sozial-Recht

Bundessozialgericht

Wenn die Hartz-IV-Pauschale den Bedarf nicht deckt




Ein deutscher und ein türkischer Reisepass
epd-bild/Jürgen Blume
Hartz-IV-Bezieher können in Einzelfällen mehr bekommen als den Regelsatz - wenn sie besondere Ausgaben geltend machen. Ein Türke wollte für seinen Reisepass, der mit 217 Euro ungleich teurer ist als ein deutscher Personalausweis, Extra-Geld. Er ist beim Bundessozialgericht abgeblitzt.

Die rund eine Million Hartz-IV-Empfänger mit ausländischer Staatsangehörigkeit bekommen für einen neuen ausländischen Pass kein zusätzliches Geld vom Jobcenter. Denn in der Hartz-IV-Regelleistung sind die Kosten für einen Reisepass enthalten, urteilte am 12. September das Bundessozialgericht (BSG). In zwei weiteren Verfahren entschieden die Kasseler Richter, dass Hartz-IV-Bezieher bei hohen Kosten einer dezentralen Warmwassererzeugung höhere Leistungen beanspruchen und dass EU-Bürger bei geringfügiger Beschäftigung Anspruch auf Hartz IV haben können.

Für die Übernahme der Passkosten hatte ein heute 52-jähriger Türke geklagt. Der seit vielen Jahren in Deutschland lebende Mann verfügt über eine Niederlassungserlaubnis. Aus gesundheitlichen Gründen wurde er arbeitslos und erhält Hartz-IV-Leistungen vom Jobcenter Braunschweig.

Kein Zuschuss für einen Reisepass

Als der Mann einen neuen türkischen Reisepass benötigte, sollte er für die Pass-Ausstellung 217 Euro bezahlen. Das Geld wollte der Mann vom Jobcenter erstattet bekommen. Er müsse ja schließlich einen Reisepass haben.

Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in Celle hatte dies grundsätzlich bestätigt. Allerdings komme eine Kostenerstattung durch die Sozialhilfe in Betracht.

Doch weder das Jobcenter noch die Sozialhilfe müssen für den Reisepass einen Zuschuss gewähren, urteilte das BSG. Zwar gehöre das Dokument zum Existenzminimum, da jeder in Deutschland ein Ausweisdokument haben müsse. In der Hartz-IV-Regelleistung seien aber die Ausweiskosten bereits "grundsätzlich enthalten".

So seien im Regelbedarf monatlich 25 Cent für einen deutschen Personalausweis vorgesehen. Bis zu einem neuen erforderlichen Ausweis nach zehn Jahren könnten so 30 Euro angespart werden. Im vorliegenden Fall seien die Passkosten zwar deutlich höher, räumten die Sozialrichter ein. Hartz-IV-Leistungen seien aber pauschaliert. Empfänger hätten an bestimmten Stellen mal mehr, mal weniger Ausgaben. Dem Kläger sei es daher zuzumuten, für die Ausweiskosten an anderer Stelle zu sparen. Notfalls könne das Jobcenter auch ein Darlehen gewähren.

Warmwassererzeugung mit Strom

Mehr Geld können dagegen Hartz-IV-Bezieher beanspruchen, wenn ihre Warmwasserkosten über die vom Jobcenter gezahlte übliche Warmwasserpauschale hinausgehen. Das gelte auch dann, wenn sich die entsprechenden Kosten nicht genau messen, sondern nur schätzen lassen, entschied das BSG am 12. September in einem weiteren Urteil.

Üblicherweise wird das warme Wasser in den meisten Wohnungen mit der Heizung erzeugt und entsprechend über die Heizkosten abgerechnet und mit den Unterkunftskosten voll vom Jobcenter übernommen. Wird das warme Wasser aber dezentral für die einzelne Wohnung erzeugt, etwa mit Strom, können Hartz-IV-Empfänger hierfür eine zusätzliche Warmwasserpauschale von derzeit 9,57 Euro monatlich beanspruchen. Denn in der Hartz-IV-Regelleistung selbst ist für die Warmwassererzeugung mit Strom kein Geld eingerechnet.

Im jetzt entschiedenen Fall wurde das Warmwasser des Klägers mit Hilfe eines Durchlauferhitzers erzeugt. Die dadurch angefallenen Stromkosten lagen nach den Berechnungen des Klägers über der Warmwasserpauschale. Das Jobcenter Landkreis Ammerland wollte die Stromkosten des Durchlauferhitzers nicht zahlen, da diese nicht gesondert erfasst wurden.

Doch das ist nicht erforderlich, urteilte das BSG. Es bestehe generell "ein Anspruch auf Berücksichtigung eines Warmwassermehrbedarfs über die Warmwasserpauschale hinaus, soweit die tatsächlich anfallenden Aufwendungen für die Warmwassererzeugung durch die Warmwasserpauschale nicht vollständig gedeckt werden und sie nicht unangemessen sind". Das LSG soll nun den Warmwassermehrbedarf berechnen.

Arbeitnehmerstatus strittig

In einer weiteren Entscheidung urteilte das BSG, dass Dumpinglöhne EU-Bürgern zu Hartz-IV-Leistungen verhelfen können. Konkret ging es um eine mittlerweile verstorbene Frau aus Polen, die ab Juli 2011 an Wochenenden 30 Stunden pro Monat in einem Hotel arbeitete und hierfür zunächst 100 Euro (3,33 Euro pro Stunde) und später 250 Euro (8,33 Euro pro Stunde) erhielt. Das Jobcenter lehnte Hartz-IV-Leistungen für die Frau und ihre zwei Kinder ab, da die Frau mit ihrem geringen Verdienst nicht als Arbeitnehmerin anzusehen sei.

Das BSG urteilte, dass der Mutter und ihren Kindern Hartz IV unter Anrechnung der Einkünfte zustand. Die Polin sei zumindest für ein knappes Jahr beschäftigt gewesen. Sie habe einen schriftlichen Arbeitsvertrag gehabt, der auch Regelungen zu Urlaub und Krankheit enthielt. Die Verteilung der Arbeitszeit allein auf Wochenenden schließe ihren Arbeitnehmerstatus nicht aus.

Az.: B 4 AS 33/17 R (Passkosten)

Az.: B 14 AS 45/17 R (Warmwasserkosten)

Az.: B 14 AS 18/17 R (EU-Bürger)

Frank Leth