sozial-Editorial

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Markus Jantzer
epd-bild/Norbert Neetz

Ein einflussreicher Ökonom zu Gast beim Evangelischen Pressedienst: Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW, Berlin), Marcel Fratzscher, besucht die epd-Zentralredaktion in Frankfurt am Main. Die erste Frage des Wirtschaftswissenschaftlers war: "Was ist Ihr komparativer Vorteil im Wettbewerb mit anderen Anbietern?" Die zweite Frage, er kam gerade von einem Meeting mit Bankern in der Frankfurter Innenstadt: "Darf ich die Krawatte ausziehen?" Dann konnte das einstündige Interview beginnen. Schwerpunktthema: Wie eng hängt der Rechtsruck in Deutschland mit der sozialen Frage zusammen? Wir bringen das Interview in zwei Teilen, in dieser und in der nächsten Ausgabe von epd sozial.

Die Instrumente für günstigen Wohnraum erhalten von Forschern keine guten Noten: Sozialer Wohnungsbau hilft, ist im Umfang aber zu gering. Wohngeld erreicht nur wenige. Und die Mietpreisbremse entlastet, wenn überhaupt, nur Durchschnittsverdiener. Vor dem Wohngipfel im Kanzleramt fordern Sozial- und Mieterverbände eine andere Wohnungspolitik. Was die Koalition bisher tue, helfe den Mietern und Wohnungssuchenden nicht.

Hartz-IV-Bezieher können in Einzelfällen mehr bekommen als den Regelsatz - wenn sie besondere Ausgaben geltend machen. Ein Türke wollte für seinen Reisepass, der mit 217 Euro ungleich teurer ist als ein deutscher Personalausweis, Extra-Geld. Er ist beim Bundessozialgericht abgeblitzt.

Hier geht es zur Gesamtausgabe von epd sozial 38/2018.

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Markus Jantzer

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sozial-Politik

Rassismus

Fratzscher: Rechtsruck verursacht enorme wirtschaftliche Schäden




DIW-Präsident Marcel Fratzscher im Interview mit epd sozial
epd-bild/Norbert Neetz
Der Rechtsruck und die politische Radikalisierung in Teilen Ostdeutschlands richtet nach der Überzeugung des Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, enorme wirtschaftliche Schäden an.

"Der unverdeckte Hass, den wir etwa in Chemnitz sehen, könnte den Anstoß für eine Spirale nach unten geben", sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er könnte die Abwanderung junger, talentierter Menschen, unter der ohnehin viele Regionen im Osten seit Jahren leiden, deutlich verstärken. Das Interview mit Fratzscher führten Markus Jantzer und Dirk Baas bei einem Redaktionsbesuch des renommierten Ökonomen in der Zentralredaktion des epd in Frankfurt am Main. Lesen Sie den ersten Teil des Interviews in dieser Ausgabe. Der zweite Teil folgt eine Woche später.

epd sozial: Deutschland rückt - insbesondere im Osten - nach rechts. Welches sind aus Ihrer Sicht die wesentlichen ökonomischen und sozialen Ursachen hierfür?

Marcel Fratzscher: Eine zentrale Ursache für den Rechtsruck ist die soziale Polarisierung. Wir sehen das nicht nur im Osten, sondern insgesamt im Land. Analysen unseres Instituts haben gezeigt, dass die demografische Entwicklung hier eine bedeutende Rolle spielt. So haben Wahlkreise mit einer besonders alten Bevölkerung einen überdurchschnittlich hohen Anteil an AfD-Wählerinnen und -Wählern. Außerdem sind in diesen Wahlkreisen Gewalttaten gegen Geflüchtete besonders häufig. Es handelt sich dabei vor allem um Regionen, die von jungen Menschen verlassen werden, weil sie für sich keine Zukunftsperspektiven sehen. Gut ausgebildete, motivierte und mobile Menschen gehen weg.

epd: Sie verlassen ihre Heimat, weil die Lebensbedingungen schlecht sind, schlechter als anderswo in Deutschland?

Fratzscher: Genau, diese Regionen sind gekennzeichnet durch eine verfallende Infrastruktur, eine schlechte Nahversorgung, durch marode Schulen und wenige gute Jobs mit Perspektiven. Das sehen wir vor allem im Osten. Das führt dazu, dass sich Menschen Sorgen machen. Und zwar in allen sozialen Schichten. Viele sind besorgt über die Zukunft ihrer Kinder. Man muss das ernst nehmen, die Menschen haben gute Gründe für ihre Unzufriedenheit.

Das ist kein Jammern auf hohem Niveau. Deutschland geht es zwar gut, wir haben niedrige Arbeitslosenzahlen. Aber wir haben zu viele atypisch Beschäftigte: Sie arbeiten zu geringen Löhnen, in Zeitarbeit, in unfreiwilliger Teilzeit. Jeder Fünfte schafft es nicht, trotz Job über die Runden zu kommen. Wir haben sechs Millionen Hartz-IV-Empfänger, darunter sehr viele Beschäftigte. Viele alleinerziehende Frauen fallen hinten runter.

epd: Und es gibt eine Unzufriedenheit darüber, dass 2015 sehr viele Flüchtlinge nach Deutschland kamen ...

Fratzscher: Ja, das ist so. Aber all die genannten Probleme haben viel früher begonnen. Das hat mit den Flüchtlingen nichts zu tun. Sie müssen nun als Sündenböcke herhalten, auch weil sie schwach sind, sich nicht wehren können, keine Stimme haben.

epd: Warum ist die Wut im Osten größer als im Westen?

Fratzscher: Weil noch etwas Weiteres hinzukommt: Es gibt dort ein zu blindes Vertrauen in den Staat. Das hat historische Gründe. Die Menschen waren es gewohnt, dass der Staat sich um alles kümmert, darüber entscheidet oder zumindest mitentscheidet, welche Ausbildung sie machen, wo sie arbeiten und wohnen, ob sie ein Auto bekommen und so weiter. Vor diesem Erfahrungshintergrund ist es extrem schwierig, den Schalter umzulegen und zu realisieren, dass in einer sozialen Marktwirtschaft von ihnen nun Eigenverantwortung verlangt wird. Ich will eine Zahl nennen: 40 Prozent der Haushalte im Osten erhalten 50 Prozent oder mehr ihres Einkommens durch staatliche Leistungen, inklusive Rente. Das zeigt die Abhängigkeit vieler Menschen.

epd: Aber es zeigt diesen Menschen doch auch, dass der Staat für sie sorgt.

Fratzscher: Nach ihrem Gefühl ist das aber nicht ausreichend. Sie vergleichen sich mit Westdeutschen und stellen fest: Denen geht es insgesamt besser. Sie sagen: Wir sind doch aber ein Volk.

epd: Wieso ist den Menschen nicht zu vermitteln, dass die sozialen Sicherungsmechanismen funktionieren und dass die Flüchtlinge ihnen nichts wegnehmen?

Fratzscher: Ich denke, es ist das Gefühl: Uns wurde und wird doch auch nichts geschenkt, wir müssen hart arbeiten, müssen zum Amt gehen. Daraus resultiert eine Anspruchshaltung.

epd: Ging auch Vertrauen in den Staat bei denen verloren, die sich als Verlierer der Wende sehen? Und jenen, die nicht akzeptieren wollen, dass der Lebensstandard im Osten auch fast 30 Jahre nach der Wiedervereinigung noch immer deutlich niedriger ist?

Fratzscher: Für viele war es eine harte Anpassungszeit. Heute liegt das Pro-Kopf-Einkommen im Durchschnitt im Osten bei 70 Prozent des Westens. Darüber können Betroffene frustriert sein. Aber: Realistisch betrachtet war die Wiedervereinigung wirtschaftlich ein großer Erfolg - auch für den Osten, sowohl für die Bevölkerung als auch für die Wirtschaft. Trotz vieler Härten und sozialer Verwerfungen.

Schauen Sie sich in anderen europäischen Staaten um: In Italien und Spanien sind die Einkommensunterschiede zwischen dem Norden und dem Süden viel größer, auch in Frankreich und England gibt es enorme regionale Unterschiede. Insgesamt war die Wiedervereinigung eine beachtliche Leistung. Manche Städte im Osten sind nahezu Leuchttürme. Trotzdem muss man auch konstatieren, dass Menschen in verschiedenen ländlichen Regionen im Osten keine guten Zukunftsperspektiven haben.

epd: Der Unmut schlägt in Hass um. Hetzjagden und Anschläge gegen Flüchtlinge zeugen davon. Verursacht die politische Radikalisierung auch wirtschaftlichen Schaden in diesen Regionen?

Fratzscher: In der Tat. Der unverdeckte Hass verursacht riesige wirtschaftliche Schäden. Er könnte den Anstoß für eine Spirale nach unten geben. Um das zu erklären, hole ich ein bisschen aus. Was macht eine Region wirtschaftlich erfolgreich? Ich teile die These, die besagt, es sind die drei Ts: Technologie, Talent und Toleranz. In der Technologie ist Deutschland super, auch im Osten. Bei den Talenten bekommen Städte, die wie jetzt Chemnitz durch Rassismus und Fremdenfeindlichkeit auffallen, ein Riesenproblem. Denn die Mehrheit der Deutschen will unter solchen Vorzeichen dort nicht hin, junge Menschen gehen weg. Insbesondere gut ausgebildete, flexible Menschen wollen nicht in einer Gegend leben, in der Hass herrscht, in der Menschen wegen ihrer Religion oder Hautfarbe verfolgt werden. Toleranz und Vielfalt, unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen individuellen Hintergründen sind eine Stärke für die wirtschaftliche Entwicklung.

epd: Hat die Politik hier Einflussmöglichkeiten?

Fratzscher: Ja, Politik kann etwas tun. Sie muss das Thema gleichwertige Lebensbedingungen, wie es der Anspruch des Grundgesetzes ist, ernst nehmen. Das geschieht auch über den Bund-Länder-Finanzausgleich. Sie muss versuchen, wirtschaftlich schwache Regionen attraktiv zu machen: etwa durch den Bau von Wissenschaftszentren. Davon müssen wiederum Unternehmen der Region profitieren. Die Wiedervereinigung hat gezeigt, dass es möglich ist: Berlin, Leipzig, Dresden, Erfurt, Jena sind positive Beispiele. Aber auch das dritte T ist wichtig: Toleranz.

epd: Hat die Wut der Menschen auch etwas mit der Finanzkrise zu tun, die die westlichen Industriestaaten vor zehn Jahren an den Rand des Abgrundes gebracht hat? Ich meine die Tatsache, dass verantwortliche Manager kaum belangt worden sind und die Bevölkerung die Zeche gezahlt hat.

Fratzscher: Auf jeden Fall. Die negative Lohnentwicklung für viele mit geringen Einkommen, die schon 1995 begonnen hatte, setzte sich auch während der Finanzkrise fort. Die Finanzkrise, die die Menschen unmittelbar mit Kurzarbeit und Lohnzurückhaltung bezahlten, kam in einer Zeit, die ohnehin schon geprägt war durch Rentenkürzungen, hohe Arbeitslosigkeit, Agenda 2010 und Hartz IV, durch soziale Einschnitte. Gleichzeitig wurden mehrere 100 Milliarden Euro locker gemacht, um die Banken zu finanzieren.

Erst 2015 wurde es für die Beschäftigten etwas besser: Die Reallöhne stiegen seither, der gesetzliche Mindestlohn wurde eingeführt. Unter dem Strich steht heute: Für Lohnbezieher im unteren Bereich - und ich rede hier von 40 Prozent aller Beschäftigten – sind die Reallöhne in den vergangenen 20 Jahren gesunken.

epd: Und trotzdem haben die Menschen bei den Bundestagswahlen seit 2005 keinen Kurswechsel erzwungen. Angela Merkel ist die ewige Kanzlerin …

Fratzscher: Was gerne vergessen wird: 2013 kam die AfD fast in den Bundestag. Denn es gab eine anti-europäische Stimmung, und es hatte mit der "Bewältigung" der globalen Finanzkrise zu tun: Ganz viele Banken haben sehr viel Geld bekommen - und das, obwohl sie es waren, die die Krise verursacht hatten. Die Menschen mussten erleben: Die Prioritäten der Politik liegen dort, sie liegen nicht bei ihnen.

epd: Hat sich mit der Finanzkrise der Sozialstaat verändert?

Fratzscher: Die Finanzkrise hat die Einnahmen von Bund, Ländern und Kommunen reduziert. Ein Drittel der Kommunen in Deutschland ist überschuldet. Sie können nicht investieren. Es gibt keine direkte, aber eine indirekte Kausalität zwischen der Finanzkrise und dem Sparkurs der öffentlichen Hand. Wie miserabel die Situation ist, zeigen Zahlen der Kreditanstalt für Wiederaufbau KfW. Danach liegt der Investitionsstau der Kommunen bei knapp 160 Milliarden Euro.

epd: Woran haben die Kommunen vor allem gespart?

Fratzscher: An Investitionen, vor allem an Schulen und in der Verkehrsinfrastruktur. An Sozialausgaben können sie nicht sparen, das ist ihnen gesetzlich vorgegeben. Die lange Phase der extremen Zurückhaltung bei öffentlichen Investitionen hat bewirkt, dass die Ämter in den vergangenen zwei Jahrzehnten Personal abgebaut haben, gerade die Bauämter. Die Folge war, um es an einem Beispiel zu illustrieren: Wenn der Bund, wie unter Finanzminister Schäuble geschehen, den Kommunen 3,5 Milliarden Euro für investive Zwecke zur Verfügung stellte, dann mussten viele Städte und Gemeinden sagen: Wir können das Geld nicht abrufen, denn wir haben nicht genügend Mitarbeiter, die die Planung der Bauprojekte übernehmen könnten.



Zuwanderung

Studie zur Integration: "Es läuft im Alltag recht gut"




Teilnehmer eines Integrationskurses
epd-bild/Jörn Neumann
Die Ereignisse in Chemnitz und Köthen haben die Debatte über die Zuwanderung verschärft. Integrationsforscher warnen vor Panikmache. Einer neuen Studie zufolge beurteilen die Deutschen die Zuwanderung im Alltag positiver als weithin angenommen.

Trotz scharfer Diskussionen über Probleme im Zusammenhang mit Zuwanderung sind die Deutschen einer Studie zufolge mehrheitlich optimistisch beim Thema Integration. Eine Mehrheit findet, dass Flüchtlinge positiv zur wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands beitragen werden, wie aus dem am 17. September in Berlin vorgestellten Integrationsbarometer des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration hervorgeht. Ebenfalls eine Mehrheit ist dafür, dass Deutschland weiterhin Flüchtlinge aufnimmt. Gleichzeitig ist eine Mehrheit von 57 Prozent der Deutschen ohne Migrationshintergrund für eine Begrenzung der Zahl der Zuwanderer. Skeptischer als andere blicken Ostdeutsche und Männer im Westen Deutschlands auf das Thema Integration.

Positives Integrationsklima

Für das Integrationsbarometer haben die Forscher den Angaben zufolge zwischen Juli 2017 und Januar 2018 rund 9.300 Personen mit und ohne Migrationshintergrund bundesweit befragt. Anhand verschiedener Kriterien misst die Studie den sogenannten Integrationsklima-Index auf einer Skala von 0 bis 100. Gefragt wird etwa nach der allgemeinen Akzeptanz von Zuwandern, Integration im Bildungsbereich oder Beziehungen zwischen Zuwanderern und Mehrheitsgesellschaft. 2018 ist der Index leicht auf 63,8 Punkte gesunken, 2015 lag er noch bei 65,4 Prozent.

Dass die Diskussion über Flüchtlinge den gesellschaftlichen Zusammenhalt nachhaltig gefährdet habe, sei aus den Ergebnissen nicht herauszulesen, sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrats, Thomas Bauer. Das Integrationsklima sei stabil positiv, deutet er den Wert. "Es läuft im Alltag recht gut", ergänzte Studienautorin Claudia Diehl.

Für das Integrationsbarometer wurden Deutsche ohne Migrationshintergrund sowie Zuwanderer oder Nachfahren von Migranten verschiedener Gruppen befragt. In der Tendenz zeigt sich, dass Spätaussiedler am skeptischsten auf Zuwanderung blicken. Türkeistämmige sind skeptischer als die Mehrheitsgesellschaft, allerdings optimistischer als noch vor drei Jahren. Bei EU-Zuwanderern sind die Zweifel der Studie zufolge im Vergleich zur letzten Befragung leicht gestiegen.

Orte der Begegnung

Die Experten machen aufgrund der Befragung vor allem einen Grund für eine kritische Haltung aus: mangelnden Kontakt zu Zuwanderern. Dies gelte im Osten wie im Westen. Im Osten wirkt der Effekt aber den Angaben zufolge verstärkt, weil Erfahrungen mit ethnischer Vielfalt dort die Ausnahme seien. Allgemein von einem "ostdeutschen Integrationspessimismus" zu sprechen, lehnen die Sachverständigen ab.

Der Studie zufolge gibt es eine zweite Gruppe, die das Integrationsgeschehen relativ skeptisch beurteilt. So seien Männer beim Thema Zuwanderung deutlich pessimistischer als Frauen, wobei der Unterschied nur im Westen Deutschlands auffällt. Eine Erklärung liefern die Autoren mit Verweis auf andere Studien mit der Tatsache, dass Frauen häufiger in der Flüchtlingshilfe aktiv sind.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), erklärte mit Blick auf die Studie, es sei deswegen wichtig, Orte der Begegnungen zu schaffen, in Vereinen, der Nachbarschaft oder am Arbeitsplatz. Zudem forderte sie, interkulturelle Bildung bei der Lehrerausbildung stärker in den Blick zu nehmen.

Corinna Buschow


Arbeit

Kabinett beschließt Senkung des Arbeitslosenbeitrags



Das Kabinett in Berlin hat die in der Koalition verabredete Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung auf den Weg gebracht. Außerdem wurde eine bundesweite Qualifizierungsoffensive für Beschäftigte beschlossen.

Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung soll Anfang kommenden Jahres um 0,5 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent des Bruttoeinkommens sinken. Außerdem werden Weiterbildungen stärker gefördert und Arbeitnehmer besser abgesichert, die vorwiegend befristet beschäftigt sind. Die Arbeitgeber reagierten mit überwiegender Zustimmung, Kritik kam vom Sozialverband VdK.

Mit der Qualifizierungsoffensive reagiere man auf die Herausforderungen durch den digitalen Wandel, erklärte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am 19. September in Berlin. Künftig soll grundsätzlich jeder Arbeitnehmer unabhängig von Betriebsgröße, Alter und Qualifikation eine Weiterbildung machen können. Die Weiterbildungen werden bezahlt, und das Gesetz eröffnet Möglichkeiten, die Zuschüsse zum Lohn während der Weiterbildungszeit zu erhöhen.

Kurzfristig Beschäftigte erhalten künftig schneller einen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Der Zeitraum, in dem sie mindestens zwölf Monate lang in die Beiträge gezahlt haben müssen, um Arbeitslosengeld zu erhalten, wird von zwei auf zweieinhalb Jahre verlängert. Damit soll verhindert werden, dass sie immer wieder auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen sind, wenn ein Vertrag endet.

Kramer: Schritt in die richtige Richtung

Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer sagte in Berlin, für die Unternehmen sei das Thema Bildung und Weiterbildung von zentraler Bedeutung für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. "Deshalb sind die Vorschläge des Bundesarbeitsministers zur verstärkten Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit in ihrer Zielsetzung richtig." Allerdings müsse darauf geachtet werden, dass Weiterbildungsförderung durch die Arbeitslosenversicherung in die von der Bundesregierung geplante, umfassende nationale Weiterbildungsstrategie sinnvoll eingebettet werde.

Kramer erinnerte daran, dass die Bundesagentur für Arbeit (BA) nicht der einzige und bei weitem auch nicht der wichtigste Akteur auf diesem Feld sei. "Die deutschen Arbeitgeber investieren jedes Jahr über 33 Milliarden Euro in die Weiterbildung und damit mehr, als der derzeitige BA-Haushalt einschließlich der Zahlungen für das Arbeitslosengeld insgesamt ausmacht." Insofern dürfe die BA Weiterbildung nicht mit der Gießkanne fördern, sondern muss dort ansetzen, wo ein deutlicher Unterstützungsbedarf besteht.

Sozialverband gegen Beitragssenkung

Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, kritisierte die Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung als ein "falsches sozialpolitisches Signal". Durch diese Senkung entgingen der Arbeitslosenversicherung in den nächsten Jahren rund 24 Milliarden Euro. "Auf dieses Geld darf man aber nicht verzichten. Es muss genutzt werden, um die Arbeitslosenversicherung zu reformieren und sie wieder zu einer verlässlichen Absicherung für Arbeitnehmer machen."

Bentele zufolge sollten ältere Arbeitnehmer länger Arbeitslosengeld I beziehen und Leiharbeiter Ansprüche auf Arbeitslosengeld erwerben können. "Denn sie zahlen Beiträge in die Versicherung, erreichen oft aber nicht die nötigen Anwartschaften. Außerdem muss man Arbeitslose besser qualifizieren, damit sie wieder Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben."

Bettina Markmeyer, Dirk Baas


Arbeit

Heil will Sanktionen gegen Hartz-IV-Bezieher entschärfen



Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) will die Vorschriften zu Sanktionen gegen Hartz-IV-Bezieher entrümpeln. So sollen künftig Hartz-IV-Bezieher, die sich nicht an die geltenden Vorschriften halten, nicht mehr mit einer Kürzung ihrer Unterkunftskosten bestraft werden, wie er am 18. September auf der 50. Richterwoche des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel sagte. Auf der Fachtagung diskutierten rund 380 Rechtsexperten zum Thema "Sozialrecht der Zukunft".

Heil kritisierte die bayerische Landesregierung mit ihrer Praxis, dass Hartz-IV-Bezieher das seit 1. September eingeführte Landesfamiliengeld nicht auf ihr Arbeitslosengeld II anrechnen lassen müssen. Bayern habe eine Anweisung gegeben, dass sogenannte Optionskommunen, die allein für das Arbeitslosengeld II zuständig sind, das Landesfamiliengeld nicht mindernd als Einkommen auf das Arbeitslosengeld II anrechnen dürfen.

Dies sei aber rechtswidrig. "Wir sind an Recht und Gesetz gebunden und sind keine Bananenrepublik", sagte der Bundessozialminister.

BSG-Präsident Rainer Schlegel forderte, dass Gesetze, aber auch Gerichtsurteile, für den Bürger viel verständlicher werden müssen. So seien etwa Vorschriften im Krankenversicherungsrecht oft "detailverliebt". Dies führe nicht gerade zu mehr Akzeptanz bei den Bürgern.

Nicht alle Probleme ließen sich zudem mit einem Mehr an Sozialleistungen lösen. Gegen rechts- und linksextreme Tendenzen in der Gesellschaft würden keine zusätzlichen Sozialleistungen helfen, sagte Schlegel.



Aus den Ländern

Verbände kritisieren zu harte Sanktionen für Hartz-IV-Bezieher



Jobcenter kürzen einer neuen Erhebung zufolge Hartz-IV-Leistungen in Nordrhein-Westfalen vor allem dann, wenn die Bezieher Termine mit ihren Beratern nicht einhalten. "Höhe und Umfang der Leistungskürzungen stehen in keiner angemessenen Relation zur Schwere der Verstöße", erklärte Christian Heine-Göttelmann, Vorsitzender der Freien Wohlfahrtspflege Nordrhein-Westfalen, am 18. September in Düsseldorf. 78 Prozent der Sanktionen sind laut dem aktuellen Arbeitslosenreport der Spitzenverbände auf Meldeversäumnisse zurückzuführen.

Die Jobcenter hätten 2017 insgesamt knapp 223.000 Sanktionen verhängt, das seien fast ein Prozent mehr als im Vorjahr. Etwa jede zwölfte Leistungskürzung ist den Angaben nach darauf zurückzuführen, dass sich die Betroffenen weigerten, eine Arbeit, Ausbildung oder Qualifizierungsmaßnahme aufzunehmen oder fortzuführen.

"Wenn der Regelsatz, der ohnehin nur das Existenzminimum sichert, um zehn bis zu 60 Prozent gekürzt wird, ist das für Hartz-IV-Bezieher eine Katastrophe", erklärte Heine-Göttelmann. Viele Hartz-IV-Bezieher würden zudem sanktioniert, die psychische Beeinträchtigungen, Suchterkrankungen, funktionalen Analphabetismus oder interkulturelle Verständigungsschwierigkeiten hätten. In diesem Fall benötigten die Betroffenen eine Beratung und Unterstützung, die Rücksicht auf ihre Situation nehme, forderte Heine-Göttelmann.

Die Freie Wohlfahrtspflege NRW plädierte außerdem für die Abschaffung der besonders scharfen Sanktionen für unter 25-Jährige. Laut Gesetz können ihre Leistungen schon beim ersten Verstoß so weit gekürzt werden, dass sie nur noch für Unterkunft und Heizung reichten. Im Wiederholungsfall werde oft gar kein Geld mehr gezahlt, erklärte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der 16 Spitzenverbände in NRW. Dadurch spitze sich die prekäre Lebenslage der Jugendlichen zu. Viele endeten dadurch in sozialer Isolation, Kleinkriminalität, Schwarzarbeit, Suchtmittelkonsum oder Verschuldung.



Kinder

Milliarden für bessere Kitas bei weniger Gebühren




Kita-Kinder vor einer Tafel Schokolade
epd-bild/Axel Hartmann
Mehr Qualität und weniger Gebühren verspricht Familienministerin Giffey mit dem "Gute-Kita-Gesetz". Die Bundesländer können selbst entscheiden, wo investiert werden muss.

Der Bund investiert zusätzliche Milliarden in die Qualität von Kindertagesstätten. Das Bundeskabinett verabschiedete am 19. September in Berlin das "Gute-Kita-Gesetz". Das Geld erhalten die Länder. Sie sollen es verwenden, um die Betreuung in den Einrichtungen zu verbessern, etwa indem sie mehr Personal einstellen.

Verpflichtend ist in dem Gesetz vorgesehen, dass die Kita-Gebühren nach Einkommen gestaffelt und für Familien mit geringen Einkommen abgeschafft werden. Während die Union darauf dringt, den Qualitätsverbesserungen Vorrang zu geben, stehen für die SPD die Gebührensenkungen im Vordergrund.

Gebührenbefreiung für Geringverdiener

Der familienpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Marcus Weinberg, und die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Nadine Schön (beide CDU) erklärten: "Wir erwarten, dass jedes Land zunächst Fortschritte bei der Betreuungsqualität anstrebt und nicht das gesamte Bundesgeld in die Gebührenfreiheit steckt." Für die SPD erklärte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Katja Mast, die Gebührenbefreiung für Geringverdiener helfe 1,2 Millionen Kindern und deren Familien unmittelbar.

Schon bisher zahlen Familien, die auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen sind, keine Kita-Gebühren. Künftig sollen auch Wohngeldempfänger und Eltern, die den Kinderzuschlag beziehen, von den Gebühren befreit werden. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) sagte, alle Kinder müssten eine gute Kita besuchen können. Dies dürfe kein Privileg gut situierter Familien sein.

Qualitätsziele vereinbart

Bund und Länder hatten Qualitätsziele vereinbart. Die zusätzlichen Bundesmittel können in zehn unterschiedlichen Bereichen investiert werden, etwa zur Einstellung von mehr Personal, zur Erweiterung der Öffnungszeiten, zum Umbau der Räume oder zur Förderung des Sprachlernens. Die Kita-Leitungen sollen mehr Zeit für ihre eigentliche Arbeit gewinnen. Giffey sagte, es gebe keine Einheitslösung, die überall funktioniere. Die Fachleute müssten vor Ort entscheiden, welche Veränderung die Kita-Qualität am wirkungsvollsten verbessere.

Da die Betreuungssituation in den Bundesländern sehr unterschiedlich ist, schließt der Bund mit jedem Land eine eigene Vereinbarung darüber ab, wie die Bundesgelder investiert werden sollen. Die Linksfraktion im Bundestag kritisierte, das Gesetz sehe keine Kontrolle über die Investition der Milliardenbeträge vor.



Kinder

Studie: Kita-Besuch hängt vom sozialen Hintergrund ab



Der Besuch einer Kindertagesstätte hängt nach einer Studie weiter stark vom sozialen Hintergrund des Elternhauses ab. Daran haben weder der massive Ausbau des Angebots an Kita-Plätzen für Kinder unter drei Jahren in den vergangenen zehn Jahren noch der seit 2013 geltende Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für jedes Kind ab dem zweiten Lebensjahr etwas geändert, wie aus einer am 19. September in Berlin vorgelegten Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hervorgeht. "Die Politik sollte verstärkt Maßnahmen ergreifen, damit nicht nur bestimmte, sondern alle Gruppen vom Kita-Ausbau profitieren", sagte C. Katharina Spieß, Leiterin der Abteilung Bildung und Familie am DIW.

Insbesondere Kinder unter drei Jahren, deren Eltern beide einen Migrationshintergrund haben, seien in Kitas stark unterrepräsentiert. Am stärksten wirkt sich der Studie zufolge die Erwerbstätigkeit der Eltern auf die Nutzung der Kitas aus: Sind beide Elternteile berufstätig, werden 71 Prozent der Kinder in einer Kita betreut. Sind beide Elternteile oder ein Elternteil nicht berufstätig, liegt der Anteil bei etwas mehr als 20 Prozent.

Vom Ausbau der Betreuung von Kindern ab drei Jahren profitierten einkommensstärkere Haushalte deutlich mehr als ärmere Familien. Ging im Jahr 2003 fast jedes dritte Kind ab drei Jahren aus Haushalten unter der Armutsgrenze ganztags in eine Kita (gut 31 Prozent), waren es in dieser Gruppe im Jahr 2015 gut 41 Prozent. Familien, die über der Armutsgrenze lagen, nutzen den massiven Kita-Ausbau ungleich stärker: Hier geht heute jedes zweite Kind in die Kita (49 Prozent), 2003 war es nicht einmal jedes vierte Kind (23 Prozent).

"Die Ergebnisse sind insofern bedenkenswert, als Studien zeigen, dass insbesondere Kinder aus sozioökonomisch schlechter gestellten Familien von einem Kita-Besuch besonders profitieren", sagte DIW-Forscherin Spieß. Sie forderte deshalb die Politik auf, dafür zu sorgen, dass nicht nur bestimmte, sondern alle Gruppen vom Kita-Ausbau profitieren. "Manchmal scheitert es vermutlich schon daran, dass Familien gar nichts von ihrem Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz wissen."



Bundesregierung

Giffey will Ehrenamt besser fördern



Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) hat angekündigt, die Rahmenbedingungen für die Arbeit von Freiwilligen zu verbessern. "Jeder, der sich freiwillig engagieren will, soll dazu auch die Möglichkeit bekommen", sagte die Ministerin am 14. September in Berlin. "Dafür wollen wir sorgen." Die Caritas warb für eine verlässliche öffentliche Unterstützung.

Bundesratspräsident Michael Müller (SPD) betonte die große Verantwortung der Länder zur Förderung des bürgerschaftlichem Engagements. Er begrüßte, dass der Bund gemeinsam mit den Ländern weitere Maßnahmen für eine starke Zivilgesellschaft und eine lebendige Demokratie plane. Nach Angaben des Bundesfamilienministeriums sind mehr als 30 Millionen Menschen sind in Deutschland freiwillig aktiv.

Caritas-Präsident Peter Neher erinnerte daran, dass sich tagtäglich sich viele tausend ehrenamtlich und freiwillig Tätige für Vielfalt und gegen Radikalisierung einsetzen. "In Freiwilligen-Zentren, in Jugend- und Seniorenbüros, in Mehrgenerationenhäusern, Stadtteilzentren, in der Online-Suizidpräventionsberatung oder in Pflegestützpunkten stiften sie Zusammenhalt."

Um diesen wichtigen Einsatz auch in Zukunft zu sichern, braucht es laut Neher eine bessere Unterstützung des Ehrenamtes. "Über reine Projektförderung hinaus kann freiwilliges Engagement nur über eine verlässliche langfristig gesicherte, nachhaltige Förderung bestehen."



Organspende

Transplantationsmediziner Nagel für "Erklärungspflicht"




Medizinethiker Eckhard Nagel
epd-bild/Wolfgang Lammel
Der Transplantationsmediziner Eckhard Nagel hat sich in der Debatte um eine Erhöhung der Organspenden für eine "Erklärungspflicht" jedes Bürgers ausgesprochen.

Jeder Bürger sollte sich mit dem Thema Organspende befassen und dazu einen Standpunkt entwickeln, sagte der Direktor des Instituts für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften an der Universität Bayreuth dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Ich will, dass sich jeder bewusst damit auseinandersetzt." Dies könne man erwarten und zumuten, sagte Nagel.

Pflicht zur Auseinandersetzung

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat eine neue Debatte über Organspenden angestoßen mit seiner Forderung nach einer Widerspruchsregelung. Dabei soll jeder Organspender sein, der zu Lebzeiten oder dessen Angehörige nach dem Tod der Organentnahme nicht widersprechen. Nagel sagte, er habe ein Problem mit dem Terminus "Widerspruchslösung" und würde daher eine "Erklärungspflicht" anstreben. "Drei bis vier Patienten sterben jeden Tag in der Bundesrepublik, weil kein Spenderorgan zur Verfügung steht", sagte er. Es sei eine Pflicht, sich mit diesem Leid auseinanderzusetzen und auf Grundlage dieser Informationen eine Entscheidung zu treffen.

Spahn habe aber "ein Argument auf seiner Seite", sagte der Mediziner, der bis 2016 Mitglied im Deutschen Ethikrat war, "die Frage nach den Sanktionsmöglichkeiten, wenn sich ein Mensch nicht entscheiden will". Das sei schwierig. "Ich kann die Politik verstehen, wenn sie deshalb sagt, die Widerspruchsregelung ist ein praktikablerer Weg", sagte Nagel.

"Organspendeausweis wird vergessen oder verdrängt"

Kritikern, die in einer Widerspruchsregelung einen Einschnitt in die persönliche Freiheit sehen, hielt Nagel entgegen: "Es würde bedeuten, es gäbe eine Freiheit, wegzusehen, das Leiden anderer Menschen auszublenden." So habe er den Freiheitsbegriff noch nie verstanden, sagte Nagel, der auch dem Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentags angehört.

Viele Transplantationsmediziner seien überzeugt gewesen, dass die Vorteile der Transplantation alle Menschen so klar überzeugen würden, dass sie sich einen Organspendeausweis zulegen, sagte Nagel: "Das war ein gigantischer Fehlschluss." Wie vielen guten Vorsätzen sei es auch dem Organspendeausweis gegangen: "Er ist vielleicht gerade nicht verfügbar, kommt auf den Stapel mit nicht dringlichen Papieren, wird vergessen oder verdrängt." Diese Zurückhaltung, die im Kontext mit dem eigenen Sterben nachvollziehbar sei, überwinde man nicht mit Aufklärung und einer Bitte, sagte Nagel.

Corinna Buschow


Organspende

Spahn widerspricht Kirchen: Es geht nicht um eine Abgabepflicht



Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat Kirchenvertretern widersprochen, die seinen Vorschlag zur Erhöhung der Organspenden als Schritt in die Verpflichtung zur Organabgabe sehen. Spahn sagte am 17. September in Berlin, es gehe nicht um eine Organabgabepflicht, wie manche Kirchenvertreter sagten, sondern "um die Pflicht, sich damit zu beschäftigen". Ihm sei klar, dass es eine intensive Debatte über das Thema geben werde.

Die wolle er aber auch, sagte Spahn. Alle Argumente müssten auf den Tisch. Andernfalls werde es keine Lösung mit einer klaren Mehrheit geben. In dieser Debatte hätten auch die Kirchen ihre Rolle. Mit Blick auf seine katholische Prägung und Zugehörigkeit zur Kirche sagte Spahn, es habe zwischen ihm als Politiker und der Haltung der Kirche auch an anderen Stellen schon unterschiedliche Auffassungen gegeben.

Spahn setzt sich für die sogenannte doppelte Widerspruchslösung ein. Danach werden alle Menschen automatisch Organspender, sofern sie oder ihre Angehören nicht widersprechen. In beiden Kirchen regt sich Widerstand. Der evangelische Theologe und Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Peter Dabrock, hatte gesagt, würde eine Widerspruchsregelung Gesetz, wäre es ehrlicher, von einer Organabgabepflicht statt einer Organspende zu sprechen.

In Deutschland gilt die Entscheidungslösung, wonach die Menschen sich für eine Spende entscheiden müssen. Andernfalls dürfen keine Organe entnommen werden.



Aus den Ländern

Niedersachsen kündigt Bau von 40.000 neuen Sozialwohnungen an



Das Land Niedersachsen will seinen Bestand an Sozialwohnungen nach Angaben von Umwelt- und Bauminister Olaf Lies (SPD) deutlich erhöhen. Er gehe davon aus, dass bis zum Jahr 2030 rund 40.000 Sozialwohnungen neu geschaffen werden könnten, beantwortete Lies am 14. September eine Anfrage der SPD-Fraktion im Landtag. Das sei ein ambitioniertes Ziel. Eine solche Steigerung könne positive Effekte auf die Preis- und Mietdynamik in Niedersachsen haben.

In den vergangenen Jahren habe sich der Bestand an Sozialwohnungen verringert, führte Lies aus. Er werde auch den nächsten Jahren drastisch zurückgehen, "wenn wir nicht gegensteuern". Seit 2015 seien in Niedersachsen jedes Jahr mehr als 25.000 neue Wohnungen fertiggestellt worden. Der geförderte Wohnungsbau mache davon nur einen sehr geringen Anteil aus, der unter fünf Prozent liege. "Diesen Anteil wollen wir steigern", bekräftigte Lies. Jede neu gebaute Wohnung entlaste den Wohnungsmarkt.

Niedersachsen werde bis 2028 um rund 100.000 Haushalte wachsen, bevor die Zahlen langsam wieder sänken, erläuterte der Minister. Von 2015 bis 2035 würden Prognosen zufolge insgesamt etwa 296.000 zusätzliche Wohnungen gebraucht. Davon werde der größte Teil in den nächsten zehn Jahren benötigt, vor allem in den Ballungsräumen. Dies entspreche einem durchschnittlichen Neubaubedarf von rund 15.000 Wohnungen jährlich.



Aus den Ländern

Hessen startet Portal für Patenschaftsprojekte



Die hessische Landesregierung hat ein Onlineportal für Patenschaftsprojekte geschaltet. Es ist Bestandteil der Ehrenamtskampagne "Gemeinsam Aktiv", wie die Wiesbadener Staatskanzlei am 14. September mitteilte. Das Angebot richtet sich den Angaben zufolge an die vielfältigen vorhandenen Projekte - von Leihgroßeltern über Ausbildungs- und Lesepatenschaften bis hin zu Patenschaften für Geflüchtete.

Auf der Online-Plattform werden sowohl bestehende Projekte als Ideenquelle vorgestellt als auch Tipps für die Gründung und Weiterentwicklung von Patenschaften gegeben. Zudem sollen Impulse für die eigene Arbeit wie auch Anregungen zur Gründung neuer Patenschaften vermittelt werden.

Zum Angebot gehören Checklisten und eine Sammlung häufig gestellter Fragen. Darüber hinaus werden Hilfen für den Arbeitsalltag gegeben, etwa wie man Paten gewinnt oder wie es gelingen kann, dass diese zueinander passen. Auch Qualifizierung, Versicherung und Finanzierung werden angesprochen.



Aus den Ländern

Berliner Senat und BVG verhandeln über Offenhaltung von U-Bahnhöfen



Die Berliner Sozialverwaltung will Berliner U-Bahnhöfe weiterhin für Obdachlose offenhalten. Die Frage, ob und wie Bahnhöfe in den Wintermonaten als Aufenthaltsort von Obdachlosen genutzt werden können, werde Gegenstand eines vertieften Dialogs zwischen den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) und der Sozialverwaltung sein, teilte die Sozialverwaltung am 18. September mit. Nachdem die BVG angekündigt hatte, in der kalten Jahreszeit keine U-Bahnhöfe mehr für Obdachlose zu öffnen, gab es am 17. September ein Treffen zwischen BVG-Chefin Sigrid Nikutta und Sozialstaatssekretär Alexander Fischer (Linke).

In den kommenden Wochen werde ein Spitzengespräch zu diesem Thema zwischen Sozialverwaltung und BVG stattfinden, um eine belastbare Vereinbarung zu erzielen, hieß es weiter. Bei dem Gespräch zwischen Nikutta und Fischer habe darüber Einigkeit bestanden, dass es einen Interessenausgleich zwischen den Belangen der Wohnungslosenhilfe und der Sicherheit auf den Bahnhöfen geben muss, hieß es weiter. Niemand wolle Obdachlose in den kalten Wintermonaten einfach in die Kälte schicken, aber auch die Sicherheit der Fahrgäste, des Personals der BVG und nicht zuletzt der Obdachlosen selbst müsse zu jeder Zeit gewährleistet sein.




sozial-Branche

Studie

Instrumente für bezahlbaren Wohnraum wirken nur begrenzt




Neubau von Wohnungen in Berlin
epd-bild/Juügen Blume
Die Instrumente für günstigen Wohnraum erhalten von Forschern keine guten Noten: Sozialer Wohnungsbau hilft, ist im Umfang aber zu gering. Wohngeld erreicht nur wenige. Und die Mietpreisbremse entlastet, wenn überhaupt, nur Durchschnittsverdiener.

Die Instrumente der Bundesregierung für mehr bezahlbaren Wohnraum wirken einer Studie zufolge nur begrenzt. Die Förderung von Sozialwohnungen sei zwar grundsätzlich wirksam, um eine bessere Versorgung mit bezahlbaren Wohnungen zu erreichen, erklärten die Forscher der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung am 18. September in Düsseldorf. Aber das aktuelle Fördervolumen sei zu gering, um die Lücken an günstigen Wohnungen zu schließen, lautet ein Fazit der Studie. Am wenigsten soziale Wirkung attestieren die Wissenschaftler dem Wohngeld, das nur wenige Menschen erreiche.

Es fehlen 880.000 günstige Wohnungen

Für die Studie wurden den Angaben nach die Lage in 77 Großstädten in Deutschland untersucht und Daten des Mikrozensus von 2014 ausgewertet. Die Förderprogramme für den sozialen Wohnungsbau seien trotz einer Ausweitung in den vergangenen Jahren viel zu klein dimensioniert, kritisieren die Böckler-Forscher. Da die Wohnungsbauförderung seit Ende der 1990er Jahre drastisch zurückgefahren worden sei, gebe es einen großen Rückstand vor allem in Großstädten.

Die Forscher errechneten für die zehn größten Städte in Deutschland ein Defizit von rund 880.000 günstigen Wohnungen. Bei Beibehaltung des Fördervolumens würde es grob gerechnet gut 185 Jahre dauern, diese Lücke zu schließen, hieß es.

Zwar hat sich der Neubau von Sozialwohnungen bis 2016 den Angaben nach bundesweit auf rund 25.000 verdoppelt. Aber da Sozialwohnungen nach meist 20 Jahren aus der Mietpreisbindung fallen, gebe es auch Abgänge. 2016 seien dies mit bundesweit etwa 90.000 Wohnungen mehr als dreimal so viele gewesen, wie gebaut wurden, hieß es.

Schlechte Note für das Wohngeld

Die schlechteste Note vergeben die Forscher an das Wohngeld. Die Sozialleistung, die verhindern soll, dass Haushalte nur wegen der Mietkosten in den Hartz-IV-Bezug rutschen, erreicht nur wenige Haushalte, wie die Forscher erklärten. Grund dafür seien relativ enge Miet- und Einkommensgrenzen. In den untersuchten Großstädten erhielten den Angaben nach im Untersuchungsjahr 2014 knapp 163.00 Haushalte Wohngeld. Dies entspreche gerade einmal 1,2 Prozent aller Großstadthaushalte.

Eine deutlich größere Bedeutung als dem Wohngeld komme mit einem Anteil von 7,7 Prozent aller Großstadthaushalte dagegen den "Kosten der Unterkunft" (KdU) zu, bei denen im Rahmen von Hartz IV der Staat ganz oder teilweise Wohnkosten übernehme, hieß es. Die Haushalte mit Wohngeld-Bezug wiesen zudem oft noch eine prekär hohe Mietbelastungsquote auf, lautet ein weiterer Befund der Studie. Single-Haushalte mit geringem Einkommen geben demnach im Mittel mehr als 50 Prozent ihres Nettoeinkommens fürs Wohnen aus.

Mietpreisbremse hilft nicht Geringverdienern

Die Mietpreisbremse als ein weiteres Instrument sei bislang durch zahlreiche Ausnahmen und praktische Defizite in ihrer Wirkung beschränkt, kritisieren die Studienautoren. Würden die Maßnahmen konsequent angewandt und kontrolliert, müssten Vermieter im Durchschnitt der 44 Großstädte, in denen die Mietpreisbremse gilt, ihre Aufschläge bei Neuvermietung um 17 Prozent reduzieren, hieß es. Haushalte mit Einkommen unterhalb von 80 Prozent des Durchschnittseinkommens würden aus Sicht der Forscher hingegen vom preisdämpfenden Effekt nicht erreicht.

Damit könnte die Mietpreisbremse aus Sicht der Forscher immerhin für viele Mittelschichthaushalte eine spürbare Entlastung bringen. Die von der Bundesregierung geplanten gesetzlichen Änderungen an der Mietpreisbremse bedeuteten einen Fortschritt. Doch werde dies die Situation in den am stärksten von Wohnungsknappheit betroffenen Gruppen nicht nennenswert verbessern.

Gabriele Fritz


Mieten

Sozialbündnis fordert bezahlbare Wohnungen




Lukas Siebenkotten, Direktor des Deutschen Mieterbundes
epd-bild/Markus Wächter/DMB
Vor dem Wohngipfel am 21. September im Kanzleramt fordern Sozial- und Mieterverbände eine andere Wohnungspolitik. Was die Koalition bisher tue, helfe den Mietern und Wohnungssuchenden nicht, kritisieren sie.

Sozial- und Mieterverbände fordern ein Umsteuern in der Wohnungspolitik. Sie verlangten am 19. September in Berlin, den Mietenanstieg spürbar zu bremsen und mehr bezahlbare Wohnungen zu bauen. Das Baukindergeld und Sonderabschreibungen für Investoren seien wohnungspolitisch untaugliche Gesetze. Die Koalition sei offenbar nicht willens oder in der Lage, eine Politik für Mieter und Wohnungssuchende zu machen, bilanzierten die Verbände, darunter der Mieterbund und der Deutsche Gewerkschaftsbund.

Hohe Mieten für geförderte Wohnungen

Mit steuerlichen Anreizen will die Koalition den Mietwohnungsbau ankurbeln. Investoren sollen vier Jahre lang zusätzlich fünf Prozent der Baukosten steuerlich abschreiben können, wenn sie Mietshäuser bauen oder aufstocken lassen und die Baukosten 3.000 Euro pro Quadratmeter nicht überschreiten. Eine Sprecherin des Finanzministeriums sagte, damit werde die Förderung von Luxuswohnungen ausgeschlossen. Das Kabinett hat das Gesetz am 19. September beschlossen.

Der Direktor des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, kritisierte, dass das Gesetz keine Mietenbegrenzung vorsehe. Deshalb könnten die Investoren auch geförderte Wohnungen teuer vermieten. Auch die von der Koalition kürzlich beschlossene Verschärfung der Mietpreisbremse halten die Verbände für wirkungslos. Sie fordern, alle Ausnahmen zu streichen, die Mietpreisbremse bundesweit anzuwenden, Verstöße zu sanktionieren und den Spielraum für Mieterhöhungen auf zehn Prozent in fünf Jahren zu reduzieren. Am Donnerstag und Freitag halten die Verbände einen alternativen Wohnungsgipfel ab und wollen mit Protesten vor dem Kanzleramt auf ihre Forderungen aufmerksam machen.

Milliardenzuschüsse an die Länder

Die Koalition aus Union und SPD will erreichen, dass in dieser Legislaturperiode 1,5 Millionen neue Wohnungen und Eigenheime entstehen. Die Steuererleichterungen für Investoren und das Baukindergeld, das Familien den Bau oder Kauf von Eigenheimen und Wohnungen erleichtert, sind Teil einer vereinbarten Wohnraumoffensive. Dazu zählen auch Milliardenzuschüsse an die Länder für den sozialen Wohnungsbau.

Auf dem Gipfel am Freitag, zu dem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eingeladen hat und an dem auch Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) teilnehmen will, soll über weitere Schritte gesprochen werden. Der Deutsche Städtetag forderte Bund und Länder im Vorfeld auf, mehr eigenes Bauland zu mobilisieren. Zudem sollten das Bauordnungsrecht vereinfacht und Umwelt- und Baurecht besser aufeinander abgestimmt werden.

An dem Treffen nimmt nach Angaben des Innenministeriums auch Seehofers Bau-Staatssekretär Gunther Adler noch teil. Adler muss demnächst für Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen weichen, der einen Staatssekretärsposten im Innenministerium erhält. Der bau- und wohnungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Daniel Föst, kritisierte, mit Adler entlasse Seehofer den einzigen Bauexperten der Bundesregierung, der sowohl in der Branche als auch über die Parteien hinweg hoch anerkannt sei. Dies sei ein fatales Signal für die Bau- und Wohnungspolitik der Koalition.

Bettina Markmeyer


Krankenhäuser

Ein wenig Schabernack auf der Demenzstation




Die Klinik-Clowns Hans Jürgen Becker (li.) und Peter Frölich machen "Visite bei einer demenzkranken Patientin.
epd-bild/Andrea Enderlein
Demenzkranke Senioren, die wegen anderer Beschwerden im Krankenhaus landen, sind eine Herausforderung für Pflegepersonal und Ärzte. Rheinland-Pfalz setzt auf ehrenamtliche "Geronto-Clowns", um die verwirrten alten Menschen in der Klinik aufzumuntern.

Ganz sacht öffnen die beiden älteren Herren mit den roten Nasen die Tür zum Krankenzimmer von Martha Vogel (Name geändert). Hans Jürgen Becker trägt zu seinem Matrosenhemd einen Sonnenhut, Peter Frölich hat knallgelbe Hosenträger über dem schwarzen T-Shirt und eine Fliege mit vielen bunten Flecken. "Warum sind Sie denn im Krankenhaus?" wollen die beiden von der 77-jährigen Dame wissen. "Weiß ich auch nicht", entgegnet die Patientin etwas ratlos. Die beiden Besucher stört das gar nicht, sie beginnen ein wenig herumzublödeln, erkundigen sich danach, was Frau Vogel gerne essen würde und als die Seniorin dann müde wird, gibt es sogar noch ein Gutenachtlied.

Klinik-Clowns für Demente im Test

Seit einigen Wochen kann man den gelernten Industriekaufmann Becker (64) und den Sozialpädagogen Frölich (65) regelmäßig auf Station fünf für Innere Medizin im Diakonie-Krankenhaus in Bad Kreuznach treffen. Immer zu zweit sind die beiden Rentner dort ehrenamtlich als Clowns im Einsatz, um demenzkranke Patienten aufzumuntern.

Anfang des Jahres startete in Rheinland-Pfalz ein landesweites Modellprojekt zum Einsatz sogenannter Geronto-Clowns - in zunächst 20 Krankenhäusern. Die Landeszentrale für Gesundheitsförderung hatte 40 Bewerber ausgewählt und ihnen in Workshops ein Grundwissen für die Einsätze mit Demenzkranken vermittelt. Ein ganzer Tag sei darauf verwendet worden, wie die erste Kontaktaufnahme zu den Patienten ablaufen soll, berichtet Peter Frölich.

Die wachsende Anzahl von Menschen mit Demenz stellt Kliniken bundesweit vor große Herausforderungen. Denn diese Patienten reagierten besonders anfällig, wenn sie aus ihrer gewohnten Umgebung herausgerissen werden, sagt Volker Dindorf, Pflegedienstleiter im Kreuznacher Diakonie-Krankenhaus. Manchmal gebe es 15 demente Patienten gleichzeitig in seiner Klinik: "Aktuell haben wir eine Frau, die die ganze Nacht über hinter der Nachtwache herläuft."

"Den Tag ein wenig aufhellen"

Mit einem Maßnahmenbündel versucht die "kreuznacher Diakonie", die Situation für alle Seiten erträglicher zu machen. So gibt kommt die Klinik Patienten beim Speiseplan entgegen, erfüllt Sonderwünsche wie einen täglichen Pudding. Außerdem hat das Krankenhaus eine große CD-Sammlung mit Schlagern der 1950er und 1960er Jahre angeschafft.

Manchmal können auch die Geronto-Clowns Patienten und Klinikpersonal helfen. Eine alte Frau habe nichts mehr trinken wollen, weil sie glaubte, jemand wolle sie vergiften, berichtet Peter Frölich: "Wir haben uns selbst etwas eingeschenkt und ihr erklärt: 'Sehen Sie, wir trinken das auch.'" Das habe die hochbetagte Patientin dann irgendwie überzeugt. Oft sei das Ziel ihrer Besuche aber einfach, die Leute zum Lächeln zu bringen: "Es geht darum, den Tag ein wenig aufzuhellen."

Klinikclowns gehören schon seit teilweise mehr als 20 Jahren zum Alltag vieler deutscher Krankenhäuser - in erster Linie auf den Kinderstationen. Aber auch die Arbeit mit demenzkranken Patienten ist keine rheinland-pfälzische Erfindung. Der Dachverband Clowns in Medizin und Pflege Deutschland kennt aktuell bundesweit 18 Einrichtungen, in denen professionelle Clowns sich um Geriatrie-Patienten kümmern. "Wir begrüßen jede Initiative, die das Thema Humor in der Klinik in die öffentliche Diskussion bringt", sagt Rainer Bormuth vom Vorstand des Verbandes über das Modellprojekt in Rheinland-Pfalz. Allerdings müssten alle, die diese anspruchsvolle Arbeit auf sich nehmen, professionell ausgebildet sein.

"Verlasst euch auf eure Intuition"

Auch Hans Jürgen Becker und Peter Frölich bereiten sich auf ihre Besuche vor, müssen aber trotzdem viel improvisieren. Und sie wissen schon vor Beginn ihres zweistündigen Krankenhausbesuches, dass sie es nicht schaffen werden, jeden Patienten aufzuheitern. Zwei Grundsätze habe die Ausbilder ihnen mitgegeben, sagt Frölich: "Verabschiedet euch von der Idee, dass immer alles klappt und verlasst euch auf eure Intuition."

Tatsächlich spürt das Klinikpersonal die positiven Effekte auf die alten Leute mit Demenz. Pflegedienstleiter Dindorf geht davon aus, dass der Besuchsdienst der Geronto-Clowns fortgesetzt wird, auch wenn das Modellprojekt der Mainzer Landesregierung einmal endet.

Karsten Packeiser


Krankenhäuser

Experten fordern mehr Personal in der Palliativpflege




Besuch auf einer Palliativstation
epd-bild/Jens Schulze
Pflegeexperten haben Gesundheitsminister Spahn dazu aufgerufen, für die Versorgung von Palliativpatienten in Kliniken mehr Personal vorzuschreiben. Die Gewerkschaft ver.di lehnt die vorgelegten Pflegepersonaluntergrenzen in nur wenigen Krankenhausbereichen ab.

Palliativmediziner beklagen fehlendes Pflegepersonal auf den Klinikstationen. In einer am 14. September in Berlin veröffentlichten Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) heißt es, die Palliativpflege müsse deshalb bei den Pflegepersonaluntergrenzen gesondert berücksichtigt werden. Die DGP habe "mit großem Bedauern und erheblicher Verwunderung" zur Kenntnis genommen, dass dieser Bereich im Referentenentwurf des Ministers zu verbindlichen Personaluntergrenzen in Kliniken nicht berücksichtigt wurde.

Personaluntergrenzen für "pflegesensitive" Bereiche

Das Bundesgesundheitsministerium hatte am 24. August den Referentenentwurf einer Verordnung für Personaluntergrenzen im Krankenhaus vorgelegt. Das "Versagen" der Selbstverwaltung "erfordert unser Handeln zum Schutz der Patienten", sagte damals Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Unterbesetzungen könnten fatale Folgen haben. Ab 1. Januar 2019 gelten Personaluntergrenzen für Intensivmedizin, Geriatrie, Unfallchirurgie und Kardiologie, die als "pflegesensitive" Bereiche festgelegt werden.

Sylvia Bühler vom ver.di-Bundesvorstand begrüßte am 17. September, dass die Regierung die Notwendigkeit verbindlicher Personalvorgaben "endlich erkannt" habe. "Wenn aber nachts in der Geriatrie eine Pflegekraft allein 24 Patienten versorgen soll, ist das staatlich legitimierter Pflegenotstand." Ver.di forderte gemeinsam mit Fachverbänden, dass "ein am individuellen Pflegebedarf ausgerichtetes und pflegewissenschaftlich fundiertes Personalbemessungstool entwickelt wird und anschließend verpflichtend flächendeckend in den Krankenhäusern anzuwenden ist".

"Palliativstationen schlechter gestellt"

Die DGP forderte, die Palliativmedizin müsse ebenfalls in die Verordnung zur Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen aufgenommen werden, und zwar in Anlehnung an die Pflegepersonalbesetzung in stationären Hospizen. Denn die palliative Pflege von Menschen aller Altersgruppen sei geprägt von hohem Zeit- und Personalaufwand, erläuterte Vorstand Andreas Müller. Die Palliativpflege könne dazu beitragen, dass Betroffene im Alltag ein hohes Maß an Lebensqualität und eigenen Ressourcen zurückgewinnen. Doch dazu werde mehr Personal gebraucht, sagte Müller. Denn: "Professionell Pflegende nehmen in der Versorgung von Palliativpatienten eine tragende Rolle ein."

"Die derzeitige Vergütung deckt den pflegeintensiven Versorgungsbedarf speziell in der Palliativpflege nicht ausreichend ab", beklagt der Verband. DGP-Präsident Lukas Radbruch sagte, im Vergleich zu stationären Hospizen werde "die palliativpflegerische Versorgung auf den Palliativstationen schlechter gestellt, obwohl sowohl Inhalt als auch zeitlicher Aufwand vergleichbar sind".

In der neuen Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums wird ein Verhältnis von Pflegekräften zu Patienten bestimmt, das nicht unterschritten werden darf. Dabei wird unterschieden zwischen Tag- und Nachtschichten an Wochentagen und an Wochenenden oder Feiertagen.

Markus Jantzer, Dirk Baas


Altersvorsorge

Verbände warnen vor Schlechterstellung pflegender Rentner




Eine Frau löst mit ihrem pflegebedürftigen Mann ein Kreuzworträtsel.
epd-bild/Jürgen Blume
Die Wohlfahrtsverbände und die Gewerkschaft ver.di befürchten, dass die Bundesregierung die finanzielle Entlastung von pflegenden Angehörigen im Rentenalter beenden könnte. Mit einem gemeinsamen Aufruf wollen sie gegensteuern.

Wohlfahrtsverbände und die Gewerkschaft ver.di fordern in einem gemeinsamen Appell die Bundesregierung auf, Pläne zur finanziellen Schlechterstellung von pflegenden Rentnern nicht weiter zu verfolgen. Die Koalition habe zugesagt, die Unterstützung pflegender Angehöriger auszubauen, heißt es in dem Schreiben vom 14. September. Nun solle aber eine für die pflegenden Rentner günstige Regelung zurückgedreht werden, kritisieren neben der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di der Caritasverband, Diakonie, AWO, der Paritätische und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Auch der Sozialverband VdK ist irritiert über die Pläne.

Rentner, die einen Angehörigen pflegen, können seit einer Gesetzesreform im Juli 2017 vom Flexirenten-Gesetz profitieren - in einem recht komplizierten Verfahren. Nur wenn sie eine Teilrente beziehen, zahlt die Pflegeversicherung für sie Beiträge in die Rentenversicherung ein. Diese erhöhen später die reguläre Rente, je stärker, je höher der Pflegebedarf des Angehörigen ist. Ziel ist es, dass dadurch der monatliche Zuwachs bei der späteren vollen Altersrente höher ausfällt als die Summe, auf die der Teilrentner zuvor jeden Monat zunächst verzichtet.

Diese Regelung betrifft grundsätzlich jede Pflegeperson, die Angehörige, Freunde oder Dritte nicht erwerbsmäßig pflegt. Rechtsgrundlage ist unter anderem Paragraf 66 Absatz 3a SGB VI.

Bentele für rentenrechtliche Gleichstellung

Für den Sozialverband Deutschland sagte dessen Präsidentin Verena Bentele: "Die Gesetzesänderung lehnt der Sozialverband VdK entschieden ab. Für viele Rentnerinnen und Rentner ist diese Absicherung eine wichtige Möglichkeit, die oftmals kleine Rente durch die Rentenbeträge der Pflegeversicherung aufzubessern."

Darüber hinaus forderte der Verband die rentenrechtliche Gleichstellung von Familienpflege- und Kindererziehungszeiten. Bentele: "Die Pflege von Angehörigen muss denselben Stellenwert bekommen wie Kindererziehung."

In der Koalition gibt es laut VdK Überlegungen, diese Begünstigung einzuschränken. Konkrete Gesetzespläne sind allerdings noch nicht bekannt.

Die AWO betonte, ob und wie viele Rentner von der neuen Flexi-Rente Gebrauch machen, sei noch unklar. Nach ihren Angaben zahlen im Jahr 2018 die Pflegekassen für alle Pflegeleistungen an die Gesetzliche Rentenversicherung 1,5 Milliarden Euro. "Es ist zu vermuten, dass der Anteil, der Altersrentnerinnen und -rentner zur Erhöhung ihrer Renten zufließt, deutlich unter zehn Prozent liegt und verhältnismäßig viele Rentnerinnen von der Regelung profitieren, deren oftmals kleine Renten dadurch aufgebessert werden können", so die AWO.

AWO: Noch fehlen Zahlen

Ver.di-Chef Frank Bsirske erklärte, gerade Bezieher kleiner Renten können ihre Altersbezüge etwas aufbessern, wenn sie einen Angehörigen pflegen. Die Bundesregierung dürfe diesen älteren Menschen, die Opfer für ihre Angehörigen bringen und zusätzlich den Staat entlasten, nicht Geld vorenthalten. "Die Koalition hat klipp und klar erklärt, dass sie die Bereitschaft zum Pflegen aufwerten will. Eine klammheimliche Rücknahme der geltenden Regeln ist genau das Gegenteil davon", kritisierte Bsirske: "Wer Menschen, die drei Jahre einen Angehörigen pflegen, nicht mal 20 Euro mehr Rente zugestehen will, zeigt der Pflege in den Familien die kalte Schulter."

Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, ging ebenfalls auf Distanz zu den Plänen. "Besonders betroffen wären Frauen, die heute den Großteil der privaten Pflege übernehmen. Mit dem Flexi-Rentengesetz haben sie heute die Möglichkeit, durch Pflege auch im Alter noch Lücken in ihrer Renten- Beitragsbiografie auszugleichen."

Ihnen diese Möglichkeit zu nehmen, gehe in die falsche Richtung, sagte Loheide. So werde die Angehörigenpflege abgewertet und die Pflegenden demotiviert. Darum fordere die Diakonie gemeinsam mit anderen Verbänden: "Hände weg von den Rentenbeiträgen für pflegende Rentner."

Bettina Markmeyer, Dirk Baas


Flüchtlinge

Migrantenorganisationen fordern stabile Fördergelder für Integration



Migrantenorganisationen sehen viele Flüchtlinge in Deutschland derzeit erst "an der Schwelle zur Integration" und wünschen sich von der Politik eine langfristige finanzielle Förderung, um weiter Unterstützung leisten zu können. "Es zeigt sich, dass viele Geflüchtete erst jetzt, nach einer turbulenten Ankommensphase wichtige Schritte in einen neuen Alltag machen", sagte Wilfried Kruse, Mitglied im Leitungsteam des Netzwerks samo.fa, am 14. September in München. Vereine und Zusammenschlüsse von Migranten seien mit den Frustrationen und Enttäuschungen beim Weg in die Gesellschaft vertraut und könnten deshalb besonders efektiv und einfühlsam helfen, betonte er.

Zugleich arbeiten laut Kruse viele Ehrenamtliche in Migrantenorganisationen am Rande der Überlastung. Umso wichtiger sei es, durch finanzielle Unterstützung auch professionelles Arbeiten zu ermöglichen. "Aktuell erfolgt die Förderung meist projektbezogen von Jahr zu Jahr", erklärte er. Dadurch könnten sich wichtige Strukturen nicht stabilisieren. Hilfe erhofft sich Kruse auch von den Kommunen.

Friederike Junker, Geschäftsführerin des Netzwerkes Münchner Migrantenorganisationen "Morgen", betonte, die Arbeit der Migrantenorganisationen verhindere die Bildung von Parallelgesellschaften. Sie ermögliche den Zugang zu deutschen Institutionen und gewähre Geflüchteten ein stabiles Umfeld - oftmals in ethnisch gemischten Gruppen.

Samo.fa ist ein 2016 gegründetes Netzwerk (Stärkung der Aktiven aus Migrantenorganisationen in der Flüchtlingsarbeit). Die Initiative arbeitet nach eigenen Angaben in bundesweit 32 Städten mit insgesamt rund 600 Migrantenorganisationen zusammen, um Integration zu unterstützen und die Vernetzung zwischen den einzelnen Initiativen und mit lokalen Institutionen zu stärken.



Gesundheit

Kinderärzte plädieren für strenge Maßnahmen gegen Fettleibigkeit



Ärzteverbände haben schärfere Maßnahmen gegen Fettleibigkeit bei Kindern und Jugendlichen gefordert. Während die Gesamtzahl der Kinder mit ernsten Gewichtsproblemen zuletzt etwa gleich geblieben sei, habe im vergangenen Jahrzehnt die soziale Ungleichheit beim Auftreten von krankhaftem Übergewicht stark zugenommen, sagte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Thomas Fischbach, am 18. September in Berlin. Bisherige Präventionskampagnen erreichten nicht die Zielgruppen. Zusammen mit Vertretern der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) und der Deutschen Adipositasgesellschaft sprach sich Fischbach unter anderen für eine Besteuerung zuckerhaltiger Getränke aus.

Aktuell leidet den Angaben zufolge fast jedes sechste Kind zwischen drei und 17 Jahren (15,4 Prozent) in Deutschland an Fettleibigkeit und 5,9 Prozent an krankhafter Fettleibigkeit, sogenannter Adipositas. Als größter Risikofaktor für kindliches Übergewicht gilt ungesunde Ernährung.

Die Ärzteverbände plädieren deshalb auch für ein Verbot von zuckerhaltigen Getränken in Kitas und Schulen sowie für eine Kennzeichnung gesunder Lebensmittel auf der Packungsvorderseite. Zudem solle an Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung konsequent beschränkt werden. Adipositas bei Kindern und Jugendlichen verursache eine Vielzahl medizinischer und psychologischer Probleme, setze sich oft im Erwachsenenalter fort und führe zu einer deutlich verkürzten Lebenserwartung, sagte Berthold Koletzko, Vorsitzender der DGKJ-Ernährungskommission.



Verbände

Diakonie-Chef Lilie plädiert für Kultur des Zuhörens



Der Präsident der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie, sieht den Zusammenhalt in der Gesellschaft in hohem Maß gefährdet. Mit einem Appell zum Austausch und zum Zuhören beginnt sein neues Buch mit dem Titel "Unerhört!", das am 17. September erschienen ist. Es herrsche ein Dauerton der populistischen und medialen Empörung, kritisiert Lilie. Die Empörungslust grassiere in allen politischen Lagern, nicht nur bei Rechtspopulisten. Aber es werde nicht miteinander, sondern übereinander geredet. Diskussionen über "Hetzjagden", vermeintliche Trauermärsche, politisches Hick-Hack um Videos - all das führe nicht weiter.

Millionen Menschen fühlten sich abgehängt, unverstanden und ungehört, stellt Lilie fest, der dabei selbstkritisch auch die privilegierten Gruppen in den Blick nimmt. Obwohl sich die urbanen Eliten für weltoffen und tolerant hielten, bewegten sie sich kaum aus ihrem Milieu hinaus. Das gelte häufig auch für kirchliche Milieus, räumt der Diakonie-Präsident ein.

Ausgehend von eigenen Erfahrungen liefert er Beispiele dafür, soziale Grenzen zu überwinden. Er plädiert dafür, AfD-Anhängern genauso zuzuhören wie verarmten Rentnern, Flüchtlingen oder Supermarkt-Kassiererinnen. Gegen Rassismus und Menschenverachtung grenzt sich Lilie klar ab.

Das Buch des Diakonie-Chefs kann auch verstanden werden als Werbung für die Kampagne unter dem Schlagwort "Unerhört!", mit der der zweitgrößte deutsche Wohlfahrtsverband die Aufmerksamkeit auf gesellschaftliche Randgruppen lenken will, die häufig die Hilfsangebote der Diakonie-Einrichtungen in Anspruch nehmen. Lilie ist überzeugt: "Das Leben einer Gesellschaft gewinnt an Qualität, wenn Zuhören die Basis bildet."

Ulrich Lilie (61) ist seit 2014 Präsident der Diakonie und derzeit Vorstandsvorsitzender des Evangelischen Werkes für Diakonie und Entwicklung, das von Diakonie Deutschland, "Brot für die Welt" und Diakonie Katastrophenhilfe gebildet wird. Vorher arbeitete der evangelische Theologe als Vorstand der Graf Recke Stiftung in Düsseldorf, außerdem als Pfarrer und Krankenhausseelsorger.

Literaturhinweis: Ulrich Lilie: Unerhört! Vom Verlieren und Finden des Zusammenhalts. Herder. 2018. 176 Seiten. 18 Euro




sozial-Recht

Bundessozialgericht

Wenn die Hartz-IV-Pauschale den Bedarf nicht deckt




Ein deutscher und ein türkischer Reisepass
epd-bild/Jürgen Blume
Hartz-IV-Bezieher können in Einzelfällen mehr bekommen als den Regelsatz - wenn sie besondere Ausgaben geltend machen. Ein Türke wollte für seinen Reisepass, der mit 217 Euro ungleich teurer ist als ein deutscher Personalausweis, Extra-Geld. Er ist beim Bundessozialgericht abgeblitzt.

Die rund eine Million Hartz-IV-Empfänger mit ausländischer Staatsangehörigkeit bekommen für einen neuen ausländischen Pass kein zusätzliches Geld vom Jobcenter. Denn in der Hartz-IV-Regelleistung sind die Kosten für einen Reisepass enthalten, urteilte am 12. September das Bundessozialgericht (BSG). In zwei weiteren Verfahren entschieden die Kasseler Richter, dass Hartz-IV-Bezieher bei hohen Kosten einer dezentralen Warmwassererzeugung höhere Leistungen beanspruchen und dass EU-Bürger bei geringfügiger Beschäftigung Anspruch auf Hartz IV haben können.

Für die Übernahme der Passkosten hatte ein heute 52-jähriger Türke geklagt. Der seit vielen Jahren in Deutschland lebende Mann verfügt über eine Niederlassungserlaubnis. Aus gesundheitlichen Gründen wurde er arbeitslos und erhält Hartz-IV-Leistungen vom Jobcenter Braunschweig.

Kein Zuschuss für einen Reisepass

Als der Mann einen neuen türkischen Reisepass benötigte, sollte er für die Pass-Ausstellung 217 Euro bezahlen. Das Geld wollte der Mann vom Jobcenter erstattet bekommen. Er müsse ja schließlich einen Reisepass haben.

Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in Celle hatte dies grundsätzlich bestätigt. Allerdings komme eine Kostenerstattung durch die Sozialhilfe in Betracht.

Doch weder das Jobcenter noch die Sozialhilfe müssen für den Reisepass einen Zuschuss gewähren, urteilte das BSG. Zwar gehöre das Dokument zum Existenzminimum, da jeder in Deutschland ein Ausweisdokument haben müsse. In der Hartz-IV-Regelleistung seien aber die Ausweiskosten bereits "grundsätzlich enthalten".

So seien im Regelbedarf monatlich 25 Cent für einen deutschen Personalausweis vorgesehen. Bis zu einem neuen erforderlichen Ausweis nach zehn Jahren könnten so 30 Euro angespart werden. Im vorliegenden Fall seien die Passkosten zwar deutlich höher, räumten die Sozialrichter ein. Hartz-IV-Leistungen seien aber pauschaliert. Empfänger hätten an bestimmten Stellen mal mehr, mal weniger Ausgaben. Dem Kläger sei es daher zuzumuten, für die Ausweiskosten an anderer Stelle zu sparen. Notfalls könne das Jobcenter auch ein Darlehen gewähren.

Warmwassererzeugung mit Strom

Mehr Geld können dagegen Hartz-IV-Bezieher beanspruchen, wenn ihre Warmwasserkosten über die vom Jobcenter gezahlte übliche Warmwasserpauschale hinausgehen. Das gelte auch dann, wenn sich die entsprechenden Kosten nicht genau messen, sondern nur schätzen lassen, entschied das BSG am 12. September in einem weiteren Urteil.

Üblicherweise wird das warme Wasser in den meisten Wohnungen mit der Heizung erzeugt und entsprechend über die Heizkosten abgerechnet und mit den Unterkunftskosten voll vom Jobcenter übernommen. Wird das warme Wasser aber dezentral für die einzelne Wohnung erzeugt, etwa mit Strom, können Hartz-IV-Empfänger hierfür eine zusätzliche Warmwasserpauschale von derzeit 9,57 Euro monatlich beanspruchen. Denn in der Hartz-IV-Regelleistung selbst ist für die Warmwassererzeugung mit Strom kein Geld eingerechnet.

Im jetzt entschiedenen Fall wurde das Warmwasser des Klägers mit Hilfe eines Durchlauferhitzers erzeugt. Die dadurch angefallenen Stromkosten lagen nach den Berechnungen des Klägers über der Warmwasserpauschale. Das Jobcenter Landkreis Ammerland wollte die Stromkosten des Durchlauferhitzers nicht zahlen, da diese nicht gesondert erfasst wurden.

Doch das ist nicht erforderlich, urteilte das BSG. Es bestehe generell "ein Anspruch auf Berücksichtigung eines Warmwassermehrbedarfs über die Warmwasserpauschale hinaus, soweit die tatsächlich anfallenden Aufwendungen für die Warmwassererzeugung durch die Warmwasserpauschale nicht vollständig gedeckt werden und sie nicht unangemessen sind". Das LSG soll nun den Warmwassermehrbedarf berechnen.

Arbeitnehmerstatus strittig

In einer weiteren Entscheidung urteilte das BSG, dass Dumpinglöhne EU-Bürgern zu Hartz-IV-Leistungen verhelfen können. Konkret ging es um eine mittlerweile verstorbene Frau aus Polen, die ab Juli 2011 an Wochenenden 30 Stunden pro Monat in einem Hotel arbeitete und hierfür zunächst 100 Euro (3,33 Euro pro Stunde) und später 250 Euro (8,33 Euro pro Stunde) erhielt. Das Jobcenter lehnte Hartz-IV-Leistungen für die Frau und ihre zwei Kinder ab, da die Frau mit ihrem geringen Verdienst nicht als Arbeitnehmerin anzusehen sei.

Das BSG urteilte, dass der Mutter und ihren Kindern Hartz IV unter Anrechnung der Einkünfte zustand. Die Polin sei zumindest für ein knappes Jahr beschäftigt gewesen. Sie habe einen schriftlichen Arbeitsvertrag gehabt, der auch Regelungen zu Urlaub und Krankheit enthielt. Die Verteilung der Arbeitszeit allein auf Wochenenden schließe ihren Arbeitnehmerstatus nicht aus.

Az.: B 4 AS 33/17 R (Passkosten)

Az.: B 14 AS 45/17 R (Warmwasserkosten)

Az.: B 14 AS 18/17 R (EU-Bürger)

Frank Leth


Bundesarbeitsgericht

Verfallsklauseln in Arbeitsverträgen oft unwirksam



Viele Verfallsklauseln in Arbeitsverträgen für noch offene Lohnforderungen sind unwirksam. Denn weist der Arbeitgeber nicht darauf hin, dass die Verfallsfristen nicht für den garantierten Mindestlohn gelten, sind die Klauseln insgesamt unwirksam, urteilte am 18. September das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt. Dies gelte zumindest für Arbeitsverträge, die nach der Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes im Jahr 2015 geschlossen wurden.

Im konkreten Fall bekam ein Fußbodenleger von den obersten Arbeitsrichtern recht. Laut Arbeitsvertrag vom 1. September 2015 sollten alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten geltend gemacht werden. Als das Arbeitsverhältnis zum 15. August 2016 beendet wurde, verpflichtete sich der Arbeitgeber, alle Ansprüche des Beschäftigten innerhalb eines Monats ordnungsgemäß abzurechnen.

Doch als der Fußbodenleger die Abrechnung erhielt, war darin keine Urlaubsabgeltung für nicht genommenen Urlaub enthalten. Der Beschäftigte forderte diese jedoch erst nach über drei Monaten ein. Zu spät, befand der Arbeitgeber. Die Ansprüche seien entsprechend den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen verfallen.

Doch die Ausschlussklausel ist generell unwirksam, urteilte das BAG. Der Kläger habe damit Anspruch auf die Bezahlung von 19 nicht genommenen Urlaubstagen, insgesamt 1.687 Euro brutto. Die Klausel sei "nicht klar und verständlich" und verstoße damit gegen das Transparenzgebot. Der Arbeitgeber hätte ausdrücklich darauf hinweisen müssen, dass die Verfallsfristen nicht für den zu zahlenden gesetzlichen Mindestlohn gelten. Da dies unterlassen wurde, sei die Klausel insgesamt unwirksam.

Ähnlich hatten die obersten Arbeitsrichter am 24. August 2016 zu Verfallsklauseln über das Branchen-Mindestentgelt in der Pflege entschieden. Danach müssen Arbeitgeber in Arbeitsverträgen das Branchen-Mindestentgelt ausdrücklich von den üblichen drei monatigen Verfallsfristen ausnehmen.

Am 20. Juni 2018 hatte das BAG entschieden, dass auch der gesetzliche Mindestlohn nicht innerhalb kurzer vertraglicher Fristen verfallen kann. Haben Arbeitnehmer die im Arbeitsvertrag enthaltene Verfallsfrist verpasst, können sie nach dem BAG-Urteil drei Kalenderjahre lang zumindest Ansprüche in Höhe des Mindestlohns geltend machen.

Az.: 9 AZR 162/18 (BAG vom 18. September)

Az.: 5 AZR 703/15 (Mindestentgelt in der Pflege)

Az.: 5 AZR 377/17 (BAG vom 20. Juni 2018)



Verwaltungsgericht

Zweiter Therapiesitz für Kindergarten und Schule



Ist der tägliche Transport eines Therapiesitzes für ein behindertes Kind von der Wohnung zum Kindergarten oder zur Schule unzumutbar, muss die Beihilfe einen zweiten Sitz bezahlen. Dies hat das Verwaltungsgericht Stuttgart in einem am 8. September veröffentlichten Urteil entschieden. Die Richter beriefen sich auf ein Urteil des Bundessozialgerichts aus 2011, welches bereits ähnlich für die gesetzliche Krankenversicherung entschieden hatte.

Im konkreten Fall hatte eine Beamtin aus Baden-Württemberg von der Beihilfe eine "Sitzschale mit Zimmeruntergestell", einen sogenannten Therapiesitz, für ihren 2014 geborenen Sohn beantragt. Das Kind leidet an einer spastischen Hirnlähmung. Ein erster Therapiesitz wurde bereits gewährt und steht in der Wohnung der Klägerin. Ein Zweiter sei nun für den Kindergarten nötig, erklärte die Mutter. Mit Zubehör sollte dieser 3.774 Euro kosten.

Die Beihilfe lehnte die Kostenübernahme ab. Für Hilfsmittel zum Besuch einer Kindertageseinrichtung oder der Schule müsse sie nicht aufkommen. Zudem sei das Kind bereits mit einem entsprechenden Therapiesitz für die Wohnung versorgt.

Ohne Erfolg machte die Beamtin geltend, dass der tägliche Transport des Therapiesitzes angesichts seines Gewichts von 25 Kilogramm nicht möglich sei. Außerdem werde der Sitz auch während der Ferien für die Betreuung durch Verwandte benötigt.

Das Verwaltungsgericht gab der Mutter recht. Der Ausschluss von Hilfsmitteln für den Besuch schulischer oder vorschulischer Einrichtungen greife hier nicht ein. Die Beihilfe müsse zahlen.

Die Richter verwiesen auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts zur gesetzlichen Krankenversicherung vom 3. November 2011. Dieses hatte geurteilt, dass die Krankenkasse auch für einen zweiten Therapiestuhl aufkommen müsse, wenn der tägliche Transport des ständig benötigten Hilfsmittels von der Wohnung zum Kindergarten nicht oder nur unter unzumutbaren Bedingungen möglich ist. Gleiches müsse auch für die Beihilfe gelten, entschied das Verwaltungsgericht.

Az.: 1 K 15565/17

Az.: B 3 KR 8/11 R (Bundessozialgericht von 2011)



Sozialgericht

Anspruch auf Krankengeld ruht im EU-Ausland nicht



Während des Bezugs von Krankengeld dürfen Kranke Urlaub machen, wenn dies der Genesung nicht schadet. Dabei bleibt der Anspruch auf Krankengeld bestehen, wenn die Reise in ein anderes EU-Land führt, wie das Sozialgericht Karlsruhe in einem am 8. September veröffentlichten Urteil entschied. Auch Reisen in andere Länder sind danach leichter möglich.

Der Kläger war psychisch krank und bezog Krankengeld. Schon vorher hatte er mit seiner Familie über Pfingsten 2017 eine zehntägige Reise nach Spanien gebucht. Sein Arzt befürwortete dies. Die Krankenkasse wollte jedoch für die Reisedauer kein Krankengeld zahlen.

Doch die Krankenkasse muss weiter Krankengeld gewähren, urteilte das Sozialgericht. Zwar ruhe nach deutschem Recht der Anspruch auf Krankengeld während eines Auslandsaufenthalts, dem die Krankenkasse nicht zugestimmt hat. Dem stehe allerdings EU-Recht entgegen, so dass die Vorschrift auf eine Reise in andere EU-Länder nicht anwendbar sei.

Zudem solle die Vorschrift nur einen ungerechtfertigten Bezug von Krankengeld verhindern. Die Zustimmung der Krankenkasse sei daher eine Frage des Ermessens. Die Krankenkasse müsse aber zustimmen, wenn die Arbeitsunfähigkeit während des gesamten Reisezeitraums zweifelsfrei feststeht und sonst keine praktischen Schwierigkeiten entgegenstehen.

Auch sei hier die Krankenkasse nicht auf verschiedene Gesichtspunkte eingegangen, die für die Reise sprachen. So sei diese bereits vor Beginn des Krankengeldbezugs gebucht worden. Wenn der psychisch kranke Kläger nicht mitgereist wäre, hätte er ohne seine Familie alleine zu Hause bleiben müssen.

Demgegenüber habe die Krankenkasse pauschal auf das psychische Risiko durch die reisebedingte Umstellung von Alltagsgewohnheiten verwiesen. Damit habe die Kasse ermessensfehlerhaft "allgemeine Erwägungen über diejenigen des behandelnden Arztes gestellt", rügte das Sozialgericht.

Az.: S 4 KR 2398/17



Europäischer Gerichtshof

Keine Nachtschicht für stillende Arbeitnehmerinnen



Schwangere, Wöchnerinnen und stillende Frauen genießen auch dann besonderen Schutz als Arbeitnehmerinnen, wenn die für sie vorgesehene Schichtarbeit nur zum Teil in die Nachtstunden fällt. Das geht aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg vom 19. September hervor, der über einen Fall aus Spanien zu entscheiden hatte.

Die Frau hatte im November 2014 einen Sohn geboren, den sie stillte. Seit März 2015 arbeitete sie für eine Sicherheitsfirma in einem Einkaufszentrum. Ein Teil ihrer Achtstundenschichten fiel in die Nachtzeit. Ihr Ziel in dem in Spanien und nun in Luxemburg anhängigen Rechtsstreit war, dass ihr Arbeitsverhältnis ruhe und ihr die nach spanischem Recht vorgesehene Geldleistung wegen Risiken während der Stillzeit gewährt werde.

Die europäischen Richter entschieden nun, dass eine Schichtarbeiterin, deren Arbeit teilweise in die Nachtstunden fällt, als "Nachtarbeiterin" einzustufen ist. Sie verwiesen unter anderem auf ein EU-Gesetz, dass den Schutz der Frauen sichert. Diesem Gesetz zufolge dürfen Arbeitnehmerinnen eine bestimmte Zeit lang nach der Entbindung nicht zur Nachtarbeit verpflichtet werden, wenn ärztliche Argumente dagegensprechen. Im Lichte des EuGH-Urteils muss nun die spanische Justiz den Fall entscheiden.

Az.: C-41/17




sozial-Köpfe

Amtswechsel

Generalsekretärin der Seemannsmission nimmt Abschied




Heike Proske
epd-bild/Dieter Sell
Die Deutsche Seemannsmission muss über die Nachfolge der scheidenden Generalsekretärin Heike Proske entscheiden. Zwei Kandidaten stellen sich der Wahl.

Heike Proske (56) hat neun Jahre lang das Generalsekretariat der Deutschen Seemannsmission geleitet. Sie war die erste Frau an der Spitze der weltumspannenden Organisation. Im Oktober wechselt sie nach Dortmund und übernimmt das Amt der Superintendentin im Evangelischen Kirchenkreis der Ruhrmetropole.

Durch ihren beharrlichen Einsatz habe Proske erreicht, dass die Stationen an der deutschen Küste als Wohlfahrtseinrichtungen Geld vom Bund erhalten, sagt die Präsidentin der Deutschen Seemannsmission, Clara Schlaich. "Und mit ihrer Beteiligung an der Kampagne 'Fair über's Meer' setzte sie sich für menschenwürdige Arbeitsbedingungen auf See ein", bilanziert Schlaich.

Zur Deutschen Seemannsmission mit Sitz in Bremen gehören 32 Stationen im In- und Ausland. Mehr als 700 Haupt- und Ehrenamtliche leisten auf Schiffen, in Seemannsclubs und in Seemannsheimen auf mehreren Kontinenten Seelsorge und Sozialarbeit für Seeleute aus aller Welt. Sie setzen sich dafür ein, die oft von Stress und kurzen Liegezeiten bestimmten Lebens- und Arbeitsverhältnisse an Bord zu verbessern.

Eine außerordentliche Mitgliederversammlung soll am 22. September in Bremen Proskes Nachfolger oder Nachfolgerin wählen. Sie haben nach Angaben des Vorsitzenden des Ständigen Ausschusses der Deutschen Seemannsmission, Hans Christian Brandy, die Wahl zwischen zwei Kandidaten.



Weitere Personalien



Ruth Schumann, Regionaldirektorin Ulm der Evangelischen Heimstiftung (EHS), ist nach 34 Jahren im Dienst des Sozialträgers in den Ruhestand getreten. Ihr Nachfolger ist Achim Holl, bislang Regionaldirektor in Heidenheim. Am 1. Juni 1986 fing Schumann als Altenpflegerin bei der Heimstiftung. 1987 übernahm Schuman die Leitung des Michael-Höraufstifts in Bad Boll, 1989 dann die Hausdirektion im Dreifaltigkeitshof in Ulm. Ein Jahr später wurde ihr die Regionaldirektion für Ulm übertragen, die Funktion, die sie bis zu ihrem Ruhestand behielt. Achim Holl übernahm 1990 die Pflegedienstleitung im Paul-Gerhardt-Stift in Giengen, 2002 dann die Hausdirektion, die er bis 2009 innehatte. Nach mehreren Leitungsfunktionen wurde Holl im März 2011 EHS-Regionaldirektor in Heidenheim.

Susanna Karawanskij (Linke) ist Brandenburgs neue Sozialministerin. Sie wurde am 19. September von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) ernannt und im Landtag vereidigt. Die Politologin ist Bundestagsabgeordnete der Linken. Ihre Vorgängerin Diana Golze (Linke) war am 28. August wegen des Lunapharm-Skandals um den Handel mit gestohlenen Krebsmedikamenten und Vorwürfen unzureichender Maßnahmen gegen das Pharma-Unternehmen von ihrem Amt zurückgetreten.

Gerhard Öhlein, scheidender langjähriger Diözesan-Caritasdirektor in Bamberg, ist bei seiner Verabschiedung mit dem Brotteller des Deutschen Caritasverbandes, der höchsten Auszeichnung der Organisation, geehrt worden. Caritas-Vizepräsident Heinz-Josef Kessmann würdigte dabei auch das überregionale Engagement Öhleins. Öhlein begann seine Laufbahn beim Caritasverband für die Erzdiözese Bamberg 1979 als Leiter des Finanzbereichs. Im Jahr 2000 wurde er zum stellvertretenden Direktor ernannt, 2006 wurde er als erster Nichtpriester dann Direktor. Im Zuge der Satzungsreform wurde Öhlein 2016 zugleich Vorstandsvorsitzender. Sein Nachfolger Helmar Fexer erhielt die Ernennungsurkunde.

Brigitte Thamm, Direktorin bei der Baden-Württembergischen Bank, wird neues Aufsichtsratsmitglied der Evangelischen Gesellschaft (eva) in Stuttgart. Die promovierte Ökotrophologin übernimmt das Amt am ersten Oktober. Dem eva-Aufsichtsrat gehören nun acht Mitglieder an, Vorsitzender ist Ulli Arnold. Thamm, Direktorin im Privaten Vermögensmanagement der Baden-Württembergischen Bank, kam 1997 von der Bayerischen Hypo-Bank aus München nach Stuttgart. Seit 2015 ist sie gewähltes Mitglied des Aufsichtsrates der Landesbank Baden-Württemberg. Die Evangelische Gesellschaft unterhält rund 150 Dienste, Beratungsstellen, Wohngruppen und Heime.

Bruno Most, Generalarzt, ist auf einer außerordentlichen Bundesversammlung des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Berlin einstimmig zum neuen DRK-Beauftragten für zivilmilitärische Zusammenarbeit und als weiteres Mitglied des DRK-Präsidiums gewählt worden. DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt: „Wir freuen uns, mit Generalarzt Most einen erfahrenen Bundeswehr-Offizier gewonnen zu haben, der sich zu verschiedensten Anlässen für eine Zusammenarbeit von Bundeswehr und DRK und die Einbindung des DRK in die sanitätsdienstliche Ausbildung engagiert hat." Most trat 1982 in die Bundeswehr ein. Nach einem Studium der Humanmedizin und verschiedenen Positionen Sanitätsdienst der Bundeswehr, war er in Mazedonien und zweimal in Afghanistan im Einsatz. Most ist seit dem Jahreswechsel 2017/ 2018 Direktor des Aufstellungsstabes des "Multinational Medical Coordination Center".

Thomas Lienau-Becker (58), ehemaliger evangelischer Propst in der Landeshauptstadt Kiel, ist seit 1. September neuer Aids-Pastor in Hamburg. Der Pastor ist Nachfolger von Detlev Gause (66), der das Amt 13 Jahre lang innehatte. Mit der Einrichtung der bundesweit ersten Pfarrstelle für die Aidsseelsorge betrat die evangelische Kirche in Hamburg 1994 Neuland. In der Aidsseelsorge im Stadtteil St. Georg ist ein sechsköpfiges Team mit Psychologen und Sozialpädagogen hauptamtlich tätig. Dazu kommen rund 20 feste Ehrenamtliche.

Jörg Ziercke (71) ist neuer Bundesvorsitzender der Opferhilfe-Organisation "Weißer Ring". Der ehemalige Präsident des Bundeskriminalamts (BKA) wurde am 15. September in Hannover bei der Bundesdelegiertenversammlung zum Nachfolger von Roswitha Müller-Piepenkötter gewählt. Seine Amtszeit beträgt zunächst vier Jahre. Ziercke stand von 2004 bis 2014 an der Spitze des BKA mit Hauptsitz in Wiesbaden. Ziercke war bereits seit 2012 stellvertretender Bundesvorsitzender des "Weißen Rings". Müller-Piepenkötter hatte nach acht Jahren als Bundesvorsitzende aus persönlichen Gründen nicht mehr kandidiert. Sie wurde zur Ehrenvorsitzenden gewählt.




sozial-Termine

Veranstaltungen bis Oktober



September

25.9. Frankfurt a.M.:

Seminar "Datenschutz in der sozialen Beratung"

der Fortbildungsakademie der Caritas

Tel.: 0761/2001700

25.9. Berlin:

Seminar "Ihr Weg zum Ende der Überstunden - der effektive Personaleinsatz in stationären Pflege- und Betreuungseinrichtungen"

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356159

26.9. Freiburg:

Seminar "Rechtliche Risiken bei Internetauftritten und Social Media Marketing"

der Fortbildungsakademie der Caritas

Tel.: 0761/200-1700

26.-27.9. Berlin:

Jahrestagung "Was uns bewegt - was wir bewegen. Erziehungshilfen gestalten Alltag, ermöglichen Teilhabe und eröffnen Zukunft" des Bundesverbandes für Erziehungshilfe

Tel.: 0511/3539913

27.9. Erkner:

Seminar "Aktuelle Entwicklungen in der europäischen Sozialpolitik"

des Deutschen Vereins

Tel.: 030/62980605

27.9. Berlin:

Seminar "Schreckgespenst Betriebsprüfung"

der Solidaris Unternehmensgruppe

Tel.: 02203/8997221

27.9. Berlin:

Forum "Pflege stärken und Versorgung neu denken: Sind wir auf dem richtigen Weg?"

der Deutschen Hochschulmedizin

Tel.: 030/394051725

Oktober

14.-19.10. Berlin:

BFS Managementwoche – Intensivlehrgang für Führungskräfte der Sozialwirtschaft der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356-159

15.-17.10. Mainz:

Seminar "Auch das noch!? Öffentlichkeitsarbeit in Social Media und Web"

der Katholischen Hochschule Mainz

Tel.: 06131/2894430

16.10. Berlin:

Seminar "Der Krankenhaus-Jahresabschluss 2018 - Aktuelle Entwicklungen und Einzelfragen"

der Solidaris Unternehmensgruppe

Tel.: 02203/8997-221

16.10. Stuttgart:

Seminar "Healthcare Mobility - Mobilität im Gesundheitswesen"

der viamedica - Stiftung für eine gesunde Medizin

Tel.: 0761/270890

22.10. Kassel:

Fachtagung "Pflegeberufereform: Lernorte, Kompetenzen und das liebe Geld" des Deutschen Evangelischen Verbandes für Altenarbeit und Pflege Devap

Tel. 030/83001-277

24.10. Berlin:

Seminar "Finanz- und Liquiditätsplanung in sozialwirtschaftlichen Einrichtungen"

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356159

24.-26.10. Erfurt:

Seminar "Die Eingliederungshilfe nach dem Bundesteilhabegesetz"

der Fortbildungsakademie der Caritas

Tel.: 0761/200-1700