Dortmund (epd). Wer heute das "Bordoll" im Dortmunder Süden betritt, muss sich erst einmal die Hände desinfizieren und ein Kontaktformular ausfüllen. Danach läuft alles seinen geregelten Gang: Der Freier geht mit einer Sexpuppe aufs Zimmer, anschließend wird alles gereinigt, die Laken getauscht und der Raum gelüftet. Der Unterschied zu gewöhnlichen Zeiten: Sex mit Prostituierten ist hier - wie überall in Nordrhein-Westfalen - wegen der Corona-Pandemie aktuell nicht erlaubt.
Seit dem 16. März darf Evelyn Schwarz, die Betreiberin des Bordells, weder Frauen in ihrem Haus arbeiten lassen noch selbst ihre Dienste anbieten. Damals beschloss die Bundesregierung ein befristetes Verbot aller sexuellen Dienstleistungen. Schwarz erreichte Ende Mai immerhin eine Ausnahme beim Ordnungsamt für den Betrieb mit den Sexpuppen. "Das hat mich finanziell gerettet", sagt sie.
Inzwischen gibt in eigenen Bundesländern Lockerungen des Verbots: In Niedersachsen urteilte beispielweise das Oberverwaltungsgericht Lüneburg kürzlich, dass Escort-Dienste, also Haus- und Hotelbesuche, nicht verboten sind. In Nordrhein-Westfalen dürfen die Bordelle seit dem 13. Juli Wellnessmassagen ohne sexuelle Handlungen anbieten. Andere Länder halten hingegen an den strikten Regelungen fest.
Diese Einschränkungen haben nach Angaben des Bündnisses der Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter oft existenzgefährdende Folgen. Die Zahl der hilfesuchenden Prostituierten habe sich drastisch erhöht. Viele Frauen und Männer hätten sich gezwungen gesehen, in ihre Herkunftsländer zurückzureisen. Die, die blieben, litten unter den ausbleibenden Einnahmen, einem erschwerten Zugang zu öffentlichen Hilfssystemen und drohender Wohnungslosigkeit. Um ihr Überleben zu sichern, arbeiteten sie illegal, was wiederum Bußgeldstrafen nach sich ziehe.
Ende März beschloss die Bundesregierung "Maßnahmen zur Vermeidung von Obdachlosigkeit von Sexarbeitenden" zum Schutz der Betroffenen. Seitdem dürfen Prostitutionsstätten als Schlafunterkünfte genutzt werden, solange die Hilfesuchenden keine sexuelle Dienstleistungen anbieten und die Situation nicht zur Ausbeutung der Menschen führt.
Für Sexarbeitende, die keinen Anspruch auf staatliche Hilfe haben oder die Zeit bis zur Auszahlung überbrücken müssen, richtete der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen einen Nothilfefonds ein. Selbstständige können die vereinfachte Grundsicherung beantragen, bis Ende Mai konnten sie zudem einen Antrag auf Soforthilfe bei den zuständigen Landesbehörden stellen.
Die Soforthilfen galten allerdings nur für die Betriebskosten, die oftmals weit unter den eigentlichen Fixkosten lagen. Die KfW-Schnellkredite aus dem Corona-Sonderprogramm wurden Bordellen derweil laut Betreiberin Schwarz nur ungern bewilligt. Dabei gefährde die aktuelle finanzielle Unsicherheit auch die Arbeitsplätze von Menschen, die indirekt in dem Gewerbe arbeiten, wie dem Security- und Hauspersonal.
In den Nachbarländern Österreich, Schweiz und den Niederlanden ist Sexarbeit inzwischen wieder erlaubt. "Jetzt, wo die Grenzen wieder offen sind, wird es Sextourismus geben", befürchtet Bordellbesitzerin Schwarz.
Auch die ungleichen Regelungen innerhalb Deutschlands könnten dazu führen, dass ihr nicht nur Kunden, sondern künftig auch Mieterinnen fehlen. "Mit einem Hurenpass kann man überall arbeiten und als Selbstständige sind die Frauen unabhängig“, sagt sie.
Besondere Sorgen bereitet Schwarz zudem, dass aktuell wieder ein Sexkaufverbot im Gespräch ist. Im Mai forderten 16 Bundespolitiker der Regierungsfraktionen in einem offenen Brief an die Ministerpräsidenten der Länder, Sexarbeit auch nach der Pandemie zu untersagen. "Das würde viele Frauen in den Untergrund und die Illegalität treiben", sagt Schwarz.