Brüssel (epd). Nach jahrelangen Verhandlungen hat das EU-Parlament die umstrittene EU-Asylreform final gebilligt. Eine Mehrheit der Abgeordneten stimmte am 10. April in Brüssel für alle zehn Gesetzesvorschläge der Reform. Die neuen Regeln sollen die Migration in die EU begrenzen und steuern.

Im Kern geht es um einheitliche Verfahren, schnellere Abschiebungen und mehr Solidarität unter den EU-Staaten. Über viele der Vorschläge streitet die EU bereits seit 2016, ausgelöst durch die Migrationskrise 2015.

Die Abstimmung im EU-Parlament wurde von Protestrufen unterbrochen. Demonstrierende auf den Zuschauerrängen riefen auf Englisch „Der Pakt tötet. Stimmt dagegen!“ Parlamentspräsidentin Roberta Metsola musste die Abstimmung unterbrechen. Einige Abgeordnete applaudierten den Demonstrierenden.

Faeser: Reform wird Kommunen entlasten

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) begrüßte die Zustimmung des EU-Parlaments. Die Reform werde die irreguläre Migration wirksam begrenzen und zu einer Entlastung der Kommunen führen, erklärte sie in Berlin. Mit der Einigung habe Europa „eine tiefe Spaltung“ überwunden. „Die heutige Entscheidung zeigt auch: Wir überlassen dieses zentrale Thema nicht den Rechtspopulisten, die Menschen in Not für ihre Stimmungsmache missbrauchen“, sagte sie.

Innerhalb des EU-Parlaments fällt die Bewertung der EU-Asylreform sehr unterschiedlich aus. „Das heutige Votum ist ein historischer Moment für Europa und ein Meilenstein für ein gemeinsames europäisches Asylsystem“, erklärte die CDU-Europaabgeordnete Lena Düpont. Ähnlich sieht es die FDP. „Endlich schaffen wir klare Regeln für die ankommenden Menschen und schnellere Verfahren an den Außengrenzen. Damit bringen wir mehr Ordnung in das europäische Migrationssystem“, erklärte der FDP-Parlamentarier Jan-Christoph Oetjen.

Verpflichtende Grenzverfahren für Familien

Die Sozialdemokraten betrachten die Reform mit gemischten Gefühlen. Die Europaabgeordnete Birgit Sippel (SPD) erklärte, um einen Kompromiss zu erzielen, habe ihre Fraktion „hohe Zugeständnisse“ machen müssen. Sie wolle Kritik nicht verschweigen. So seien etwa verpflichtende Grenzverfahren für Familien eines der „hochproblematischen Elemente“.

Die Grünen im Europaparlament sehen das Paket als eine „Verschlechterung der aktuellen Situation“ und stimmten gegen eine Mehrheit der Gesetzesentwürfe, wie die Europaabgeordnete Katrin Langensiepen (Grüne) erklärte. Auch die Linke äußerte heftige Kritik. Der Beschluss „ebnet den Weg für einen beispiellosen Rechtsruck in der EU-Asylpolitik“, sagte die Abgeordnete Cornelia Ernst.

Das Gesetzespaket sieht unter anderem vor, dass Asylsuchende mit geringer Bleibechance schneller und direkt von den EU-Außengrenzen abgeschoben werden. Für die Schnellverfahren sollen die Menschen bis zu zwölf Wochen unter haftähnlichen Bedingungen untergebracht werden. Während der Verfahren gelten die Menschen juristisch als nicht eingereist („Fiktion der Nicht-Einreise“). Das bedeutet, sie haben nicht dieselben Rechte wie Asylbewerber. Deutschland wollte, dass Kinder von diesen sogenannten Grenzverfahren ausgenommen werden, setzte sich mit dieser Forderung aber nicht durch.

Mitgliedsstaaten müssen zustimmen

Die sogenannte Krisenverordnung ist ein weiterer Baustein des Reformpaketes. Sie sieht Sonderregeln für EU-Staaten vor, die unter besonders hohem Migrationsdruck stehen. Zum Beispiel können sie Schutzsuchende dann noch länger an der Außengrenze festhalten. Deutschland hatte auch diese Regelung zunächst wegen humanitärer Bedenken abgelehnt.

Gemäß den neuen Regeln ist grundsätzlich weiterhin das EU-Land für einen Asylbewerber zuständig, in dem dieser zuerst europäischen Boden betreten hat. Zusätzlich ist ein EU-Solidaritätsmechanismus geplant. Dieser soll insbesondere die EU-Staaten an der Außengrenze entlasten und Schutzsuchende innerhalb der EU umverteilen. Länder, die keine Personen aufnehmen wollen, sollen aber auch Ausgleichszahlung leisten können.

Nach dem EU-Parlament muss noch der Rat der EU-Mitgliedstaaten der Reform zustimmen. Dies gilt als Formsache. Anschließend haben die EU-Staaten zwei Jahre Zeit für die Umsetzung.