Rom (epd). Die Erklärung über die Würde des Menschen sei „von sehr hoher Bedeutung“. Das betonte Kardinal Víctor Manuel Fernández, Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre, am 8. April bei der Vorstellung des Dokuments. Es sei noch viel wichtiger als „Fiducia Supplicans“, jenes Schreiben, mit dem der Vatikan im Dezember die Möglichkeit einräumte, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen. Dieses habe im Internet bislang sieben Milliarden Aufrufe verzeichnet. Er hoffe nun auf eine ähnliche Verbreitung des neuen Textes.

In der Erklärung „Dignitas infinita - über die menschliche Würde“, die das Glaubensdikasterium veröffentlicht hat und die von Papst Franziskus gebilligt wurde, warnt der Vatikan vor zunehmenden Verstößen gegen die Menschenwürde in vielen gesellschaftlichen Bereichen. „Die Kirche verkündet, fördert und macht sich zum Garanten der Menschenwürde“, heißt es zu Beginn des 25-seitigen Dokuments.

„Einige schwere Verstöße“

Bereits die biblische Offenbarung lehre, dass jeder Mensch eine ihm innewohnende Würde besitzt, weil er nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen ist. „Folglich besitzen alle Menschen die gleiche, ihnen innewohnende Würde, unabhängig davon, ob sie in der Lage sind, diese angemessen zum Ausdruck zu bringen oder nicht“, so der Text.

Nach der Einleitung und einer längeren Auseinandersetzung mit dem Begriff Würde und seiner Bedeutung nimmt mit fast zehn Seiten das vierte und letzte Kapitel den meisten Raum der Erklärung ein. Es ist überschrieben mit: „Einige schwere Verstöße gegen die Menschenwürde“ und zählt, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, 13 Bereiche auf, die dem Vatikan in diesem Zusammenhang besonders erwähnenswert scheinen.

In einem eigenen Unterpunkt widmet sich das Dikasterium darin auch Geschlechtsumwandlungen. „Die Würde des Leibes kann nicht als geringer angesehen werden als die der Person als solcher“, heißt es in dem Text. Jeder geschlechtsverändernde Eingriff berge in der Regel die Gefahr, „die einzigartige Würde zu bedrohen, die ein Mensch vom Moment der Empfängnis an besitzt.“ Dies beziehe sich jedoch nicht auf medizinische Behandlungen, die aufgrund von angeborener oder sich später entwickelnder „genitaler Anomalien“ durchgeführt werden. „In diesem Fall würde die Operation keine Geschlechtsumwandlung in dem hier beabsichtigten Sinne darstellen“, stellt der Vatikan klar.

Mit Aufruhr gerechnet

Dass diese Passagen für Aufruhr sorgen könnten, scheint Kardinal Fernández durchaus klar zu sein. Manche Aufzählungen in diesem vierten Kapitel seien Konsens in der Gesellschaft, andere würden nicht auf die Zustimmung aller treffen, sagte er bei der Vorstellung der Erklärung. Auf die Frage, wie denn die Würde eines jeden Menschen mit der Verurteilung einer Geschlechtsumwandlung zusammenpasse, betont er die „Wichtigkeit, die Realität als jene anzuerkennen, wie sie ist.“ Auch sagt er, dass bei allen Themen, die aufgeführt sind, natürlich Punkte fehlten. „Für jedes dieser Themen könnte man ein eigenes Dokument schreiben.“

Neben Krieg, dem Leiden von Migranten oder dem Menschenhandel findet sich in dem Kapitel auch ein Abschnitt über sexuellen Missbrauch als Verstoß gegen die Menschenwürde. Er ist mit sieben Zeilen der mit Abstand kürzeste der 13 Themenbereiche, denen sich der Vatikan widmet. Die Kirche setze sich „unermüdlich“ dafür ein, allen Arten von Missbrauch ein Ende zu setzen, steht dort geschrieben, „und zwar beginnend im Inneren der Kirche“.

Abtreibung und Leihmutterschaft

Vehementer und wortreicher werden Abtreibung und Leihmutterschaft als „schwere Verstöße gegen die Menschenwürde“ aufgeführt. Zusätzlich lehnt der Vatikan, wie auch schon in früheren Äußerungen von Papst Franziskus deutlich wurde, die „Gender-Theorie“ grundsätzlich ab. Sie verschleiere den „unaufhebbaren Geschlechtsunterschied zwischen Mann und Frau“. Mehr noch: Mit ihrem Anspruch, alle gleich zu machen, lösche sie die Unterschiede aus.

Seit März 2019 wurde an dem nun veröffentlichten Dokument gearbeitet. Bis zur Veröffentlichung kamen nicht nur die Corona-Pandemie, sondern auch Änderungswünsche des Papstes dazwischen.

Der Vatikan wird an diesem Montag nicht müde zu erwähnen, dass „Dignitas Infinita“ quasi 75 Jahre nach der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte veröffentlicht wird. Dieser Jahrestag, der am 10. Dezember 2023 war, biete der Kirche nun die Gelegenheit, „einige Missverständnisse zu klären, die häufig in Bezug auf die Menschenwürde auftreten.“ So steht es zumindest in der Einleitung ihrer eigenen Erklärung.