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Altersvorsorge

Verbände warnen vor Schlechterstellung pflegender Rentner




Eine Frau löst mit ihrem pflegebedürftigen Mann ein Kreuzworträtsel.
epd-bild/Jürgen Blume
Die Wohlfahrtsverbände und die Gewerkschaft ver.di befürchten, dass die Bundesregierung die finanzielle Entlastung von pflegenden Angehörigen im Rentenalter beenden könnte. Mit einem gemeinsamen Aufruf wollen sie gegensteuern.

Wohlfahrtsverbände und die Gewerkschaft ver.di fordern in einem gemeinsamen Appell die Bundesregierung auf, Pläne zur finanziellen Schlechterstellung von pflegenden Rentnern nicht weiter zu verfolgen. Die Koalition habe zugesagt, die Unterstützung pflegender Angehöriger auszubauen, heißt es in dem Schreiben vom 14. September. Nun solle aber eine für die pflegenden Rentner günstige Regelung zurückgedreht werden, kritisieren neben der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di der Caritasverband, Diakonie, AWO, der Paritätische und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Auch der Sozialverband VdK ist irritiert über die Pläne.

Rentner, die einen Angehörigen pflegen, können seit einer Gesetzesreform im Juli 2017 vom Flexirenten-Gesetz profitieren - in einem recht komplizierten Verfahren. Nur wenn sie eine Teilrente beziehen, zahlt die Pflegeversicherung für sie Beiträge in die Rentenversicherung ein. Diese erhöhen später die reguläre Rente, je stärker, je höher der Pflegebedarf des Angehörigen ist. Ziel ist es, dass dadurch der monatliche Zuwachs bei der späteren vollen Altersrente höher ausfällt als die Summe, auf die der Teilrentner zuvor jeden Monat zunächst verzichtet.

Diese Regelung betrifft grundsätzlich jede Pflegeperson, die Angehörige, Freunde oder Dritte nicht erwerbsmäßig pflegt. Rechtsgrundlage ist unter anderem Paragraf 66 Absatz 3a SGB VI.

Bentele für rentenrechtliche Gleichstellung

Für den Sozialverband Deutschland sagte dessen Präsidentin Verena Bentele: "Die Gesetzesänderung lehnt der Sozialverband VdK entschieden ab. Für viele Rentnerinnen und Rentner ist diese Absicherung eine wichtige Möglichkeit, die oftmals kleine Rente durch die Rentenbeträge der Pflegeversicherung aufzubessern."

Darüber hinaus forderte der Verband die rentenrechtliche Gleichstellung von Familienpflege- und Kindererziehungszeiten. Bentele: "Die Pflege von Angehörigen muss denselben Stellenwert bekommen wie Kindererziehung."

In der Koalition gibt es laut VdK Überlegungen, diese Begünstigung einzuschränken. Konkrete Gesetzespläne sind allerdings noch nicht bekannt.

Die AWO betonte, ob und wie viele Rentner von der neuen Flexi-Rente Gebrauch machen, sei noch unklar. Nach ihren Angaben zahlen im Jahr 2018 die Pflegekassen für alle Pflegeleistungen an die Gesetzliche Rentenversicherung 1,5 Milliarden Euro. "Es ist zu vermuten, dass der Anteil, der Altersrentnerinnen und -rentner zur Erhöhung ihrer Renten zufließt, deutlich unter zehn Prozent liegt und verhältnismäßig viele Rentnerinnen von der Regelung profitieren, deren oftmals kleine Renten dadurch aufgebessert werden können", so die AWO.

AWO: Noch fehlen Zahlen

Ver.di-Chef Frank Bsirske erklärte, gerade Bezieher kleiner Renten können ihre Altersbezüge etwas aufbessern, wenn sie einen Angehörigen pflegen. Die Bundesregierung dürfe diesen älteren Menschen, die Opfer für ihre Angehörigen bringen und zusätzlich den Staat entlasten, nicht Geld vorenthalten. "Die Koalition hat klipp und klar erklärt, dass sie die Bereitschaft zum Pflegen aufwerten will. Eine klammheimliche Rücknahme der geltenden Regeln ist genau das Gegenteil davon", kritisierte Bsirske: "Wer Menschen, die drei Jahre einen Angehörigen pflegen, nicht mal 20 Euro mehr Rente zugestehen will, zeigt der Pflege in den Familien die kalte Schulter."

Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, ging ebenfalls auf Distanz zu den Plänen. "Besonders betroffen wären Frauen, die heute den Großteil der privaten Pflege übernehmen. Mit dem Flexi-Rentengesetz haben sie heute die Möglichkeit, durch Pflege auch im Alter noch Lücken in ihrer Renten- Beitragsbiografie auszugleichen."

Ihnen diese Möglichkeit zu nehmen, gehe in die falsche Richtung, sagte Loheide. So werde die Angehörigenpflege abgewertet und die Pflegenden demotiviert. Darum fordere die Diakonie gemeinsam mit anderen Verbänden: "Hände weg von den Rentenbeiträgen für pflegende Rentner."

Bettina Markmeyer, Dirk Baas