sozial-Politik

Organspende

Transplantationsmediziner Nagel für "Erklärungspflicht"




Medizinethiker Eckhard Nagel
epd-bild/Wolfgang Lammel
Der Transplantationsmediziner Eckhard Nagel hat sich in der Debatte um eine Erhöhung der Organspenden für eine "Erklärungspflicht" jedes Bürgers ausgesprochen.

Jeder Bürger sollte sich mit dem Thema Organspende befassen und dazu einen Standpunkt entwickeln, sagte der Direktor des Instituts für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften an der Universität Bayreuth dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Ich will, dass sich jeder bewusst damit auseinandersetzt." Dies könne man erwarten und zumuten, sagte Nagel.

Pflicht zur Auseinandersetzung

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat eine neue Debatte über Organspenden angestoßen mit seiner Forderung nach einer Widerspruchsregelung. Dabei soll jeder Organspender sein, der zu Lebzeiten oder dessen Angehörige nach dem Tod der Organentnahme nicht widersprechen. Nagel sagte, er habe ein Problem mit dem Terminus "Widerspruchslösung" und würde daher eine "Erklärungspflicht" anstreben. "Drei bis vier Patienten sterben jeden Tag in der Bundesrepublik, weil kein Spenderorgan zur Verfügung steht", sagte er. Es sei eine Pflicht, sich mit diesem Leid auseinanderzusetzen und auf Grundlage dieser Informationen eine Entscheidung zu treffen.

Spahn habe aber "ein Argument auf seiner Seite", sagte der Mediziner, der bis 2016 Mitglied im Deutschen Ethikrat war, "die Frage nach den Sanktionsmöglichkeiten, wenn sich ein Mensch nicht entscheiden will". Das sei schwierig. "Ich kann die Politik verstehen, wenn sie deshalb sagt, die Widerspruchsregelung ist ein praktikablerer Weg", sagte Nagel.

"Organspendeausweis wird vergessen oder verdrängt"

Kritikern, die in einer Widerspruchsregelung einen Einschnitt in die persönliche Freiheit sehen, hielt Nagel entgegen: "Es würde bedeuten, es gäbe eine Freiheit, wegzusehen, das Leiden anderer Menschen auszublenden." So habe er den Freiheitsbegriff noch nie verstanden, sagte Nagel, der auch dem Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentags angehört.

Viele Transplantationsmediziner seien überzeugt gewesen, dass die Vorteile der Transplantation alle Menschen so klar überzeugen würden, dass sie sich einen Organspendeausweis zulegen, sagte Nagel: "Das war ein gigantischer Fehlschluss." Wie vielen guten Vorsätzen sei es auch dem Organspendeausweis gegangen: "Er ist vielleicht gerade nicht verfügbar, kommt auf den Stapel mit nicht dringlichen Papieren, wird vergessen oder verdrängt." Diese Zurückhaltung, die im Kontext mit dem eigenen Sterben nachvollziehbar sei, überwinde man nicht mit Aufklärung und einer Bitte, sagte Nagel.

Corinna Buschow


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