Frankfurt a. M. (epd). Heute würde man ihn „schillernd“ nennen: Lord Byron war Dichter und Abenteurer, zu seinem Freundeskreis der „schwarzen Romantiker“ gehörte auch „Frankenstein“ -Autorin Mary Shelley. Der legendäre Schriftsteller George Gordon (1788-1824), der sechste Baron Byron, war ein schöner, charmanter Salonlöwe mit Klumpfuß. Er zog die Frauen an, begehrte aber auch Männer, was im England jener Zeit mit der Todesstrafe geahndet wurde. Die Verse in seinem ersten Gedichtband „Hours of Idleness“ (1807) sind von Schwermut umflort.

Vor 200 Jahren, am 19. April 1824, starb er in Mesolongi an der westgriechischen Küste an den Folgen eines Fiebers. Er wurde einbalsamiert und in einem Zinnsarg nach England überführt, sein Herz aber in Mesolongi begraben, wie er es verfügt hatte. In Griechenland, wo er die griechischen Streitkräfte im Befreiungskrieg gegen die Osmanen anführte, wird er bis heute als Held verehrt.

Der Weltschmerz, aber auch der aufbegehrende Spott verband den englischen Autor mit dem deutschen Dichter Heinrich Heine. „Eine starke, schwarze Barke/Segelt trauervoll dahin“, dichtete dieser nach dem Tod des Kollegen.

Seelenverwandtschaft mit Heine

Heine hatte Teile aus Byrons Bestseller „Childe Harold's Pilgrimage“ 1820 ins Deutsche übersetzt, dem Bericht über die Reise eines jungen Mannes auf der Suche nach Zerstreuung. Die beiden Romantiker waren seelenverwandt. Beide hatten ihre Heimat verlassen. Heine, weil er sich als Jude nicht wohlfühlte in Deutschland, Byron wegen seiner exzentrischen Lebensführung, seiner Liebe zu Männern und seiner skandalumwitterten Beziehung zu seiner Halbschwester Augusta. Erst 1956 kamen die streng gehüteten Dokumente aus dem Nachlass seiner Ehefrau Anne Isabella Milbanke ans Licht, die den Inzest belegten.

Geboren am 22. Januar 1788 als Enkel des britischen Admirals und Südseeforschers John Byron und Sohn des gleichnamigen „Mad Jack“ Byron, setzte er das verrückte und abenteuerliche Leben seiner Vorfahren fort. Er wuchs in Aberdeen auf, seine Mutter war eine schottische Adlige.

Nach einer Reise von Portugal über Spanien ins östliche Mittelmeer, wo er mehr Toleranz für seine homosexuellen Beziehungen gesucht hatte, avancierte er 1812 mit seinem poetischen Reisetagebuch zum Star der Londoner High Society. In seinem Titelhelden Childe Harold spiegelte er sich selbst. Noch im selben Jahr sorgte seine Liaison mit der verheirateten Caroline Lamb für einen öffentlichen Skandal.

Tochter wurde Pionierin der Informatik

1815 heiratete der Dichter, ein Jahr später trennte er sich von seiner Frau Anne und der gemeinsamen Tochter Ada - die später als Mathematikerin und Informatikpionierin Ada Lovelace bekannt werden sollte. Seine Stimmungswechsel und sein Jähzorn hatten seiner Frau zu schaffen gemacht. Seine Ärzte erklärten ihn für gesund, heute würden sie wohl eine bipolare Störung attestieren.

„Half dust, half deity“, sagt treffend sein Titelheld „Manfred“ im gleichnamigen Drama (1817), halb Staub, halb Gottheit. „Eine Art ,Faust'-Fassung“, so beschreibt der Frankfurter Anglist und emeritierte Professor Klaus Reichert das Werk. Goethe gestaltete den empor tanzenden und abstürzenden Euphorion in seinem „Faust II“ nach Byrons Vorbild. In die englische Gesellschaft aber passte der Lord nicht. Als die Stimmung bedrohlich wurde, verließ Byron am 25. April 1816 England für immer.

Unterwegs schrieb er in seiner „Epistel an Augusta“ ein Sehnsuchtsgedicht an seine Halbschwester, das den Rheintourismus bei Königswinter südlich von Bonn beflügelte: „Der turmgekrönte Drachenfels“. Er hatte den Fels mit seiner Burgruine nur vom anderen Ufer aus bewundert und befand: „Ein Zauberbild! - Doch fänd' ich hier/zwiefache Lust, wärst du bei mir.“

„Wild, verkehrt, wahnsinnig lieben“

Es war das „Jahr ohne Sommer“ nach dem Ausbruch des Vulkans Tambora in Indonesien ein Jahr zuvor. Am Genfer See bastelte Byron mit seinen Kollegen an den ersten Vampirgeschichten. Dabei waren Percy Shelley, dessen künftige Ehefrau Mary Godwin, Autorin von „Frankenstein“, und Byrons Reisebegleiter John Polidori, Autor von „Der Vampyr“. Im Oktober zog Byron weiter nach Venedig, wo er eine Affäre mit einer verheirateten Gräfin begann. In Ravenna schloss er sich 1820 der Freiheitsbewegung der italienischen „Carbonari“ an, zog 1821 nach Pisa um, wo sich ein Kreis aus Gleichgesinnten um ihn und Shelley scharte.

Nachdem der Freund bei einer Bootsfahrt im Sturm ertrunken war, übernahm Byron 1823 das Kommando über die griechischen Streitkräfte im Befreiungskrieg gegen die Osmanen. Abermals liebte er vergeblich, diesmal einen Pagen: „So muss ich wild, verkehrt, wahnsinnig lieben.“

Byron hat sein ruheloses Leben zu einem romantischen Kunstwerk verdichtet. Sein Freiheitsdrang war so leidenschaftlich wie der seiner poetischen Rebellen und Titelhelden Sadarnapal, Don Juan und Cain. Begraben ist Lord Byron in der St. Magdalena Kirche in Hucknall in Nottingham. Seit 1969 erinnert eine Gedenktafel in der „Poets Corner“ von Westminster Abbey in London an ihn. Und in Königswinter steht auf dem Lord-Byron-Platz ein Gedenkstein. Die geplante Sanierung des Platzes wird aber bis zum Todestag nicht fertig.