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Hintergrund: Sexarbeit unter den Augen der Behörden



Momentan ist Sexarbeit in Bordellen wegen der Corona-Pandemie bundesweit untersagt, doch die Debatte über ein generelles Verbot der Prostititution geht weiter. Befürworter einer solchen gesetzlichen Regelung nach dem sogenannten nordischen Modell sehen darin mehrere Vorteile: Sexkäufer und Bordell-Betreiber würden kriminalisiert, Prostituierte hingegen nicht bestraft, Ausstiegsprogramme würden finanziert. Doch noch ist die Rechtslage in Deutschland eine andere: Ein Überblick von epd sozial über die bisher in der Prostitution geltenden Regeln.

Wie ist Prostitution in Deutschland geregelt?

Grundsätzlich ist Prostitution hierzulande legal. Ausnahmen bilden dem Strafgesetzbuch nach nur die Prostitution Minderjähriger, die Arbeit in Sperrbezirken und Zwangsprostitution. Erstmals als nicht sittenwidrig gilt das Gewerbe seit der Einführung des Prostituiertengesetzes 2002. Vereinbarungen zwischen Prostituierten und ihren Kunden können seitdem durch Gerichte geprüft werden. Zudem können Sexarbeitende rechtswirksame Arbeitsverträge abschließen und sich somit bei der Sozialversicherung anmelden.

Was änderte sich durch das Prostituiertenschutzgesetz 2017?

Die Sexarbeit wurde stärker reglementiert. Das Gesetz schreibt allen Prostituierten vor, ihre Arbeit anzumelden. Zudem müssen sie zu einem allgemeinen Informationsgespräch gehen und sich regelmäßig gesundheitlich beraten lassen. Wer ein Prostitutionsgewerbe betreiben will, braucht zusätzlich eine Erlaubnis der zuständigen Behörde. Der Gesetzgeber führte außerdem eine Kondompflicht ein. Zuständig für die Ausführung des Gesetzes sind die Länder. Jedes Bundesland legt fest, bei welcher Behörde die umgangssprachlich als "Hurenpass" bezeichnete Erlaubnis im Zwei-Jahres-Rhythmus beantragt werden muss. Auch die Kosten für die Anmeldung unterscheiden sich je nach Land. Im Prinzip gilt die Genehmigung im gesamten Bundesgebiet, einige Länder schreiben jedoch eine gesonderte Anmeldebescheinigung vor.

Wie viele Prostituierte gibt es in Deutschland?

Nach Angaben des Statistisches Bundesamtes waren Ende 2018 rund 32.800 Personen offiziell nach dem Prostituiertenschutzgesetz angemeldet. Die meisten von ihnen hatten die rumänische Staatsangehörigkeit (35 Prozent), etwa drei Viertel waren zwischen 21 und 44 Jahre alt. Angaben des Bundesfamilienministeriums zufolge ist eine "weit überwiegende Mehrheit" der Prostituierten weiblich. Tatsächliche dürfte es wesentlich mehr Prostituierte geben, Schätzungen gehen von bis zu mehreren hunderttausend Männern und Frauen aus.

Wie ist die Lage der Sexarbeitenden?

Die Situation der Prostituierten wird je nach Quelle unterschiedlich eingeschätzt. Frauenrechtsorganisationen wie Terre des Femmes warnen, dass viele Prostituierte minderjährig in das Geschäft einstiegen und vor allem Migrantinnen zur Arbeit gezwungen werden oder die Prostitution als einzige Möglichkeit sehen, der Armut zu entkommen. Die Mehrheit der Frauen will Aktivistinnen zufolge aussteigen, was aber durch Faktoren wie Drogen- oder Alkoholabhängigkeit, Traumatisierung oder mangelnden Deutschkenntnissen erschwert wird. Auch das Bundesfamilienministerium gibt an, "dass sich viele Prostituierte in einer sozialen und psychischen Situation befinden, in der es fraglich ist, ob sie sich frei und autonom für oder gegen diese Tätigkeit entscheiden können".

Laut Hydra, einer Interessenvertretung von Prostituierten, arbeiten hingegen viele Prostituierte selbstbestimmt, "weite Teil der Sexarbeitsbranche" hätten nichts mit Menschenhandel zu tun. Die Mehrheit der Kunden verhalte sich respektvoll und akzeptiere ein "Nein". Ein Sexkaufverbot führe außerdem nicht dazu, dass weniger Männer zu Prostituierten gehen, sondern setze Sexarbeiterinnen mehr Risiken und Gefahren aus.

Jana-Sophie Brüntjen


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