 16 Bundespolitiker der Regierungsfraktionen in einem offenen Brief an die Ministerpräsidenten der Länder, Sexarbeit auch nach der Pandemie zu untersagen. "Das würde viele Frauen in den Untergrund und die Illegalität treiben", sagt Schwarz.
Frankfurt a.M. (epd). Momentan ist Sexarbeit in Bordellen wegen der Corona-Pandemie bundesweit untersagt, doch die Debatte über ein generelles Verbot der Prostititution geht weiter. Befürworter einer solchen gesetzlichen Regelung nach dem sogenannten nordischen Modell sehen darin mehrere Vorteile: Sexkäufer und Bordell-Betreiber würden kriminalisiert, Prostituierte hingegen nicht bestraft, Ausstiegsprogramme würden finanziert. Doch noch ist die Rechtslage in Deutschland eine andere: Ein Überblick von epd sozial über die bisher in der Prostitution geltenden Regeln.
Wie ist Prostitution in Deutschland geregelt?
Grundsätzlich ist Prostitution hierzulande legal. Ausnahmen bilden dem Strafgesetzbuch nach nur die Prostitution Minderjähriger, die Arbeit in Sperrbezirken und Zwangsprostitution. Erstmals als nicht sittenwidrig gilt das Gewerbe seit der Einführung des Prostituiertengesetzes 2002. Vereinbarungen zwischen Prostituierten und ihren Kunden können seitdem durch Gerichte geprüft werden. Zudem können Sexarbeitende rechtswirksame Arbeitsverträge abschließen und sich somit bei der Sozialversicherung anmelden.
Was änderte sich durch das Prostituiertenschutzgesetz 2017?
Die Sexarbeit wurde stärker reglementiert. Das Gesetz schreibt allen Prostituierten vor, ihre Arbeit anzumelden. Zudem müssen sie zu einem allgemeinen Informationsgespräch gehen und sich regelmäßig gesundheitlich beraten lassen. Wer ein Prostitutionsgewerbe betreiben will, braucht zusätzlich eine Erlaubnis der zuständigen Behörde. Der Gesetzgeber führte außerdem eine Kondompflicht ein. Zuständig für die Ausführung des Gesetzes sind die Länder. Jedes Bundesland legt fest, bei welcher Behörde die umgangssprachlich als "Hurenpass" bezeichnete Erlaubnis im Zwei-Jahres-Rhythmus beantragt werden muss. Auch die Kosten für die Anmeldung unterscheiden sich je nach Land. Im Prinzip gilt die Genehmigung im gesamten Bundesgebiet, einige Länder schreiben jedoch eine gesonderte Anmeldebescheinigung vor.
Wie viele Prostituierte gibt es in Deutschland?
Nach Angaben des Statistisches Bundesamtes waren Ende 2018 rund 32.800 Personen offiziell nach dem Prostituiertenschutzgesetz angemeldet. Die meisten von ihnen hatten die rumänische Staatsangehörigkeit (35 Prozent), etwa drei Viertel waren zwischen 21 und 44 Jahre alt. Angaben des Bundesfamilienministeriums zufolge ist eine "weit überwiegende Mehrheit" der Prostituierten weiblich. Tatsächliche dürfte es wesentlich mehr Prostituierte geben, Schätzungen gehen von bis zu mehreren hunderttausend Männern und Frauen aus.
Wie ist die Lage der Sexarbeitenden?
Die Situation der Prostituierten wird je nach Quelle unterschiedlich eingeschätzt. Frauenrechtsorganisationen wie Terre des Femmes warnen, dass viele Prostituierte minderjährig in das Geschäft einstiegen und vor allem Migrantinnen zur Arbeit gezwungen werden oder die Prostitution als einzige Möglichkeit sehen, der Armut zu entkommen. Die Mehrheit der Frauen will Aktivistinnen zufolge aussteigen, was aber durch Faktoren wie Drogen- oder Alkoholabhängigkeit, Traumatisierung oder mangelnden Deutschkenntnissen erschwert wird. Auch das Bundesfamilienministerium gibt an, "dass sich viele Prostituierte in einer sozialen und psychischen Situation befinden, in der es fraglich ist, ob sie sich frei und autonom für oder gegen diese Tätigkeit entscheiden können".
Laut Hydra, einer Interessenvertretung von Prostituierten, arbeiten hingegen viele Prostituierte selbstbestimmt, "weite Teil der Sexarbeitsbranche" hätten nichts mit Menschenhandel zu tun. Die Mehrheit der Kunden verhalte sich respektvoll und akzeptiere ein "Nein". Ein Sexkaufverbot führe außerdem nicht dazu, dass weniger Männer zu Prostituierten gehen, sondern setze Sexarbeiterinnen mehr Risiken und Gefahren aus.
Berlin (epd). Für weite Teile der Wirtschaft führt die Corona-Krise zu erheblichen Einbußen, in einigen Betrieben bedroht sie gar die Existenz. Laut aktueller DIHK-Blitzumfrage unter mehr als 10.000 Unternehmen leiden 60 Prozent der Betriebe weiterhin unter einer gesunkenen Nachfrage. Vier von fünf Unternehmen erwarten für das gesamte Jahr Umsatzeinbrüche. Beschäftigte sind vermehrt in Kurzarbeit, Arbeitsplatzverluste beispielsweise infolge von Insolvenzen lassen sich nicht immer vermeiden. In diesem Umfeld sind die Ausbildung und Beschäftigung von Geflüchteten eine noch größere Herausforderung.
Wir sprechen regelmäßig mit Betrieben, die die Ausnahmesituation von Ausbildung und Integration von Geflüchteten in der Corona-Krise auf kreative Art und Weise bewältigen. Der Großteil der Unternehmen macht keinen Unterschied zwischen Beschäftigten mit und ohne Fluchthintergrund. Sie versuchen, wenn irgend möglich, alle Beschäftigten zu halten.
Gleichzeitig hängt für geflüchtete Menschen in Ausbildungs- oder Beschäftigungsduldung vom Arbeitsplatz auch der befristete Aufenthalt in Deutschland ab, so dass eine zusätzliche Verunsicherung mit der Entwicklung verbunden ist. Auch für die betroffenen Betriebe wird die Situation dadurch schwieriger.
Denn bei Abbruch oder Verlust der Ausbildung hat ein Geflüchteter, der sich in Ausbildungsduldung befindet, einmalig sechs Monate Zeit für die Suche eines neuen Ausbildungsplatzes, ohne dass seine Duldung erlischt. Geflüchtete in Beschäftigungsduldung haben drei Monate Zeit, einen neuen sozialversicherungspflichtigen Job zu finden.
Zwar sind aufgrund der Einschränkungen rund um COVID-19 die Asylverfahren und entsprechend auch Abschiebungen zum Teil ausgesetzt, doch inwieweit die gesetzlich geregelte Frist derzeit zur Suche einer neuen Ausbildungs- oder Arbeitsstelle reicht und wie viele Menschen in Duldung im Zuge dessen von einer Abschiebung bedroht sind, wird sich wohl erst in den kommenden Monaten zeigen.
Wir befragen jedes Jahr unsere Mitgliedsunternehmen zum aktuellen Stand der Integration von Geflüchteten. Dazu gehört auch die Frage nach den Beweggründen für die Ausbildung und/oder Beschäftigung von Geflüchteten. Die häufigste Antwort war stets die soziale Verantwortung, die die Betriebe übernehmen möchten (Anstieg von 80 auf 84 Prozent von 2018 bis 2019).
Auf der anderen Seite hat der Treiber Fach- und Hilfskräftemangel in der letzten Befragung stark zugenommen: Drei von vier Mitgliedsunternehmen beschäftigen aus diesem Grund Geflüchtete (von 65 auf 74 Prozent von 2018 bis 2019).
In den vergangenen Jahren konnten viele Geflüchtete von dem Fachkräftemangel in vielen Branchen hierzulande profitieren. Sollte sich die Zahl der Arbeitssuchenden in den kommenden Monaten aber deutlich erhöhen, wird es vermutlich einigen Betrieben schwerer fallen, den Mehraufwand zu investieren, der durch behördliche Auflage oder Sprachförderbedarf für Geflüchtete mitunter entsteht.
Unser Wunsch in der aktuellen Situation ist ganz klar, dass Unternehmen die Zielgruppe Geflüchtete nicht aus den Augen verlieren. Der Arbeitsplatz ist für Geflüchtete nicht nur für ihren Lebensunterhalt wichtig, hier entsteht auch Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen - er ist ein ganz wichtiger Ort der Integration.
Unsere jüngste Mitgliederbefragung zeigt auch: Mehr als jedes zweite Unternehmen im Netzwerk (56 Prozent) bildet Geflüchtete aus. Bei der Mitgliederbefragung 2016 war es noch jedes dritte Unternehmen (35 Prozent). Die Ausbildung ist mit Abstand die häufigste Beschäftigungsform unter unseren Mitgliedern. Und auch die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit bestätigen diesen Trend: Seit 2015 ist die Zahl der Geflüchteten in Ausbildung um das Achtfache angestiegen und lag im September 2018 bei 55.000.
Zu der Frage, wie die Corona-Pandemie diese Werte verändern wird, liegen noch keine Daten vor. Insgesamt zeichnet sich aber ab, dass die Zahl der neuen Ausbildungsverträge derzeit erkennbar hinter jenen des Vorjahreszeitraums zurückbleiben. Dies wird auch für Geflüchtete spürbar sein.
Gleichzeitig geben uns Mitgliedsunternehmen derzeit aber auch das deutliche Signal: Die Zahl der Ausbildungsstellen soll nicht reduziert werden, auch Betriebe in Kurzarbeit wollen Auszubildende mit Fluchthintergrund übernehmen, andere entwickeln kreative Ideen, um für die neue Ausbildungssaison auch bei sozialer Distanz in Kontakt mit der Zielgruppe zu kommen.
Eines ist jedoch schon heute klar: Für Geflüchtete, die bereits in Ausbildung sind, haben die Einschränkungen in Folge der Corona-Pandemie enorme Auswirkungen. Verständnisprobleme aufgrund fehlender Sprachkenntnisse sind beispielsweise digital viel schwerer zu lösen als direkt in der Schule. Außerdem haben viele Geflüchtete keinen Laptop, um dem digitalen Unterricht zu folgen oder müssen sich das Gerät mit anderen teilen. Das erschwert auch die Vorbereitungen auf die Prüfungen, die für Nicht-Muttersprachler ohnehin schon herausfordernd sind.
Das Netzwerk Unternehmen integrieren Flüchtlinge wurde 2016 als gemeinsame Initiative des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie gegründet. Mit unseren fast 2.500 Mitgliedern sind wir deutschlandweit der größte Zusammenschluss von Unternehmen, die sich für die Beschäftigung von Geflüchteten engagieren.
Auch wir spüren in unserer Arbeit mit den Firmen die Veränderung durch die Corona-Pandemie deutlich. Während wir im vergangenen Jahr auf mehr als 100 Veranstaltungen in ganz Deutschland mit Betrieben im Austausch waren, mussten wir nun neue Wege finden und haben unser Angebot an Webinaren und digitalen Workshops deutlich ausgebaut. Unsere Aufgabe wird nun auch sein, Unternehmen dafür zu begeistern, auch in Krisenzeiten ihr Engagement für Vielfalt und Geflüchtete aufrechtzuerhalten. Deshalb abschließend der Hinweis: Unsere Angebote wie auch die Mitgliedschaft im Netzwerk ist kostenlos.
Frankfurt a.M. (epd). Menschen sind gekommen. Ohne dass wir sie gerufen hätten. Menschen sind gekommen, weil sie vor Bomben und Kugeln, vor Terror und politischer Verfolgung, vor Folter und Misshandlung fliehen mussten. Sie flohen aus den Kriegs- und Krisengebieten in Syrien, Afghanistan, dem Irak, Eritrea oder Somalia. Sie flohen, weil sie dort keine Perspektive hatten und die Türkei als Durchgangsland kein Staat ist, der dauerhaft Schutz gewährt.
Menschen sind gekommen mit der vagen und auf ihren Fluchtwegen oft hart geprüften Hoffnung, hier etwas Besseres zu finden. Menschen sind gekommen, weil andere EU-Staaten geltendes Recht brechen und keine Flüchtlinge aufnehmen wollen. Sie sind gekommen, weil Deutschland ein demokratischer Rechtsstaat ist, in dem die Menschenrechte und das EU-Recht geachtet werden, ein Staat, der seine Grenzen nicht rechtswidrig geschlossen hat.
Menschen sind gekommen. Und Menschen haben sie aufgenommen. Schon das allein ist eine Erfolgsgeschichte. Dieser lange Sommer der Flucht im Jahr 2015 traf auf eine lebendige, Humanität, Empathie und die Idee der Menschenrechte verwirklichende Zivilgesellschaft.
Und dann wurde aus der Aufnahme Geflüchteter sogar noch in vielen anderen Hinsichten ein Erfolg. Mit den Menschen kamen neue Nachbarinnen und Nachbarn, neue Freundinnen und Freunde in Kindertagesstätten, Schulen, Vereinen, Kommilitoninnen und Kommilitonen, Unterstützerinnen und Unterstützer im Ehrenamt, neue Kolleginnen und Kollegen am Arbeitsplatz. Mit den Schutzsuchenden sind Menschen nach Deutschland gekommen, die arbeiten wollen und können. Viele von ihnen sind jung und sie tragen schon jetzt dazu bei, der Überalterung der Bevölkerung entgegenzuwirken.
85 Prozent aller Geflüchteten haben mittlerweile an Sprachkursen teilgenommen. Ihre Integration in den Arbeitsmarkt geht schneller als gedacht. Anfang März 2020 hatte fast jede*r zweite Geflüchtete in Deutschland Arbeit.
Die Gesetzliche Krankenversicherung registriert einen doppelten Entlastungseffekt, weil Geflüchtete jünger sind als der Durchschnitt der Versicherten und weniger Leistungen in Anspruch nehmen als gleichaltrige Versicherte. Jedes Semester immatrikulieren sich mehrere Tausend Geflüchtete an deutschen Hochschulen und Universitäten. Allein im Wintersemester 2018/19 waren es 3.788, 18-mal so viele wie im Wintersemester 2015/16. Tendenz weiter steigend.
130.000 geflüchtete Kinder und Jugendliche wurden zwischen Januar 2015 und März 2018 eingeschult. Und bei alledem wurde deutlich weniger ausgegeben als geplant. 2015 schätzten Experten des Instituts für Weltwirtschaft, dass die Integration der Flüchtlinge mindestens 20 Milliarden Euro jährlich kosten wird. Die Bundesregierung ging damals davon aus, dass auch das nicht ausreichen würde und erwog zusätzlich noch eine Benzinsteuer.
Fakt ist: Die tatsächlichen Ausgaben des Bundes für Flüchtlinge in Deutschland beliefen sich im Jahr 2019 auf 14,7 Milliarden Euro - inklusive von Kostenerstattungen an die Bundesländer in Höhe von 6,3 Mrd. Euro. Dabei sind die zusätzlichen Steuereinnahmen durch mitarbeitende Geflüchtete noch gar nicht eingerechnet.
Und die von der Bundesregierung gebildete Flüchtlingsrücklage in Höhe von mittlerweile 35 Milliarden Euro wurde bisher nicht angetastet.7 Das alles macht deutlich: Wir sind nicht nur - unabhängig von den Kosten - verpflichtet, Flüchtlinge aufzunehmen, weil das individuelle Recht auf Asyl unbedingt gilt, wir können uns die Aufnahme Schutz suchender Menschen ökonomisch auch gut leisten. Und gesellschaftlich zahlt sie sich aus. Auch deshalb sagen wir: #offengeht.
Der Sommer der Flucht löste eine Welle der Solidarität aus. Während die Politik debattierte, machten sich Zehntausende in Deutschland buchstäblich über Nacht auf, um gravierende Leerstellen in der Aufnahme und Versorgung der Geflüchteten zu füllen.
Es war über Wochen und Monate hinweg ein kreatives Chaos, in dem Bürgerinnen und Bürger sich als selbstwirksam erlebten, als Individuen, die gemeinsam mit anderen etwas bewirken und verändern konnten. Die Verwaltungen in vielen Kommunen und Gemeinden unterstützten tatkräftig. Neue Formen der Kooperation und Vernetzung entstanden, die lange getragen haben und unsere Arbeit noch immer prägen. Mut und Stärke, Improvisationsgeschick, die Notwendigkeit, Neues auszuprobieren, ohne den Ausgang zu kennen, Denken und Handeln ohne Geländer, Aufbrechen mit einer Vision im Kopf, ohne zu wissen, ob man ankommt, all das sind Kennzeichen einer Zeit, in der Vieles ging.
Erfahrungen und Strukturexperimente aus diesen aufgeregten und aufregenden Zeiten sind bis heute in Herzen und Köpfen präsent. Die Bewegung der Geflüchteten hat ein ganzes Land bewegt und viele am eigenen Leib erfahren lassen: #offengeht.
Aber an vielen Stellen hat die Politik sich gegen das neue zivilgesellschaftliche Engagement gewendet. Rechtliche Hürden wurden aufeinandergetürmt. Wohnsitzauflagen verhindern noch größere Erfolge bei der Integration. Die Angst vor vielen Familienangehörigen auf der Flucht und vor allem die Angst vor Rassist*innen und Rechtsextremen in den Parlamenten bestimmte große Teile der Gesetzgebung. Statt die Bereitschaft der Vielen, aktiv und kreativ an der Bewältigung neuer Herausforderungen mitzuarbeiten, positiv zu würdigen und für die Weiterentwicklung dieser Gesellschaft zu nutzen, wird ihr Engagement an vielen Stellen behindert, zermürbt und ausgebremst.
Schutzsuchende werden von Unterstützer*innen fern- und immer länger in immer größer werdenden Lagern festgehalten. Die Zugänge zu Rechtsmitteln und unabhängiger Beratung werden erschwert, Haftgründe ausgeweitet, Abschiebungen forciert und brutalisiert. Zivilgesellschaftliches Engagement für Geflüchtete wird diskreditiert und kriminalisiert. Die finanziellen Ressourcen für eine funktionierende Aufnahmegesellschaft werden drastisch reduziert.
Dabei sind Investitionen in die Infrastruktur dringend nötig, auch im Blick auf die erwünschte Arbeitsmarktzuwanderung. Es ist ein Irrtum, zu denken, dass man gegenüber Flüchtlingen die Grenzen schließt, Stimmung schürt und eine Gesetzesverschärfung nach der anderen auf den Weg bringt, und gleichzeitig Hochqualifizierte mit offenen Armen empfangen kann. Rassistische Haltungen fragen nicht danach, mit welchem Aufenthaltsstatus ein Mensch hier lebt. Sie treffen alle in unserem Land, die als fremd markiert werden.
Das verbal verbreitete Gift, die Verrohung der Sprache, die Missachtung von Grund- und Menschenrechten, Alltagsrassismus und rassistische Gewalt entziehen unserer Gesellschaft die Grundlagen. Wir treten deshalb nicht nur für einzelne Gruppen in der Gesellschaft ein, sondern für uns alle. Nur #offengeht.
#offengeht: Der Zugang zum Asylrecht muss an Europas Grenzen gewährleistet sein. Menschenrechtswidrige Push-Backs, direkte Abschiebungen ohne Prüfung eines Asylantrages – durch Griechenland oder andere EU-Mitgliedstaaten – müssen aufhören.
#offengeht: Viele Flüchtlingsunterkünfte in den Kommunen stehen zurzeit leer. Andere können kurzfristig reaktiviert werden. Es gibt hinreichend Ressourcen, Kapazitäten und Kompetenzen in Deutschland, um weitere Flüchtlinge aufzunehmen und unserer internationalen Verantwortung für den Flüchtlingsschutz nachzukommen.
#offengeht: Wir können und wir sollten eine erhebliche Zahl von Geflüchteten aufnehmen, die heute in Elendslagern auf den griechischen Inseln und an anderen Orten der europäischen Außengrenze verzweifeln.
#offengeht: Die Situation in den Hauptherkunftsländern von Flüchtlingen werden in absehbarer Zeit nicht besser werden, weder in Syrien noch im Irak noch in Afghanistan noch in Eritrea noch in Somalia noch in der Türkei. Darum sollte nicht auf Abschiebungen gesetzt werden, sondern auf Integration vom ersten Tag an.
#offengeht: Asylsuchende müssen so schnell wie möglich in die Kommunen verteilt werden, um ihre Unterstützung und Integration zu fördern.
#offengeht: Die Vielfaltsfähigkeit zentraler Institutionen und Einrichtungen muss gezielt gefördert werden, nicht nur im Blick auf neu ankommende Geflüchtete, sondern für alle in einer heterogener werdenden Migrationsgesellschaft.
Berlin (epd). Vor allem in den Reinigungsberufen seien Frauen unterbezahlt, vier von fünf Beschäftigten und damit 78 Prozent der weiblichen Reinigungskräfte kämen mit ihrem Einkommen nicht oder gerade so hin, um den Lebensunterhalt zu bestreiten, heißt es im DGB-Index "Gute Arbeit", den der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) am 20. Juli veröffentlichte.
Im Verkauf betreffe dies 58, in den Pflegeberufen 53 Prozent der Befragten. In den Erziehungs- und Sozialberufen ist jede zweite Frau (50 Prozent) unterbezahlt, heißt es in der Erhebung.
In allen vier Berufssparten ist der Anteil an Frauen laut DGB-Index besonders hoch: Bei den Reinigungsberufen liegt er bei 81 Prozent, im Verkauf bei 82, in den Erziehungs- und Sozialeberufen bei 83 und in der Alten- und Krankenpflege bei 84 Prozent.
"Ein wesentlicher Teil systemrelevanter Arbeit wird von Frauen im Niedriglohnsektor erbracht", erläutert der DGB. Dabei sei die Entlohnung auch eine Frage der Wertschätzung. Eine angemessene faire Bezahlung trage zur Existenzsicherung von Frauen bei und fördere ihre Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt, schrieben die Gewerkschafter.
Die Frauen selbst bewerteten ihr Einkommen als "gar nicht" oder "nur in geringem Maße" angemessen zu ihrer Arbeitsleistung: Während im Schnitt aller Berufe 46 Prozent angaben, sie halten ihr Einkommen für nicht angemessen, so sind es in den Reinigungsberufen 58 Prozent und in den Pflegeberufen mit 73 Prozent fast zwei Drittel der Befragten.
Überdurchschnittlich oft seien die Frauen zudem in allen vier Berufsgruppen befristet, in Teilzeit, als Leiarbeitnehmerinnen oder in Minijobs beschäftigt. Jede zweite Frau (51 Prozent) in der Reinigungsbranche hat einen solchen atypischen Arbeitsvertrag, im Verkauf sind es 40 Prozent.
Vor allem in den Pflegeberufen komme körperlich schwere Arbeit, Zeitdruck und Mehrbelastung wegen Personalmangels hinzu, fanden die Studienautoren heraus. Entsprechend gaben 70 Prozent von ihnen an, dass sie eher nicht bis zur Rente in dem Beruf durchhalten würden.
Der DGB fordert deshalb eine größere Wertschätzung für die Arbeit von Frauen in den vier Berufssparten. Dabei gehe es nicht nur um höhere Einkommen, sondern auch um die Gesundheit und Entwicklung fördernde Arbeitsstrukturen.
Für die Studie befragte der DGB-Index 4.550 Personen in den vier Berufsgruppen zwischen 2016 und 2019.
Hannover (epd). Die Befragung der rund 78.000 Mitgliedern der Pflegekammer Niedersachsen verzögert sich weiter. Das Verwaltungsgericht Hannover lehnte am 23. Juli einen Eilantrag eines Mitglieds ab, das die Weitergabe seiner Adressdaten an den Versanddienstleister verhindern wollte, sagte ein Sprecher des Gerichts dem Evangelischen Pressedienst (Az. 10 B 3846/20). Dennoch kann die Befragung nicht erneut anlaufen.
Einem Sprecher des Sozialministeriums zufolge hat der Kläger eine Beschwerde beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg angekündigt. Darum werde bis zu einer Entscheidung in letzter Instanz die Befragung ausgesetzt. Die Präsidentin der Pflegekammer, Nadya Klarmann, forderte Rechts- und Planungssicherheit ein.
Die nach einem Datenleck Anfang Juni abgebrochene Befragung zur Zukunft der Pflegekammer war am Dienstag mit einem überarbeiteten 14-seitigen Fragebogen erneut gestartet worden. Wenige Stunden später stoppte das auftraggebende Sozialministerium auf Bitten des Verwaltungsgerichts die Evaluation bereits wieder. Das Ergebnis der Befragung soll für die Landesregierung politisch bindend sein.
Das Gericht wies alle Bedenken des Antragstellers zurück. Das Sozialministerium habe die Daten des Antragstellers beim Versanddienstleister gelöscht und angeboten, über einen individuellen Zugangscode sicherzustellen, dass der Antragsteller trotzdem an der Befragung teilnehmen kann. Damit seien seine Rechte gewahrt. Auch könne er nicht für die übrigen Mitglieder der Pflegekammer den Datenschutz einfordern.
Weil das Sozialministerium die Befragung vornehme, sei allenfalls die Pflegekammer in ihrem Selbstverwaltungsrecht betroffen, hieß es. Dagegen vorzugehen sei jedoch eine Angelegenheit der Kammer und nicht des Antragstellers.
Kammerpräsidentin Klarmann sagte: "Dieses hin und her um die weitere Zukunft der Pflegekammer zehrt an den Nerven." Die inhaltliche Arbeit der Kammer dürfe nicht länger durch eine zermürbende Diskussion um ihre weitere Existenz gelähmt werden. Die Kammer müsse für ihre Arbeit wissen, wie es für sie weitergeht: "Dazu gehört auch, dass uns die vom Land Niedersachsen zugesicherte Anschubfinanzierung endlich ausgezahlt wird."
Die Pflegekammer Niedersachsen besteht seit 2017, sie ist die dritte und größte ihrer Art in Deutschland. SPD und CDU hatten die Evaluation der Kammer im Koalitionsvertrag zur Hälfte der Legislaturperiode vereinbart. Seit der Gründung war es immer wieder zu Protesten gegen die Einrichtung gekommen. Der Widerstand richtete sich gegen die Zwangsmitgliedschaft und Pflichtbeiträge. Mitte Juni hatten sich Kammer und Landesregierung darauf geeinigt, dass für das Jahr 2020 keine Beiträge erhoben werden.
Berlin (epd). Das Bundesinnenministerium und das Deutsche Rote Kreuz (DRK) verhandeln über eine Verlängerung des Suchdienstes zu Vermisstenschicksalen aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Gespräche liefen "in wohlwollender Atmosphäre", sagte eine Ministeriumssprecherin dem Evangelischen Pressedienst (epd). Aufgrund der gesellschaftlichen Relevanz sowie der zuletzt wieder steigenden Zahl von Anfragen strebten beide Seiten an, den Dienst um zwei Jahre bis 2025 aufrechtzuerhalten.
2017 war entschieden worden, den Suchdienst "Schicksalsklärung Zweiter Weltkrieg" im Jahr 2023 zu beenden. DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt schrieb kürzlich in einem Gastbeitrag für den Fachdienst "epd sozial", der Entscheidung, den Dienst einzustellen, sei die Empfehlung einer Unternehmensberatung vorausgegangen. Diese habe einen starken Rückgang der Anfragen prognostiziert: "Die Initiative dazu ging nicht vom Deutschen Roten Kreuz aus." Das DRK habe damals für eine Fortsetzung der Suche bis mindestens 2025 plädiert.
Laut Hasselfeldt gingen 2019 über 10.000 Anfragen im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg ein, oft von Enkeln oder Urenkeln, die etwas über das Schicksal ihrer Großmütter oder Urgroßväter erfahren wollten. In seltenen Fällen gelinge es den DRK-Rechercheuren heute noch, einst getrennte Angehörige zusammenzubringen.
Nach dem Ende des Kalten Krieges und der Öffnung der russischen Archive stieg die Zahl der Anfragen wieder - auf jährlich zwischen 20.000 und 40.000. Danach ging sie schrittweise zurück auf 8.000 bis 9.000 Anfragen zwischen 2016 und 2018.
Auch Flüchtlinge und Migranten, die von Angehörigen getrennt wurden, wenden sich an das DRK. 2019 gab es laut Hasselfeldt dazu 2.083 Suchanfragen. Zudem berate der Suchdienst Flüchtlinge und Spätaussiedler. "Die Aufgaben des DRK-Suchdienstes sind deshalb nicht nur historisch bedeutsam, sondern auch zeitlos aktuell", schrieb Hasselfeldt.
Die Ministeriumssprecherin versicherte, die internationale Suche und die Beratung von Spätaussiedlern und Flüchtlingen würden auch weiterhin aufrechterhalten. Seit 1953 finanziert das Bundesinnenministerium den Suchdienst komplett. Zuletzt erhielt das DRK aus dem Haus von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) jährlich rund 11,5 Millionen Euro.
Rostock (epd). Die Lebenserwartung der Männer in Deutschland unterscheidet sich je nach Region um mehr als fünf Jahre, die der Frauen um knapp vier Jahre. Richtig alt werde man in Deutschland vor allem im Süden Bayerns und in Baden-Württemberg, sagte Roland Rau, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für demografische Forschung, am 20. Juli in Rostock. Eine Studie des Rostocker Instituts über die Lebenserwartung in allen 402 Landkreisen und kreisfreien Städten führt die Unterschiede vor allem auf Armut zurück.
Frauen im Salzlandkreis in Sachsen-Anhalt werden im Schnitt nur 81,8 Jahre alt. Dagegen werden Frauen im Landkreis Starnberg im Südwesten Münchens durchschnittlich 85,7 Jahre alt. Auch bei den Männern gibt es ein Gefälle Richtung Süden: In Bremerhaven leben sie im Schnitt nur 75,8 Jahre, im Landkreis München werden Männer dagegen 81,2 Jahre alt.
Insgesamt zeigt die Studie, dass mehr Landkreise mit niedriger Lebenserwartung im Osten Deutschlands liegen als im Westen. Allerdings gibt es auch etwa im Ruhrgebiet Regionen, in denen die Bewohner im Schnitt früher sterben. Dazu zählen Dortmund, Gelsenkirchen und Essen.
Darüber hinaus untersuchten die Forscher, welche Faktoren zur unterschiedlichen Lebenserwartung beitragen. Starken Einfluss hat demnach die Arbeitslosenquote und die Quote der Hartz-IV-Empfänger in einem Landkreis. "Wer Unterschiede in der Lebenserwartung reduzieren will, muss vor allem die Lebensbedingungen des ärmsten Teils der Bevölkerung verbessern", sagte Rau. Andererseits zeigten die Daten, dass häufig debattierte Faktoren wie das Durchschnittseinkommen, die Dichte der Ärzte oder die Bevölkerungsdichte einen weitaus geringeren Einfluss auf die Lebenserwartung haben.
Für die Studie haben die Rostocker Wissenschaftler mithilfe der Sterberaten der Jahre 2015 bis 2017 die Lebenserwartung für Frauen und Männer in den 402 Landkreisen geschätzt. Um statistische Unsicherheiten in sehr kleinen Landkreisen auszugleichen, wurden die Sterberaten mehrerer Jahre kombiniert.
Düsseldorf (epd). Die Wiedereröffnung der Kindertagesstätten in Nordrhein-Westfalen hat bislang offenbar nicht zu einer erhöhten Zahl an Neuinfektionen mit dem Sars-CoV-2-Virus in der Bevölkerung geführt. Laut der am 23. Juli vorgelegten Düsseldorfer Kita-Studie lag die Häufigkeit von Neuinfektionen in Düsseldorfer Kitas während des vierwöchigen Studienzeitraum "auf dem gleichen Niveau wie für die Stadt Düsseldorf insgesamt", sagte der Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Düsseldorf, Jörg Timm. Sein Fazit: "Nach der Öffnung der Kitas im eingeschränkten Regelbetrieb ist das Infektionsgeschehen nach diesen Erkenntnissen nicht überproportional angestiegen."
NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) verwies darauf, das nach den bisherigen Studienergebnissen offenbar bei Kita-Kindern kein erhöhtes Infektionsrisiko bestehe, auch wenn "das geltende Abstandsgebot in der Kindertagesbetreuung nicht eingehalten werden kann". Das Ministerium werde die Ergebnisse nun bewerten und in "die weiteren Überlegungen zum Übergang in den vollständigen Regelbetrieb einfließen lassen".
Das Institut für Virologie des Uni-Klinikums Düsseldorf hat seit Anfang Juni über 5.200 Menschen untersucht und fast 35.000 Proben analysiert. Die Proben wurden bei fast 4.000 Kindern und mehr als 1.200 Beschäftigten in 115 Düsseldorfer Kitas über einen Zeitraum von vier Wochen jeweils zweimal wöchentlich genommen. Dabei konnte nur eine Infektion bei einem Kind festgestellt werden.
Nach Angaben des Gesundheitsamtes der Stadt Düsseldorf gab es während des Studienzeitraums in den beteiligten Einrichtungen aber weitere Infektionen bei Kindern und Beschäftigten, die nicht an der Studie teilgenommen hatten. Insgesamt wurden in den beteiligten Einrichtungen im Studienzeitraum zehn Neuinfektionen beobachtet: zwei beim Personal und acht bei Kita-Kindern.
Im Studienzeitraum wurden in Düsseldorf insgesamt 501 Infektionen mit dem Coronavirus an das Gesundheitsamt gemeldet. Davon waren 32 Infektionen bei Kindern im Kindergartenalter, von denen nur die Hälfte überhaupt eine Betreuungseinrichtung besuchte. "Die Häufigkeit von Infektionen bei Kita-Kindern spiegelt am ehesten das Infektionsgeschehen in der Bevölkerung insgesamt wider", erklärte der Virologe Timm. "Hier zeigt sich in Kitas kein Unterschied zur Häufigkeit von Infektionen außerhalb von Kitas."
Gütersloh, Berlin (epd). Jedes fünfte Kind in Deutschland erlebt Armut oder lebt mit seiner Familie an der Armutsgrenze. Laut einer aktuellen Analyse der Bertelsmann Stiftung sind das 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, wie die Stiftung am 22. Juli in Gütersloh erklärte. Fast jedes siebte Kind (13,8 Prozent) erhält demnach Leistungen der Grundsicherung. Die Corona-Krise verschärfe die Kinderarmut, warnten Experten der Stiftung und forderten eine armutsfeste Leistung für die Jüngsten. Sozial- und Wohlfahrtsverbände sowie Parteien warfen der Regierung Versagen vor und erneuerten ihre Forderungen nach einer allgemeinen, existenzsichernden Kindergrundsicherung.
In der Corona-Krise verlören Eltern von benachteiligten Kindern häufig als erste ihren Job, etwa als Minijobber. Oder sie erhielten wegen ihrer niedrigen Löhne nur wenig Kurzarbeitergeld, erläuterten Experten der Bertelsmann Stiftung. Auch die Schließung von Schulen, Kitas oder Jugendzentren während des Corona-Lockdowns treffe die bedürftigsten Kinder und Jugendlichen härter als andere. 24 Prozent der auf Sozialleistungen angewiesenen Kinder hätten keinen internetfähigen PC im Haushalt, 13 Prozent keinen ruhigen Platz zum Lernen.
Der Studie zufolge gelten Kinder als arm, wenn ihre Eltern über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens verfügen oder Hartz-IV-Leistungen erhalten. Grundlage waren aktuelle Auswertungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.
Die Linke und die Grünen sprachen übereinstimmend von einem Armutszeugnis für die Bundesregierung und forderten eine Kindergrundsicherung, mindestens aber eine deutliche Erhöhung der Hartz-IV-Leistungen. Der Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, warf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor, in ihrer gesamten Amtszeit keine entscheidende Verbesserung herbeigeführt zu haben. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katja Dörner, erklärte, gut gemeinte Einmalzahlungen wie der Corona-Kinderbonus von 300 Euro könnten dies nicht auffangen.
Die SPD verwies demgegenüber auf das Erreichte. Eine Sprecherin des Bundesfamilienministeriums wies in Berlin den Vorwurf zurück, dass Kinderarmut „eine unbearbeitete Großbaustelle“ sei, wie es in der Bertelsmann-Analyse heißt. Die Regierung gehe mit vielen Maßnahmen gegen Kinderarmut vor. Dabei sei der erweiterte Zugang zum Kinderzuschlag für Geringverdiener von bis zu 185 Euro pro Monat zentral. Derzeit erhielten ihn 800.000 Familien, im Januar seien es noch 300.000 gewesen, sagte die Sprecherin. Das sei nicht in die Studie eingegangen.
Demgegenüber befürchtet das Deutsche Kinderhilfswerk, dass durch die Corona-Krise die Zahl der armen Kinder noch steigt. Geschäftsführer Holger Hofmann sagte, arme Familien hätten kein Geld für Nachhilfelehrer und könnten sich kostenpflichtige Lernplattformen nicht leisten: "Daher sollte dringend die Einrichtung eines Sonderfonds geprüft werden, über den Bildungsprogramme für benachteiligte Kinder finanziert werden können." Auch der Sozialverband VdK mahnte mehr Hilfen für den Unterricht an. Damit alle Kinder am digitalen Unterricht teilnehmen könnten, müssten ihnen kostenlos Geräte zur Verfügung gestellt werden, forderte VdK-Präsidentin Verena Bentele.
Alle Sozialverbände mahnen eine Kindergrundsicherung an. "Unsere Kinderarmut in Deutschland ist nicht naturgegeben, sondern Ergebnis politischer Unterlassungen", sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Diakonie-Sozialvorstand Maria Loheide erklärte, außerdem müsse in Ganztagsbetreuung, kostengünstige Freizeitangebote und kostenfreie Schulessen investiert werden.
Der Sprecher der Nationalen Armutskonferenz, der Kieler Sozialstadtrat Gerwin Stöcken (SPD), nannte die Ergebnisse der Bertelsmann-Studie "erschütternd". Er forderte im Gespräch mit dem eine unbürokratische Erhöhung der Hartz-IV-Sätze als Sofortmaßnahme. Die Politik müsse das Problem aber endlich richtig angehen. Konzepte gegen Familien- und Kinderarmut gebe es genug, sagte er.
Berlin (epd). Sozialverbände werfen der Bundesregierung vor, die Hartz-IV-Regelsätze weiterhin systematisch kleinzurechnen. Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, kritisierte am 22. Juli in Berlin, die Politik nutze die vom Bundesverfassungsgericht eingeräumten Spielräume ausschließlich zur Kürzung. Das Ergebnis seien realitätsferne Leistungen, sagte Schneider. Für den gesamten Hygienebedarf von Babys und Kleinkindern etwa hätten die Eltern 7,66 Euro im Monat zur Verfügung, Windeln inklusive.
Auch die Diakonie Deutschland warf der Regierung vor, es sei "lebensfremd", beispielsweise für den Erwerb eines Kühlschranks jahrelange Ansparungen von 1,67 Euro im Monat anzunehmen. In der Praxis müssten die Menschen Darlehen beim Jobcenter aufnehmen, deren Rückzahlung ihre Lebensgrundlage dauerhaft mindere.
Der Gesetzentwurf zur Neufestlegung der Regelsätze für Grundsicherungsempfänger befindet sich gegenwärtig in der regierungsinternen Abstimmung, wie das Bundesarbeitsministerium dem Evangelischen Pressedienst (epd) bestätigte. Im Zuge dessen werden die Sozialverbände um eine Stellungnahme gebeten. Die meisten kritisieren seit Jahren die Methodik der Berechnung, die mit nicht nachvollziehbaren Abschlägen verbunden sei, um Staatsausgaben für Hartz IV zu senken.
Diakonie-Sozialvorstand Maria Loheide erklärte in ihrer Stellungnahme, die Art der Berechnung führe schon seit zehn Jahren zu einer Absenkung des Regelsatzes. Das Bundesverfassungsgericht habe deutliche Kritik an der Berechnung geäußert und eine "transparente, sach- und realitätsgerechte" Methode gefordert: "Diese Kriterien sieht die Diakonie mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht erfüllt", betonte Loheide. Im Ergebnis müssten Hilfebedürftige von einer Grundsicherung leben, die ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben nicht sicherstelle.
Ulrich Schneider vom Paritätischen drückt es drastischer aus: "Was wir bei der Berechnung der Regelsätze erleben, ist keine Statistik, sondern ihr Missbrauch." Wenn die Bundesregierung das von ihr selbst gewählte Statistikmodell konsequent und methodisch sauber anwendete, müsste der Regelsatz laut Schneider für das kommende Jahr nicht bei 439 Euro, sondern bei mehr als 600 Euro liegen. Die Leistungen für Kinder und Jugendliche, die noch einmal deutlich niedriger lägen, entbehrten jeder seriösen statistischen Grundlage, bilanzierte der Verbands-Chef.
Auch die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, erklärte, sieben Euro mehr reichten nicht zum Leben. Es sei "sehr enttäuschend, dass keine Verbesserungen bei der Ermittlungsmethode vorgesehen sind".
Die Regelsätze für die Grundsicherung werden ungefähr alle fünf Jahre per Gesetz neu festgelegt. Dafür werden die statistisch erhobenen Ausgaben der unteren 15 Prozent der Haushalte herangezogen und um diverse Posten gekürzt. In den Jahren dazwischen werden die Sätze fortgeschrieben, anhand der Preisentwicklung für die Waren, die im Regelsatz enthalten sind sowie der Nettolohnentwicklung. Anfang dieses Jahres führte das zu einer Erhöhung von acht auf 432 Euro im Monat für einen alleinstehenden Erwachsenen. Berücksichtigt sind Ausgaben für den monatlichen Bedarf an Lebensmitteln, Kleidung, Hygiene, Mobilität, Kommunikation und soziale Teilhabe, also etwa eine Kinokarte.
Goslar (epd). Um halb neun fährt Urte Schwerdtner vor der diakonischen Tagespflege in Goslar vor, um ihre demenzkranke Mutter Maja bei den Pflegerinnen abzugeben. Sie hat einen der begehrten Plätze erhalten, die die Tagespflege seit kurzem wieder anbieten kann. "Als Richterin am Amtsgericht kann ich nur sehr begrenzt von zu Hause arbeiten, um mich um meine Mutter zu kümmern", erklärt sie ihr Problem. Ohne die Entlastung wäre sie aufgeschmissen. Denn die Wochen, in denen die Tagespflege aufgrund der Corona-Pandemie für sie geschlossen hatte, hätten sie bereits an die Grenzen ihres Leistungsvermögens gebracht.
Wie viele andere Einrichtungen kann auch die Tagespflege in Goslar weiterhin nur 60 Prozent der Kapazitäten ausschöpfen. "Mehr als zwölf Gäste pro Tag sind unter Einhaltung der Abstandsregeln in unseren Räumlichkeiten definitiv nicht machbar", sagt die Leiterin der Einrichtung, Birgit Fuhrmann. Hinzu komme die aufwendige Organisation des Fahrdienstes. Zwar dürfe ihr Fahrer mittlerweile durch eine Sondergenehmigung des Gesundheitsamtes wieder bis zu drei Personen auf einmal einsammeln, allerdings müsse vorher die Körpertemperatur aller Mitfahrer gemessen und das Fahrzeug nach jeder Fahrt gelüftet werden. "Das kostet alles Zeit, so dass mehr als zwei bis drei Fahrten pro Tag für uns nicht drin sind", erklärt Fuhrmann.
Daher musste Fuhrmann die Aufnahme weiterer Gäste an die Bedingung knüpfen, dass der Transport von den Angehörigen selber organisiert wird. "Leider führt das dazu, dass teilweise diejenigen, die professionelle Pflege besonders nötig hätten, nicht zu uns kommen können", sagt sie. Darunter litten nicht nur die Betroffenen, sondern auch die pflegenden Angehörigen. "Viele sind völlig am Ende, weil sie sich ohne jegliche Entlastung sieben Tage die Woche um ihre Verwandten kümmern müssen - und das seit Monaten", berichtet die Pflegeleiterin.
Im Zuge der Corona-Pandemie waren im April bundesweit die Tagespflegen für mehrere Wochen geschlossen worden. Lediglich eine Notfallbetreuung für besonders Bedürftige konnte noch stattfinden. Der Großteil der Gäste konnte mancherorts monatelang das Angebot nicht nutzen, was sich laut Experten teilweise dramatisch ausgewirkt hat. "Speziell für demenzkranke Menschen sind Routinen und der Kontakt zu Personen außerhalb des eigenen Haushalts enorm wichtig", erläutert Susanna Saxl von der Deutschen Alzheimer Gesellschaft in Berlin. Sowohl geistig als auch körperlich hätten viele Pflegebedürftige ohne die täglichen Strukturen abgebaut. Mit nachhaltigen Folgen: "Was einmal an Fähigkeiten verloren geht, ist bei Demenzerkrankten nur sehr schwer wieder aufzubauen", sagt Saxl.
Bei einer möglichen zweiten Corona-Welle dürfe es daher auf keinen Fall zu einer erneuten Schließung der Tagespflege kommen, fordert Dagmar Henseleit, Pflegereferentin der Diakonie in Niedersachsen. "Sollte es zu einem zweiten Lockdown kommen und die Betroffenen noch einmal wochenlang auf sich allein gestellt sein, würden das weder die Angehörigen noch die Pflegebedürftigen überstehen", zeigt sie sich besorgt. Ohnehin werde der Wert der Pflege oft unterschätzt. "Die Politik nimmt die Tagespflege eher als Beschäftigungstherapie von Rentnern wahr und verkennt dabei die medizinische Bedeutung der Angebote", sagt die Referentin.
Darüber hinaus müsse ernsthaft über eine Lockerung der Abstandsregeln nachgedacht werden, fordert Einrichtungsleiterin Fuhrmann. Die Einhaltung der Maskenpflicht und Hygienemaßnahmen sei selbstverständlich und unproblematisch. "Aber wenn weiterhin jederzeit 1,5 Meter Abstand gehalten werden sollen, ist die Aufnahme weiterer Gäste unmöglich", sagt sie. Das könne den betroffenen Angehörigen jedoch nicht noch länger zugemutet werden, für die die Situation schon jetzt kaum mehr tragbar sei.
Urte Schwerdtner weiß die Anstrengungen der Tagespflege zu schätzen. Wie ihre Mutter gehört auch ihr Mann zur Hochrisikogruppe. Als die Einrichtung teilweise wieder öffnen durfte, habe deswegen zuerst die Angst vor einer Infektion im Pflegeheim überwogen. "Aber als ich gesehen habe, wie gründlich hier auf die Hygieneregeln geachtet wird, sind diese Sorgen verschwunden", sagt sie. Seit etwa zwei Wochen ist ihre Mutter wieder von Dienstag bis Freitag in der Tagespflege. Schwerdtner stellt fest: "Seitdem ist sie viel ausgeglichener und ich kann wieder arbeiten, ohne mir den ganzen Tag Sorgen zu machen in jeder freien Minute nach ihr sehen zu müssen."
Oldenburg (epd). Pjotr Mazurek arbeitet derzeit meist in einem Zimmer unter dem Dachboden, in dem seine Frau und er notdürftig ihr Homeoffice eingerichtet haben. Mazurek ist für die beim Deutschen Gewerkschaftsbund angesiedelte Beratungsstelle "Freie Mobilität" tätig. Er hilft Menschen, die gerade nicht in der Gewerkschaft sind und die oft überhaupt keine Vorstellung von ihren Rechten haben: Arbeitnehmer aus Osteuropa, die in Deutschland in prekären Jobs arbeiten, etwa in der Logistik, als Erntehelfer oder in der Fleischindustrie.
Hier unter dem Dach taucht er ein in eine Welt, in der Menschen in einem meist unmenschlichen Tempo arbeiten müssen, permanent angeschrien werden, sich in beengten Unterkünften eine Küche mit 200 anderen Personen teilen - und dann noch wundern, dass vom versprochenen Verdienst von 3.000 Euro auf der Abrechnung nur 1.300 bleiben. Das war einer seiner letzten Fälle. "Wenn die Arbeiter in ihren Heimatländern angeworben werden, bekommen sie oft Lügengeschichten erzählt", berichtet der Berater.
Gerade mit solchen Beschäftigten hat es Mazurek oft zu tun, die Industrie in der Region um Oldenburg ist entsprechend beschaffen. Und wenn er in der Pandemie Menschen berät, geht es nicht mehr nur um unterschlagenen Lohn oder Mobbing – sondern auch um nicht eingehaltene Abstandsregeln, volle Kantinen und Angst vor Ansteckung mit Corona.
Insgesamt gibt es in Deutschland neun Beratungsstellen von "Faire Mobilität", und auch sie haben sich durch Corona umstellen müssen - ausgerechnet dann, als der Beratungsbedarf immer höher wurde, mussten alle Mitarbeiter ins Homeoffice. "Wir haben aber festgestellt, dass das gar nicht schlecht funktioniert. Gerade die Polen, um die ich mich hauptsächlich kümmere, nutzen E-Mail sehr viel", sagt Mazurek.
Die meisten Menschen erführen von dem Angebot ohnehin durch Mund-zu-Mund-Propaganda oder so simple Google-Suchanfragen wie "Polen in Deutschland". Zudem übertragen die Berater nun Info-Veranstaltungen bei Facebook. Mit Flyern stelle man sich erst seit ganz kurzer Zeit wieder vor Werkstore - man gehe aber nicht rein, wozu man theoretisch nach Anmeldung das Recht hätte.
Corona hat die ganze Arbeitswelt umgekrempelt, auch die Probleme der Beschäftigten. Es fange an bei so simplen Dingen, wie dass Desinfektionsmittelspender leer seien oder Pausen für alle gleichzeitig seien statt versetzt - obwohl man auf diese Weise leichter Ansteckungen vermeiden könne. "Manchmal sieht man auch das System dahinter: In einem Betrieb dürfen die 15 Prozent Festangestellten den anderen Arbeitern nicht mehr begegnen." Hintergrund sei, dass so die eigene Belegschaft geschützt werde - die anderen Arbeiter seien den Chefs offenbar egal, sagt Mazurek.
Die Möglichkeiten bei "Faire Mobilität" sind begrenzt. Rechtsschutz etwa kann die Beratungsstelle nicht gewähren. Mazurek und seine Kollegen können aber eine Einschätzung geben, ob sich ein Rechtsstreit lohnt – und sie helfen den Arbeitern beim Ausfüllen von Formularen, mit denen sie ihre Rechte oder zu unrecht einbehaltenen Lohn einfordern können. "Unser Ziel ist, die Leute selbst zu empowern" - Hilfe zur Selbsthilfe.
Die Bundesregierung hat den Handlungsbedarf in den Schlachtbetrieben erkannt. Gerade erst ging die Neufassung des "Gesetzes zur Umsetzung der EU-Entsenderichtlinie" durch Bundestag und Bundesrat. Vor allem Arbeitnehmer aus osteuropäischen Ländern in prekären Arbeitsverhältnissen sollen damit gestärkt werden. Für "Faire Mobilität" gibt es einen eigenen Passus im Gesetz. Es wird darin geregelt, dass die Beratungsstelle von nun an mit knapp vier Millionen Euro durch das Arbeitsministerium gefördert wird – bisher waren es zwei Millionen Euro.
Aufgenommen wurde diese Bestimmung aber erst in letzter Sekunde, nachdem es am Gesetzentwurf Kritik von Grünen und der Linksfraktion gegeben hatte. Begründet wird der Schwenk zur Erhöhung der Förderung ganz offen mit den Folgen von Corona: "Die Nachfrage nach dem Beratungsangebot hat sich im Kontext der Covid-19-Pandemie noch einmal spürbar erhöht", sagte ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Göttingen (epd). Einen sterbenden Menschen auf seinem letzten Gang nicht alleine lassen - für Hospiz- und Palliativeinrichtungen ist das eigentlich eine Selbstverständlichkeit. "Sterbende Menschen mit Migrationshintergrund finden aber viel zu oft gar nicht den Weg in eine hospizliche oder palliative Versorgung", sagt Christian Banse, Soziologe und Wissenschaftler an der Klinik für Palliativmedizin der Universitätsmedizin Göttingen. Dabei stünden Hospiz- und Palliativeinrichtungen grundsätzlich auch ihnen zur Verfügung.
Wo liegen also die Hindernisse? Die Göttinger Forscher haben in Forschungsprojekten Hospiz- und Palliativeinrichtungen und deren Mitarbeiter zur Sterbebegleitung von Menschen mit Migrationshintergrund befragt. Wie einzelne Einrichtungen mit den Patienten umgehen und wie die Arbeit besser gestaltet werden kann, wurde in einer aktuellen "Handreichung" veröffentlicht.
"So können Pflegekräfte, Ärzte oder auch ehrenamtlich tätige Personen nicht nur wegen Sprachproblemen schwieriger auf die Bedürfnisse der Betroffenen eingehen - auch unterschiedliche kulturelle Lebensweisen und der Umgang mit Krankheit und Tod beeinflussen die Hospiz- und Palliativversorgung", sagte die Soziologin Franziska Schade von der Göttinger Klinik für Palliativmedizin der Universitätsmedizin und Mitautorin der Handreichung.
Dabei steigt der Bedarf bei Menschen mit ausländischen Wurzeln. So hat bereits jeder Vierte der Ende 2019 in Deutschland lebenden 83,2 Millionen Menschen einen Migrationshintergrund.
In der Studie hatten die Forscher herausgefunden, dass nur etwa 3,5 Prozent der befragten niedersächsischen Einrichtungen über besondere Angebote für Migrantinnen und Migranten verfügen. "Das können Mitarbeiter mit ähnlichem kulturellem Hintergrund oder auch das Vorhandensein von Dolmetschern sein", sagte Schade. Die Zahl sei zwar nicht repräsentativ, gebe aber einen Hinweis, dass bei den Palliativ- und Hospizangeboten für Migranten noch Luft nach oben ist.
Pflegekräfte, Ärzte oder ehrenamtliche Personen seien sich unsicher, wie sie in der Sterbebegleitung auf kulturelle Unterschiede und Sprachschwierigkeiten reagieren sollen. Abhilfe könne hier die interkulturellen Öffnung der Palliativ- und Hospizarbeit sein.
"Wollen Hospize oder Palliativversorger Migrantinnen und Migranten mit ihren Angeboten ansprechen, müssen diese davon auch erfahren", sagte Banse. "Hier hilft eine gute Vernetzung mit Hilfsorganisationen oder auch den religiösen Gemeinschaften", betont auch Schade. So könnten Kontakte zu einem Imam, zu Kulturvereinigungen und ausländischen Medien helfen, die Angebote bekanntzumachen.
Die Befragungen unter den Einrichtungen hatten ergeben, dass viele Erkrankte trotz kultureller Unterschiede die gleichen Grundbedürfnisse haben, wie Zuspruch und Aufmerksamkeit. Dennoch hätten Migranten häufiger besondere Probleme wie etwa Sprachschwierigkeiten. Die Einrichtungen sollten nach Möglichkeit auf professionelle Dolmetscher zurückgreifen, rät Schade. Doch es fehle an Regelungen, damit solche Dolmetscherdienste bundesweit von Krankenkassen oder Sozialhilfeträgern finanziert werden. Doch selbst wenn mehrsprachige Pflegekräfte einer Klinik zum Übersetzen herangezogen werden können, sei dies nicht ohne Probleme. Denn diese seien für die schwierigen Gespräche in der Regel nicht ausgebildet und oft selbst überfordert.
"Wenn man Raum und Zeit hat, kann man offen für die Bedürfnisse der Sterbenden sein", bestätigt Mareike Fuchs, Leiterin des Hospiz Leuchtfeuer in Hamburg St. Pauli. Hospiz-Mitarbeiter dürften nicht vergessen, dass es in vielen Kulturen gar nicht selbstverständlich ist, sterbende Angehörige in solch eine Einrichtung zu geben. Da sei dann immer wieder Aufklärungsarbeit über die Hilfeleistungen erforderlich.
"Offenheit heißt aber nicht Grenzenlosigkeit", so Fuchs. Die Freiheit des einen Patienten ende bei der Freiheit des anderen. So lag etwa ein Pastor afrikanischer Herkunft im Hospiz Leuchtfeuer. "Für seine Gemeinde war es üblich, dass rund 20 Gemeindemitglieder ihn regelmäßig besuchen, damit der Pastor noch einen Gottesdienst abhält", sagte Fuchs. Das sei letztlich für alle Beteiligten zu viel geworden. Man habe mit einer Besucherliste die Besucherzahl beschränkt. "Der Pastor war dann sehr dankbar, da die Besuche auch an seinen Kräften gezerrt hatten", sagte die Hospizleiterin.
Bielefeld (epd). Auch in den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel sind bis zu Beginn der 1970er-Jahre laut einer Studie in Deutschland noch nicht zugelassene Medikamente an Minderjährigen erprobt worden. Bei dem von Bethel selbst gestarteten Forschungsprojekt seien in den Krankenakten keine schriftlichen Genehmigungen der Eltern oder eines Vormunds gefunden worden, teilte das diakonische Unternehmen am 20. Juli in Bielefeld mit. Die v. Bodelschwinghschen Stiftungen bedauerten die Vorfälle zutiefst.
Bei den länger als sechs Monate in Bethel stationär behandelten Kindern und Jugendlichen seien in knapp einem Viertel der Fälle sogenannte Prüfpräparate und Import-Medikamente zum Einsatz gekommen, erklärten die v. Bodelschwinghschen Stiftungen. Nur in Einzelfällen gab es laut Studie Hinweise auf eine indirekte oder mündliche Zustimmung durch Erziehungsberechtigte.
Die Einwilligung in und die Aufklärung über Arzneimittelerprobungen seien auch damals schon "rechtlich und ethisch geboten", jedoch "kein Standard der klinischen Praxis" gewesen, erklärte der an der Studie beteiligte Münsteraner Historiker Niklas Lenhard-Schramm. Damit habe sich Bethel nicht von anderen Einrichtungen unterschieden, in denen seinerzeit Arzneimittel erprobt worden seien. Eine mögliche Schädigung von Bewohnern durch die Medikamentenprüfungen konnte demnach auf Grundlage der Krankenakten nicht festgestellt werden.
Die v. Bodelschwinghschen Stiftungen bedauerten die Versäumnisse der Vergangenheit "zutiefst", erklärte Pastorin Johanna Will-Armstrong vom Bethel-Vorstand: "Man hätte die Eltern über die Arzneimittelerprobungen aufklären und ihre Zustimmung einholen müssen."
Der Studie liegt den Angaben zufolge eine Zufallsstichprobe von 265 jungen Patientinnen und Patienten zugrunde - bei 63 von ihnen (23,8 Prozent) seien Prüfpräparate verordnet worden. In etwa zwei Drittel der Fälle handelte es sich demnach um Antiepileptika, bei einem Drittel um Psychopharmaka. Bei sechs dieser Kinder und Jugendlichen sei sowohl ein Antiepileptikum als auch ein Psychopharmakon untersucht worden, bei zwei jungen Patienten sei ein noch nicht zugelassenes Tuberkulosemittel eingesetzt worden. Insgesamt waren laut der Mitteilung zwischen 1949 und 1975 2.741 Minderjährige mindestens sechs Monate zur stationären Behandlung im Langzeitbereich von Bethel aufgenommen.
Solche Medikamententests an Minderjährigen seien in dem untersuchten Zeitraum in zahlreichen Heimen und Psychiatrien durchgeführt worden, erklärte die Medizinhistorikerin und Psychiaterin Maike Rotzoll aus Heidelberg. Bethel sei eine der größten und traditionsreichsten Einrichtungen zur Versorgung von an Epilepsie erkrankten Menschen - bis Ende des Zweiten Weltkriegs habe es kaum wirksame Medikamente gegen die Krankheit gegeben. Somit habe ein großes Interesse an neuen Arzneimitteln bestanden, fügte Rotzoll hinzu.
Der Bochumer Theologe Traugott Jähnichen sagte als Vorsitzender des Beirats für die Studie, vor dem Hintergrund der Aufnahme vieler schwerster Fälle von Epilepsie-Erkrankungen habe sich Bethel auch in der klinischen Forschung für bessere medikamentöse Therapien engagiert. Mit der von unabhängigen Experten verfassten Studie trage Bethel erheblich zur Versachlichung und Klärung der umstrittenen früheren Arzneimittelprüfungen an Kindern und Jugendlichen bei, würdigte Jähnichen.
Das Forschungsprojekt zu möglichen Arzneimittelprüfungen an Minderjährigen in Bethel hatte Ende 2017 begonnen. An der jetzt vorgelegten Studie war neben den Historikern Lenhard-Schramm und Rotzoll auch der Kinderneurologe Dietz Rating aus Heidelberg beteiligt. Die Ergebnisse sollen voraussichtlich im Oktober bei einem Symposium in der Fachöffentlichkeit zur Diskussion gestellt werden, kündigte Bethel an. Den Anstoß für das Projekt hatte die Studie einer Pharmakologin gegeben, die auf Daten von Medikamententests durch die Pharmaindustrie an Kindern und Jugendlichen in Wohlfahrtseinrichtungen gestoßen war.
Stuttgart (epd). Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, appellieren die Kindertagesstätten in Deutschland an die Bundesländer, den Kita-Trägern mehr Spielraum bei der Besetzung von offenen Stellen einzuräumen. Unter anderem sollten pädagogisch weitergebildete Direkteinsteiger aus anderen Berufsfeldern und Quereinsteigerinnen leichter in die Kinderbetreuung wechseln können, schlägt die Arbeitsgruppe "Fachkräfte" im Deutschen Kitaverband in einem Positionspapier vor.
Die Arbeitsgruppe wirbt für multifunktionale Teams, in denen Direkteinsteiger oder Quereinsteiger mit "interessanten Vorerfahrungen" etwa als Biologe, Handwerker oder Sportpädagogin mit pädagogisch ausgebildetem Erziehungspersonal und Verwaltungsfachkräften zusammenarbeiten. "Kita-Teams müssen vielfältiger werden", sagte Kitaverbands-Vorsitzende Waltraud Weegmann.
Pädagogisch weitergebildeten Direkteinsteigern aus anderen Berufsfeldern oder Quereinsteiger brächten neue Themen in die Kitas und erschlössen den Kindern zusätzliche Wissensgebiete. Da die Kinder heute mit teils acht bis zehn Stunden täglich weit mehr Zeit in einer Kita als früher verbrächten, könnten die Mitarbeitenden aus anderen Berufen einen Teil des Alltags der Kinder mitgestalten. Zudem sollen mehr kaufmännische Kräfte die Erzieherinnen und Erzieher von Verwaltungsaufgaben entlasten.
Um mehr Akademiker für die Kinderbetreuung zu gewinnen, sprach sich der Verband außerdem für eine bessere Bezahlung studierter oder ausgebildeter Betreuerinnen aus. Zudem sollten die angehenden Betreuungs-Fachkräfte schon während des Studiums Praxiserfahrung in Kitas sammeln, ähnlich der dualen Ausbildung in anderen Berufen. Dabei müssten die Erziehungs-Aspiranten eine Ausbildungsvergütung erhalten. Dies würde die Ausbildung attraktiver machen, argumentierte Weegmann.
Die Qualifikationen der Fachkräften aus Deutschland und dem Ausland müssten zudem schnell, unbürokratisch und bundesweit einheitlich anerkannt werden, am besten über die Träger selbst, forderte Weegmann. Wer einmal anerkannt sei, dürfte in einem anderen Bundesland nicht noch einmal in eine Nachprüfung. Eine ähnliche Vereinfachung empfiehlt der Verband für pädagogische Kräfte, die im EU-Ausland eine Berechtigung zur Arbeit als Fachkraft in der Kindertagesbetreuung erworben haben.
Laut Kitaverband fehlen über 100.000 Erzieherinnen und Erzieher. Durch Corona habe sich die Lage verschärft, da geschätzt rund 10 Prozent der Kindergarten-Kollegen vom Alter oder durch Vorerkrankungen als Risikogruppe derzeit nicht arbeiten könnten. Dem gesetzlichen Anspruch auf einen Kita-Platz je Kind könnten viele Einrichtungen nicht mehr nachkommen.
Dabei strebt der Kitaverband einen Mindespersonalschlüssel für Kinder unter drei Jahren von 1:3 an, bei Kindern über drei Jahren von 1:7 und im Hort von 1:12.
Bei einer Lockerung der Einstellungskriterien empfiehlt der Kitaverband 10 Prozent pädagogische Akademiker, 50 Prozent pädagogische Fachkräfte, 20 Prozent Pädagoginnen in Ausbildung, 10 Prozent Quereinsteigerinnen oder Spezialisten aus anderen Berufen sowie 10 Prozent Unterstützungskräfte etwa zur Entlastung von Verwaltungsaufgaben.
Hamburg, Berlin (epd). Das Arbeiten im Homeoffice hat während der Corona-Krise die Zufriedenheit vieler Arbeitnehmer deutlich gesteigert. Gründe dafür seien, dass die Fahrtzeit zur Arbeit wegfiel, Familie und Beruf sich besser vereinbaren ließen und der Arbeitsstress abnahm, wie eine am 22. Juli veröffentlichte Studie der Krankenkasse DAK ergab. Befragt wurden 5.845 abhängig Beschäftigten zwischen 18 und 65 Jahren. Drei Viertel von ihnen möchten das Homeoffice mindestens in Teilen fortführen.
68 Prozent der Befragten freuten sich über die gewonnene Zeit durch den Wegfall der Fahrt, 66 Prozent fanden, dass sie Familie und Beruf im Homeoffice besser koordinieren können und 65 Prozent genossen eine freiere Zeiteinteilung. 56 Prozent arbeiteten zu Hause nach eigener Einschätzung sogar produktiver als im Büro, und 54 Prozent empfanden die Arbeit im Homeoffice als angenehmer als an ihrem Arbeitsplatz im Betrieb.
Auch die Stress-Resistenz stieg. Die Zahl jener, die sich täglich im Arbeitsalltag gestresst fühlten, ging laut DAK um 29 Prozent zurück. Fast 19 Prozent mehr fühlten sich gar nicht oder nur ab und zu gestresst. Die Arbeit im Homeoffice habe dazu beigetragen, dass die Menschen die veränderte Realität gut bewältigten, sagte DAK-Vorstandschef Andreas Storm.
Auf der Minus-Seite des Homeoffices sahen die Befragten vor allem den fehlenden Kontakt zu Kollegen (75 Prozent), langsamere Abstimmungsprozesse (48 Prozent) und den fehlenden Zugriff auf Unterlagen im Büro (41 Prozent). 47 Prozent gaben an, dass sie Schwierigkeiten hatten, Beruf und Privatleben voneinander abzugrenzen.
Die überwiegende Zustimmung wertet Storm als Hinweis, dass Homeoffice die Gesundheit fördern kann. Die positiven Aspekte sollten genutzt und Risiken wie Bewegungsmangel oder ergonomisch schlechtere Arbeitsplätze zu Hause minimiert werden. Dabei sei das betriebliche Gesundheitsmanagement gefragt. Durch mehr Homeoffice erwartet Storm insgesamt einen Rückgang der Krankenstände.
Das Untersuchungs-Szenario wertete die DAK als Glücksfall: Im Dezember 2019 und im Januar 2020 befragte sie über 7.000 Personen zu ihren Erfahrungen und Einstellungen zum Homeoffice. Als die Corona-Kontaktbeschränkungen griffen, schob die Kasse von Ende April bis Anfang Mai eine zweite Umfrage nach.
"Es braucht klare gesetzliche Regeln, damit sich Homeoffice nicht zum Nachteil für die Beschäftigten auswirkt, indem Arbeit und Privatleben immer mehr verschwimmen", erklärte Jessica Tatti, Sprecherin für Arbeit 4.0 der Links-Fraktion im Bundestag. Homeoffice dürfe nur eine Ergänzung zum Arbeitsplatz im Betrieb sein. "Der Betrieb bleibt als sozialer Ort unverzichtbar, der persönliche Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen ist ein wesentlicher Bestandteil des sozialen Zusammenlebens."
Berlin (epd). Fachkräfte in der Altenpflege haben 2019 im Schnitt mit 3.032 Euro Bruttomonatslohn über fünf Prozent mehr verdient als im Vorjahr. Im selben Zeitraum sei der Mittelwert aller Branchen um nur knapp drei Prozent gestiegen, teilte der bpa-Arbeitgeberverband am 21. Juli unter Bezug auf den Entgeltatlas 2019 der Bundesagentur für Arbeit mit.
Zwischen 2015 und 2019 stieg das Bruttoentgelt für sozialversicherungspflichtig-angestellte Altenpflegefachkräfte danach sogar um fast 19 Prozent. Der Mittelwert des Gehaltszuwachses aller Beschäftigten in Deutschland habe in selben Zeitraum bei etwas über zehn Prozent gelegen.
Im Ranking der Bundesländer lag laut bpa Baden-Württemberg an der Spitze: Hier verdienten Altenpflegefachkräfte im Schnitt 3.326 Euro, gefolgt von Bayern mit durchschnittlich 3.217 Euro. In Hamburg bekommen die Fachkräfte durchschnittlich 3.204 Euro. Schlusslichter sind Sachsen-Anhalt mit 2.532 Euro und Sachsen mit 2.557 Euro. Allerdings hätten die neuen Bundesländer in den vergangenen Jahren aufgeholt: Das Medianentgelt in Sachsen-Anhalt stieg laut bpa von 2015 bis 2019 um mehr als ein Drittel, in Sachsen um fast ein Drittel.
Als Grund für den Lohnanstieg sieht der bpa den Wettbewerb um Altenpflegefachkräfte. Er gehe davon aus, dass sich die Lohnentwicklung in diesem Jahr fortsetzen wird, sagte bpa-Präsident und Ex-Bundesminister Rainer Brüderle. Für die Refinanzierung weiter steigender Löhne, müsse die Politik eine Antwort geben.
Der bpa Arbeitgeberverband vertritt als größter Arbeitgeberverband in der Pflegebranche sowohl die großen, bundesweit tätigen Trägergruppen wie auch die mittleren und kleinen Familienunternehmen. Der Verband zählt nach eigenen Angaben aktuell mehr als 4.000 Mitgliedsbetrieben ein, die über 190.000 Mitarbeiter beschäftigen.
Kassel (epd). Bundesweit müssen Tausende Krankenhäuser zu Unrecht bis Ende 2014 erhaltene Aufwandspauschalen für die Überprüfung von Klinikabrechnungen nicht mehr an die Krankenkassen zurückzahlen. Die Kliniken können sich trotz einer damals geänderten Rechtsprechung zur Zahlung der Aufwandspauschalen auf Vertrauensschutz berufen, urteilte am 9. Juli das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel. Damit konnte die klagende Städtische Krankenhaus Heinsberg GmbH einen Teilerfolg verbuchen.
Krankenkassen und Kliniken liefern sich seit vielen Jahren einen Dauerstreit um die Aufwandspauschalen für die Überprüfung von Krankenhausabrechnungen. Der Gesetzgeber hatte 2007 mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz diese Pauschale eingeführt. Danach durften Krankenkassen nur noch innerhalb von sechs Wochen die Überprüfung auffälliger Krankenhausabrechnungen verlangen. War die Klinikabrechnung korrekt, konnte das Krankenhaus für seinen erbrachten Aufwand eine Kostenpauschale in Höhe von 100 Euro verlangen. Der Betrag wurde 2009 auf 300 Euro erhöht.
Laut Ulrich Hambüchen, früherer BSG-Richter und im Streitfall nun Anwalt des Klägers, hätten vor Einführung der Pauschale die Kassen in schätzungsweise über 50 Prozent aller Klinikabrechnungen eine Überprüfung verlangt. Das habe viel Klinik-Personal gebunden. Der Gesetzgeber habe dieses Vorgehen mit seiner Neuregelung daher begrenzen wollen.
Am 1. Juni 2014 hatte das BSG allerdings entschieden, dass die Aufwandspauschale von den Kliniken generell nicht verlangt werden kann, wenn die Kassen allein die Überprüfung der "sachlich-rechnerischen Richtigkeit" der Abrechnung fordern. Damit erhielten die Kliniken etwa für die Überprüfung, ob eine Erkrankung richtig codiert wurde, keine Pauschale mehr, selbst wenn die Abrechnung später nicht beanstandet wurde. Dagegen konnte die Zahlung noch beansprucht werden, wenn lediglich die Wirtschaftlichkeit einer Behandlung überprüft wurde - wie etwa die Dauer einer Krankenhausbehandlung.
Weil laut BSG-Rechtsprechung keine Aufwandspauschalen für die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit einer Klinikrechnung gezahlt werden müssen, forderten sämtliche Kassen bundesweit nun zu Unrecht geleistete Pauschalen von den Kliniken zurück. Es galt hier eine vierjährige Verjährungsfrist.
Im Streitfall hatte das Städtische Krankenhaus Heinsberg für 71 Prüfungen der sachlich-rechnerischen Richtigkeit von Abrechnungen zu Unrecht insgesamt 21.300 Euro an Aufwandspauschalen erhalten. Die AOK Rheinland/Hamburg verlangte daher die Rückerstattung dieser Gelder.
Anwalt Hambüchen sah darin einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Die BSG-Rechtsprechung sei völlig überraschend gewesen, zumal die vom BSG selbst entwickelte "sachlich-rechnerische Richtigkeit" im Gesetz gar nicht vorkomme. "Die Kliniken müssen darauf vertrauen können, dass eine Abrechnung irgendwann auch mal Bestand hat", so Hambüchen. Auch der Gesetzgeber sei der BSG-Rechtsprechung nicht gefolgt. So habe er diese 2016 revidiert und festgelegt, dass die Aufwandspauschale für jede Prüfung zu zahlen ist.
Die beklagte AOK verneinte einen Vertrauensschutz der Klinik. Die BSG-Rechtsprechung sei gefestigt gewesen und sogar vom Bundesverfassungsgericht 2018 gebilligt worden (AZ: 1 BvR 318/17 und weitere). Als Verwalter der Versichertengelder sei sie verpflichtet, zu Unrecht gezahlte Gelder entsprechend der vierjährigen Verjährungsfrist zurückzufordern.
In seinem aktuellen Urteil hielt das BSG seine Rechtsprechung nach der damaligen Rechtslage aufrecht, nach der bei der Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit generell keine Aufwandspauschale zu zahlen war. Dennoch konnte das Städtische Krankenhaus Heinsberg einen Teilsieg erringen.
Die Klinik könne sich nach dem Grundsatz von Treu und Glauben weitgehend auf Vertrauensschutz berufen. Krankenhäuser müssten alle vor dem 1. Januar 2015 zu Unrecht gezahlten Aufwandspauschalen nicht zurückerstatten. Erst ab 2015 sei davon auszugehen, dass die Kliniken die BSG-Entscheidung vom 1. Juli 2014 bewerten konnten. Sie mussten dann damit rechnen, dass sie zu Unrecht erhaltene Aufwandspauschalen wieder zurückerstatten müssen.
Für die klagende Klinik bedeute das, dass sie noch 4.500 Euro an Pauschalen zurückerstatten müsse, die sie 2015 erhalten hat. Die verbliebenen, vor diesem Zeitraum zu Unrecht erhaltenen 16.800 Euro könne sie aus Vertrauensschutzgründen dagegen behalten, befand das BSG.
Mittlerweile hat der Gesetzgeber erneut die Regelungen zur Aufwandspauschale geändert. Danach ist geplant, dass nicht nur die Krankenhäuser eine Pauschale bei unberechtigten Rechnungsprüfungen der Kassen beanspruchen können. Bei berechtigten Beanstandungen sollen auch die Krankenkassen von den Kliniken eine Aufwandspauschale erhalten können. Wegen der Corona-Pandemie wurde die vorgesehene Belastung der Krankenhäuser allerdings für zwei Jahre ausgesetzt.
Az.: B 1 KR 15/19 R (Bundessozialgericht)
AZ: 1 BvR 318/17 und weitere (Bundesverfassungsgericht)
Erfurt (epd). Schwerbehinderte Beschäftigte können auch für ihren gesetzlichen Zusatzurlaub Urlaubsgeld erhalten. Sieht ein Tarifvertrag eine Urlaubsgeld für "jeden Urlaubstag" vor, umfasst diese Regelung auch den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen und nicht allein den tariflichen Jahresurlaub, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am 21. Juli veröffentlichten Urteil.
Im konkreten Fall war der schwerbehinderte Kläger bei einem Unternehmen der Getränkeindustrie als Fahrer angestellt. Laut Manteltarifvertrag stand ihm 2017 für "jeden Urlaubstag" ein Urlaubsgeld von 30 Euro zu. Ab 2018 stieg das Urlaubsgeld entsprechend der Tariferhöhung.
Der Arbeitgeber zahlte zwar Urlaubsgeld, aber nur für den festgelegten tariflichen Urlaub. Der Kläger verlangte jedoch auch Geld für seinen Zusatzurlaub, den er als schwerbehinderter Mensch beanspruchen kann. Danach stehe ihm bei einer regelmäßigen Arbeitszeit fünf weitere Tage Urlaub zu.
Vor dem BAG bekam der angestellte Fahrer nun recht. Der Arbeitgeber durfte das Urlaubsgeld nicht auf die tariflichen Urlaubstage beschränken. Laut Tarifvertrag müsse für "jeden Urlaubstag" Urlaubsgeld gezahlt werden. Das nur bestimmte Urlaubstage gemeint seien, sei nicht ersichtlich, befand das Gericht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG müsse zudem der gesetzliche Anspruch auf den Mindesturlaub und der Anspruch auf Zusatzurlaub auch gleich behandelt werden. Im Streitfall stehe dem Kläger für seinen Zusatzurlaub daher noch eine Nachzahlung in Höhe von 154,50 Euro zu.
Az.: 9 AZR 109/19
Kassel (epd). Das Bundessozialgericht hat den Zugang zur sogenannten Auffang-Krankenversicherung der gesetzlichen Krankenkassen für mittellose Menschen begrenzt. Auch wenn bedürftige Personen einen Monat lang keine Sozialhilfe bezogen haben, besteht damit noch nicht automatisch ein Anspruch auf Mitgliedschaft in der Auffang-Krankenversicherung, urteilten am 7. Juli die obersten Sozialrichter in Kassel.
Nach dem Willen des Gesetzgebers soll es seit 2007 eigentlich keine Bürger ohne jegliche Krankenversicherung mehr geben. Es gibt aber immer noch Menschen wie Obdachlose oder in Not geratene Selbstständige, die noch nie Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung waren. Für diese Gruppe sehen die Bestimmungen eine Auffang-Versicherung vor, vorausgesetzt, die Betroffenen erhalten keine So-zialhilfe. Denn bei einem Sozialhilfebezug von Menschen ohne Krankenversicherung kommt der Sozialhilfeträger für die notwendigen Krankenbehandlungen auf.
Im Streitfall leidet der 1944 geborene Kläger aus Bonn nach einem Schlaganfall an psychischen Störungen und erheblichen körperlichen Beeinträchtigungen. Er erhielt eine geringe Rente von unter 100 Euro monatlich sowie Sozialhilfe, einschließlich der Kostenübernahme von Krankenbehandlungen.
Im April und Mai 2014 gab es einen Streit um das Guthaben von gut 6.000 Euro auf dem Konto des Mannes. Er kaufte davon Brille, Waschmaschine und Kühlschrank und zahlte 3.200 Euro in eine Bestattungsvorsorge ein. Die Schongrenze beim eigenen Vermögen von 2.600 Euro war danach deutlich unterschritten. Dennoch stellte das Sozialamt die Leistungen für mehr als einen Monat vorläufig ein.
Anfang Juni beantragte der Mann daraufhin bei der AOK Rheinland Hamburg die Aufnahme in die Auffang-Krankenversicherung, weil er seit einem Monat keine mehr Sozialhilfe mehr erhielt. Einmal in die gesetzlichen Versicherung aufgenommen, hätte der Kläger diese laut Gesetz dann fortführen können, auch wenn er später wieder Sozialhilfe erhält. Die Kommune hätte dann nicht mehr für anfallende Krankheitskosten aufkommen müssen, sondern die AOK.
Doch die AOK lehnte den Wechsel ab. Zu Recht, wie nun das BSG entschied. Zwar habe der Mann einen Monat kein Geld bekommen, doch der entsprechende Bescheid sei nur vorläufig gewesen. Voraussetzung für die Auffang-Versicherung sei in solchen Fällen aber, dass die Sozialhilfe Leistungen "endgültig abgelehnt" hat.
Gebe es noch keinen bindenden Bescheid, komme es darauf an, ob der Betroffene objektiv betrachtet anspruchsberechtigt war. Das sei hier im Juni 2014 unstreitig der Fall gewesen, weil die Vermögensgrenze unterschritten war, hieß es.
Az.: B 12 KR 21/18 R
Kassel (epd). Arbeitgeber kommen ab mindestens 50 Euro Gesamtbeitragsschulden bei der Rentenversicherung nicht um die Zahlung von Säumniszuschlägen herum. Sie bleiben von den Zuschlägen nicht verschont, nur weil die zu zahlenden Rentenbeiträge für jeden einzelnen Beitragsmonat unter der Schwelle von 50 Euro lagen, urteilte am 7. Juli das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel.
Arbeitgeber müssen in der Regel für ihre Beschäftigten Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung abführen. Kommen sie dem nicht nach, wird in der Rentenversicherung für jeden vollen 50 Euro Beitragsrückstand ein Säumniszuschlag von 50 Cent fällig.
Im Streitfall hatte ein Arzt für seine Praxisangestellten 2014 jeden Monat knapp 15 Euro und 2015 über 32 Euro zu geringe Rentenbeiträge bezahlt. Die Rentenversicherung forderte die Beträge nach und verlangte zusätzlich Säumniszuschläge von 41 Euro.
Der Arzt meinte, dass die Erhebung der Säumniszuschläge rechtswidrig sei. Denn in keinem Beitragsmonat hätten die Beitragsschulden über der Grenze von 50 Euro gelegen.
Doch ob Säumniszuschläge zu zahlen sind, hänge nicht von dem jeweiligen Monat ab, sondern von den aufgelaufenen Beitragsschulden insgesamt, urteilte das BSG. Damit werde für jede vollen 50 Euro ein Prozent Säumniszuschlag fällig – also jeden Monat 50 Cent für jede vollen 50 Euro.
Der Gesetzgeber habe so Beitragsschuldner zur pünktlichen Zahlung der vollen Beiträge anhalten wollen. Die Höhe des Beitragszuschlags „ist auch nicht unverhältnismäßig und unterliegt daher keinen verfassungsrechtlichen Bedenken“, betonte das BSG.
Az.: B 12 R 28/18
Leipzig (epd). Asylsuchende haben nur wegen schlechter humanitärer Lebensbedingungen oder einer schlechten Sicherheitslage in ihrer Heimat noch keinen Anspruch auf sogenannten subsidiären Flüchtlingsschutz. Nur wenn im Fall einer Abschiebung davon auszugehen ist, dass durch staatliche Stellen oder andere Akteure eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht, könne Anspruch auf subsidiären Flüchtlingsschutz bestehen, entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in einem am 13. Juli veröffentlichten Urteil.
Damit scheiterte eine 1998 geborene Frau aus Somalia mit ihrer Klage vor den obersten Verwaltungsrichtern. Die Frau war Anfang 2016 nach Deutschland eingereist. Ein Jahr später wurde ihr Asylantrag ebenso abgelehnt wie ihr Antrag auf subsidiären Schutz.
Bei Letzterem haben Flüchtlinge zumindest uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt und Anspruch auf einen Integrationskurs. Auch einen Familiennachzug für ihre Kernfamilie können sie beantragen. Hier erhielt die Klägerin jedoch nur eine Duldung und damit einhergehend vorläufigen Abschiebungsschutz.
Subsidiären Schutz könne die Klägerin nicht beanspruche, urteilte das Bundesverwal-tungsgericht. Nach dem Asylgesetz müsse dem Ausländer in seinem Herkunftsland ein "ernsthafter Schaden" drohen, wie etwa Todesstrafe, Folter, unmenschliche Behandlung oder eine "ernsthafte individuellen Bedrohung des Lebens".
Diese Voraussetzungen lägen bei der Klägerin jedoch nicht vor. Zwar sei die humanitäre Lage wegen des anhaltenden Bürgerkrieges in Somalia schlecht. Die "sozio-ökonomischen und humanitären Bedingungen im Abschiebezielstaat" seien für die Frage, ob eine Person tatsächlich Gefahr laufe, einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt zu sein, aber nicht ausschlaggebend, befanden die Leipziger Richter.
Subsidiärer Schutz könne nur verlangt werden, wenn die Gefahr von einem konkreten Akteur gezielt ausgehe - etwa durch staatliche Stellen. Allgemeine Gefahren stellten für sich genommen "keine individuelle Bedrohung dar, die als ernsthafter Schaden zu beurteilen wäre". Eine zielgerichtete, ihr selbst geltende ernsthafte Bedrohung liege nicht vor.
Nur ausnahmsweise könne auch eine allgemeine Bedrohungslage einen subsidiären Schutz begründen. Hierfür müsse der Grad willkürlicher Gewalt in einem Land ein so hohes Niveau erreichen, dass sich daraus eine erhebliche individuelle Gefahr ergibt. Solche derart gefahrerhöhende Umstände gebe es in Mogadischu aber derzeit nicht, so das Gericht.
Az.: 1 C 11.19
Karlsruhe (epd). Die bereits seit Jahren bestehende Zwangsunterbringung einer schizophrenen Pati-entin darf ohne eine Prüfung anderer Betreuungsmöglichkeiten nicht einfach verlängert werden. Auch für die Fortdauer einer zivilrechtlichen Zwangsunterbringung muss eine "ernstliche und konkrete Gefahr für Leib oder Leben" vorliegen, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am 17. Juli veröffentlichten Beschluss.
Im jetzt entschiedenen Fall wurde die unter Betreuung stehende, 1941 geborene Frau im Mai 2012 wegen der Gefahr einer Selbstgefährdung zwangsweise in einem Alten- und Pflegeheim untergebracht. Sie leidet an einer chronifizierten paranoiden Schizophrenie und einem behandlungsbedürftigen Bluthochdruck. Ihre Betreuerin beantragte beim Amtsgericht die Fortdauer der zwangsweisen Unterbringung.
Das Landgericht Lüneburg billigte die Unterbringung bis zum 9. April 2021. Angesichts der Vorgeschichte bestehe eine 70-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass die Frau ihre erforderlichen antipsychotischen und blutdrucksenkenden Medikamente absetzt, hieß es zur Begründung.
Der BGH hob diese Entscheidung jedoch auf. Zwar sei für eine zivilrechtliche Zwangsunterbringung keine akute, unmittelbar bevorstehende Gefahr erforderlich. "Notwendig, aber auch ausreichend ist eine ernstliche und konkrete Gefahr für Leib und Leben des Betreuten", betonte das Gericht. Es müssten "objektivierbare und konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt eines Gesundheitsschadens" vorliegen.
Diese Voraussetzungen müssten auch bei der Verlängerung einer Zwangsunterbringung vorliegen, selbst wenn sie bereits seit Jahren andauere. Bei der Verlängerung müsse auch die schon verstrichene Unterbringungszeit berücksichtigt und geprüft werden, ob wegen Zeitablaufs überhaupt noch eine Selbstgefährdung besteht.
Hier habe das Landgericht diese Voraussetzungen für die Zwangsunterbringung nicht ausreichend untersucht. Es habe selbst nach einer fast achtjährigen Unterbringung nicht erwogen, ob nicht auch andere betreute Wohnformen infrage kommen, die das Freiheitsgrundrecht weniger stark einschränken, rügte der BGH.
Az.: XII ZB 215/20
Stuttgart (epd). Elke Eckardt werde künftig gemeinsam mit Hauptgeschäftsführer Bernhard Schneider für Kontinuität und Verlässlichkeit an der Spitze des Unternehmens sorgen, teilte der diakonische Träger mit.
Kirchhof stand 30 Jahre lang im Dienst der EHS. Eingestiegen ist er 1990 als Referent des damaligen Geschäftsführers, 1997 wurde er dann selbst in die Geschäftsführung berufen. "Herr Kirchhof hat dieses Unternehmen entscheidend mitgeprägt und gestaltet", sagt Hauptgeschäftsführer Bernhard Schneider: "Wir werden ihn in der EHS alle sehr vermissen und mir persönlich wird er als beruflicher Partner, Berater und Kollege fehlen“.
Elke Eckardt ist ein bekanntes EHS-Gesicht und seit 21 Jahren im Unternehmen. Ihren Weg zur EHS fand die Theologin und Betriebswirtin über die Tochterfirma ABG. Dort war Eckardt zwischen 1999 und 2002 Beraterin für betriebswirtschaftliche und theologische Fragestellungen. 2002 wechselte sie dann zum Mutterkonzern und leitete die interne Revision. Seit 2011 ist Elke Eckardt Prokuristin für den Geschäftsbereich Organisation und Prozesse. "Frau Eckardt ist eine exzellente Fachfrau und herausragende Führungspersönlichkeit. Sie wird im Unternehmen als vortreffliche Kennerin aller Strukturen und Prozesse sehr geschätzt", sagt der Aufsichtsratsvorsitzende Helmut Mäule. Der offizielle Stabwechsel wird am 31. Juli in der Unternehmenszentrale in Stuttgart gefeiert.
Die Evangelische Heimstiftung wurde 1952 gegründet und ist Mitglied im Diakonischen Werk. Als größtes Pflegeunternehmen in Baden-Württemberg betreut sie nach eigenen Angaben 13.500 Kunden in 145 Einrichtungen.
Brigitte von Germeten-Ortmann ist ab sofort Ombudsfrau für die voraussichtlich mehr als 19.000 Auszubildenden, die in diesem Jahr mit der neuen generalistischen Pflegeausbildung in Nordrhein-Westfalen starten. Die gelernte Krankenpflegerin und Diplom-Pflegepädagogin soll bei Konflikten zwischen Auszubildenden und den Ausbildungseinrichtungen vermitteln. Ihre Geschäftsstelle wird bei der Bezirksregierung Münster eingerichtet. Von Germeten-Ortmann hatte seit 2004 die Abteilung Gesundheits- und Altenpflege beim Diözesan-Caritasverband Paderborn geleitet. Seit Februar dieses Jahres ist sie im Ruhestand, die Tätigkeit als erste Ombudsfrau in der generalistischen Pflegeausbildung übernimmt sie ehrenamtlich.
Vera Lux ist neue Pflegedirektorin der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Sie ist damit Chefin von fast 2.500 Pflegekräften, der größten Berufsgruppe in der Einrichtung. Die examinierte Kinderkrankenschwester und ausgebildete Pflegedienstleiterin war zuletzt als Managementberaterin für Pflege und Health Care selbstständig. Zuvor war Lux als Vorstandsmitglied und Pflegedirektorin an der Universitätsklinik Köln sowie als Pflegedirektorin und Geschäftsführerin einer Servicegesellschaft am Klinikum Darmstadt tätig.
Christiane Ludwig, langjährige Augsburger Oberin der Diakonissenanstalt (diako), ist am 18. Juli in den Ruhestand verabschiedet worden. Die 65-Jährige war die erste Nicht-Diakonisse im Leitungsamt in der über 160-jährigen Geschichte der Diakonissenanstalt und habe das Amt der Oberin in neuer Form geprägt, sagte diako-Rektor Jens Colditz bei einem Gottesdienst in der Augsburger St.-Anna-Kirche. Ludwig hatte das Amt dreizehn Jahre inne, ihre Nachfolgerin wird die aus Neu-Ulm stammenden Ulrike Kühn.
Ulrike Scherf, stellvertretende Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, ist in den Aufsichtsrat des christlichen Gesundheitskonzerns Agaplesion berufen worden. Sie folgt damit auf Pfarrer Norbert Mander, der sein Mandat planmäßig niederlegt. Scherf sagte, sie wolle dazu beitragen, "das christliche Fundament und diakonische Profil von Agaplesion in die Zukunft zu tragen und die gesellschaftliche Relevanz aufzuzeigen". Seit Februar 2013 hat Scherf das Amt der Stellvertretenden Kirchenpräsidentin inne. Die Pfarrerin und ehemalige Dekanin des Evangelischen Dekanats Bergstraße war 2012 erstmals von der Kirchensynode gewählt worden und wurde 2019 für weitere acht Jahre wiedergewählt.
Stefan Kiefer (51), ehemaliger Augsburger Sozialreferent (SPD) hat eine neue berufliche Herausforderung gefunden: Er arbeitet bei der Caritas Augsburg Betriebsträger (CAB), einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft des Caritasverbandes der Diözese Augsburg. Sie beschäftigt rund 3.000 Mitarbeiter in den Bereichen Alten- und Behindertenhilfe. Kiefer, der früher bereits als Rechtsanwalt tätig war, wird dort als Unternehmensjurist mit dem Schwerpunkt Sozialrecht und Entwicklung arbeiten. Dabei soll er insbesondere auch neue Bauvorhaben im Bereich Pflege und Inklusion betreuen.
Anja König leitet ab Januar die Pflege am Klinikum Mittelbaden. Sie wird geschäftsführende Pflegedirektorin und bildet ein Führungstrio mit dem Kaufmännischen Geschäftsführer Daniel Herke und dem Medizinischen Geschäftsführer Thomas Iberwird. König ist derzeit in der Pflegedirektion am Universitätsklinikum Heidelberg und der dortigen Stabstelle für Qualität und Entwicklung in der Pflege tätig. Sie soll die Strukturen in den Kliniken Rastatt, Baden-Baden und Bühl übergreifend zusammenführen.
Andreas Chrzanowski, Blindenseelsorger der hannoverschen Landeskirche, wird neuer Geschäftsführer der Hildesheimer Blindenmission. Chrzanowski folgt auf Pastor Frank Ewert, der im Mai 2021 in den Ruhestand geht. Der im Alter von 30 Jahren erblindete Chrzanowski war zwölf Jahre Gemeindepastor in Ostfriesland, bevor er 2013 als Beauftragter für die Blinden-, Sehbehinderten- und Taubblindenseelsorge nach Hannover wechselte. Die Hildesheimer Blindenmission wurde 1890 ins Leben gerufen und ist nach eigenen Angaben damit die älteste Einrichtung dieser Art in Deutschland. Sie unterhält oder fördert seit 1897 Blindenheime und Blindenschulen in Hongkong und China, seit 1945 auch in Indonesien und Birma sowie in Taiwan und auf den Philippinen.
https://www.rummelsberger-diakonie.de/aktuelles/aktuelle-nachrichten/detailansicht-aktuelles/article/ich-hatte-ein-schoenes-berufsleben/
Wir haben Tagungen, Seminare, Workshops und Webinare aufgelistet, die aktuell geplant sind. Wegen der Corona-Epidemie sagen Veranstalter allerdings Termine auch kurzfristig ab. Wir bitten unsere Leserinnen und Leser, dies zu beachten.
11.8. Berlin:
Online-Seminar "Menschenhandel im Kontext von Flucht - Eine Einführung in das Phänomen Menschenhandel und die Auswirkungen für die Beratungspraxis"
Tel.: 030/26309-0
11.-13.8.:
Online-Fortbildungstraining "Meetings per Video oder Telefon moderieren: online miteinander im Kontakt sein und effektiv arbeiten"
der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761/200-1700
13.8. Paderborn:
Seminar " Sterbebegleitung und Palliative Care für Menschen mit Demenz)
der IN VIA Akademie
Tel.: 05251/29 08-0
14.8. Berlin:
Seminar "Personal-, Personalentwicklungs- und Kritikgespräche erfolgreich führen"
der Paritätischen Akademie Berlin
Tel.: 030/275 82 82-27
17.-18.8. Berlin:
Basisseminar "Führung und Kommunikation"
der BFS Service GmbH
Tel.: 0221/97356.159
17.-21.8. Berlin:
Seminar "Integrierte Schuldnerberatung in Sucht- und Straffälligenhilfe, Sozialberatung und Betreuung"
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 030/48837-388
19.-20.8. Hamburg:
Seminar " Team entwickeln, einschätzen und kompetent begleiten. Wie Sie als Führungskraft gemeinsam mit Ihrem Team Ziele erreichen"
der Paritätischen Akademie Nord
Tel.: 040/415201-66
24.8. Wuppertal:
Seminar "Wirkungsvoll kommunizieren - Sprache gekonnt einsetzen"
der Paritätischen Akademie NRW
Tel.: 0202/28 22 230
24.-26.8.:
Online-Seminar: "Online Moderieren - Tipps und Werkzeuge für den Austausch und die Zusammenarbeit im virtuellen Raum"
der Paritätischen Akademie Süd
Tel.: 0711/25298921
24.-27.8.: Remagen-Rolandseck:
Seminar "Familiennachzug von Geflüchteten"
Tel.: 030/26309-0
26.-28.8.:
Onlineseminar "Einführung ins SGB II und aktuelle Rechtsprechung"
Tel.: 030/26309-0
27.-30.8. Remagen-Rolandseck:
Seminar "Freiwilliges Engagement in der Suchthilfe - Beratung und Unterstützung von Verantwortlichen in der Selbsthilfe"
Tel.: 030/26309-0
31.8.-2.9. Freiburg:
Seminar "Case-Management im Migrationsdienst der Caritas - Grundlagen"
der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761/2001700
7.-8.9. Berlin:
Fortbildung " Recht auf Risiko?! - Selbstschädigendes Verhalten von Klient*innen im selbstbestimmten Wohnen"
der Fortbildungsakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 030/488 37-488
9.9. Kassel:
Seminar "Ausgliederung und Umstrukturierung beim Verein"
der Paritätischen Akademie Süd
Tel.: 0711/25298921
14.9. Berlin:
Workshop "Wie wir Konflikte besser bewältigen - Qualifizierung für Migrationsfachdienste"
Tel.: 030/26309-0
14.-17.9. Eisenach:
35. Bundesweite Streetworktagung "Seit Corona ist alles anders - Neue Herausforderungen, Konzepte, Strategien, Lösungen"
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 030/488 37-488
17.9. Hamburg
Seminar "Heute schon gelobt? Anerkennung als Führungsinstrument"
Tel.: 040/415201-66
17.-18.9.:
Onlineseminar "Recht und Urheberrecht im Umgang mit Social Media und Internet"
Tel.: 030/26309-0
21.-22.9. Eisenach:
Fortbildung "Werkstatt Gemeinwesendiakonie - Bilanz - Neue Ideen - Strategieentwicklung"
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 030/48837-488