Rüdesheim (epd). Die evangelische und die katholische Kirche in Deutschland haben am 13. April in Rüdesheim am Rhein die „Woche für das Leben 2024“ eröffnet. „Jedes Leben ist lebenswert, daran wollen wir als Kirchen mit dieser Woche erinnern. Eine Gesellschaft darf weder selektieren noch diskriminieren, darum setzen wir uns für den Lebensschutz aller ein“, betonten zum Auftakt der Woche die amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischöfin Kirsten Fehrs, und der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing.
„Menschliches Leben muss immer dann besonders geschützt werden, wenn es verletzlich ist, vor allem an seinem Anfang und an seinem Ende“, sagte Fehrs. „Genauso erheben die Kirchen aber auch dann ihre Stimme, wenn menschlichem Leben ein höherer oder geringerer gesellschaftlicher Nutzen zugesprochen wird.“ Darum sei es wichtig, Inklusion zu ermöglichen und vorzuleben. Junge Menschen mit Behinderung gehörten in die Mitte der Gesellschaft, sagte sie in einem inklusiven Gottesdienst im St. Vincenzstift in Aulhausen.
Bischof Bätzing wies auf „die Heiligkeit und Unantastbarkeit jedes menschlichen Lebens“ hin, die zu schützen und entfalten sei. Die Kirche müsse diese Sichtweise immer wieder neu in die Gesellschaft einbringen.
Die „Woche für das Leben“ vom 13. bis zum 20. April steht unter dem Motto „Generation Z(ukunft): Gemeinsam. Verschieden. Gut.“. Die Veranstaltungen stellen die Lebenssituation junger Menschen mit Behinderungen in den Mittelpunkt. In diesem Jahr gestalten die EKD und die Bischofskonferenz das bundesweite Programm der „Woche für das Leben“ zum letzten Mal gemeinsam. Die EKD hatte sich im vergangenen Jahr einseitig aus der ökumenischen Lebensschutz-Initiative zurückgezogen.
Die Initiative war Anfang der 90er Jahre von katholischen Laien ins Leben gerufen worden. Die evangelische Kirche will sich nach eigener Aussage künftig in anderen Formaten für die Themen des Lebensschutzes einsetzen.
Hamburg (epd). Die amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirsten Fehrs, hat den Angriff des Irans auf Israel als „schändlich und völkerrechtswidrig“ bezeichnet. Er sei daher „auf das Schärfste zu verurteilen“, sagte die Hamburger Bischöfin am 14. April. „Im Interesse der leidenden Menschen in Israel und in Gaza appelliere ich eindringlich an alle Seiten, jede Aktion zu unterlassen, die zu einer weiteren Eskalation dieser extrem anspannten Lage führen kann“, erklärte Fehrs.
Die internationale Gemeinschaft müsse alles tun, um einen Krieg zu verhindern, forderte sie. Sie bete zu Gott, „dass es gelingen möge, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen und so das Leid und die Not aller Menschen in der Region nachhaltig zu lindern“.
Der Iran hatte Israel laut deutscher Bundesregierung in der Nacht zum 14. April zum ersten Mal mit wahrscheinlich mehr als 300 Raketen, Drohnen und Marschflugkörpern angegriffen. Vorangegangen waren Luftschläge auf ein iranisches Konsulargebäude im syrischen Damaskus. Nach Angaben der israelischen Armee wurde der weitaus größte Teil der gegen Israel gerichteten Geschosse in der Nacht zu Sonntag abgefangen. Im Land selbst seien verhältnismäßig wenige Schäden zu verzeichnen, hieß es.
Papst Franziskus appellierte beim Mittagsgebet am 14. April in Rom laut einem Bericht des Portals „Vatican News“ eindringlich an die Verantwortlichen, „keine Maßnahmen zu ergreifen, die eine Gewaltspirale in Gang setzen und den Nahen Osten in einen noch größeren kriegerischen Konflikt hineinziehen könnten“. Das Oberhaupt der katholischen Kirche rief alle an dem Konflikt Beteiligten auf, nicht die Existenz anderer zu bedrohen. „Alle Nationen sollten sich stattdessen auf die Seite des Friedens stellen und den Israelis und Palästinensern helfen, in zwei Staaten, nebeneinander, in Sicherheit zu leben“, betonte er: „Das ist ihr tiefer und legitimer Wunsch und ihr Recht.“
Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz und Limburger Bischof Georg Bätzing nannte den Angriff „ein Spiel mit dem Feuer“. Er appellierte an alle Verantwortlichen, „auch in einer möglichen Antwort Israels, jede Eskalationsdynamik zu vermeiden, um weiteres Blutvergießen zu verhindern und dem Gedanken des Friedens Raum zu geben“.
Magdeburg (epd). Der wegen seiner AfD-Nähe suspendierte Pfarrer Martin Michaelis aus Sachsen-Anhalt hat die Anschuldigungen gegen ihn zurückgewiesen. „Die Vorwürfe sind nicht substantiiert“, sagte Michaelis dem Evangelischen Pressedienst (epd). Am 9. April hatte die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) gegen Michaelis ein Disziplinarverfahren eingeleitet, weil der Pfarrer bei den Kommunalwahlen am 9. Juni als Parteiloser auf der AfD-Liste für den Stadtrat in Quedlinburg kandidiert.
Von dem Verfahren habe er durch eine Presseanfrage erfahren, sagte Michaelis. Dies bezeichnete er als „ungewöhnlich“. Der Vorgang zeuge nicht von besonderer Professionalität.
EKM-Sprecher Friedemann Kahl wies die Vorwürfe zurück. Michaelis habe unmittelbar nach der Entscheidung von der Eröffnung des Disziplinarverfahrens und der Begründung Kenntnis erhalten.
Michaelis will nach eigenen Angaben an seiner Kandidatur festhalten. Die Auffassung der EKM, dass die Programmatik der AfD mit christlichen Werten und seinem Amt als Pfarrer nicht vereinbar sei, habe er nicht zu vertreten.
EKM-Sprecher Kahl sagte, am Ende des Disziplinarverfahrens könne ein dauerhafter Entzug der Ordinationsrechte stehen, also des Rechts auf öffentliche Verkündigung und der Feier der Sakramente. Derzeit werde das Verfahren durch den Chef-Arbeitsrechtler im Landeskirchenamt, Christian Vollbrecht, geführt. Eine Entscheidung müsse aber das Kollegium treffen, dem der Landesbischof, der Präsident des Landeskirchenamtes und die drei Dezernenten angehörten. Michaelis könne sich gegen die Entscheidung vor dem Kirchengericht wehren.
Loccum (epd). Missbrauchsbetroffene haben von der evangelischen Kirche mehr Entschlossenheit bei der Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt verlangt. Das Thema müsse bis in die kleinste Kirche hineingebracht werden, sagte der Betroffenenvertreter Detlev Zander am 12. April in Loccum bei Nienburg bei einer Podiumsdiskussion mit Vertreterinnen und Vertretern der hannoverschen Landeskirche, unter ihnen Landesbischof Ralf Meister. Eindringlich mahnte Zander: „Wir haben euch unsere Geschichten gegeben. Macht was draus!“
Zander appellierte auch direkt an Bischof Meister: „Es gehört zu Ihren Aufgaben, das nicht wegzudelegieren. Sie müssen da Ihre Hand drüber halten.“ In der evangelischen Kirche gebe es viele junge Pastorinnen und Pastoren, die Prävention und Aufarbeitung voranbringen wollten, sagte der Betroffenensprecher, der zum Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Diakonie gehört. Sie würden aber häufig ausgebremst. „Ihnen möchte ich den Rücken stärken.“ Die Landeskirchen müssten für diese Aufgaben Ressourcen schaffen und Geld in die Hand nehmen.
Der Landesbischof antwortete mit einem Schuldeingeständnis: „Natürlich fühle ich mich schuldig - schuldig für das, was in der Vergangenheit in der Kirche geschehen ist.“ Zwar tue die evangelische Kirche inzwischen viel gegen sexualisierte Gewalt, doch Meister räumte ein: „Es reicht vorne und hinten noch nicht.“ Die Podiumsdiskussion war Teil einer Tagung der Evangelischen Akademie Loccum unter dem Titel „Sexualisierte Gewalt im Raum der Kirche und der Diakonie: Werkstatt Aufarbeitung“.
Bischof Meister sagte außerdem, der Kampf gegen sexualisierte Gewalt erfordere in der evangelischen Kirche neben strukturellen Veränderungen eine Art Kulturwandel. So müsse sich die Kirche von falschen Idealvorstellungen verabschieden. Es werde Zeit brauchen, dies zu verändern: „Das ist eine Auseinandersetzung, die nicht in einer halben Generation erledigt ist.“
Nach den Worten von Betroffenenvertreterin Nancy Janz sind Aufarbeitung und Prävention erst durch das Engagement der Betroffenen in Gang gekommen: „Wenn es uns nicht gegeben hätte, würden die evangelische Kirche und die Diakonie heute nicht hier sitzen.“ Die Betroffenen hätten auch gegen mancherlei Widerstände ankämpfen müssen, sagte Janz, die ebenfalls dem Beteiligungsforum angehört. Es sei wichtig, mit den Betroffenen ins Gespräch zu kommen: „Sie haben noch mal eine ganz andere Perspektive.“
Die für Bildung zuständige Oberlandeskirchenrätin Kerstin Gäfgen-Track sagte, die Kirche stehe in der Arbeit mit jungen Menschen zurzeit unter großem Druck. „Wir müssen damit umgehen, dass die Leichtigkeit aus der Jugendarbeit ein Stück heraus ist, weil dieses Thema immer mitschwingt.“ Die hannoversche Landeskirche habe rund 10.000 ehrenamtliche Jugendmitarbeiter. Diese müssten alle regelmäßig zum Umgang sexualisierter Gewalt geschult werden. Gäfgen-Track resümierte: „Wir müssen den Druck aushalten und weiterarbeiten.“
Der Vorstandssprecher der Diakonie in Niedersachsen, Hans-Joachim Lenke, plädierte für ein verlässliches Meldesystem. Es sei notwendig, dass die einzelnen sozialen Mitgliedseinrichtungen dem Dachverband der Diakonie Fälle von sexualisierter Gewalt verbindlich mitteilten. So habe es vor einiger Zeit einen Mitarbeiter gegeben, der alle zwei Jahre die Stelle gewechselt und an jedem neuen Ort erneut Missbrauch begangen habe. „Das könnte auffallen, wenn wir ein Meldesystem hätten. Wir werden versuchen, es zu etablieren.“
Drübeck (epd). Der mitteldeutsche evangelische Landesbischof Friedrich Kramer hat die Arbeit der Wissenschaftler der bundesweiten ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in evangelischer Kirche und Diakonie kritisiert. Die von der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) vorgenommene Auswertung von 9.000 Personalakten sei darin letztlich unberücksichtigt geblieben, kritisierte Kramer zum Auftakt der Frühjahrstagung der mitteldeutschen Synode am 11. April in Kloster Drübeck bei Wernigerode. Stattdessen sei nur die weitaus niedrigere Zahl an Disziplinarakten in die Auswertung eingeflossen.
Es habe sich wohl um ein „kommunikatives Missverständnis“ gehandelt, sagte der Bischof. So aber müsse abseits der ermittelten Zahlen von 49 Beschuldigten und 125 Betroffenen sexualisierter Gewalt in der EKM und ihrer Vorgängerkirchen eine hohe Dunkelziffer vermutet werden. Die Recherchen seien aber nicht umsonst gewesen, sagte Kramer. Sie bildeten für die Arbeit der nun zu gründenden Aufarbeitungskommission die weitere Grundlage.
Frankfurt a.M. (epd). Der Bischof der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland (EmK), Harald Rückert, sieht in der geplanten Neuausrichtung seiner Kirche auf der Generalkonferenz Ende April in den USA viele Chancen. „Wir möchten die historisch bedingten Abhängigkeiten von den USA abschütteln, alle Teile der Kirche sollen sich weltweit gleichberechtigt aufstellen“, sagte Rückert dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Die Generalkonferenz ist das weltweit höchste Parlament der Kirche. Sie tagt vom 23. April bis 3. Mai in Charlotte im US-Bundesstaat North Carolina. Dort sollen wegweisende Entscheidungen getroffen werden. Rückert wird vor Ort daran mitwirken.
Nach jahrzehntelangem Streit, vor allem über den Umgang mit Homosexualität, hatte sich 2022 die konservative-traditionalistische „Global Methodist Church“ gegründet. „Der Prozess der Trennung, der bereits seit einiger Zeit im Gange ist, soll zu einem Abschluss kommen“, sagte Rückert weiter: „Nur so können wir frei werden für die Zukunft.“
Bischof Rückert hofft auf einen konfliktfreien Trennungsprozess: „Diejenigen, die sich bereits innerlich entschlossen haben zu gehen, die sollen in Frieden gehen dürfen; ich wünsche sehr, dass sie umgekehrt auch innerlich Frieden schließen können mit denen, die bleiben.“ Auch die Sozialen Grundsätze - eines der grundlegenden Dokumente der Evangelisch-methodistischen Kirche - seien überarbeitet worden und sollen dem weltweiten Charakter der Kirche mehr entsprechen. Diese liegen auf der Konferenz zur Abstimmung vor.
In der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland konnte eine Abspaltung traditionalistisch-konservativer Christen verhindert werden. Die Gründung des sogenannten Gemeinschaftsbunds innerhalb der Evangelisch-methodistischen Kirche gilt als großer Erfolg. In dem Bund sind traditionelle Positionen in sexualethischen Fragen beheimatet, konservative und liberale methodistische Christen konnten so unter dem Dach der EmK bleiben.
Der EmK gehören in Deutschland rund 45.000 und weltweit rund zwölf Millionen Christinnen und Christen an. Die Freikirche ist aus einer Erweckungsbewegung in England im 18. Jahrhundert hervorgegangen. Sie betont verbindlichen Glauben und soziales Engagement. Die Kirche verzichtet auf das ihr zustehende Recht, den Staat um den Einzug der Kirchensteuer von den eigenen Kirchengliedern zu bitten.
Rom (epd). Papst Franziskus will im September nach Indonesien, Papua-Neuguinea, Osttimor und Singapur reisen. Das gab das Presseamt des Vatikans am 12. April bekannt. Demnach will sich Franziskus vom 2. bis 13. September in den asiatischen Ländern im Indischen Ozean aufhalten. In den vergangenen Monaten hatte der Papst immer wieder mit gesundheitlichen Problemen in Folge von Atemwegsinfektionen zu kämpfen.
Die zwölftägige Reise wäre die bisher längste des 87-jährigen Papstes. Ein genaues Programm werde zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht, wie der Leiter des Presseamtes Matteo Bruni weiter mitteilte. Fest stehe bereits, dass der Papst vom 3. bis 6. September die Hauptstadt Indonesiens Jakarta, vom 6. bis 9. September die Hauptstadt Papua-Neuguineas Port Moresby und vom 9. bis 11. September Dili, die Hauptstadt Osttimors, besuchen werde. Zum Abschluss reist er vom 11. bis 13. September nach Singapur. Papst Franziskus wollte bereits im Jahr 2020 nach Osttimor reisen, der Besuch musste jedoch wegen der Corona-Pandemie verschoben werden.
Außer der nun angekündigten Reise nach Südostasien sind offiziell bislang erst drei weitere Reisen des Papstes geplant, alle im italienischen Inland. Am 28. April will Franziskus für einen halben Tag nach Venedig fliegen, sich den Pavillon des Vatikans auf der Kunstbiennale anschauen und mittags eine große Messe auf dem Markusplatz halten. Außerdem stehen kurze Besuche von wenigen Stunden am 18. Mai in Verona und am 7. Juli in Triest im päpstlichen Terminkalender.
Der Papst selbst hatte Mitte Januar in einem Interview mit dem italienischen Fernsehjournalisten Fabio Fazio gesagt, er wolle in diesem Jahr auf Einladung des neuen argentinischen Präsidenten Javier Milei sein Heimatland besuchen. Der gebürtige Argentinier war seit seiner Wahl zum Papst im März 2013 nicht mehr dort. Im mexikanischen Fernsehen hatte Franziskus Mitte Dezember außerdem eine Reise nach Belgien in diesem Jahr angekündigt, aus Anlass des 600-jährigen Bestehens der Katholischen Universität Löwen. Dafür gibt es noch keinen offiziellen Termin.
Seine letzte Auslandsreise führte den Papst Ende September nach Marseille. Sein Besuch auf der Klimakonferenz in Dubai im November wurde kurzfristig wegen Krankheit abgesagt. Auch in den vergangenen Wochen hatte der Papst mit diversen Atemwegsinfekten zu kämpfen. Immer wieder ließ er Predigten und Ansprachen von Mitarbeiten verlesen. Zuletzt war seine Teilnahme am Kreuzweg am Kolosseum in Rom an Karfreitag kurzfristig abgesagt worden.
Der Katholizismus ist in den asiatischen Ländern, die der Papst im September besuchen möchte, unterschiedlich stark vertreten: Von den mehr als 270 Millionen Einwohnern Indonesiens sind nur drei Prozent katholisch, etwa 87 Prozent sind Muslime. Auch in Singapur sind Katholiken mit weniger als drei Prozent in der absoluten Minderheit. In Papua-Neuguinea sind etwa ein Viertel der Menschen katholischen Glaubens, in Osttimor 97 Prozent.
Rom (epd). Die Erklärung über die Würde des Menschen sei „von sehr hoher Bedeutung“. Das betonte Kardinal Víctor Manuel Fernández, Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre, am 8. April bei der Vorstellung des Dokuments. Es sei noch viel wichtiger als „Fiducia Supplicans“, jenes Schreiben, mit dem der Vatikan im Dezember die Möglichkeit einräumte, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen. Dieses habe im Internet bislang sieben Milliarden Aufrufe verzeichnet. Er hoffe nun auf eine ähnliche Verbreitung des neuen Textes.
In der Erklärung „Dignitas infinita - über die menschliche Würde“, die das Glaubensdikasterium veröffentlicht hat und die von Papst Franziskus gebilligt wurde, warnt der Vatikan vor zunehmenden Verstößen gegen die Menschenwürde in vielen gesellschaftlichen Bereichen. „Die Kirche verkündet, fördert und macht sich zum Garanten der Menschenwürde“, heißt es zu Beginn des 25-seitigen Dokuments.
Bereits die biblische Offenbarung lehre, dass jeder Mensch eine ihm innewohnende Würde besitzt, weil er nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen ist. „Folglich besitzen alle Menschen die gleiche, ihnen innewohnende Würde, unabhängig davon, ob sie in der Lage sind, diese angemessen zum Ausdruck zu bringen oder nicht“, so der Text.
Nach der Einleitung und einer längeren Auseinandersetzung mit dem Begriff Würde und seiner Bedeutung nimmt mit fast zehn Seiten das vierte und letzte Kapitel den meisten Raum der Erklärung ein. Es ist überschrieben mit: „Einige schwere Verstöße gegen die Menschenwürde“ und zählt, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, 13 Bereiche auf, die dem Vatikan in diesem Zusammenhang besonders erwähnenswert scheinen.
In einem eigenen Unterpunkt widmet sich das Dikasterium darin auch Geschlechtsumwandlungen. „Die Würde des Leibes kann nicht als geringer angesehen werden als die der Person als solcher“, heißt es in dem Text. Jeder geschlechtsverändernde Eingriff berge in der Regel die Gefahr, „die einzigartige Würde zu bedrohen, die ein Mensch vom Moment der Empfängnis an besitzt.“ Dies beziehe sich jedoch nicht auf medizinische Behandlungen, die aufgrund von angeborener oder sich später entwickelnder „genitaler Anomalien“ durchgeführt werden. „In diesem Fall würde die Operation keine Geschlechtsumwandlung in dem hier beabsichtigten Sinne darstellen“, stellt der Vatikan klar.
Dass diese Passagen für Aufruhr sorgen könnten, scheint Kardinal Fernández durchaus klar zu sein. Manche Aufzählungen in diesem vierten Kapitel seien Konsens in der Gesellschaft, andere würden nicht auf die Zustimmung aller treffen, sagte er bei der Vorstellung der Erklärung. Auf die Frage, wie denn die Würde eines jeden Menschen mit der Verurteilung einer Geschlechtsumwandlung zusammenpasse, betont er die „Wichtigkeit, die Realität als jene anzuerkennen, wie sie ist.“ Auch sagt er, dass bei allen Themen, die aufgeführt sind, natürlich Punkte fehlten. „Für jedes dieser Themen könnte man ein eigenes Dokument schreiben.“
Neben Krieg, dem Leiden von Migranten oder dem Menschenhandel findet sich in dem Kapitel auch ein Abschnitt über sexuellen Missbrauch als Verstoß gegen die Menschenwürde. Er ist mit sieben Zeilen der mit Abstand kürzeste der 13 Themenbereiche, denen sich der Vatikan widmet. Die Kirche setze sich „unermüdlich“ dafür ein, allen Arten von Missbrauch ein Ende zu setzen, steht dort geschrieben, „und zwar beginnend im Inneren der Kirche“.
Vehementer und wortreicher werden Abtreibung und Leihmutterschaft als „schwere Verstöße gegen die Menschenwürde“ aufgeführt. Zusätzlich lehnt der Vatikan, wie auch schon in früheren Äußerungen von Papst Franziskus deutlich wurde, die „Gender-Theorie“ grundsätzlich ab. Sie verschleiere den „unaufhebbaren Geschlechtsunterschied zwischen Mann und Frau“. Mehr noch: Mit ihrem Anspruch, alle gleich zu machen, lösche sie die Unterschiede aus.
Seit März 2019 wurde an dem nun veröffentlichten Dokument gearbeitet. Bis zur Veröffentlichung kamen nicht nur die Corona-Pandemie, sondern auch Änderungswünsche des Papstes dazwischen.
Der Vatikan wird an diesem Montag nicht müde zu erwähnen, dass „Dignitas Infinita“ quasi 75 Jahre nach der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte veröffentlicht wird. Dieser Jahrestag, der am 10. Dezember 2023 war, biete der Kirche nun die Gelegenheit, „einige Missverständnisse zu klären, die häufig in Bezug auf die Menschenwürde auftreten.“ So steht es zumindest in der Einleitung ihrer eigenen Erklärung.
Heilbronn/Stuttgart (epd). Celeste ist gut ausgelastet. Vor dem Sprachassistenten in Form eines betenden Engels hat sich eine kleine Schlange gebildet. Der Gesprächs- oder besser Gebetsbedarf scheint groß zu sein. Celeste - „der Himmlische“ - ist ein Prototyp, der bei Bedarf mit seinen Gesprächspartnern betet oder ihnen ein Wort der Ermutigung ausdruckt. Zugegeben: Noch spricht er etwas gestelzter als seine säkularen Kolleginnen Alexa oder Siri. Aber er ist gefragt.
Dass es auch in kirchlichen Kreisen ein Interesse an Künstlicher Intelligenz (KI) gibt, ist der Evangelischen Landeskirche in Württemberg schon länger klar. Wie genau sich Kirche und KI aber ergänzen können, will sie herausfinden und hat deshalb zu einem Thementag „KI, Ethik, Kirche. Was kann KI für uns tun?“ auf den Bildungscampus nach Heilbronn eingeladen.
Der Ort war nicht zufällig gewählt, gilt Heilbronn doch als das europäische Spitzenforschungszentrum zu Künstlicher Intelligenz, wie Heiner Lasi, Leiter des Ferdinand-Steinbeis-Instituts, sagte. Eine Art schwäbisches Silicon Valley also. Lasi sparte nicht mit Blumen für die Kirche. Sie sei ein „wichtiger Partner“ bei der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz.
Zugleich drängte Lasi die Kirche zum Handeln. Denn KI könne stets nur das ausgeben, was sie zuvor gelernt habe. Die Wissensräume von Künstlicher Intelligenz - die sogenannten Corpora - müssten trainiert werden: „Wo ist die Kirche in diesem Training präsent? Gestalten Sie diese Entwicklung mit, denn wir brauchen Menschen mit Hoffnung so sehr wie selten zuvor.“ Jeder erwarte, dass KI wertebasierte Entscheidungen treffe. Lasi: „Wie aber soll sie das tun, wenn ihr es niemand beibringt?“
Bislang würden bekannte KI-Programme wie Chat GPT theologisch vor allem von freikirchlich-evangelikalen Kreisen aus den USA gespeist. Deren Theologie unterscheide sich mitunter aber erheblich von der deutscher Landeskirchen. Miriam Hechler, Beauftragte der württembergischen Landeskirche für innovatives Handeln und neue Aufbrüche, ermunterte Pfarrer daher dazu, ihre Predigten ins Netz zu stellen. Das erhöhe die Chance, dass Programme wie Chat GPT, die sich aus dem gesamten Internet speisen, auch diese Informationen aufnähmen.
Ernst-Wilhelm Gohl, Bischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, gestand, er könne sich den Einsatz von KI an einigen Stellen innerhalb der Kirche vorstellen, auch wenn Kirche sich immer fragen sollte, ob KI tatsächlich neue Formen von Gemeinschaft - für ihn der Wesenskern kirchlichen Lebens - eröffnet „oder nur der Kostenreduzierung dient“.
Eine gewichtige Ausnahme zu seinem Votum für KI innerhalb der Kirche gebe es allerdings: die Seelsorge, also das vertrauliche Gespräch zwischen einem Ratsuchenden und dem Pfarrer. Er könne sich den Einsatz Künstlicher Intelligenz als Ersatz für das Seelsorgegespräch von Mensch zu Mensch „weder gegenwärtig noch zukünftig vorstellen“, so das geistliche Oberhaupt der württembergischen Landeskirche.
Lukas Brand kann das verstehen. Der katholische Theologe promoviert an der Ruhr-Universität Bochum zum Thema Anthropologie und Theologie der Künstlichen Intelligenz. „Seelsorge ist etwas so Individuelles, dass Künstliche Intelligenz damit überfordert ist“, sagt er. KI sei im Kern etwas Mathematisches, das aufgrund angelernter Dinge nach Wahrscheinlichkeiten entscheide. Seelsorgerliche Gespräche könne man damit - zumindest noch - nicht ersetzen.
„KI glaubt nichts“, sagt er. Dennoch könne sie für die Kirche zielführend sein. „Auch wenn KI keine eigenen religiösen Überzeugungen hat, kann sie Menschen auf Gott hin ausrichten“, meint Brand. Das zeigten beispielhaft das Interesse an dem von einem Italiener entwickelten Sprachassistenten Celeste oder dem Segensroboter „Bless U2“, den die hessen-nassauische Kirche 2017 zum Reformationsjubiläum an den Start schickte und der weltweit für Aufsehen sorgte.
Dieses Interesse spreche für eine große Sehnsucht nach Sinn und Segen. Brand plädiert deshalb unter anderem dafür, dass der Umgang mit Künstlicher Intelligenz einen Platz im Theologiestudium bekommt. „KI wird auch in der Kirche immer wichtiger werden“, ist er überzeugt.
Berlin (epd). In Krisenzeiten braucht die Gesellschaft nach Ansicht des SPD-Politikers Lars Castellucci wieder mehr Zuversicht und Hoffnung für die Zukunft. Es sei schwierig angesichts von Klimawandel, Krieg und globaler Pandemien mehr Zuversicht zu haben, sagte der Beauftragte für Kirchen und Religionsgemeinschaften der SPD-Bundestagsfraktion am 12. April bei einer Tagung in Berlin. „Wir sind zu pessimistisch geworden“, sagte er.
Castellucci sagte, die Gesellschaft brauche Organisationen, die sie zur Zuversicht befähigten. Er bezeichnete die Kirchen als „Hoffnungsgemeinschaft“ und bezog sich dabei auf ein Wort des württembergischen Landesbischofs Ernst-Wilhelm Gohl. „Wir brauchen Sie für diese Arbeit in unserem Land“, sagte Castellucci in Richtung der Kirchen. Gohl sprach als Gastredner auf der religionspolitischen Tagung unter dem Titel „Mehr Zuversicht! Mit Hoffnung die Zeiten wenden“.
Der Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg betonte, wie wichtig Hoffnung in krisenhaften Zeiten sei. Menschen sehnten sich nach Mut, Entschlossenheit und Zuversicht. Damit angemessen umzugehen, sei für die Politik eine Gratwanderung. „Die Menschen wollen keine Vertröstung. Sie wollen, dass die Probleme klar benannt werden.“ Andererseits erwarteten sie auch Orientierung und das Verbreiten von Zuversicht.
Christliche Hoffnung gründe sich in Jesus Christus, sagte der evangelische Theologe. Diese Verwurzelung habe eine persönliche und eine gesellschaftliche Seite: Wer diese Verwurzelung für sich spüre, der werde für andere zur Hoffnung. „Mehr denn je brauchen wir Hoffnungsmenschen für Hoffnungsnarrative“, sagte Gohl.
Gerade im ländlichen Raum seien die Kirchen auch weiterhin ein verlässlicher Partner für Angebote zur Verwurzelung für die Menschen. Er sei zudem überzeugt, dass Menschen, die sich in Jesus Christus gegründet wüssten, „nicht so schnell den rechtspopulistischen destruktiven Narrativen auf den Leim gehen“.
Dresden (epd). Die evangelische und die katholische Kirche in Sachsen prüfen die Gründung einer gemeinsamen Akademie. Der Start könnte Anfang 2026 erfolgen, teilten die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens und das katholische Bistum Dresden-Meißen am 10. April in Dresden mit. Zur Prüfung sei eine Arbeitsgruppe einberufen worden. Sie soll Vorschläge für eine „ökumenisch verantwortete Akademiearbeit“ vorlegen.
Bisher bieten die Katholische Akademie des Bistums Dresden-Meißen und die Evangelische Akademie Sachsen jeweils eigene Programme an. Allerdings wurden bereits auch gemeinsame Angebote erprobt - wie etwa die Gesprächsreihe „Sachsensofa“. Eine gemeinsame Einrichtung wäre ein Novum: Bundesweit gebe es auf Bistums- und Landeskirchen-Ebene bislang noch keine ökumenische Akademie, hieß es. Nicht zuletzt regierten die Kirchen damit auf geringer werdende finanzielle Ressourcen.
Die Evangelische Akademie Sachsen blickt auf eine jahrzehntelange Tradition zurück: Sie wurde 1949 in Meißen gegründet. Die Katholische Akademie des Bistums Dresden-Meißen gibt es seit 2001.
Ludwigshafen, Hofgeismar (epd). Der Pfälzer Ruhestandspfarrer Rolf Freudenberg ist neuer Vorsitzender der Evangelischen Akademikerschaft in Deutschland (EAiD). Er sei bei einer Mitgliederversammlung in der Evangelischen Akademie im nordhessischen Hofgeismar im ersten Wahlgang mit einer Dreiviertelmehrheit gewählt worden, sagte der 72-jährige Theologe aus Ludwigshafen-Oggersheim am 9. April dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Freudenberg war von 2018 bis 2021 Mitglied im Bundesvorstand der EAiD. Auch war er Vorsitzender des Landesverbandes Pfalz-Saar. Im einstigen Landesverein für Innere Mission in der Pfalz mit Sitz in Bad Dürkheim stand Freudenberg an der Spitze.
Ebenfalls als Bundesvorsitzende auf drei Jahre gewählt wurde den Angaben zufolge die Ruhestandspfarrerin Elke Münster aus dem bayerischen Schweinfurt. Weitere Mitglieder des Bundesvorstands seien Michael Wuschka, Barbara Schmid, Reza Kharazian und Christian Reich.
Die Mitglieder der Evangelischen Akademikerschaft versuchen nach eigenen Angaben, ihren christlichen Glauben verantwortlich privat, in Familie und Beruf sowie in Gesellschaft und Politik zu leben. Die Vereinigung mit Sitz in Ditzingen bei Stuttgart, die in diesem Jahr 70 Jahre alt wird, ist offen für alle Menschen, die deren Ziele und Grundsätze unterstützen. Sie veranstaltet unter anderem Tagungen und Veranstaltungen und unterstützt Hochschulabsolventen.
Ulm (epd). Der Turm des Ulmer Münsters wird ab 1. Mai bis zu der Besuchsplattform auf 102 Metern geöffnet. Den Startschuss für diese neue Etappe geben am 30. April der Münsterdekan Torsten Krannich und der Ulmer Oberbürgermeister Martin Ansbacher (SPD). Anschließend ist ein Treppenlauf im Kirchturm geplant.
Wegen Sanierungsarbeiten bei den Treppen war der insgesamt gut 161 Meter hohe Münsterturm in den vergangenen zwei Jahren nur bis zur Turmstube in 70 Metern Höhe zugänglich. Die Reparatur etwa der Trittstufen und der Einbau von Fenstergittern sei für die Münsterbauhütte eine große handwerkliche Herausforderung gewesen, sagte Dekan Krannich.
Auf den Münsterturm steigen den Angaben zufolge jährlich 100.000 Menschen. In das Münster selbst, die größte protestantische Kirche in Deutschland, kommen im Jahr rund eine Million Menschen - zu Gebet und Andacht oder Besichtigungen.
Die höchste Besucherplattform des Turms in 143 Meter Höhe wird Dekan Krannich zufolge erst in zwei bis drei Jahren wieder zugänglich sein. Wegen der umfangreichen Bestimmungen des Brandschutzes werde es jedoch auch dann nur einen begrenzten Zugang geben - etwa durch Führungen oder besondere Besuchszeiten.
Der Münsterturm ist im Sommer täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Die wieder eröffnete Plattform in 102 Meter Höhe kann zwischen 10 und 15 Uhr erstiegen werden.
Straßburg, Brüssel (epd). Zum ersten Mal haben Klimaschützer mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Erfolg gehabt. Am 9. April verurteilten die Straßburger Richter die Schweiz wegen mangelnden Klimaschutzes. Damit gaben sie einer Gruppe Schweizer Seniorinnen recht, die ihrer Regierung vorwerfen, sie nicht genug gegen die Auswirkungen des Klimawandels zu schützen.
Zwei weitere Klima-Klagen scheiterten aus formellen Gründen vor dem Gerichtshof. Auch Jugendliche aus Portugal und ein französischer Bürgermeister hatten wegen Folgen des Klimawandels geklagt.
Die von Greenpeace unterstützte Gruppe der sogenannten Klimaseniorinnen wollte mit ihrer Klage erreichen, dass die Schweiz ihre Treibhausgasemissionen stärker reduzieren muss. Die Seniorinnen argumentierten, dass sie durch ihr Alter besonders durch den Klimawandel gefährdet seien, beispielsweise wegen großer Hitze.
Die Richter gaben den Frauen recht. Der Gerichtshof stellte fest, dass Artikel 8 der Menschenrechtskonvention ein Recht auf wirksamen Schutz durch die staatlichen Behörden vor den schwerwiegenden nachteiligen Auswirkungen des Klimawandels auf Leben, Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensqualität beinhaltet. Das Urteil bindet nur die Schweiz, schafft darüber hinaus aber einen Präzedenzfall für weitere Klima-Klagen auch vor nationalen Gerichten.
In zwei weiteren Fällen wies der Gerichtshof allerdings Klima-Klagen ab. In einem Fall hatten Jugendliche aus Portugal Klage eingereicht. Sie warfen ihrem Heimatland, Deutschland und weiteren europäischen Staaten vor, die Klimakrise verschärft zu haben und damit die Zukunft ihrer Generation zu gefährden. Die Straßburger Richter entschieden, die Jugendlichen hätten sich zuerst in Portugal durch die Instanzen klagen müssen, bevor sie den Gerichtshof in Straßburg anrufen.
Im dritten Verfahren ging es um die Klage eines ehemaligen französischen Bürgermeisters. Auch er hatte wegen mangelhaften Klimaschutzes gegen sein Heimatland Frankreich geklagt. Seine Klage wurde abgewiesen, weil er nicht als Opfer der potenziellen Menschenrechtsverletzung betroffen sei. Der Mann lebt aktuell nicht in Frankreich.
Der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer, bezeichneten die Entscheidung des EGMR als „bahnbrechend“. „Dieses Urteil sollte auch andere Staaten an ihre internationalen Verpflichtungen erinnern: Wer sich Klimaziele setzt, ist dafür verantwortlich, diese einzuhalten“, sagte er laut Mitteilung. Ko-Direktor Johan Rockström betonte, zum ersten Mal habe sich ein internationales Gericht zum Klimawandel als Menschenrechtsfrage geäußert.
Die Umweltstiftung WWF sprach von einem „Weckruf“ für die Regierungen. „Den Regierungsversprechungen etwa aus dem Pariser Klimaabkommen müssen Taten folgen“, erklärte WWF-Vorständin Heike Vesper.
Die Botschaft des Urteils sei klar, Klimaschutz sei ein unveräußerliches Menschenrecht, betonte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Strategische Klagen könnten dazu beitragen, Klimagerechtigkeit einzufordern und die Rechte von Milliarden von Menschen zu schützen, sagte die Leiterin der Abteilung für strategische Rechtsstreitigkeiten bei Amnesty International, Mandi Mudarikwa.
Berlin (epd). Der Präsident des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz, Stephan Kramer, warnt eindringlich vor den Folgen für die Demokratie bei einem Wahlerfolg der AfD in den anstehenden Landtagswahlen. Wenn es dieser Partei, die im Frühjahr 2021 in Thüringen als erwiesen rechtsextremistisch eingestuft wurde, gelinge, Regierungsverantwortung zu übernehmen, „dann wird es ernst mit der Frage, wie geht es mit unserem Rechtsstaat weiter“, sagte Kramer am 9. April beim traditionellen Wichernempfang der Diakonie in Berlin. Das Gleiche gelte für die unabhängige Justiz, die Demokratie, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit.
In Thüringen wird im September ein neuer Landtag gewählt. Auch in Sachsen und Brandenburg finden im September Landtagswahlen statt. In allen drei Ländern kann die AfD Umfragen zufolge hohe Wahlergebnisse erreichen. Kramer warnte davor, zu glauben, die AfD als Regierungspartei entzaubern zu können. „Ich glaube, dass der Versuch, die AfD in politischer Verantwortung zu demaskieren, gründlich schiefgehen wird“, sagte Kramer, den die Diakonie als Gastredner eingeladen hatte.
Er sei zuversichtlich, dass dieses Wahlergebnis nicht zustande komme. „Ausgezählt wird am Wahlabend“, sagte Kramer und ergänzte: „Bis dahin haben wir alles zu tun, um ein möglichst anderes Ergebnis zu erreichen, nämlich dass die auf dem Boden der Verfassung stehenden Parteien die Zukunft unseres Landes gestalten und nicht die Alternative, die keine Alternative ist.“ Er rief dazu auf, rechtsextremen Positionen im Alltag zu widersprechen. Die Weimarer Republik sei seinerzeit „nicht an zu vielen Nazis gescheitert“, sondern an zu wenigen Demokraten, die täglich das Wort für die Demokratie ergriffen hätten.
Auch Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch wendete sich gegen die AfD. Die Partei erwecke den Eindruck, als benenne sie Probleme, die andere Parteien nicht wahrnehmen. „Auf der Basis einer völkisch-nationalen Ideologie spitzt sie zu und dramatisiert“, sagte er. Schuch forderte, der gesellschaftlichen Verunsicherung etwas entgegenstellen, konkret eine gute Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik. Er sei „hohe Zeit“, dass die Politik das Vertrauen der Menschen in ihre Lösungskompetenz zurückgewinne. Den Streit in der Ampel-Koalition um die Kindergrundsicherung nannte er „skandalös“.
Der Verbandschef sieht zugleich die Arbeit von Wohlfahrtsverbänden zunehmend durch rechtsextreme Diffamierungen unter Druck. Längst stehe dabei nicht mehr nur die Arbeit mit Geflüchteten, die Migrationsberatung und Integrationsförderung im Fokus, sagte Schuch. „Diffamierungen und bisweilen auch offene Anfeindungen von rechts außen erleben wir in einer großen Bandbreite unserer Arbeit mit Menschen mit Behinderung, mit von Armut Betroffenen, in der Arbeit mit langzeitarbeitslosen Menschen oder mit Wohnungslosen“, sagte der Theologe. Die Vorwürfe lauteten „Verschwendung von Steuergeldern“, „ideologische Einseitigkeit“, „undemokratisches Verhalten“ oder gar „Linksextremismus“.
Schuch nahm für seinen Verband deutlichen Widerspruch gegen rechtsextreme Positionen in Anspruch. „Rechtsextreme behaupten, soziale Organisationen müssten sich politisch neutral verhalten, wenn sie öffentliche Fördergelder erhalten wollen“, sagte er. Auf diese Weise solle Kritik an rassistischen, antisemitischen, antimuslimischen, minderheitenfeindlichen und antidemokratischen Positionen und Äußerungen delegitimiert werden. „Richtig ist, dass deutliche Kritik an solchen menschenverachtenden Positionen geradezu geboten ist. Wir verhalten uns gegenüber diesen Parolen nicht neutral“, sagte er. Man müsse deutlich machen, „welch verheerende Folgen ein weiterer Zugewinn an Einfluss und an politischer Macht der extremen Rechten für unser demokratisches Gemeinwesen hätte“.
Berlin (epd). Knapp fünf Monate vor der Landtagswahl in Thüringen haben bundespolitische Themen das Fernsehduell der Spitzenkandidaten Björn Höcke (AfD) und Mario Voigt (CDU) bestimmt. Zu den Themen Europa, Migration und Erinnerungskultur lieferten sich Höcke und Voigt am 11. April bei Welt TV rund 70 Minuten lang heftige Wortgefechte. Die vom Sender als „umstrittenster Schlagabtausch Deutschlands“ beworbene Sendung war geprägt von gegenseitigen Vorwürfen des Populismus und der Unkenntnis.
Teils sprachen das Moderatoren-Duo und beide Politiker gleichzeitig. Welt-TV-Chefmoderatorin Tatjana Ohm und Chefredakteur Jan Philipp Burgard hatten Mühe, konkrete Fragen zu platzieren und dezidierte Antworten zu bekommen. Unter anderem wich Höcke aus, als er auf Äußerungen über Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoguz (SPD) in einem von ihm verfassten Buch angesprochen wurde. Er reklamierte für sich, dass ihm der Kontext seiner Äußerungen nicht mehr gewärtig und ihm „die Dame“ nicht mehr „auf dem Schirm“ sei. „Man kann ja nicht alle Politiker kennen in dieser Republik“, sagte er.
Die Thüringer Landespolitik wurde in der ursprünglich auf 45 Minuten angesetzten Sendung nur am Rande gestreift. Auch die aktuellen Vorwürfe russischer Einflussnahme auf deutsche AfD-Politiker wurden nicht thematisiert. Europa, Migration und Erinnerungskultur waren laut Welt TV Voigt und Höcke einige Tage vor der Sendung von der Redaktion als Gesprächsthemen mitgeteilt worden. Gegen Ende der Sendung kam auch der Ukraine-Krieg zur Sprache.
Über das Fernsehduell im privaten Fernsehsender Welt TV, der zum Springer-Konzern gehört, war lange kontrovers diskutiert worden. Der AfD-Landesverband in Thüringen wird vom Landesamt für Verfassungsschutz als „erwiesen rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft, Parteichef Höcke gilt als zentrale Figur der Extremisten innerhalb der Bundespartei. Umstritten war auch der Termin des Fernsehduells, es fiel auf den Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald bei Weimar vor 79 Jahren.
Welt TV begründet seine Entscheidung für das Duell, dem ein Streit zwischen CDU-Landeschef Voigt und Höcke über Aussagen des AfD-Politikers zum Existenzrecht der EU vorausgegangen war, damit, dass der jahrelang in den meisten Medien vorherrschende Ansatz, die AfD weitestgehend nicht zur Sprache kommen zu lassen, angesichts dennoch steigender Umfragewerte als gescheitert betrachtet werden könne. Die AfD müsse als demokratisch gewählte Partei so behandelt werden, wie es das journalistische Handwerk erfordert. Mehrfach verwies das Moderatorenteam Ohm und Burgard auf Faktenchecks im Nachgang zu der Live-Sendung.
In Thüringen wird am 1. September ein neuer Landtag gewählt. Umfragen zufolge könnte die AfD stärkste Kraft werden. Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) steht seit 2020 an der Spitze einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung
Wuppertal (epd). Gut zwei Wochen nach dem verheerenden Brand mit vier Toten in einem Solinger Wohnhaus ist der Täter offenbar gefasst. Bei dem mutmaßlichen Brandstifter handle es sich um einen 39 Jahre alten ehemaligen Mieter, der bis Anfang 2022 in einem Hinterhaus des Objekts gewohnt hatte und dem von der Vermieterin gekündigt worden war, teilte Staatsanwalt Heribert Kaune-Gebhardt am 10. April in Wuppertal mit. Der Mann soll das Feuer in der Nacht zum 25. März im Treppenhaus des Mehrfamilienhauses gelegt haben.
Das Motiv des 39-Jährigen ist derzeit noch unklar, die Ermittler schließen ein rechtsextremistisches Motiv aber aus. Man gehe von einem Motiv im persönlichen Bereich aus, sagte Kaune-Gebhardt. Eine Durchsuchung der Wohnung des Tatverdächtigen habe keine Erkenntnisse auf das Tatmotiv ergeben, insbesondere nicht auf Fremdenfeindlichkeit. Der Beschuldigte hat sich laut Polizei bislang nicht zu der Brandstiftung geäußert.
Der Tatverdächtige war am 8. April festgenommen worden, weil er in einem anderen Wohnhaus mit einer Machete auf einen 44 Jahre alten Mann eingeschlagen und diesen lebensgefährlich verletzt hatte. Dem Streit war offenbar ein gescheitertes Drogengeschäft vorausgegangen. Das Opfer erlitt schwere Verletzungen am Kopf, zudem brach es sich bei der Flucht vor dem Angreifer einen Fuß. Der Angreifer wurde festgenommen und kam wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung in Untersuchungshaft.
Im Zuge der Ermittlungen und der Auswertung von Videoaufnahmen am Brandort hatten sich zuvor Verdachtsmomente gegen den Mann wegen der Brandstiftung ergeben. So war der Tatverdächtige im Umfeld des Tatorts gefilmt worden, anhand der Bekleidung konnte er identifiziert werden. Am Montag war ein Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung des 39 Jahre alten Mannes ergangen. In der Wohnung des Beschuldigten wurden Brandmittel sichergestellt. Zudem wurde dort eine kleine Marihuana-Plantage entdeckt.
Bei dem Feuer in dem Wohnhaus war in der Nacht zum 25. März eine vierköpfige muslimische Familie aus Bulgarien ums Leben gekommen. Die Familie, die Eltern im Alter von 28 und 29 Jahren sowie ihre 5 Monate und 3 Jahre alten Kinder, hatte im Dachgeschoss gelebt und sich nicht mehr rechtzeitig vor den Flammen und dem Qualm retten können. Acht Menschen wurden teilweise schwer verletzt.
Die Brandstiftung weckte Erinnerungen an den rassistischen Anschlag von Pfingsten 1993, als vier junge Männer aus der Neonazi-Szene in Solingen das Haus der türkischstämmigen Familie Genç in Brand gesetzt hatten. Damals starben fünf Menschen. Polizeipräsident Markus Röhrl betonte, es habe im aktuellen Fall „intensivste Ermittlungen in allen Richtungen“ gegeben. Er äußerte sich erleichtert, dass die Taten nun „weitgehend aufgeklärt“ seien. Nach den rechtsextremistischen Morden von 1993 und den „schlimmen Erinnerungen“ daran sei die rasche Klärung der Tat „sehr wichtig und befreiend“.
Brüssel (epd). Nach jahrelangen Verhandlungen hat das EU-Parlament die umstrittene EU-Asylreform final gebilligt. Eine Mehrheit der Abgeordneten stimmte am 10. April in Brüssel für alle zehn Gesetzesvorschläge der Reform. Die neuen Regeln sollen die Migration in die EU begrenzen und steuern.
Im Kern geht es um einheitliche Verfahren, schnellere Abschiebungen und mehr Solidarität unter den EU-Staaten. Über viele der Vorschläge streitet die EU bereits seit 2016, ausgelöst durch die Migrationskrise 2015.
Die Abstimmung im EU-Parlament wurde von Protestrufen unterbrochen. Demonstrierende auf den Zuschauerrängen riefen auf Englisch „Der Pakt tötet. Stimmt dagegen!“ Parlamentspräsidentin Roberta Metsola musste die Abstimmung unterbrechen. Einige Abgeordnete applaudierten den Demonstrierenden.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) begrüßte die Zustimmung des EU-Parlaments. Die Reform werde die irreguläre Migration wirksam begrenzen und zu einer Entlastung der Kommunen führen, erklärte sie in Berlin. Mit der Einigung habe Europa „eine tiefe Spaltung“ überwunden. „Die heutige Entscheidung zeigt auch: Wir überlassen dieses zentrale Thema nicht den Rechtspopulisten, die Menschen in Not für ihre Stimmungsmache missbrauchen“, sagte sie.
Innerhalb des EU-Parlaments fällt die Bewertung der EU-Asylreform sehr unterschiedlich aus. „Das heutige Votum ist ein historischer Moment für Europa und ein Meilenstein für ein gemeinsames europäisches Asylsystem“, erklärte die CDU-Europaabgeordnete Lena Düpont. Ähnlich sieht es die FDP. „Endlich schaffen wir klare Regeln für die ankommenden Menschen und schnellere Verfahren an den Außengrenzen. Damit bringen wir mehr Ordnung in das europäische Migrationssystem“, erklärte der FDP-Parlamentarier Jan-Christoph Oetjen.
Die Sozialdemokraten betrachten die Reform mit gemischten Gefühlen. Die Europaabgeordnete Birgit Sippel (SPD) erklärte, um einen Kompromiss zu erzielen, habe ihre Fraktion „hohe Zugeständnisse“ machen müssen. Sie wolle Kritik nicht verschweigen. So seien etwa verpflichtende Grenzverfahren für Familien eines der „hochproblematischen Elemente“.
Die Grünen im Europaparlament sehen das Paket als eine „Verschlechterung der aktuellen Situation“ und stimmten gegen eine Mehrheit der Gesetzesentwürfe, wie die Europaabgeordnete Katrin Langensiepen (Grüne) erklärte. Auch die Linke äußerte heftige Kritik. Der Beschluss „ebnet den Weg für einen beispiellosen Rechtsruck in der EU-Asylpolitik“, sagte die Abgeordnete Cornelia Ernst.
Das Gesetzespaket sieht unter anderem vor, dass Asylsuchende mit geringer Bleibechance schneller und direkt von den EU-Außengrenzen abgeschoben werden. Für die Schnellverfahren sollen die Menschen bis zu zwölf Wochen unter haftähnlichen Bedingungen untergebracht werden. Während der Verfahren gelten die Menschen juristisch als nicht eingereist („Fiktion der Nicht-Einreise“). Das bedeutet, sie haben nicht dieselben Rechte wie Asylbewerber. Deutschland wollte, dass Kinder von diesen sogenannten Grenzverfahren ausgenommen werden, setzte sich mit dieser Forderung aber nicht durch.
Die sogenannte Krisenverordnung ist ein weiterer Baustein des Reformpaketes. Sie sieht Sonderregeln für EU-Staaten vor, die unter besonders hohem Migrationsdruck stehen. Zum Beispiel können sie Schutzsuchende dann noch länger an der Außengrenze festhalten. Deutschland hatte auch diese Regelung zunächst wegen humanitärer Bedenken abgelehnt.
Gemäß den neuen Regeln ist grundsätzlich weiterhin das EU-Land für einen Asylbewerber zuständig, in dem dieser zuerst europäischen Boden betreten hat. Zusätzlich ist ein EU-Solidaritätsmechanismus geplant. Dieser soll insbesondere die EU-Staaten an der Außengrenze entlasten und Schutzsuchende innerhalb der EU umverteilen. Länder, die keine Personen aufnehmen wollen, sollen aber auch Ausgleichszahlung leisten können.
Nach dem EU-Parlament muss noch der Rat der EU-Mitgliedstaaten der Reform zustimmen. Dies gilt als Formsache. Anschließend haben die EU-Staaten zwei Jahre Zeit für die Umsetzung.
Brüssel (epd). Die Europäische Union (EU) will das Asylsystem grundlegend reformieren. Nun billigte das EU-Parlament dazu ein Gesetzespaket. Ein Überblick über Ziele, Vorhaben und Zeitplan:
Was ist das Problem?
Die EU streitet seit Jahren über die Ausgestaltung der gemeinsamen Asyl- und Migrationspolitik, besonders über die Verteilung von Schutzsuchenden innerhalb der EU. Die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) soll diesen Streit beenden, Migration in die EU begrenzen und steuern.
Was ist Grundlage der EU-Asylreform?
Für die Reform legte die aktuelle EU-Kommission unter Ursula von der Leyen 2020 ein umfassendes Gesetzespaket vor, den „Neuen Pakt für Migration und Asyl“. Viele der darin enthaltenen Vorschläge liegen aber bereits seit der Migrationskrise 2015/2016 auf dem Tisch, nur konnte sich die EU bisher nicht darauf einigen.
Was umfasst dieses Reformpaket?
Die Abgeordneten stimmten über zehn Vorschläge ab. Sie regeln alle Etappen im Umgang mit Geflüchteten und Migranten: Erfassung, Erstaufnahme, Asylverfahren, Abschiebungen und den Umgang mit Drittstaaten. Grundsätzlich werden die Regeln für Asyl und Migration restriktiver.
Bei vielen der Regeln handelt es sich um EU-Verordnungen. Was ist das?
EU-Verordnungen müssen nicht mehr in nationales Recht umgewandelt werden, sondern sie gelten unmittelbar in allen EU-Staaten. Verabschiedet die EU also die Asylreform, ersetzen die EU-Verordnungen die deutschen Gesetze zu Asyl und Migration.
Was soll mit Ankommenden an der Grenze passieren?
Jeder Schutzsuchende muss zunächst ein Screening durchlaufen: Die Identität wird festgestellt, biometrische Daten werden gespeichert und Sicherheitsprüfungen vorgenommen. Dafür müssen die Menschen zunächst in Zentren an der Grenze festgehalten werden. Kritiker befürchten daher systematische Haft an den Außengrenzen. EU-Staaten können das Screening nicht nur an der Grenze durchführen, sondern auch innerhalb ihres Hoheitsgebiets. Kritiker fürchten, das könnte zum sogenannten Racial Profiling führen, bei dem Menschen anhand äußerer Merkmale wie der Hautfarbe von Behörden kontrolliert werden.
Was passiert danach?
Nach dem Screening werden die Menschen entweder in das Asylverfahren weitergeleitet oder in die sogenannten Grenzverfahren. Letztere sind ein zentrales Element der Reform. Asylbewerber mit geringer Bleibechance sollen damit schneller und direkt von der EU-Außengrenze abgeschoben werden. Betroffen sind Menschen, die eine Staatsangehörigkeit haben, deren Anerkennungsquote für Asyl bei unter 20 Prozent liegt. Mit den Schnellverfahren an der Außengrenze geht eine erneute Inhaftierung einher. Deutschland wollte, dass Kinder von den Grenzverfahren ausgenommen werden, setzte sich mit dieser Forderung aber nicht durch. Während der Verfahren gelten die Menschen juristisch als nicht eingereist („Fiktion der Nicht-Einreise“). Das bedeutet, sie haben nicht dieselben Rechte wie Asylbewerber.
Was ist die umstrittene Krisenverordnung?
Die sogenannte Krisenverordnung ist ein weiterer Baustein des Reformpaketes. Sie sieht Sonderregeln für EU-Staaten vor, die unter besonders hohem Migrationsdruck stehen. Zum Beispiel können sie Schutzsuchende dann noch länger an der Außengrenze festhalten. Deutschland hatte auch diese Regelung zunächst wegen humanitärer Bedenken abgelehnt. Kritiker fürchten, die Ausnahmeregeln könnten eine Art Blankoscheck für die Aussetzung der Rechte von Schutzsuchenden sein sowie ein Freibrief für Zurückweisungen an der Grenze, sogenannte Pushbacks.
Ein großer Streitpunkt innerhalb der EU ist die Verteilung von Schutzsuchenden. Was ist hier geplant?
Innerhalb Deutschlands richtet sich die Aufnahmequote für ein Bundesland nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel. Auf europäischer Ebene fehlt ein solches Instrument. Daran ändert auch die aktuelle EU-Asylreform nichts. Gemäß den neuen Regeln ist grundsätzlich weiterhin das EU-Land für einen Asylbewerber zuständig, in dem dieser zuerst europäischen Boden betreten hat. Zusätzlich ist ein EU-Solidaritätsmechanismus geplant. Dieser soll insbesondere die EU-Staaten an der Außengrenze entlasten und Schutzsuchende innerhalb der EU umverteilen. Länder, die keine Personen aufnehmen wollen, sollen aber auch Ausgleichszahlung leisten können.
Wie ist der Zeitplan?
Ziel ist es, die EU-Asylreform vor der Europawahl 2024 zu verabschieden. Diese findet im Juni statt. Nach der Abstimmung im EU-Parlament müssen die Gesetzestexte noch durch die EU-Staaten bestätigt werden. Das gilt normalerweise als Formalität. Anschließend haben die EU-Staaten zwei Jahre Zeit für die Umsetzung.
Berlin (epd). Nach langem Ringen hat der Bundestag eine gesetzliche Grundlage für die Bezahlkarte für Flüchtlinge beschlossen. Mit den überwiegenden Stimmen der Ampel-Fraktionen sowie der von AfD und der Gruppe Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) stimmte das Parlament am 12. April in Berlin für eine entsprechende Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Dort wird die Bezahlkarte künftig ausdrücklich erwähnt und festgelegt, dass Sozialleistungen vorrangig in dieser Form statt bar ausgezahlt werden sollen. Union und Linke sowie die Grünen-Abgeordnete Canan Bayram stimmten gegen die Regelung.
In einer vorangegangenen hitzigen Debatte im Bundestag bezeichnete der sozialpolitische Sprecher der Union im Bundestag, Stephan Stracke (CSU), die Grünen als „Geisterfahrer“ in der Migrationspolitik. Sie hätten nicht nur im Europäischen Parlament gegen die Reform des EU-Asylrechts gestimmt, sondern auch eine „beispiellose Verzögerungstaktik“ bei der Einführung der Bezahlkarte angewandt.
Andreas Audretsch, stellvertretender Vorsitzender der Grünen-Fraktion, wies diese Vorwürfe zurück. Das Gesetz sei nachgeschärft worden, um das Existenzminimum und die Teilhabe von Menschen zu gewährleisten. SPD, Grüne und FDP hatten sich vergangene Woche darauf geeinigt, dass notwendige Bedürfnisse, die nicht durch die Bezahlkarte gedeckt werden, künftig auch in Form von Bargeld erbracht werden müssen. Audretsch nannte als Beispiel Beiträge für Sportvereine, Schulessen oder Bustickets in den Nachbarort.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wies darauf hin, dass mit der Bezahlkarte Überweisungen ins Ausland künftig nicht mehr möglich sind. Es sei dringend erforderlich gewesen, dem menschenverachtenden Modell von Schleppern und Schleusern so zusätzliche Schranken zu setzen.
Die Diakonie appellierte an die Länder und Kommunen, die Bezahlkarten so auszugestalten, dass sie „sinnvoll und diskriminierungsfrei“ genutzt werden können. Der Paritätische Wohlstandsverband hingegen forderte die Länder und Kommunen auf, ganz auf eine Einführung der Bezahlkarte zu verzichten.
Die Bezahlkarte ist eine Geldkarte ohne Kontobindung, über die Flüchtlinge künftig ihre Sozialleistungen ausbezahlt bekommen sollen. Gleichzeitig funktioniert sie als Zahlmittel. Bund und Länder hatten sich im vergangenen November darauf verständigt, eine möglichst bundesweit einheitliche Bezahlkarte einzuführen.
Sie sind der Auffassung, dass finanzielle Anreize für die Flucht nach Deutschland reduziert werden, wenn dadurch die Auszahlung von Bargeld begrenzt und Überweisungen in die Heimat unterbunden werden. An der Höhe der Asylbewerberleistungen, die unterhalb des Bürgergelds liegen, ändert sich dadurch aber nichts. Alleinstehende Flüchtlinge erhalten derzeit 460 Euro im Monat, 413 Euro, wenn sie in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht sind.
Eine bundesweit tatsächlich einheitliche Bezahlkarte wird es nach aktuellem Stand nicht geben. 14 der 16 Bundesländer wollen ein gemeinsames System, bei dem jedes Land aber Details wie Bargeldbeschränkungen oder eine Beschränkung der Funktion nur auf den Landkreis selbst festlegen kann. Bayern und Mecklenburg-Vorpommern wollen ein eigenes System.
Die Regelung für die Bezahlkarte wurde nicht als eigenes Gesetz, sondern als Änderungsantrag in den Bundestag eingebracht, wodurch sie schon am Freitag verabschiedet werden konnte.
Gütersloh (epd). Die Bevölkerungsentwicklung bis 2040 in Deutschland wird laut einer Prognose der Bertelsmann Stiftung in den Bundesländern mit großen Unterschieden ausfallen. Insgesamt könnte die Bevölkerungszahl im Vergleich zu 2020 bis 2040 um 0,6 Prozent steigen, erklärte die Bertelsmann Stiftung bei der Vorstellung der Bevölkerungsvorausberechnung des Datenportals „Wegweiser Kommune“ am 9. April in Gütersloh. Die Stiftung plädiert für Strategien, um den Fachkräftemangel zu bewältigen und eine geeignete Infrastruktur für die älteren Generationen aufzubauen.
Der Prognose zufolge liegt die Bevölkerungsentwicklung in den 13 Flächenländern zwischen einem Plus von 4,6 Prozent in Baden-Württemberg und einem Minus von 12,3 Prozent in Sachsen-Anhalt. Deutliche Bevölkerungszuwächse gebe es in den Stadtstaaten Berlin (plus 5,8 Prozent) und Hamburg (plus 3,5 Prozent). Für die Städte Leipzig, Potsdam und Bamberg wurden Bevölkerungszuwächse von mehr als 10 Prozent prognostiziert. Am unteren Ende der Skala stünden Kreise und kreisfreie Städte aus den östlichen Bundesländern mit Rückgängen von mehr als 17 Prozent.
In Nordrhein-Westfalen könnte die Bevölkerungszahl der Prognose zufolge von 2020 bis zum Jahr 2040 um rund eine Viertelmillion Menschen zurückgehen. Nach einem Anstieg bis zum Jahr 2023 auf 18,17 Millionen Menschen sei bis 2040 mit einem Rückgang auf 17,91 Millionen Menschen zu rechnen, hieß es.
Mit einem Minus von etwa 5,3 Prozent zwischen 2020 und 2040 habe das Saarland den höchsten relativen Bevölkerungsrückgang unter allen Bundesländern im Westen Deutschlands zu erwarten, teilte die Stiftung mit. Demnach werden im Jahr 2040 nur noch rund 932.000 Menschen dort leben.
Der Prognose zufolge nimmt der Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung stark zu. So steige der Anteil der Menschen ab 65 Jahren an der Gesamtbevölkerung von 2020 bis 2040 der Prognose zufolge von 22 Prozent auf fast 28 Prozent.
Die zunehmende Alterung der Gesellschaft zeige sich in fast allen Kommunen, sagte der Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung, Ralph Heck. „Es braucht jetzt gezielte Strategien, um eine geeignete Infrastruktur für die älteren Generationen aufzubauen und die dabei entstehenden wirtschaftlichen Herausforderungen zu bewältigen“, erklärte Heck.
Basis für die Bevölkerungsvorausberechnung der Bertelsmann Stiftung sind den Angaben zufolge alle Kommunen in Deutschland mit mehr als 5.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Das entspreche rund 3.000 Gemeinden, in denen 89,6 Prozent der Bevölkerung in Deutschland lebten.
Berlin (epd). Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission zu medizinethischen Fragen empfiehlt eine Entkriminalisierung von Abtreibungen in der frühen Phase einer Schwangerschaft. In den ersten Wochen sollte der Gesetzgeber den Schwangerschaftsabbruch mit Einwilligung der Frau erlauben, heißt es in den Empfehlungen der interdisziplinär besetzten Kommission, die am 15. April in Berlin ihr Ergebnis präsentierte. Zudem sei sicherzustellen, dass Frauen den Abbruch zeitnah und barrierefrei in gut erreichbaren Einrichtungen vornehmen lassen können, heißt es weiter.
Die vor einem Jahr eingesetzte Kommission beschäftigte sich mit der Frage, ob für Schwangerschaftsabbrüche eine Regelung außerhalb des Strafgesetzes gefunden werden sollte. Abtreibungen sind bislang grundsätzlich rechtswidrig, in einer bestimmten Frist und nach Beratung aber erlaubt.
Diese Rechtswidrigkeit sei nicht haltbar, sagte die Koordinatorin der zuständigen Arbeitsgruppe der Kommission, die Rechtsprofessorin Liane Wörner. Der Gesetzgeber sollte tätig werden, um den Schwangerschaftsabbruch rechtmäßig und straflos zu stellen.
Gleichzeitig rät die Kommission aber auch dazu, Abbrüche ab dem Zeitpunkt der Lebensfähigkeit des Fötus außerhalb des Mutterlaubs nicht zu erlauben. Dabei formuliert sie zwei Ausnahmen: Wenn die Gesundheit der Mutter gefährdet ist oder die Schwangerschaft Resultat einer Vergewaltigung ist, hält sie Abbrüche auch in einer späteren Phase für zulässig. In der mittleren Schwangerschaftsphase stehe dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zu, heißt es weiter in den Empfehlungen. Dabei stehe es ihm frei, ob er an der derzeitigen Beratungspflicht festhalten will.
Eine zweite Arbeitsgruppe der Kommission beschäftigte sich mit der Frage, ob Eizellspenden und Leihmutterschaften in Deutschland erlaubt werden sollten. Eizellspenden beurteilt die Kommission dabei als zulässig. Skeptischer äußert sie sich zum Thema Leihmutterschaften.
Berlin (epd). Der Evangelische Arbeitskreis der CDU und CSU lehnt die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen ab. Die geltende und bewährte Rechtslage müsse beibehalten werden, sagte der Bundesvorsitzende des Arbeitskreises, Thomas Rachel (CDU), am 16. April, nachdem durch einen Medienbericht bekannt geworden war, dass die von der Bundesregierung eingesetzte Expertengruppe dafür plädiert, Abtreibungen im frühen Schwangerschaftsstadium nicht mehr strafbar zu stellen.
Die derzeitige Regelung schaffe „eine insgesamt ausbalancierte und den gesellschaftlichen Frieden schützende Lösung“, erklärte Rachel. Mit der vorgeschlagenen Reform würde künftig „nicht mehr erkennbar bleiben, dass es sich beim Schwangerschaftskonflikt im Kern immer um eine extreme existentielle Notsituation handelt, bei der zwei absolut gleichberechtigte Grundrechtsgüter miteinander in direkten Konflikt geraten und schmerzlichst abgewogen werden müssen“, argumentiert der Bundestagsabgeordnete, der auch Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist.
Der Paragraf 218 im Strafgesetzbuch verbietet grundsätzlich den Schwangerschaftsabbruch. Eine Abtreibung bleibt aber straffrei, wenn sie innerhalb der Frist von drei Monaten erfolgt und die schwangere Frau eine Beratung in Anspruch genommen hat. Die Bundesregierung hatte vergangenes Jahr eine Sachverständigenkommission eingesetzt, die unter anderem geprüft hat, ob und wie der Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuchs geregelt werden kann.
München (epd). Deutlich weniger Teilnehmer als von den Organisatoren erwartet haben am 13. April am umstrittenen „Marsch für das Leben“ in der Münchner Innenstadt teilgenommen. Ein Polizeisprecher sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) auf Anfrage, die Einsatzkräfte hätten bis zu 3.000 Teilnehmer bei der Demo und der Kundgebung gezählt. Der Verein „Stimme der Stillen“ hatte bis zu 8.000 Menschen erwartet. Der „Marsch für das Leben“ steht wegen rechtspopulistischen und -extremen Teilnehmern in der Kritik.
Das Münchner Bündnis „Gemeinsam gegen Rechts“ hatte den „Marsch für das Leben“ vorab als Plattform für fundamentalistisch-christliche, konservative und extrem rechte Akteure kritisiert, um gegen das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche zu demonstrieren. Kritiker des Marschs beklagen seit Langem die halbherzigen Bemühungen der Veranstalter, sich von Teilnehmenden aus dem radikal und extrem rechten Spektrum abzugrenzen. Auch die AfD nutzt den „Marsch für das Leben“ immer wieder als Plattform, läuft öffentlichkeitswirksam mit.
Ebenso unterstützen mehrere katholische Bischöfe den Marsch nicht nur, sondern haben sich auch immer selbst daran beteiligt. In diesem Jahr haben die Bischöfe Stefan Oster (Passau) und Gregor Maria Hanke (Eichstätt) ein Grußwort formuliert. Hanke warnte darin, dass man darauf achten müsse, dass der Einsatz für den Lebensschutz nicht für andere politische Zwecke instrumentalisiert werde.
Größere Störungen oder Zwischenfälle gab es nach Angaben der Polizei weder beim „Marsch für das Leben“ noch den angemeldeten Gegendemonstrationen.
Berlin (epd). Der Geschlechtseintrag einer Person kann beim Standesamt künftig deutlich einfacher geändert werden. Mehrheitlich stimmte der Bundestag am 12. April in Berlin für das Selbstbestimmungsgesetz. Für trans- und intergeschlechtliche Menschen sowie Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen, wird die Änderung des Geschlechtseintrags damit ein bloßer Verwaltungsakt. Derzeit sind ärztliche Begutachtungen mit intimsten Fragen und ein Gerichtsverfahren dafür notwendig, was von Betroffenen als entwürdigend empfunden wird.
In namentlicher Abstimmung votierten 374 Abgeordnete für das Gesetz. 251 stimmten mit Nein, 11 Parlamentarier enthielten sich.
Auch für Minderjährige kann künftig der Geschlechtseintrag geändert werden. Jugendliche ab 14 Jahren brauchen dafür die Zustimmung der Eltern. Bis zum Alter von 14 Jahren können Eltern eine Erklärung zur Änderung des Geschlechtseintrags abgeben - nicht aber gegen den Willen des Kindes. Ab dem Alter von fünf Jahren muss das Kind dabei zustimmen.
Insbesondere die Möglichkeit für Minderjährige kritisierte die Union. Die Schutzfunktion des Staates gegenüber Kindern und Jugendlichen werde vernachlässigt, sagte die CDU-Abgeordnete Mareike Lotte Wulf. Zudem werde möglichem Missbrauch nichts entgegengesetzt.
Kritik am Gesetz kam auch von der AfD, die das Gesetz als „ideologischen Unfug“, geißelte sowie dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). „Das Geschlecht wird von einer biologischen Tatsache zu einer Frage der Gemütsverfassung“, sagte Sahra Wagenknecht. Zu Beginn der Debatte und nach der Rede von Wagenknecht mahnte Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke), die die Sitzung leitete, zu Respekt und Sachlichkeit in der von vielen besonders erregt geführten Debatte.
Redner und Rednerinnen der Koalition stellten die Rechte der Minderheit der trans- und intergeschlechtlichen Menschen in den Mittelpunkt. Die FDP-Abgeordnete Katrin Helling-Plahr erinnerte daran, dass Teile des bisherigen Transsexuellengesetzes, das Gutachten zur Voraussetzung eines Geschlechtswechsels macht, bereits in der Vergangenheit vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig kassiert worden waren. Der Queer-Beauftragte der Regierung, Sven Lehmann (Grüne), sagte, früher seien Sterilisierungen und Scheidungen notwendig gewesen, heute noch teure Gerichtsverfahren. Damit mache man endlich Schluss.
Das verabschiedete Gesetz sieht vor, dass nach Ablauf eines Jahres der Geschlechtseintrag wieder geändert werden kann. Auf medizinische Eingriffe zur Geschlechtsangleichung hat das Gesetz keine Auswirkung. Dafür gelten eigene Regelungen und Leitlinien. In besonderen Schutzräume für Frauen, etwa Frauenhäusern, gilt weiter das Hausrecht. Die Verantwortlichen entscheiden selbst, wer Zutritt erhält, um ein sicherer Ort zu bleiben.
Für die Änderung des Geschlechtseintrags muss die entsprechende Erklärung beim Standesamt angemeldet werden. Nach einer dreimonatigen Wartefrist kann sie dann abgegeben werden und wird wirksam. Das neue Gesetz, das das als diskriminierend empfundene Transsexuellengesetz ablöst, tritt am 1. November in Kraft. Schon ab August sollen aber Anmeldungen für die Änderung des Geschlechtseintrags möglich sein, die dann mit Inkrafttreten bereits wirksam werden können.
Die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, bezeichnete das Gesetz als „großen gesellschaftlichen Fortschritt“. Es helfe einer kleinen Minderheit, für die allermeisten Menschen ändere sich derweil nichts.
Karlsruhe (epd). Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechte leiblicher Väter gestärkt. Sie müssen laut einem am 9. April verkündeten Urteil eine von einem anderen Mann übernommene rechtliche Vaterschaft anfechten können. Es verstoße gegen das Elterngrundrecht, wenn ein biologischer Vater zu seinem Kind eine sozial-familiäre Beziehung aufgebaut habe, ihm wegen eines neuen Lebensgefährten der Mutter aber verwehrt sei, selbst rechtlicher Vater zu werden, entschieden die Karlsruher Richter (AZ: 1 BvR 2017/21). Dem Gesetzgeber sei es verfassungsrechtlich nicht verwehrt, allen drei Personen die rechtliche Elternschaft zuzuerkennen.
Im konkreten Fall ging es um einen unverheirateten Mann aus Sachsen-Anhalt, der sich nach eigenen Angaben seit der Geburt seines Sohnes im April 2020 intensiv um das Kind gekümmert hat. Die Beziehung mit der Mutter zerbrach kurz nach der Geburt. Der neue Lebensgefährte zog in den Haushalt der Frau mit dem Sohn und weiteren fünf Geschwistern ein.
Als der biologische Vater seine Vaterschaft anerkennen lassen wollte, erschien die Mutter nicht zum vereinbarten Termin am Standesamt. Der Ex-Partner leitete daraufhin ein gerichtliches Vaterschaftsfeststellungsverfahren ein. Die Mutter kam einer gerichtlichen Entscheidung zuvor, mit ihrer Zustimmung erkannte ihr neuer Partner die rechtliche Vaterschaft an. Damit war ein Sorgerecht des biologischen Vaters ausgeschlossen. Ihm steht nur ein sehr eingeschränktes Umgangsrecht zu. Er kann seinen Sohn derzeit nur alle zwei Wochen für jeweils drei Stunden sehen.
Das Oberlandesgericht Naumburg bestätigte, dass der neue Partner der Frau als rechtlicher Vater gelte. Der Mann habe bereits eine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind aufgebaut und sogar Elternzeit genommen. In solch einem Fall sei es ausgeschlossen, dass der biologische Vater die rechtliche Vaterschaft des anderen Mannes anfechten könne.
Damit werde jedoch das Elterngrundrecht des biologischen Vaters in verfassungswidriger Weise verletzt, urteilte das Bundesverfassungsgericht nunmehr. Dieses Grundrecht stehe biologischen Vätern auch dann zu, wenn sie nicht rechtliche Väter sind.
Sei ein anderer Mann rechtlicher Vater, „muss dem leiblichen Vater ein Verfahren zur Verfügung stehen, das ihm grundsätzlich die Erlangung der rechtlichen Vaterschaft ermöglicht“. Dies gelte erst recht, wenn der biologische Vater bereits eine sozial-familiäre Bindung zum Kind aufgebaut oder sich frühzeitig darum bemüht habe. Dem Gesetzgeber sei es nicht verwehrt, beiden die rechtliche Elternschaft zuzuerkennen.
Die Karlsruher Richter kippten eine Bestimmung zur Vaterschaftsanfechtung, die allerdings bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber bis zum 30. Juni 2025 in Kraft bleibt. Bis dahin können Betroffene die Aussetzung ihres bereits eingeleiteten Anfechtungsverfahrens beantragen.
Die Ampel-Koalition hat sich bereits eine Reform des Abstammungs-, Familien- und Sorgerechts vorgenommen. Im Januar präsentierte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) Eckpunkte, wonach leiblichen Vätern die Anerkennung der Vaterschaft erleichtert werden soll - in Konstellationen, in denen die Mutter des Kindes mit einem anderen Mann und nicht dem leiblichen Vater verheiratet ist.
Bislang ist automatisch der Ehemann rechtlich der Vater und selbst bei Einigkeit aller Beteiligten ist ein Scheidungsantrag oder ein aufwendiges Gerichtsverfahren notwendig, um den leiblichen Vater zum rechtlichen Vater werden zu lassen.
Eine Anfechtung soll nach Buschmanns Plänen künftig zudem auch nicht mehr zwingend ausgeschlossen sein, wenn eine sozial-familiäre Beziehung des Kindes zum rechtlichen, aber nicht leiblichen Vater besteht.
Hannover, Frankfurt a.M. (epd). Die vierjährige Frida ist aufgeregt. Einmal in der Woche ist „Regina-Tag“. Dann holt Wunsch-Oma Regina Ragoschat sie vom Kindergarten in Hannover ab und verbringt den Nachmittag mit ihr. Die 74-Jährige, die selbst keine Kinder hat, ist schon seit vielen Jahren Wunsch-Oma. Bundesweit gibt es zahlreiche derartige Initiativen, die sogenannte Leihomas und Leihopas vermitteln. Die Nachfrage nach ihnen ist meist groß.
Frida ist das vierte Wunsch-Enkelkind von Ragoschat. Das Mädchen mit dem blonden Zopf wuselt durch das Wohnzimmer des Reihenhauses und holt einen Stoffbären aus einer Kiste: Er ist krank und muss untersucht werden. Die frühere Intensivkrankenschwester Ragoschat reicht Frida noch ein Stethoskop. „Teddy hat Husten“, verkündet die Vierjährige. Ragoschats Mann, seit seinem Ruhestand Wunsch-Opa, überlegt mit ihr gemeinsam, wie das Kuscheltier wieder gesund werden könnte. Frida möchte schließlich eine Schüssel „Salat-Suppe“ kochen.
Laut der Frankfurter Soziologin Birgit Blättel-Mink haben die meisten Leihgroßeltern keine eigenen Enkel, oder ihre Enkelkinder wohnen weit entfernt. Daher suchten sie oft nach dieser ehrenamtlichen Aufgabe, sagt die emeritierte Professorin, die das Thema der Leihgroßeltern in einer Studie 2016 untersucht hat.
Leihgroßeltern werden häufig von Wohlfahrtsverbänden oder auch Agenturen vermittelt. In Hannover bringt das Diakonische Werk Wunschgroßeltern und Familien zusammen und achtet auf die Rahmenbedingungen. 64 solcher ehrenamtlichen Großmütter und -väter betreuten regelmäßig Wunsch-Enkelkinder, es gebe eine Warteliste, sagt Koordinatorin Denise Rose. Wer über 50 Jahre alt sei und sich den Kontakt zu jüngeren Menschen wünsche, Lebenserfahrung weitergeben und mobil bleiben möchte, könne sich für das Ehrenamt melden.
Aus Sicht von Blättel-Mink profitieren Kinder häufig von der Bindung zu Menschen der älteren Generation. Diese Beziehung sei nicht durch das Verhältnis zu Eltern oder Erziehern zu ersetzen und berge ganz eigene Qualitäten. So erlebten die Kinder im Kontakt mit den Großeltern Freiräume, die sie an anderen Orten nicht erfahren könnten. Sie könnten über Dinge sprechen, die sie nicht mit ihren Eltern thematisierten. „Bei den Großeltern stehen sie ganz und gar im Mittelpunkt“, sagt Blättel-Mink.
Auch Frida genießt an diesem Nachmittag sichtlich die alleinige Aufmerksamkeit von gleich zwei Erwachsenen. Die vielen Mitbringsel von Fernreisen des Ehepaars - Musikinstrumente beispielsweise - sind für Frida besonders spannend, und so probiert sie gleich eine große Trommel lautstark aus. Als die Vierjährige müder wird, liest Wunsch-Oma Regina auf dem Sofa aus einem Buch vor. An manchen Nachmittagen machen sie Ausflüge in den Zoo oder ins Museum.
Fridas Mutter ist dankbar für die Beziehung zu den Wunschgroßeltern. Ihre eigenen Eltern wohnten mehr als 150 Kilometer weit weg und seien zudem noch berufstätig, erzählt sie. Zunächst seien Fridas „echte“ Großeltern nicht sonderlich begeistert über die zusätzliche Oma und den zusätzlichen Opa gewesen. „Für uns sind die beiden aber eine unheimliche Entlastung“, sagt Fridas Mutter. Im Gegenzug könne sie dem Ehepaar mitunter bei kleineren Alltagsdingen helfen, etwa wenn „der Fernseher mal verstellt ist“.
So sehr das Modell „Wunschgroßeltern“ auf den ersten Blick nach einer Win-win-Situation aussieht: Soziologin Blättel-Mink gibt zu bedenken, dass es durchaus auch Spannungen in einer solchen Konstellation geben kann. Einerseits falle es vielen Wunschgroßeltern leichter als leiblichen Großeltern, sich von den Familien abzugrenzen. Andererseits falle es ihnen mitunter aber nicht ganz so leicht, sich beispielsweise in Erziehungsfragen nicht einzumischen. „Es entsteht eben eine sehr enge Bindung“, unterstreicht Blättel-Mink. Kommunikation und Verständigung sei in diesem Konstrukt oft noch wichtiger als in der eigenen Familie.
Nürnberg (epd). Diesen Feldhasen bekommen sonst nur wenige zu Gesicht: Der Berliner Joseph Wolfgang Ohlert trägt ihn als Tattoo auf der rechten Pobacke. Nun hat er seinen Hintern fotografieren lassen, damit er Teil der Ausstellung „Dürer under your skin. TattooArt“ wird, in der seit dem 12. April 240 Tattoos nach Motiven von Albrecht Dürer (1471-1528) im Nürnberger Dürer-Haus zu sehen sind.
Dürer schuf die Melencolia, den Heiligen Hieronymus, aber auch das Nashorn, „die wunderbare Sau von Landser“ und „Ritter, Tod und Teufel“. „Das Stechen und Ritzen der Tattoos knüpft mit seiner handfesten, invasiven Methodik an die von Dürer praktizierten Drucktechniken“ an, stellt der Leiter der Nürnberger Museen, Thomas Eser, die Disziplin wissenschaftlich vor.
Schon weit vor der Zeit des Nürnberger Künstlers haben sich Menschen tätowieren lassen. Auf der Gletschermumie Ötzi fanden sich mehr als 50 kleine Motive. Im Mittelalter konnten Menschen, die nach Jerusalem gepilgert waren, sich ein Pilger-Tattoo stechen lassen - als Beweis, „dass man die Reise erfolgreich absolviert hatte“, erzählt die Kuratorin der Ausstellung und Leiterin des Albrecht-Dürer-Hauses, Christine Demele.
Auch die Idee, sich nach Vorlagen Dürers tätowieren zu lassen, ist nicht neu, zeigt die Schau. Die Blätter der „Grünen Passion“ eigneten sich als „Arm- und Beinbilder“, stellte bereits 1934 in einer Publikation „Die Tätowierung in den deutschen Hafenstädten“ ein damaliger Berufstätowierer fest.
Demele ist beeindruckt von solchen Menschen, die sich entschieden haben, ihr Leben lang ein Werk von Dürer auf ihrem Körper zu tragen. René Peiffer, der sich Motive aus „Christus in der Vorhölle und Engel mit dem Schlüssel“ hat stechen lassen, erklärt im 120 Seiten starken Ausstellungskatalog, dass ihn die Werke des Künstlers faszinieren. „Für mich verkörpern sie nicht nur Lebensweisheiten und -erfahrungen, sondern eine ganz eigene Form der Ästhetik“.
Eine anonyme Frau, die Dürers Selbstbildnis von 1500 auf dem Rücken trägt, schreibt: „Entschieden habe ich mich zu meinem Tattoo, als ich Kunstgeschichte studiert habe. Ich wollte Meister Dürer dadurch die Ehre erweisen, durch mich ‚weiterzuleben‘.“ Der Träger des Feldhasen auf dem Po findet es witzig, den Hasen „in eine pop-kulturelle Beziehung zu setzen mit dem berühmten Playboy-Bunny“.
„Wir haben in die Welt hineingerufen und ganz viel Resonanz bekommen und beeindruckende Statements dazu“, sagt Demele, deren Haus über 300 Fotos von Tattoos aus Nordamerika, Australien, Europa, Israel erhalten hat, der Großteil allerdings aus Deutschland. Die meisten Einsender sind über die sozialen Medien auf das Projekt aufmerksam geworden.
Schmerz- und Tod-Vorlagen haben sich die Tätowierten ausgesucht, Tiere, Heilige, die Meisterstiche oder Glaubensmotive. Hände haben ein eigenes Kapitel in der Ausstellung bekommen. Nicht nur die betenden Hände sind darunter. Besonders beeindrucken die beiden Hände, die Mario Millisterfer aus Kassel nach einer Vorstudie von „Die Hände des zwölfjährigen Jesus“ einem Klienten gestochen hat.
Christine Demele bezeichnet Tätowieren als Kunstform, darauf wolle man mit der Ausstellung hinweisen. „In der Kunstgeschichte als auch gesamtgesellschaftlich besteht da noch Nachholbedarf.“ Tätowierende hätten etwa kein Recht, in die Künstlersozialkasse einzutreten.
Demeles persönliches Highlight der Ausstellung ist ein Motiv von Maud Dardeau, einer französischen Tätowiererin, die auch einmal im Dürer-Haus live tätowieren wird. Dardeau hat - und das ist großes Können - die Proportionen des Dürer-Werks „Das Wappen mit dem Totenkopf“ der Größe des menschlichen Körpers und seinen Rundungen angepasst. Die Linien und Schattierungen sind aber von denen des Originals nur schwer zu unterscheiden.
Hier zeigt sich die Parallele von Druckgrafik der alten Zeit und der heutigen professionellen Tattoo-Art, Engraving (Gravur) genannt, weil sie die Technik der Kupferstiche, Holzschnitte oder Radierungen nachahmt. Wie die Druckgrafiker müssen die Tätowierer mit der Seitenverkehrung zurechtkommen, wenn sie ihre Vorlagen auf die Haut ihrer Klienten spiegeln.
Kunstexpertin Demele hat sich selbst bisher noch gescheut, ein Tattoo stechen zu lassen. Doch mehr und mehr kann sie sich mit dem Gedanken anfreunden, gibt sie zu. Ein Motiv hat sie bis jetzt nicht gewählt, weiß aber, was sie bestimmt nicht will: ein Tattoo vom Nürnberger Dürer-Haus, ihrem Arbeitsplatz.
Berlin (epd). Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist ab sofort auf der Social-Media-Plattform TikTok präsent. Auf dem neuen Account „@TeamBundeskanzler“ soll über die Arbeit des Kanzlers informiert werden sowie ein Blick hinter die Kulissen des Regierungsalltags gewährt werden, teilte das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (BPA) am 8. April in Berlin mit.
Das TikTok-Angebot richte sich vorwiegend an die jüngeren Nutzerinnen und Nutzer. Zudem solle es Raum für Kommentare, Fragen und Anregungen geben. „Wir müssen dahingehen, wo die Bürgerinnen und Bürger hingehen, um sich zu informieren“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Das sei derzeit vor allem auf TikTok. Das Bundespresseamt sei aber auch auf anderen Plattformen wie Instagram, Mastodon oder Facebook aktiv.
Die Social-Media-Plattform TikTok, die von der chinesischen Muttergesellschaft ByteDance betrieben wird, ist wegen mangelnder Datensicherheit umstritten. Aus Regierungskreisen hieß es, dass, wenn die Bundesregierung auf Social-Media-Plattformen aktiv sei, dies nicht heiße, dass sie mit allen Einzelheiten der Geschäfts- und Datenschutzpraxis der jeweiligen Unternehmen einverstanden sei. Für den TikTok-Kanal des Bundeskanzlers würden besondere Sicherheitsvorkehrungen getroffen. So sollen separate Endgeräte dafür genutzt werden, um zu gewährleisten, dass TikTok keinerlei Zugriff auf behördeninterne Daten erhalte.
TikTok steht auch immer wieder in der Kritik, weil dort Desinformationskampagnen geteilt würden. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums versicherte, dass die Sicherheitsbehörden diese Kampagnen unterschiedlicher staatlicher Akteure auf allen Plattformen beobachteten. Das Thema sei auch Teil der Prüfung der EU-Kommission. Diese hatte im Februar ein förmliches Verfahren gegen TikTok eingeleitet, um zu überprüfen, ob die Plattform möglicherweise gegen das Gesetz über digitale Dienste verstoßen hat.
Der TikTok-Account des Bundeskanzlers werde von neun Social-Media-Redakteuren des Bundespresseamtes betrieben, die sich um alle Social-Media-Auftritte des Bundespresseamtes gemeinsam kümmerten, teilte Regierungssprecher Hebestreit mit. Für das Community-Management, also die Betreuung der Kommentare und Reaktionen, werde das Amt in der Anfangsphase von einem externen Dienstleister unterstützt.
Bei einem Bürgerdialog in Dresden im Februar dieses Jahres hatte der Kanzler einen TikTok-Kanal für die Bundesregierung angekündigt. Damals sagte der SPD-Politiker, dass es wichtig sei, auf allen Kanälen aktiv zu sein und wahrgenommen werden zu können.
Auf der Plattform X (vormals Twitter), teilte der Bundeskanzler anlässlich des Starts seiner TikTok-Präsenz mit: „Ich tanze nicht. Versprochen.“ Die Social-Media-Plattform TikTok ist für kurze Tanzvideos bekannt. Scholz folgt mit seinem neuen TikTok-Kanal dem Beispiel einiger seiner Amtskollegen wie US-Präsident Joe Biden oder Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat seit März einen TikTok-Account.
Berlin (epd). Die Geschäftsführerin des Rates für deutsche Rechtschreibung, Sabine Krome, äußert sich besorgt über den wachsenden Einfluss von Sprachmodellen, die auf Künstlicher Intelligenz (KI) basieren. Die Kommunikation in den sozialen Medien orientiere sich stark am mündlichen Gebrauch der Sprache, sagte Krome den Zeitungen der Funke Mediengruppe (12. April). Bei der Korrektur verließen sich die Nutzerinnen und Nutzer zum großen Teil auf Rechtschreibprogramme. Damit mache sich der Mensch auch abhängig von technischen Systemen. Die Fähigkeit, sich richtig schriftlich auszudrücken, nehme weiter ab.
„Die Rechtschreibung ist die Visitenkarte für Texte und damit für sprachliche Kompetenz“, sagte Krome. Das gelte nicht nur in der Schule, sondern in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. „Bei der Auswertung von Studierendentexten hat sich gezeigt, dass Rechtschreibung ein wichtiger Teil anderer sprachlicher Kompetenzen ist, die mit dem Denken und dem Textverständnis verbunden sind“, führte die Rechtschreibexpertin aus. Das zeige sich auch am Arbeitsplatz. „Vielen Bewerberinnen und Bewerbern fehlen sprachliche Fähigkeiten und damit Kompetenzen, die ihnen etwa eine gute Position in Beruf und Gesellschaft ermöglichen könnten.“
Der 2005 gegründet Rat für deutsche Rechtschreibung mit Sitz in Mannheim ist ein gemeinsames Gremium der deutschsprachigen Länder. Er soll über die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschsprachigen Raum wachen und Empfehlungen für Weiterentwicklungen aussprechen.
Frankfurt a. M. (epd). Heute würde man ihn „schillernd“ nennen: Lord Byron war Dichter und Abenteurer, zu seinem Freundeskreis der „schwarzen Romantiker“ gehörte auch „Frankenstein“ -Autorin Mary Shelley. Der legendäre Schriftsteller George Gordon (1788-1824), der sechste Baron Byron, war ein schöner, charmanter Salonlöwe mit Klumpfuß. Er zog die Frauen an, begehrte aber auch Männer, was im England jener Zeit mit der Todesstrafe geahndet wurde. Die Verse in seinem ersten Gedichtband „Hours of Idleness“ (1807) sind von Schwermut umflort.
Vor 200 Jahren, am 19. April 1824, starb er in Mesolongi an der westgriechischen Küste an den Folgen eines Fiebers. Er wurde einbalsamiert und in einem Zinnsarg nach England überführt, sein Herz aber in Mesolongi begraben, wie er es verfügt hatte. In Griechenland, wo er die griechischen Streitkräfte im Befreiungskrieg gegen die Osmanen anführte, wird er bis heute als Held verehrt.
Der Weltschmerz, aber auch der aufbegehrende Spott verband den englischen Autor mit dem deutschen Dichter Heinrich Heine. „Eine starke, schwarze Barke/Segelt trauervoll dahin“, dichtete dieser nach dem Tod des Kollegen.
Heine hatte Teile aus Byrons Bestseller „Childe Harold's Pilgrimage“ 1820 ins Deutsche übersetzt, dem Bericht über die Reise eines jungen Mannes auf der Suche nach Zerstreuung. Die beiden Romantiker waren seelenverwandt. Beide hatten ihre Heimat verlassen. Heine, weil er sich als Jude nicht wohlfühlte in Deutschland, Byron wegen seiner exzentrischen Lebensführung, seiner Liebe zu Männern und seiner skandalumwitterten Beziehung zu seiner Halbschwester Augusta. Erst 1956 kamen die streng gehüteten Dokumente aus dem Nachlass seiner Ehefrau Anne Isabella Milbanke ans Licht, die den Inzest belegten.
Geboren am 22. Januar 1788 als Enkel des britischen Admirals und Südseeforschers John Byron und Sohn des gleichnamigen „Mad Jack“ Byron, setzte er das verrückte und abenteuerliche Leben seiner Vorfahren fort. Er wuchs in Aberdeen auf, seine Mutter war eine schottische Adlige.
Nach einer Reise von Portugal über Spanien ins östliche Mittelmeer, wo er mehr Toleranz für seine homosexuellen Beziehungen gesucht hatte, avancierte er 1812 mit seinem poetischen Reisetagebuch zum Star der Londoner High Society. In seinem Titelhelden Childe Harold spiegelte er sich selbst. Noch im selben Jahr sorgte seine Liaison mit der verheirateten Caroline Lamb für einen öffentlichen Skandal.
1815 heiratete der Dichter, ein Jahr später trennte er sich von seiner Frau Anne und der gemeinsamen Tochter Ada - die später als Mathematikerin und Informatikpionierin Ada Lovelace bekannt werden sollte. Seine Stimmungswechsel und sein Jähzorn hatten seiner Frau zu schaffen gemacht. Seine Ärzte erklärten ihn für gesund, heute würden sie wohl eine bipolare Störung attestieren.
„Half dust, half deity“, sagt treffend sein Titelheld „Manfred“ im gleichnamigen Drama (1817), halb Staub, halb Gottheit. „Eine Art ,Faust'-Fassung“, so beschreibt der Frankfurter Anglist und emeritierte Professor Klaus Reichert das Werk. Goethe gestaltete den empor tanzenden und abstürzenden Euphorion in seinem „Faust II“ nach Byrons Vorbild. In die englische Gesellschaft aber passte der Lord nicht. Als die Stimmung bedrohlich wurde, verließ Byron am 25. April 1816 England für immer.
Unterwegs schrieb er in seiner „Epistel an Augusta“ ein Sehnsuchtsgedicht an seine Halbschwester, das den Rheintourismus bei Königswinter südlich von Bonn beflügelte: „Der turmgekrönte Drachenfels“. Er hatte den Fels mit seiner Burgruine nur vom anderen Ufer aus bewundert und befand: „Ein Zauberbild! - Doch fänd' ich hier/zwiefache Lust, wärst du bei mir.“
Es war das „Jahr ohne Sommer“ nach dem Ausbruch des Vulkans Tambora in Indonesien ein Jahr zuvor. Am Genfer See bastelte Byron mit seinen Kollegen an den ersten Vampirgeschichten. Dabei waren Percy Shelley, dessen künftige Ehefrau Mary Godwin, Autorin von „Frankenstein“, und Byrons Reisebegleiter John Polidori, Autor von „Der Vampyr“. Im Oktober zog Byron weiter nach Venedig, wo er eine Affäre mit einer verheirateten Gräfin begann. In Ravenna schloss er sich 1820 der Freiheitsbewegung der italienischen „Carbonari“ an, zog 1821 nach Pisa um, wo sich ein Kreis aus Gleichgesinnten um ihn und Shelley scharte.
Nachdem der Freund bei einer Bootsfahrt im Sturm ertrunken war, übernahm Byron 1823 das Kommando über die griechischen Streitkräfte im Befreiungskrieg gegen die Osmanen. Abermals liebte er vergeblich, diesmal einen Pagen: „So muss ich wild, verkehrt, wahnsinnig lieben.“
Byron hat sein ruheloses Leben zu einem romantischen Kunstwerk verdichtet. Sein Freiheitsdrang war so leidenschaftlich wie der seiner poetischen Rebellen und Titelhelden Sadarnapal, Don Juan und Cain. Begraben ist Lord Byron in der St. Magdalena Kirche in Hucknall in Nottingham. Seit 1969 erinnert eine Gedenktafel in der „Poets Corner“ von Westminster Abbey in London an ihn. Und in Königswinter steht auf dem Lord-Byron-Platz ein Gedenkstein. Die geplante Sanierung des Platzes wird aber bis zum Todestag nicht fertig.
Erfurt/Weimar (epd). Irgendwann einmal wird es „Glaube und Heimat“ nur noch online geben. Dessen ist sich Chefredakteur Willi Wild sicher. Wann dieser Tag sein werde, sei völlig offen. „Aber es wird uns als in Mitteldeutschland verortete Kirchenzeitung weiter geben“, sagt er auch. Die Zeitung für die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland und die Evangelische Landeskirche Anhalts habe „mit Sicherheit eine gute Perspektive“.
Es sind selbstbewusste Worte in schwierigen Zeiten. Denn die Auflagen von regionalen Kirchenzeitungen nehmen seit Jahrzehnten ab. Die katholischen Bistümer Fulda, Limburg und Mainz gaben ihre Zeitungen nur noch bis 2023 heraus, andere Titel gingen Kooperationen ein. Und auch im Bereich der evangelischen Kirche sieht es nicht viel anders aus: So hat mit dem „Evangelischen Kirchenboten - Sonntagsblatt für die Pfalz“ die älteste deutsche Zeitung ihrer Art am 24. Dezember des vergangenen Jahres nach 177 Jahren die letzte Ausgabe produziert.
„Auch bei uns sinken die Auflagen. Wir liegen aktuell bei etwa 8.000 Druckauflage“, sagt Wild. Aber „Glaube und Heimat“ habe ein Alleinstellungsmerkmal: „Seit acht Jahren bieten wir mit dem Gemeindebriefportal einen Service an, der uns die finanziellen Freiräume eröffnet, einen Teil der Auflagenverluste wirtschaftlich zu kompensieren.“
Mit diesem Serviceangebot könnten auch Laien in den Kirchgemeinden auf professionelle Weise einen Gemeindebrief bauen. Das Prinzip ähnele dabei einem Online-Fotobuch. „Glaube und Heimat“ liefert den lokalen Blattmachern die kostenlosen Layoutbausteine für inzwischen 108 Gemeindebriefe und 765 Kirchgemeinden. Die füllen die leeren Plätze mit Inhalten. Und die Landeskirche zahle für den Service; und nicht nur sie. „Wir haben das Tool auch an eine Reihe anderer Landeskirchen und katholische Bistümer verkauft“, sagt Wild. Die zusätzlichen Gelder investiere die Zeitung in ihr journalistisches Angebot.
Oberster Fan zwischen Erfurt und Magdeburg ist der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Friedrich Kramer: „'Glaube und Heimat' hat für die mitteldeutsche Kirche eine wichtige Bedeutung für die Kommunikation von kirchlichen, theologischen, zeitgeschichtlich und politischen Themen“, sagt er. Die Zeitung fördere die mitteldeutsche kirchliche Identität, mache engagierte Menschen im Ehren- und Hauptamt bekannt, stärke die evangelische Publizistik und sei gut zu lesen.
Auch Oberkirchenrat Matthias Kopischke von der Evangelischen Landeskirche Anhalts schätzt die journalistische Vielseitigkeit, Qualität und vor allem Unabhängigkeit der Zeitung. „Wir brauchen in der evangelischen Kirche unabhängigen Journalismus, der mit Kompetenz und kritischer Empathie das kirchliche Zeitgeschehen reflektiert“, sagt er.
Nähe zu den Lesern und Meinungsstärke ist laut Wild genau die Mischung, mit der „Glaube und Heimat“ auch künftig ihren Platz behaupten wolle. Eine Vertiefung der bestehenden Kooperation mit „Der Sonntag“ in Sachsen bis hin zu einer Fusion möchte er nicht ausschließen. Über den mitteldeutschen Raum hinaus solle es dann aber nicht mehr gehen. Anderenfalls verliere die Zeitung die gewünschte Lesernähe.
Eine eigenständig regionale Kirchenzeitung wünscht sich auch der Präses der anhaltischen Landeskirche, Christian Preissner. Er weiß um die Vorteile eines Blicks über den Tellerrand der kleinsten Landeskirche. Bei rechter Betrachtung sei mit Anhalt wohl auch kaum mehr als eine Seite zu füllen. „So schön es ist, vornehmlich Berichte aus der kirchlichen Heimat zu lesen, so interessant kann es sein, auch am kirchlichen Leben anderer Regionen und Landeskirchen teilzuhaben“, sagt Preissner.
Tunis (epd). Eigentlich hätte Mohamed Boughaleb nach zwei Wochen Untersuchungshaft am 3. April freigelassen werden sollen. So berichten es tunesische Medien. Doch statt vor dem Richter zu erscheinen, musste der Journalist in der Hauptstadt Tunis ins Krankenhaus gebracht werden. Sein Gesundheitszustand hatte sich laut seinem Anwalt verschlechtert, die Verhandlung wurde um zwei Wochen verschoben. Die Justiz sei verpflichtet, Sicherheit und Gesundheit des inhaftierten Kollegen zu garantieren, forderte der Journalistenverband SNJT.
Inzwischen wurde ein zweiter Haftbefehl gegen Boughaleb erlassen, in einem anderen Verfahren. Denn gegen den bekannten Fernseh- und Radio-Kommentator liegen mehrere Anzeigen vor, unter anderem von Vertretern des Religionsministeriums, beispielsweise wegen Diffamierung und Verbreitung von Falschmeldungen über Vertreter des Staates. Boughaleb hatte in der Vergangenheit mehrfach über mutmaßliche Fälle von Korruption und Vorteilsnahme im Religionsministerium berichtet. Sollte er verurteilt werden, drohen ihm mehrere Jahre Haft. Er ist nicht der einzige Pressevertreter, der sich derzeit in Tunesien vor der Justiz verantworten muss.
Die Situation der Medien in dem nordafrikanischen Land sei sehr besorgniserregend, sagte Khaled Drareni, Sprecher für die Region von „Reporter ohne Grenzen“. Nach dem politischen Umbruch 2011 und dem damit einhergehenden Ende der Zensur waren zunächst mehrere private Radio- und Fernsehsender sowie unzählige Web-Medien gegründet worden. Auch die bereits existierenden staatlichen und privaten Medien nutzten die neu gewonnenen Freiräume aus und berichteten zunehmend kritisch.
Doch mehr als zehn Jahre nach der Revolution „ist die Bilanz extrem schlecht“ sagt Drareni. „Wir beobachten eine Rückkehr der alten Reflexe, der Selbstzensur von früher.“ Die tunesischen Journalisten verfügten heute über keinerlei Garantien mehr, dass sie ihre Arbeit in völliger Freiheit ausüben können. In der Rangliste der Pressefreiheit, die die Organisation jedes Jahr veröffentlicht, hat Tunesien im Vergleich zum Vorjahr 27 Plätze eingebüßt und befindet sich auf Platz 121 von 180. Dieses Jahr könnte es noch tiefer abrutschen, fürchtet Drareni.
Die Situation von Medienschaffenden in Tunesien sei „so schlimm wie noch nie“, die Meinungsfreiheit akut bedroht, warnte auch Zied Dabbar, Vorsitzender des SNJT, bereits zu Jahresbeginn. „Ich lade alle Kollegen und tunesischen Mitbürger ein, ein Totengebet für die Gerechtigkeit zu sprechen“, kommentierte er anlässlich eines Verfahrens gegen einen anderen Kollegen. Dieser wurde schließlich nur auf Bewährung verurteilt, aber von seinem Sender umgehend entlassen, mutmaßlich aus Angst vor weiteren Repressalien.
Seitdem laufen weitere Verfahren gegen Medienschaffende, unter anderem auf Basis eines Dekrets gegen die Verbreitung sogenannter Fake News, wegen des Verstoßes gegen das Telekommunikations- oder Strafrecht. Und das, obwohl Tunesien seit dem politischen Umbruch 2011 über ein eigenes Pressegesetz verfügt, das aber kaum zur Anwendung kommt. Die benutzen Gesetze seien vage und könnten daher leicht missbraucht werden, kritisiert Fida Hammami von Amnesty International. Ganz abgesehen davon, dass Meinungsdelikte nach internationalen Menschenrechtsstandards nicht mit Gefängnis bestraft werden sollten.
Khaled Drareni von „Reporter ohne Grenzen“ sorgt sich, dass sich die Situation vor der im Herbst anstehenden Präsidentschaftswahl noch weiter verschärfen könnte. Denn seit Präsident Kais Saied, der 2019 zunächst demokratisch gewählt worden war, 2021 die Macht an sich riss und weitgehend autoritär regiert, werde es für Journalistinnen und Journalisten immer schwieriger, ihre Arbeit zu machen. Seine Organisation werde darauf dringen, dass sich alle Kandidaten der anstehenden Wahlen zur Einhaltung der Pressefreiheit bekennen.
Der Staatschef betone zwar immer wieder, dass die Presse frei arbeiten könne, doch das entspreche nicht der Realität, sagte Drareni. „Da wird ein Wort, ein Satz, meist gegen den Präsidenten der Republik, aufgegriffen, um Journalisten zu verhören, zu misshandeln, einzuschüchtern oder zu inhaftieren. Solche Methoden sind eines demokratischen und republikanischen Staates nicht würdig.“
Nürnberg (epd). Nürnberg wird im Sommer 2025 zur singenden und klingenden Hauptstadt der Chöre. Vom 29. Mai bis 1. Juni 2025 lade der Deutsche Chorverband unter dem Motto „Stimmen der Vielfalt“ alle Chöre und Vokalensembles zum Deutschen Chorfest ein, sagte Verbandspräsident Christian Wulff am 12. April vor Journalisten in Nürnberg.
Mit diesem „Fest der Begegnung“ setze die Stadt ein starkes Zeichen für Toleranz, Vielfalt und Demokratie, sagte Wulff. Das zeige auch das Motto, „weil unsere Gesellschaft vielfältiger denn je ist. Chöre schaffen es, dass Menschen aufeinander zugehen“.
Alle Chöre können an dem Fest teilnehmen, egal ob Kirchen-, Kinder- oder Männerchöre, Hochschulensembles oder queere Chöre. Die Anmeldung ist bis zum 11. Oktober 2024 möglich. Gesungen werde an den unterschiedlichsten Orten in Nürnberg, hieß es. So seien Tageskonzerte in Konzertsälen und Kirchen genauso geplant wie Mitsingaktionen und Auftritte in sozialen Einrichtungen. Alle Chöre können sich für einen Wettbewerb anmelden und in insgesamt 13 Kategorien gegeneinander antreten. Die Gewinner-Chöre werden am 1. Juni auf der Open-Air-Bühne auf dem Nürnberger Hauptmarkt gekürt.
Etwa 400 Chöre aus dem In- und Ausland werden zum Chorfest erwartet. Mit dabei seien unter anderem der Windsbacher Knabenchor und der Chor des Bayerischen Rundfunks, kündigte Wulff an. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) betonte die Harmonie, Kraft, Stärke und Gemeinschaft, die Chöre ausstrahlen. „Man kann sich dieser Faszination nicht entziehen.“
Das Deutsche Chorfest fand seit 2008 viermal in wechselnden Städten statt. Zuletzt waren 2022 in Leipzig 350 Chöre mit rund 9.500 Sängerinnen und Sängern dabei. Der Ursprung der Veranstaltung geht auf den Deutschen Sängerbund zurück, dessen Gründung auf dem Sängerfest 1861 in Nürnberg beschlossen wurde und der hier 1912 sein 50-jähriges Bestehen feierte.
Finanziell gefördert wird das Deutsche Chorfest unter anderem durch die Stadt Nürnberg und den Freistaat Bayern sowie durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Civil War
Der Brite Alex Garland widmet sich wieder einem dystopischen Zukunftsszenario. Amerika steckt im Bürgerkrieg, dem Präsidenten gegenüber stehen die „Western Forces“, eine Verbindung aus Texas und Kalifornien. Zwischen den zwei Fronten findet sich die Kriegsfotografin Lee Smith (Kirsten Dunst) mit ihrem Team aus Reportern wieder. Ihr Ziel ist die Hauptstadt, um den Präsidenten zu interviewen. Trotz anhaltender Luftangriffe marschiert auch die Bürgerbewegung Richtung Hauptstadt. Garlands Genremix aus Kriegsfilm und Roadmovie verliert sich nicht in explosiven Bildern, immer wieder geben auch ruhige Momente den Charakteren die nötige Luft zum Atmen.
Civil War (USA/Großbritannien 2024). Regie und Buch: Alex Garland. Mit Kirsten Dunst, Wagner Moura, Cailee Spaeny. Länge: 109 Minuten FSK: ab 16 Jahren, ff. FBW: ohne Angabe.
Die Liebe in ungleichen Zeiten
Sansibar kurz vor dem Ende der britischen Kolonialherrschaft: Denge (Gudrun Columbus Mwanyika) ist ein kommunistischer Aktivist, der mit Flugblättern die Bevölkerung gegen die Briten aufzubringen versucht. Seine Geliebte Yasmin (Ikhlas Gafur Vora) ist zuvor aus einer arrangierten Ehe geflohen. Als Denge in die Fänge der Sicherheitspolizei gerät, kommt er ins Gefängnis und muss Strafarbeit verrichten. Nun liegt es an Yasmin, ihn zu befreien und Teil eines größeren Kampfes zu werden. Der Regisseur Amil Shivji versucht sich an einer Mischung aus Liebesfilm und Revolutionsdrama, es fehlt jedoch letztlich an Biss und Mut, um eine revolutionäre Stimmung zu erwecken.
Die Liebe in ungleichen Zeiten (Tansania/Südafrika/Deutschland/Katar 2021). Regie: Amil Shivji. Buch: Amil Shivji, Jenna Bass. Mit Gudrun Columbus Mwanyika, Ikhlas Gafur Vora, Siti Amina. Länge: 90 Minuten. FSK: ab 12 Jahren, ff. FBW: ohne Angabe.
Es sind die kleinen Dinge
Alice (Julia Piaton) lebt im kleinen Dorf Kerguen im Norden Frankreichs, wo sie neben ihrer Aktivität als Lehrerin noch Bürgermeisterin ist. Somit ist sie eine viel beschäftigte Frau, und auch das Erscheinen des 60-jährigen Dorfcholerikers Emile (Michael Blanc) beruhigt ihren Alltag nicht. Er ist Analphabet und nach dem Tod seines Bruders, welcher ihm stets geholfen hat, hilflos den Rechnungen und amtlichen Schreiben ausgeliefert. Kurzerhand entschließt sich der Rentner dazu, die Schule noch einmal zu besuchen, und stellt damit den Klassenalltag auf den Kopf. Doch es kommt noch schlimmer: Die Schule droht geschlossen zu werden, so muss sich das Dorf zusammentun, um das Schlimmste zu verhindern.
Es sind die kleinen Dinge (Frankreich 2023). Regie: Mélanie Auffret. Buch: Mélanie Auffret, Michaël Souhaité. Mit Michael Blanc, Julia Piaton, Lionel Abelanski, Marie Bunel, India Hair. Länge: 89 Minuten FSK: ab 12 Jahren, ff. FBW: ohne Angabe.
Evil Does Not Exist
In Ryusuke Hamaguchi neuem Film ist eine ländliche Gemeinde stolz auf ihr nachhaltiges Zusammenleben. In einem Haus am Waldrand wohnt der Witwer Takumu (Hitoshi Omika), der sich um den Waldbestand und seine Tochter Hana (Ryo Nishikawa) kümmert. Die Gegend ist ein Traum. Das denken sich auch die Planer des Unternehmens „Playmode“, die hier ein Luxus Zelt- und Wohnwagenplatz errichten wollen. Die Bewohner befürchten weitreichende ökologischen Folgen. Seien es die Klärtanks, die das Trinkwasser verschmutzen, oder die Lagerfeuer, welche das Risiko für Waldbrände erhöhen. Hamaguchi, der vor zwei Jahren einen Oscar für „Drive my Car“ erhielt, erzählt hier kein klassisches Ökodrama und verzichtet auf die Rollenverteilung von Gut und Böse.
Evil Does Not Exist (Japan 2023). Ryusuke Hamaguchi. Mit: Hitoshi Omika, Ryo Nishikawa, Ayaka Shibutani, Ryuji Kosaka. Länge: 106 Minuten FSK: ab 12 Jahren. FBW: ohne Angabe
Berlin (epd). Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat eine schnelle Umsetzung des EU-Lieferkettengesetzes angekündigt. Sobald die Rechtstexte vorliegen, werde man diese auswerten und sich unmittelbar an die Umsetzung machen, sagte der Minister am 11. April anlässlich einer Konferenz zu Sorgfaltspflichten in globalen Lieferketten in Berlin. Zwei Jahre habe man Zeit, die EU-Richtlinie umzusetzen, auf die sich die EU-Staaten im März geeinigt hatten. Bis dahin gilt laut Heil das deutsche Lieferkettengesetz.
Der Minister versprach, dass die Unternehmen bei der Umsetzung des EU-Rechts nicht mit „unnötiger Bürokratie“ rechnen müssen. „Wir werden keine doppelten Berichtspflichten zulassen“, sagte der SPD-Politiker. Das EU-Lieferkettengesetz sei nicht nur im Interesse der Menschenrechte, sondern auch der deutschen Unternehmerinnen und Unternehmer. Mit der EU-Regelung gebe es faire Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen, betonte Heil.
Das EU-Gesetz soll für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von über 450 Millionen Euro gelten. Das 2023 in Kraft getretene deutsche Lieferkettengesetz gilt ebenfalls ab 1.000 Beschäftigten, aber unabhängig vom Umsatz. Ein weiterer Unterschied ist, dass beim EU-Regelwerk Betroffene von Menschenrechtsverletzungen Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen auf Schadenersatz verklagen können.
Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) betonte, dass es bei dem Lieferkettengesetz darum gehe, Rohstoffe, die in Europa konsumiert werden, so herzustellen, dass Menschen nicht darunter leiden. „Es geht um menschenwürdige Arbeit, es geht darum, Waren ohne Kinderarbeit herzustellen und mitzuhelfen, dass Minen und Fabriken Sicherheitsstandards haben“, sagte Schulze. Sie verwies auf die Situation in Kobaltminen im Kongo. Dort würden Menschen, unter anderem auch Kinder, ohne Schutzkleidung arbeiten. Es sei auch in Deutschlands Verantwortung, die Arbeitsbedingungen in solchen Minen zu verbessern, sagte Schulze.
Die Entwicklungsministerin merkte an, dass das deutsche Lieferkettengesetz bereits Wirkungen zeige. „Wir hören aus unseren Partnerländern, dass sich jetzt wirklich etwas bewegt“, sagte Schulze. Gewerkschaften würden endlich ernst genommen und Beschwerdestellen eingerichtet. Die SPD-Politikerin prophezeite, dass die Wirkungen eines europäischen Lieferkettengesetzes, das einen größeren Markt umfasst, noch viel stärker spürbar sein werden.
Paris, Berlin (epd). Die Industrieländer haben im vergangenen Jahr so viel Geld für die öffentliche Entwicklungshilfe ausgegeben wie nie zuvor. Wie die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) am 11. April in Paris mitteilte, stieg die Entwicklungshilfe der Geberländer im Jahr 2023 auf 223,7 Milliarden US-Dollar. 2022 lag die Summe bei 211 Milliarden US-Dollar.
OECD-Generalsekretär Mathias Cormann zufolge lagen die internationalen Entwicklungsgelder damit fünf Jahre in Folge auf einem Rekordhoch. Den erneuten Anstieg führt die Organisation auf die stark gestiegene Entwicklungshilfe für die Ukraine seit dem russischen Angriffskrieg sowie mehr Ausgaben für die humanitäre Unterstützung für Entwicklungsländer zurück.
Insgesamt entsprach die öffentliche Entwicklungshilfe (ODA) rund 0,37 Prozent des Bruttonationaleinkommens der Geberländer. Damit wurde das UN-Ziel, mindestens 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung für die Entwicklungszusammenarbeit auszugeben, abermals weit verfehlt.
Norwegen, Luxemburg, Schweden, Dänemark und Deutschland erreichten das sogenannte 0,7-Prozent-Ziel laut den vorläufigen Daten der OECD. Deutschland schaffte dies mit einem Anteil von 0,79 Prozent zum fünften Mal. Allerdings erreichte Deutschland das Ziel in der Vergangenheit häufig nur, weil die Flüchtlingshilfe im Inland mitgezählt werden darf.
Die Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen in Deutschland machen dem Bundesentwicklungsministerium (BMZ) zufolge knapp 20 Prozent der deutschen Gelder aus. Nach Abzug der Flüchtlingshilfe im Inland läge die ODA-Quote für 2023 nach Angaben des BMZ bei 0,64 Prozent.
Oxfam bezeichnete diese Aufstellung als einen „Rechentrick“. Aufgrund der hohen eingerechneten Ausgaben für Flüchtlinge im eigenen Land sei Deutschland „der größte Einzelempfänger seiner eigenen Leistungen“, kritisierte die Entwicklungsorganisation. Oxfam warnte vor weiteren Kürzungen im deutschen Entwicklungsetat.
Insgesamt hat sich Deutschland 2023 nach Angaben des BMZ 33,9 Milliarden Euro als ODA-Ausgaben anrechnen lassen. Rund 37 Prozent dieser Mittel kamen aus dem Haushalt des Bundesentwicklungsministeriums. Auch aus den Etats des Auswärtigen Amtes (13 Prozent), des Bundeswirtschaftsministeriums (2 Prozent) und anderer Ministerien fließen Gelder in die deutsche ODA.
In absoluten Zahlen blieb Deutschland nach den USA der zweitgrößte Geber, gefolgt von Japan, Großbritannien und Frankreich. Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) sagte, die 0,79 Prozent seien zwar viel Geld, aber auch eine „kluge Investition in die Zukunft“ für ein Land, das 50 Prozent seiner Wirtschaftsleistung mit dem Export verdiene. Die schwierige Weltlage erfordere derzeit mehr, nicht weniger internationale Zusammenarbeit, betonte Schulze.
In die ODA-Quote eingerechnet werden öffentliche Gelder, die für die Unterstützung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung armer Länder ausgegeben werden - und in dem Zusammenhang auch an internationale Organisationen fließen können.
Dakar, Frankfurt a.M. (epd). Die Weltorganisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) erwartet für diesen Sommer eine sich verschärfende Ernährungskrise in Teilen Afrikas. Annähernd 55 Millionen Menschen in West- und Zentralafrika dürften zwischen Juni und August nicht in der Lage sein, sich selbst zu ernähren, wie die UN-Organisation am 12. April in Dakar mitteilte. Im Vergleich zur Prognose vom November vergangenen Jahres bedeute dies einen Anstieg der Zahl der Menschen, die von Ernährungsunsicherheit betroffen seien, um vier Millionen und eine Vervierfachung in den zurückliegenden fünf Jahren.
Als Ursachen der sich verschlimmernden Lage nannte die FAO anhaltende Konflikte und wirtschaftliche Turbulenzen wie Währungsabwertungen, steigende Inflation, stagnierende Produktion und Handelshemmnisse. Betroffen seien Menschen in der gesamten Region, wobei Nigeria, Ghana, Sierra Leone und Mali am stärksten betroffen seien.
Die Zahl der akut unterernährten Kinder unter fünf Jahren in dieser Weltregion bezifferte die FAO auf 16,7 Millionen. Sie litten ebenso wie Jugendliche und Schwangere unter hohen Lebensmittelpreisen, eingeschränktem Zugang zur Gesundheitsversorgung und unzureichender Ernährung.
„Damit die Kinder in der Region ihr Potenzial voll ausschöpfen können, müssen wir sicherstellen, dass jedes Mädchen und jeder Junge gut ernährt und versorgt wird, in einer gesunden und sicheren Umgebung lebt und die richtigen Lernmöglichkeiten erhält“, verlangte der Regionaldirektor der UN-Kinderhilfsorganisation Unicef, Gilles Fagninou. Gemeinsam mit dem Welternährungsprogramm WFP forderten FAO und Unicef nationale Regierungen, internationale Organisationen, die Zivilgesellschaft und den Privatsektor auf, nachhaltige Lösungen für mehr Ernährungssicherheit zu finden, die die landwirtschaftliche Produktivität steigerten und die negativen Auswirkungen wirtschaftlicher Schwankungen abmilderten.
Nairobi/Abuja (epd). Die Abschlussschülerinnen des Internats in der nigerianischen Kleinstadt Chibok schliefen, als die Islamisten von Boko Haram in die Schule einbrachen. Es war die Nacht vom 14. auf den 15. April 2014 - und Prüfungszeit. Die jüngeren Kinder waren vor Wochen nach Hause geschickt worden, zu unsicher war die Gegend. Entführungen und Angriffe durch die Terrorgruppe mit Hunderten Toten hatten Familien in Angst und Schrecken versetzt.
Als Soldaten verkleidet griffen die Terroristen den überwiegend christlichen Ort im Norden Nigerias an, brannten Häuser nieder, überfielen die Mädchenschule. 276 Schülerinnen zwangen sie in Autos und auf Lkw und brachten sie weg. Wohin genau, weiß keiner, Boko Haram hat befestigte Lager in Wäldern und Bergen in der Region. Über die Jahre konnten viele der Mädchen entkommen, andere wurden gerettet, doch bis heute werden mehr als 90 junge Frauen vermisst. Mittlerweile sind sie Ende 20.
Wenige Tage nach der Entführung starteten Frauen in Nigeria und aus der nigerianischen Diaspora im Ausland die Kampagne „Bring back our girls“ („Bringt unsere Mädchen zurück“). Weltweit sollte mit Demonstrationen Druck auf die nigerianische Regierung aufgebaut werden. Der damalige Präsident Muhamadu Buhari erklärte 2015, Boko Haram sei erst dann besiegt, wenn alle entführten Mädchen befreit sind. Zuletzt fand die Armee 2022 auf Patrouille eine ehemalige Schülerin mit ihrem Kind.
Die Geschichte der Entführungen in Nigeria beginnt Ende der 1990er Jahre im Niger Delta. Dort hatten Konzerne seit den 70er Jahren in großem Stil Erdöl gefördert, ohne Rücksicht auf die Umwelt oder die Anwohner. Bewaffnete Widerstandsgruppen fingen an, internationale Mitarbeiter zu verschleppen. Erst um ihre politischen Forderungen durchzusetzen - bald aber auch, um Lösegeld zu erpressen.
Islamistische Gruppen im Norden des Landes übernahmen die Taktik. Seit der Entführung der Chibok-Schülerinnen sind Geiselnahmen zum Geschäftsmodell geworden, ganz ohne jeglichen ideologischen Hintergrund. Gangs haben sich darauf spezialisiert, Reisende entlang verlassener Autobahnabschnitte zu verschleppen.
„Daran zeigt sich die systematische Regierungskrise in Nigeria“, sagt der Politikwissenschaftler Shola Omotola, der an der Universität von Oye-Ekiti im Südwesten des Landes lehrt. Er hat ein Buch über die Kommerzialisierung von Entführungen geschrieben und ist sich sicher: Auch wenn die Regierung sich gegen Lösegeldzahlungen ausspricht, um Entführer nicht weiter zu ermutigen, zahlt sie doch immer wieder.
4.427 Menschen wurden laut einer Analyse der Beratungsagentur SB Morgen allein bei Massenentführungen 2023 verschleppt. Von einer Entführungs-Epidemie sprechen Fachleute. Sie gehen davon aus, dass die Zahlen tatsächlich weit höher liegen und die Polizei oft gar nicht eingeschaltet wird. Zudem werden die Sicherheitskräfte immer wieder beschuldigt, selbst davon zu profitieren und bei Lösegeldzahlungen einen Teil der Summe zu behalten. Amnesty International rief Präsident Bola Tinubu auf, Entführungen als nationalen Notstand zu begreifen.
Anfang des Jahres nahm in der Hauptstadt Abuja eine Entführungs-Sondereinheit der Polizei ihre Arbeit auf. Doch Sicherheitskräfte allein werden die Situation nicht lösen.
Damit sich die Situation langfristig verbessern kann, müsse die Lücke zwischen der „Nachfrage nach Demokratie“ und dem „Angebot an Demokratie“ geschlossen werden, sagt Omotola. In den 1980er und 90er Jahren hätten westliche Länder auf dem afrikanischen Kontinent die liberale Demokratie als Allheilmittel verkauft, mit großen Erwartungen an soziale Sicherheit und Wirtschaftswachstum. In Nigeria aber herrschten Armut, Arbeitslosigkeit, Inflation und Korruption.
Statt einem funktionierenden Sozialsystem gebe es vor allem viele „unregierte Bereiche“, in denen der Staat kaum präsent sei, erläutert Omotola. Jungen Menschen fehle es an Perspektiven und Möglichkeiten, ein Einkommen zu erwirtschaften. Solange das so ist, wird Boko Haram weiter Kämpfer rekrutieren und Kinder und Frauen verschleppen können.
6.-8.5. Evangelische Akademie im Rheinland"*
Online Wie entwickelt sich die Aufklärung? Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Bildung Vortrag und Diskussion mit Annekatrin Bock, Professorin für Medienforschung, Digitalisierung der Bildung, Universität Vechta / Medienkompetenzzentrum Vechta.
6.-8.5. Evangelische Akademie Loccum
Boden-Gesundheit und Klima-Schutz Boden ist im wahrsten Wortsinn ein tragendes Ökosystem, für das sich trotz seiner Bedeutung bisher kaum jemand interessiert. Laut einer aktuellen Studie ist der Boden der artenreichste Lebensraum der Erde, der andere Biodiversitäts-Hotspots weit abhängt. Mit dem geplanten Bodengesundheitsgesetz erhält der Boden den gleichen rechtlichen Status wie Luft und Wasser. Wie ist es um die Böden in Deutschland bestellt? Wie sind die Böden zu schützen und bis 2050 in einen gesunden Zustand zu versetzen?
31.5.-2.6. Evangelische Akademie Loccum
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk: Unverzichtbar, aber unreformierbar? Der Druck auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk hat sich enorm verschärft. Die Verantwortlichen werden mit dem Vorwurf zu großer Staatsnähe konfrontiert, gleichzeitig wächst die Erwartung, dass die Sender sparen sollen. Der RBB-Skandal legt massiven Handlungsbedarf in Sachen Strukturen offen. Zudem ändert sich im Zuge der Digitalisierung der Medienkonsum radikal. Welche Reformen braucht der öffentlich-rechtliche Rundfunk?