sozial-Editorial

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Dirk Baas
epd-bild/Heike Lyding

gegen die geplante Reform des Rettungsdienstes gibt es Widerstand aus den Ländern. Der Bundesrat stellt sich grundsätzlich quer. Dessen Gesundheitsausschuss und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten weisen darauf hin, dass die Ausgestaltung des Rettungsdienstes den Ländern obliege. Die vom Bundesgesundheitsministerium geplante Rettungsdienstreform sollte ursprünglich Teil der sogenannten Notfallreform sein, war in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag am 9. Oktober aber ausgespart. Inhaltlich stoßen die Vorschläge zur Reform bei Experten von Fach-, Berufs- und Kassenverbänden überwiegend auf Zustimmung.

Gesetzlich Krankenversicherte müssen im kommenden Jahr mit deutlich höheren Kosten für die Kasse rechnen. Nach Berechnungen des zuständigen Schätzerkreises muss der durchschnittliche Zusatzbeitrag zur Kasse, der auf den regulären Beitragssatz von 14,6 Prozent aufgeschlagen wird, um 0,8 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent steigen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kündigte eine entsprechende Erhöhung an. Kassen und Sozialverbände zeigen sich besorgt und plädieren für Reformen.

Das „Übergangshaus Mutter Kind“ in Nürnberg bietet Schwangeren und Müttern mit Kindern, die sich in einer Notlage befinden, eine vorübergehende Bleibe. Die engagierten Mitarbeitenden bieten aber auch vielen spezielle Hilfen an und erleichtern es ihnen, wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Welche Probleme die Frauen haben und worin der Unterschied zu einem herkömmlichen Frauenhaus besteht, erläutert die pädagogische Leiterin der Einrichtung, Sophie Willoughby, im Interview mit epd sozial.

Nicht alle Bundesländer geben Ehepaaren Zuschüsse zur künstlichen Befruchtung. Nordrhein-Westfalen tut das noch, doch damit ist nun Schluss - weil der Bund die Zuschüsse streicht. Noch sei das Aus in NRW ein Einzelfall, sagt Stephanie Schlitt, stellvertretende Bundesvorsitzende von pro familia, im Interview mit epd sozial. Doch sie befürchtet einen Dominoeffekt, der die ohnehin teuren Kinderwunschbehandlungen für weniger betuchte Paare oft unbezahlbar machen würde.

Das paritätische Wechselmodell, bei dem getrennt lebende Eltern die Betreuung des Kindes hälftig teilen, soll eine möglichst gleichberechtigte Beziehung des Kindes zur Mutter und zum Vater garantieren. Doch auch bei einer hälftigen Betreuung des Kindes geht damit nicht automatisch auch eine hälftige Teilung der Einkünfte und Ausgaben zwischen den Elternteilen einher, stellte der Bundesfinanzhof (BFH) in München klar.

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Ihr Dirk Baas




sozial-Thema

Medizin

Widerstand gegen die Reform des Rettungsdienstes




Rettungswagen des DRK in Frankfurt a.M.
epd-bild/Peter Jülich
Der niedersächsische Landkreistag wendet sich gegen Pläne zur Reform des Rettungsdienstes. Die Fachwelt findet diese Pläne aber gut.

Frankfurt a.M. (epd). Gegen die geplante Reform des Rettungsdienstes gibt es Widerstand aus den Ländern. Der niedersächsische Landkreistag hat Mitte September gemeinsam mit anderen Organisationen das Bündnis „Rettet den Rettungsdienst 2.0“ gegründet. Das ist ein etwas kurioser Name, weil es schon ein Bündnis „Rettet den Rettungsdienst“ gibt, das allerdings die Reform vehement befürwortet. Auch der Bundesrat stellt sich grundsätzlich quer. Dessen Gesundheitsausschuss und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten wies, ebenfalls Mitte September, darauf hin, dass die Ausgestaltung des Rettungsdienstes den Ländern obliege.

Die Zahl der Rettungsdiensteinsätze steigt seit Jahren steil an, deren Kosten haben sich laut dem Verband der Ersatzkassen zwischen 2012 und 2020 von 1,5 auf rund 4 Milliarden Euro erhöht. Bislang reagierten die Rettungsdienstträger auf das gestiegene Einsatzaufkommen im Wesentlichen mit mehr Fahrzeugen, mehr Wachen und mehr Personal. Dieser Weg scheint nun zu Ende. Es gibt kaum noch neues Fachpersonal, und das vorhandene klagt über hohe Arbeitsbelastung.

Die vom Bundesgesundheitsministerium geplante Rettungsdienstreform sollte ursprünglich Teil der sogenannten Notfallreform sein, war in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag am 9. Oktober aber hintangestellt. Inhaltlich stoßen die Vorschläge zur Reform des Rettungsdienstes bei Experten von Fach-, Berufs- und Kassenverbänden überwiegend auf Zustimmung.

„Reform in weiten Teilen gut“

Beim niedersächsischen Landkreistag im Prinzip auch, versichert dessen Geschäftsführer Joachim Schwind dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Gegen diese Reform hat ja keiner was.“ Der Vorstoß richte sich gegen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) angekündigte Änderungsanträge. Lauterbach wolle den Rettungsdienst ganz aus der Länderkompetenz herauslösen, sagt Schwind.

Dann kritisiert er allerdings doch einige Punkte, die im Kabinettsentwurf standen. Zum Beispiel die Aufnahme des Rettungsdienstes als eigenständiger Leistungsbereich ins Fünfte Sozialgesetzbuch (SGB V). Das könne unabsehbare Folgen haben, warnt Schwind. So könne etwa die sogenannte Bereichsausnahme nicht mehr möglich sein. Dabei geht es darum, dass Landkreise bei der Vergabe von Rettungswachen nicht unbedingt den billigsten Anbieter nehmen müssen, sondern auch andere Aspekte berücksichtigen dürfen, etwa ob eine Hilfsorganisation neben dem Rettungsdienst noch eine ehrenamtliche Katastrophenschutzeinheit an dem Wachenstandort betreibt. Auch die Qualität des Rettungsdienstes könne dann unter Umständen keine Rolle mehr spielen, warnt Schwind.

Verbesserungen wie den flächendeckenden Einsatz von Telenotärzten oder von Gemeindenotfallsanitätern, die sich um weniger schwerwiegende Fälle kümmern und so die Rettungswagen entlasten, sind Schwinds Worten zufolge ebenfalls gut und richtig. Er wolle sie nur nicht in einem Bundesgesetz sehen. „Das sind Projekte, die vor Ort passieren müssen“, sagt er. Außerdem sehe er das lokale Ehrenamt in Gefahr, wenn der Bund eine sperrige Schablone über den Rettungsdienst legen würde.

Im Gesundheitsministerium weiß man von nichts

Das Bundesgesundheitsministerium dementiert, dass es Pläne gebe, den Rettungsdienst aus der Länderzuständigkeit zu lösen. „Die Planung und Organisation des Rettungsdienstes liegen in der Zuständigkeit der Länder“, teilt eine Sprecherin des BMG dem epd auf Anfrage mit. Die Finanzierung des Rettungsdienstes erfolge aber bereits jetzt vornehmlich durch die gesetzliche Krankenversicherung, für die der Bund zuständig ist. „Hieran soll sich nach den Plänen des BMG nichts ändern“, sagt die Sprecherin.

Die bisherige Finanzierungssystematik des Rettungsdienstes im SGB V als Fahrkostenerstattung und damit als Annex zur Krankenhausbehandlung bilde jedoch heute die Realität nicht mehr ab, erklärt die Sprecherin. Der moderne Rettungsdienst könne nicht mehr auf die reine Transportleistung reduziert werden.

Experte bezweifelt Argumente der Landkreise

Der Leiter des Studiengangs Rettungswissenschaften an der Hochschule Döpfer in Potsdam und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Rettungswissenschaften, Thomas Hofmann, kann kaum eines der Argumente der Länder nachvollziehen. Dem Einwand Schwinds, dass die Qualität der rettungsdienstlichen Leistungen bei Ausschreibungen keine Rolle mehr spielen könnten, entgegnet Hofmann, dass die Qualität im Rettungsdienst so gut wie nirgendwo gemessen werde. Allenfalls werde erhoben, in wie vielen Fällen die Hilfsfrist eingehalten werde. Aber zur Qualität gehöre noch mehr, beispielsweise die Quote erfolgreicher Reanimationen.

Im SGB V sieht Hofmann keine Gefahr, im Gegenteil: „Ich habe die Hoffnung, dass eine Verankerung des Rettungsdienstes als eigenständiger Leistungsbereich im SGB V Qualitätskriterien definieren kann“, erklärt er. Wenn dann diese Kriterien nicht eingehalten würden, wenn etwa bei einem Patienten mit Verdacht auf Herzinfarkt kein Zwölfkanal-EKG geschrieben worden sei, könnten Leistungserbringer kein Geld erhalten. Bislang gelte, dass ein Rettungsdiensteinsatz bezahlt werde, ganz egal, wie gut oder schlecht er abgelaufen sei.

Die Gefahr, dass das Ehrenamt unter die Räder gerate, sieht Hofmann nicht. Das könne man bei Ausschreibungen von Rettungswachen einfach umgehen, etwa indem man in sie aufnehme, dass Hospitanten aus dem regionalen Katastrophenschutz regelmäßig mitfahren dürfen.

So wie die Länder bislang den Rettungsdienst aufgezogen hätten, sei er dringend verbesserungsbedürftig, betont Hofmann: „Es gibt beispielsweise keine nachvollziehbare Erklärung dafür, warum Notärzte in Mecklenburg-Vorpommern bezogen auf die Bevölkerungszahl doppelt so häufig ausrücken wie in Schleswig-Holstein.“ Nicht nur die Einsatzzahlen pro Kopf schwankten im Bundesgebiet drastisch, sondern auch die Kosten für einen Rettungsdiensteinsatz - zwischen 660 und 1.530 Euro.

Gutachten zieht Verfassungsmäßigkeit in Zweifel

Tatsächlich gibt es ein Gutachten, das im Auftrag der Björn Steiger Stiftung unter der Federführung des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Udo di Fabio entstanden ist und im Juli vorgestellt wurde. Demnach könnte die Art, wie die Länder den Rettungsdienst derzeit ausgestalten, verfassungswidrig sein. Denn das Grundgesetz schreibt gleiches Geld für gleiche Leistungen vor.

Wenig kann Hofmann auch der derzeitigen Praxis abgewinnen, dass die Ärztlichen Leiter Rettungsdienst (ÄLRD) in jedem Landkreis festlegen dürfen, welche medizinischen Maßnahmen Notfallsanitäter durchführen dürfen und welche nicht. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung zu den Kompetenzen rettungsdienstliche Berufe hat diesen Flickenteppich jüngst ebenfalls kritisiert. „Ich unterstelle da durchaus einigen ein berufspolitisches Interesse“, sagt Hofmann, „die ÄLRD haben eine Machtposition, die sie regelmäßig auch gegen die Notfallsanitäter ausspielen.“ Besser seien überprofessionelle fachliche Leitungen für die Rettungsdienste in den Landkreisen, in denen nicht nur Ärzte das Sagen hätten, sondern auch Notfallsanitäter, Psychologen, Sozialarbeiter und andere Berufsgruppen.

Kritik der Björn Steiger Stiftung

Scharfe Kritik an dem Vorstoß der niedersächsischen Landkreise übte auch die Björn Steiger Stiftung. Deren Geschäftsführer Christof Chwojka betonte, alle wesentlichen Beteiligten im deutschen Gesundheitswesen sähen die Reformvorschläge als richtungsweisend und notwendig an. Den niedersächsischen Landkreisen und den Bundesländern „geht es offenbar nur um die Absicherung ihrer Pfründe und nicht um das Wohl der Patienten und Bürger“, sagte er. „Diese Besitzstandswahrer sehen in den Bemühungen der Bundesregierung einen Eingriff in ihre Regelungskompetenz, die sie allerdings in den letzten 20 Jahren ohnehin nicht genutzt haben.“

Chwojka warf dem Bündnis „Rettet den Rettungsdienst 2.0“ vor, mit falschen Behauptungen zu operieren. Weder wolle das Bundesgesundheitsministerium den Rettungsdienst als Landes- und Kommunalaufgabe faktisch abschaffen noch drohe Gefahr für die ehrenamtliche Struktur im Bevölkerungsschutz. „Der Rettungsdienst muss grundlegend neu gedacht werden“, sagte Chwojka. „Die bisherigen Strukturen sind veraltet und entsprechen nicht mehr den internationalen Standards.“

Nils Sandrisser


Medizin

Hintergrund

Wie der Rettungsdienst organisiert ist



Der Rettungsdienst ist grundsätzlich Ländersache. Fast alle Bundesländer übertragen diese Aufgabe an die Landkreise und kreisfreien Städte als Träger des lokalen Rettungsdienstes, die wiederum Hilfsorganisationen und private Unternehmen mit dem Vollzug beauftragen. Über die Vorgaben, die diese Leistungserbringer einhalten müssen, entscheiden die Träger weitgehend selbst.

Dadurch gibt es große Unterschiede in Deutschland zwischen den einzelnen Rettungsdienstbereichen. Beispielsweise dürfen Notfallsanitäter nicht überall dieselben medizinischen Hilfen anbieten. Für jeden Rettungsdienstbereich legen die jeweiligen Ärztlichen Leiter Rettungsdienst (ÄLRD) diese Maßnahmen eigens fest, obwohl die Ausbildung und die Kompetenzen der Notfallsanitäter durch ein Bundesgesetz geregelt sind.

Unterschiedliche Ausrüstung und Vorgaben

Die Art und Ausstattung der eingesetzten Fahrzeuge kann sich von Landkreis zu Landkreis, von Stadt zu Stadt unterscheiden. Zwischen den Bundesländern gibt es auch Unterschiede in der Hilfsfrist, also der Zeit, in der die Retter spätestens vor Ort sein müssen. Sie schwankt zwischen 8 und 15 Minuten.

Ganz frei von bundesweiten Vorgaben ist der Rettungsdienst aber bereits heute nicht. So gibt es neben der bundeseinheitlichen Ausbildung für Notfallsanitäter bundesweite DIN für Rettungs- und Krankenwagen sowie für Notarzteinsatzfahrzeuge.



Medizin

Hintergrund

Was die Rettungsdienst-Reform reparieren soll



Frankfurt a.M. (epd). Ausgangspunkt der geplanten Rettungsdienst-Reform ist die Beobachtung, dass Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Bereichen des Gesundheitswesens Probleme verstärken. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2022 bemängelt beispielsweise intransparente und kleinteilige Finanzierungs- und Organisationsstrukturen. In seinem Kabinettsentwurf rechnete das Bundesgesundheitsministerium damit, dass bis 2028 durch die Notfallreform 943 Millionen Euro jährlich eingespart werden können - davon allein eingesparte direkte und indirekte Kosten von Rettungsdienst-Einsätzen von 240 Millionen. Bei der ersten Lesung im Bundestag am 9. Oktober war der Rettungsdienst aus der Notfallreform jedoch vorerst ausgespart.

In der Kritik steht auch der Ärztliche Bereitschaftsdienst (ÄBD) der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV). Der ÄBD ist die Vertretung von Hausärzten nachts, am Wochenende und an Feiertagen. Patienten rufen häufig die Notrufnummer 112 an oder gehen in eine Notaufnahme in Kliniken, wenn sie lange auf einen Besuch des ÄBD warten müssen oder sie die ÄBD-Telefonzentralen gar nicht erst erreichen. Die Reform sieht daher Veränderungen bei Krankenhäusern und Kassenärzten vor. Notaufnahmen, ÄBD und Rettungsdienste sollen künftig nicht mehr nebeneinander her arbeiten, sondern kooperieren. Das soll Doppelbelastungen reduzieren.

Es hapert an der Vernetzung

Bislang müssen Patienten nämlich wissen, welche Stelle die für ihr medizinisches Problem geeignete ist. Sie verfügen aber nur selten über dieses Wissen. Die Vernetzung von Rettungsleitstellen, Notaufnahmen und ÄBD nähme ihnen das ab. Je nach Anliegen können die Stellen die entsprechende Maßnahme veranlassen.

Außerdem sollten die Leistungen des Rettungsdiensts aufgefächert werden. Bislang können Leitstellen auf Hilfeersuchen nur Rettungs- oder Krankenwagen entsenden. Sie werden heute aber häufig für Probleme angerufen, die nicht mit einem Transport ins Krankenhaus zu lösen sind. Beispielsweise verschlimmern sich bei manchen Patienten mit bestimmten Erkrankungen Atemprobleme regelmäßig, wenn sie zusätzlich eine Erkältung bekommen. Beim Rettungsdienst heißen solche Fälle „Versorgungsprobleme“. Die Reform sieht daher beispielsweise den Einsatz von Gemeindenotfallsanitätern vor, die sich um solche Fälle unterhalb der Schwelle eines Notrufs kümmern sollen.




sozial-Politik

Gesundheit

Zusatzbeitrag für Krankensicherung steigt 2025




Die Kassenbeiträge werden 2025 deutlich steigen.
epd-bild/Norbert Neetz
Die gesetzlichen Krankenversicherungen werden 2025 voraussichtlich ihre Beiträge deutlich erhöhen. Der mögliche Zusatzbeitrag wird auf 2,5 Prozent angehoben, wie Bundesgesundheitsminister Lauterbach ankündigte. Kassen und Sozialverbände zeigen sich besorgt und plädieren für Reformen.

Berlin (epd). Gesetzlich Krankenversicherte müssen im kommenden Jahr mit deutlich höheren Kosten für die Kasse rechnen. Am 16. Oktober gab der zuständige Schätzerkreis seine Prognose für Einnahmen und Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherungen bekannt. Nach seinen Berechnungen muss der Zusatzbeitrag zur Kasse, der auf den regulären Beitragssatz von 14,6 Prozent aufgeschlagen wird, um 0,8 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent steigen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kündigte im Anschluss eine entsprechende Erhöhung an.

Das bedeutet eine Erhöhung der Abgaben um jeweils 0,4 Prozent für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sagte Lauterbach in Berlin. Der Minister nannte als Grund für die steigenden Kosten die Inflation und höhere Löhne. Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass das deutsche Gesundheitssystem ineffizient sei, das teuerste in Europa und bei der Qualität dennoch „teilweise nur mittelmäßig“. Die angestrebten Reformen seien daher notwendig.

Krankenkassen entscheiden selbst über Höhe der Zusatzbeiträge

Der Schätzerkreis, dem Vertreter des Bundesgesundheitsministeriums, des Bundesamts für Soziale Sicherung und des GKV-Spitzenverbandes angehören, erwartet nach eigenen Angaben für das kommende Jahr Einnahmen des Gesundheitsfonds in Höhe von 294,7 Milliarden Euro und gleichzeitig voraussichtliche Ausgaben in Höhe von 341,4 Milliarden Euro. Festgelegt wird der Zusatzbeitrag vom Bundesgesundheitsministerium. Die Krankenversicherungen entscheiden selbst, bis zu welcher Höhe sie den Zusatzbeitrag von den Versicherten verlangen.

Die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer, erklärte, für die Kassen ergebe sich „ein drastischer Erhöhungsdruck“. Bei den meisten Krankenkassen stünden keine Reserven mehr zur Verfügung, um Beitragssteigerungen im nächsten Jahr zu vermeiden oder abzumildern, sagte sie.

Für Bürgerinnen und Bürger kann die Steigerung zu einer Mehrbelastung von bis zu 265 Euro im Jahr führen, teilte die Verbraucherzentrale Bundesverband mit. Thomas Moormann, Leiter Team Gesundheit und Pflege: „Insbesondere Menschen mit niedrigem Einkommen werden die außergewöhnlich hohen Beitragssprünge zu spüren bekommen.“ Und das sei nicht die einzige Mehrbelastung, die Verbraucherinnen und Verbrauchern bevorstehe: „Auch in der Pflegeversicherung werden Beitragssatzerhöhungen erwartet. Es verwundert nicht, dass die Gesundheits- und Pflegeversorgung das Sorgenthema Nummer eins ist.“

„Finanzierung komplett aus dem Gleichgewicht“

Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse (TK), sagte in Berlin: „Die Finanzen in der gesetzlichen Krankenversicherung sind komplett aus dem Gleichgewicht. Die Ausgaben steigen ungebremst und viel stärker als die Einnahmen. Laut der Schätzung müssen die Kassenbeiträge durchschnittlich auf über 17 Prozent steigen - eine noch vor einigen Jahren unvorstellbare Größenordnung.“ Die Regierung habe, anders als im Koalitionsvertrag festgehalten, nichts unternommen, um die Finanzen zu stabilisieren. Im Gegenteil: „Das Finanzproblem ist so groß wie nie. Das müssen nun die Beitragszahlenden mit deutlich höheren Beiträgen ausbaden“, rügte Baas.

Simon Reif, Ökonom am ZEW - Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim, rügte, dass bei der Eindämmung der Gesundheitskosten auf kurzfristige Maßnahmen gesetzt werde. „Um die Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems langfristig zu gewährleisten, muss der Kostenanstieg aber nachhaltig gebremst werden.“ Ziel der Gesundheitspolitik müsse es deshalb sein, Innovationen in die Versorgung zu bringen, um diese effizienter zu machen, so der Experte.

„Risikostrukturausgleich ändern“

Ein Hebel hierfür könnte nach seinen Worten die Änderung der Anreize im Risikostrukturausgleich sein, also dem finanziellen Ausgleichsmechanismus zwischen den gesetzlichen Krankenkassen: „Dann könnten Krankenkassen stärker in die langfristige Gesundheit der Versicherten investieren.“

Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, bezeichnete den drohenden Anstieg des Zusatzbeitrags als „Desaster“. Es treffe die Mehrheit der Menschen „unverhältnismäßig hart“, dass die Finanzierungsprobleme der Krankenversicherung allein auf Kosten von Versicherten ausgetragen werden, sagte sie. Bund und Länder müssten ihre finanzielle Verantwortung wahrnehmen und auch Privatversicherte müssten sich an der Transformation des Gesundheitssystems beteiligen. „Die Regierung sollte endlich eine einheitliche solidarische Krankenversicherung in Angriff nehmen, in die auch bisher Privatversicherte einzahlen. Dadurch ließen sich die Beitragssätze um 3,8 Prozentpunkte senken und der Zusatzbeitrag könnte komplett entfallen“, sagte Bentele.

Kritik an Blockade der FDP

Die Prognose des Schätzerkreises hat nach dessen Angaben die 2025 eigentlich anstehende Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen, also der Einkommenshöhe, bis zu der Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden, berücksichtigt. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte zuletzt dafür plädiert, die Grenzen nicht anzuheben, was dazu führen würde, dass Gutverdienende nicht mehr zahlen müssen.

Die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Maria Klein-Schmeink erklärte, angesichts der Prognose sei es umso wichtiger, dass Lindner die Blockade aufgebe. „Kommt die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen nicht, zahlen Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen die Zeche und müssten noch höhere Beiträge in Kauf nehmen“, sagte sie.

Corinna Buschow, Dirk Baas


Bundestag

Sachverständige üben Kritik an Rentenpaket II




Das Armutsrisiko in Deutschland bleibt für Rentnerinenund Rentner hoch.
epd-bild/Steffen Schellhorn
Werden die Jüngeren benachteiligt? Wird die Renten sicherer? Wie soll das Geld für das Generationenkapital angelegt werden? Im Bundestag wird deutlich, dass Sachverständige das Rentenpaket II der Ampel-Koalition unterschiedlich beurteilen - wie auch Sozialverbände und Gewerkschaften.

Berlin (epd). In einer Anhörung des Bundestags haben Sachverständige am 14. Oktober in Berlin Kritik am Rentenpaket II der Ampel-Koalition geübt. Der Ökonom Manfred Werding sieht jüngere Beschäftigte benachteiligt. Werding erklärte, alle Personen, die derzeit 46 Jahre oder jünger sind, würden durch höhere Rentenbeiträge und dadurch sinkende Nettoeinkommen stärker belastet als sie durch die Festschreibung des Rentenniveaus profitierten. Diese Belastungen seien bisher „verniedlicht“ worden, sagte Werding.

Sie bedeuteten eine Abkehr von der langjährigen Politik, die Lasten der Alterung der Gesellschaft auf Jüngere und Ältere möglichst gleichmäßig zu verteilen, erklärte Werding, der als Mitglied des Wirtschafts-Sachverständigenrats auch die Bundesregierung berät. Der Vertreter der Wirtschaft, Alexander Gunkel von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, sagte, die Politik nehme „einseitig Partei für die Generation der Rentner“ und belaste mit steigenden Rentenbeiträgen auch die Wirtschaft.

Rentenniveau wird auf heutigem Stand stabilisiert

Der Gesetzentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zum Rentenpaket II sieht vor, das Rentenniveau bis 2039 bei mindestens 48 Prozent und damit auf heutigem Niveau zu stabilisieren. Ohne die Reform würde es in den kommenden 15 Jahren auf 45 Prozent sinken. Das Rentenniveau beschreibt das Verhältnis einer Standardrente zum aktuellen Durchschnittseinkommen.

Heil erklärte anlässlich der Sachverständigen-Anhörung, alle Generationen müssten sich auf die gesetzliche Rente verlassen können: „Wenn wir jetzt nichts machen, werden künftige Rentner ärmer im Verhältnis zur arbeitenden Bevölkerung.“

Mit der Reform will die Ampel-Koalition zugleich den Beitragsanstieg bremsen. Dafür soll die gesetzliche Rente ab Mitte der 2030er Jahre zusätzlich zu Beiträgen und Steuern über Kapitalmarkt-Erträge finanziert werden. Dafür nimmt der Staat Darlehen auf und legt ein sogenanntes Generationenkapital an. Laut Gesetzentwurf steigt der Beitrag dadurch bis zum Jahr 2045 auf 22,3 statt 22,7 Prozent. Heute beträgt er 18,5 Prozent des Bruttoeinkommens.

In der Anhörung übte der Wirtschaftswissenschaftler Axel Börsch-Supan deutliche Kritik am Reformplan. Er konzentriere sich einseitig auf die Leistungsstabilität auf Kosten der Generationengerechtigkeit. Die Festschreibung des Rentenniveaus werde aber langfristig kaum zu finanzieren sein, warnte er.

Kritik an Generationenkapital

Greenpeace meldete Bedenken gegen die Anlagekriterien für das Generationenkapital an. Für die Umsetzung einer glaubwürdigen Nachhaltigkeitsstrategie brauche es Änderungen am Gesetzentwurf, erklärte die Umweltschutzorganisation. Konkret fürchtet Greenpeace, dass der geplante Staatsfonds auch Geld in Unternehmen investiert, die Umweltschäden oder Menschenrechtsverletzungen in Kauf nehmen. Die Umweltorganisation fordert, dass die Beachtung von Nachhaltigkeitsprinzipien im Rentengesetz als festes Kriterium neben Rendite, Sicherheit und Liquidität festgehalten wird, um solche Investitionen auszuschließen. Dafür setzen sich auch die Rentenpolitiker der grünen Bundestagsfraktion ein.

Peer Rosenthal von der Arbeitnehmerkammer Bremen begrüßte dagegen die Rentenpläne: Die langfristige Stabilisierung des Rentenniveaus sei eine zentrale Stellschraube und erneuere das Leistungsversprechen der gesetzlichen Rentenversicherung, gerade auch für die jüngere Generation.

Das Rentenpaket II wird derzeit im Parlament beraten. Überlagert werden die Beratungen von Differenzen innerhalb der Ampel-Koalition. Die FDP-Fraktion will der Vorlage nur zustimmen, wenn die Finanzierung der Renten aus Kapitalanlagen verstärkt wird.

VdK: Paket zügig verabschieden

Der Sozialverband VdK forderte die Ampel-Koalition auf, das Paket zügig zu verabschieden. Es könne das Vertrauen in die gesetzliche Rente wieder stärken, erklärte die Präsidentin Verena Bentele. Mehr als 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner könnten sich darauf verlassen, dass ihre Renten weiterhin so steigen würden wie die Löhne. Für die 58 Millionen jüngeren Versicherten bedeute die Reform stabile Renten und moderate Beitragssatzsteigerungen.

Das auch vom VdK kritisierte Generationenkapital sei neben den steuerfinanzierten Bundeszuschüssen eine weitere, wenn auch bescheidene Finanzquelle für die Rentenversicherung. „Es ist ein Zugeständnis an diejenigen, die mehr Kapitaldeckung fordern, aber es macht die gesetzliche Rente nicht komplett abhängig vom Auf und Ab der Aktienmärkte. Das ist ein tragfähiger Kompromiss für die Parteien der Ampel und das war bei seiner Vorstellung auch die Botschaft des Rentenpakets“, sagte Bentele.

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) rief die FDP auf, ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung nachzukommen und den Kompromiss in der Ampelkoalition nicht länger zu hintertreiben: „Die Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent ist für Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mittleren Alters, die in den kommenden Jahren in Rente gehen, eine existenzielle Frage. Sie darf nicht länger Spielball bei der politischen Profilierung sein“, sagte der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke in Berlin: „Einfach Wort zu halten und den Kompromiss zu akzeptieren, wäre stattdessen ein aktiver Beitrag gegen Politikverdrossenheit und weitere Radikalisierungstendenzen in der Gesellschaft.“

Bettina Markmeyer, Dirk Baas


Bundestag

Minsterin Gerlach: Krankenhausreform hat "grundlegende Defizite"



Berlin, München (epd). Die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) hat ihre Generalkritik an der geplanten Krankenhausreform der Bundesregierung bekräftigt. Die zuletzt vorgelegten Änderungen an dem Gesetzentwurf „reichen bei weitem nicht aus“, sagte Gerlach am 17. Oktober im Bundestag während der abschließenden Beratung des Entwurfs. Der Bund ignoriere weiterhin „zentrale Forderungen der Länder“. Dadurch drohe eine Verschlechterung der Versorgung vor allem in einigen ländlichen Regionen. Der Bundestag beschloss die Reform mit der Stimmenmehrheit der Ampel-Fraktionen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach: „Mit dieser großen Reform steigern wir, nach fast drei Jahren Vorbereitung, die Behandlungsqualität in deutschen Krankenhäusern und sorgen für den Erhalt eines flächendeckenden Netzes guter Kliniken.“

Minister sieht „zielsichere Krankenhausplanung“

Die Fallpauschalen würden durch Vorhaltepauschalen weitgehend ersetzt. „Gleichzeitig werden nicht notwendige Krankenhäuser abgebaut oder umgewandelt“, so der Minister. Aber: Durch Zuschläge würden die notwendigen Krankenhäuser auf dem Land gesichert. „Mit dieser Strukturreform verbessern wir die Gesundheitsversorgung für eine schnell alternde Gesellschaft und ermöglichen den Bundesländern zusätzlich eine zielsichere Krankenhausplanung“, betonte der Minister.

Dagegen sagte Gerlach, sie sei „geradezu fassungslos“, dass im Bundestag ein Gesetz solcher Tragweite beschlossen wurde, ohne dass es eine Folgenabschätzung gebe, sagte sie: „Das bedeutet im Klartext, dass die Bundesregierung eine weitreichende Krankenhausreform im Blindflug durchsetzen möchte.“ Die 50 Änderungsvorschläge von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) beseitigten die „grundlegenden Defizite“ des Gesetzes nicht. Sie seien „in weiten Teilen eher Kosmetik denn inhaltliche Verbesserung“, erläuterte die Ministerin.

Bayern will Vermittlungsausschuss anrufen lassen

Bayern stehe mit seiner Kritik nicht alleine da, betonte Gerlach: „Im ersten Durchgang im Bundesrat waren sich alle Länder einig, dass der aktuell vorliegende Entwurf des 'Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes' in wesentlichen Punkten erheblich nachgebessert werden muss.“ Dies sei aber bis heute nicht geschehen. Die CSU-Politikerin kündigte deshalb an, dass sich die bayerische Staatsregierung im Bundesrat für die Anrufung des Vermittlungsausschusses einsetzen will, um doch noch Nachbesserungen am Entwurf zu erreichen.

Der Staatsregierung sei beispielsweise wichtig, dass künftig alle Kosten- und Tarifsteigerungen der Kliniken auch von den Kostenträgern ausgeglichen werden. Die Krankenhäuser müssten außerdem einen „dauerhaften Ausgleich“ für nicht refinanzierte Mehrkosten der vergangenen Jahre erhalten. „Sonst drohen wir von einer unkontrollierten Pleitewelle überrollt zu werden“, sagte Gerlach.

Aus Sicht der katholischen Krankenhäuser handelt es sich um eine unfertige Reform, die im Vermittlungsausschuss mit den Ländern dringend nachgebessert werden müsse. Bernadette Rümmelin, Geschäftsführerin des Katholischen Krankenhausverbands Deutschland: „Wird die Krankenhausreform so unverändert umgesetzt, drohen den Patientinnen und Patienten bei planbaren Behandlungen deutlich längere Wartezeiten und in der Notfallsituation längere Wege.“ Durch das neue Finanzierungssystem sei es für größere Kliniken nicht attraktiv, mehr Patienten zu versorgen. Gleichzeitig müssten kleine Häuser Spezialabteilungen schließen, wenn sie die geforderten Fallzahlen nicht erreichen.



Bundestag

Gesetzentwurf: Lebendorganspende soll ausgeweitet werden



Berlin (epd). Angesichts des andauernden Mangels an Spenderorganen will die Bundesregierung mehr Möglichkeiten für eine Lebendorganspende zulassen. Dazu hat sie den Entwurf eines dritten Gesetzes zur Änderung des Transplantationsgesetzes (20/13252), vorgelegt, wie der Bundestag mitteilte.

Zum Hintergrund der Gesetzesnovelle hieß es, Ende 2022 hätten allein mehr als 6.700 Menschen auf eine Spenderniere gewartet. Gleichzeitig sei die Zahl der Nierentransplantationen auf 1.966 gesunken. Zudem seien 2022 339 Patienten gestorben, die zuvor in die Warteliste für eine Niere aufgenommen worden waren. Seit langer Zeit reiche die Zahl der Spendernieren nicht aus, um den Bedarf zu decken, ist im Entwurf zu lesen. Die Folge seien lange Wartezeiten, die bis zu acht Jahre dauern könnten. Damit verbunden seien gravierende Einschränkungen der Lebensqualität durch die Dialysebehandlung.

Trendwende kam trotz Reform nicht

Zwar habe der Bundestag in der zurückliegenden Legislaturperiode beschlossen, die Entscheidungsbereitschaft zur Organspende zu stärken. Eine Trendwende bei den Organspendezahlen habe das aber nicht gebracht, hieß es.

Mit der Reform werde der Kreis der Organspender und Organempfänger bei der Lebendorganspende erweitert. „So werden, abweichend von dem Erfordernis eines besonderen Näheverhältnisses, die Voraussetzungen für eine Überkreuzlebendnierenspende und eine nicht gerichtete anonyme Nierenspende geschaffen. Geregelt werden die gesetzlichen Voraussetzungen für die Überkreuzspende zwischen inkompatiblen Organspendepaaren“, so der Entwurf.

Zum Hintergrund: Ist eine direkte Spende aufgrund einer Inkompatibilität nicht möglich, kann eine sogenannte Überkreuz-Lebendspende in Frage kommen (Crossover-Spende). Dabei geht die Niere nicht von der Spenderin oder dem Spender an die eigentlich vorgesehene nahestehende Person, sondern „über Kreuz“ an eine passende Empfängerin oder einen Empfänger eines zweiten Paares, das untereinander ebenfalls nicht kompatibel ist. Im Gegenzug spendet die Spenderin oder der Spender des zweiten Paares die Niere der Empfängerin oder dem Empfänger des ersten Paares.

Neue Vermittlungsstelle

Aufgehoben werden soll auch der sogenannte Subsidiaritätsgrundsatz, wonach die Entnahme von Organen bei einer lebenden Person nur zulässig ist, wenn ein geeignetes Organ eines verstorbenen Spenders zu dem Zeitpunkt nicht verfügbar ist. Und: Neu geregelt werden sollen auch die Aufgaben der Transplantationszentren im Rahmen einer Überkreuzlebendnierenspende und einer nicht gerichteten anonymen Nierenspende. „Eine Stelle zur Vermittlung der Nieren von miteinander kompatiblen Organspendern und Organempfängern im Rahmen der Überkreuzspende wird errichtet.“

Die Aufklärungspflichten sollen zugunsten eines umfassenden Spenderschutzes und einer adäquaten Risikoaufklärung, insbesondere hinsichtlich der psychosozialen Risiken und möglichen Spätfolgen, erweitert werden. Lebendnierenspender, die später durch eine Erkrankung selbst eine Nierentransplantation benötigen, sollen bei der Vermittlung von Nieren Zusatzpunkte erhalten.

Ermöglicht werden soll außerdem die Spende von Organen oder Gewebe, die bei einer medizinischen Behandlung bei nicht einwilligungsfähigen Personen entnommen werden (sogenannte Operationsreste). Schließlich werden mit der Novelle die Voraussetzungen für die Anbindung der Gewebeeinrichtungen an das Register für Erklärungen zur Organ- und Gewebespende geschaffen, damit diese selbst über das Abrufportal klären können, ob in einem potenziellen Spendenfall bei einer Person die Bereitschaft zur Gewebespende vorliegt.

Dirk Baas


Forschung

Shell-Studie: Jugend trotz Sorgen pragmatisch und optimistisch




Jugendliche: Selten ohne Handy anzutreffen
epd-bild/Detlef Heese
Jugendliche interessieren sich für Politik, sie haben geringes Vertrauen in die Parteien, aber ein hohes in die Demokratie. Die Shell-Jugendstudie klärt diesen scheinbaren Widerspruch auf. Und sieht trotz aller Sorgen eine optimistische Jugend.

Berlin (epd). Jugendliche in Deutschland blicken trotz Ängsten vor einem möglichen Krieg und Sorgen vor einer Wirtschaftskrise überwiegend optimistisch in die Zukunft. Das ist die zentrale Aussage der aktuellen Shell-Jugendstudie, die am 15. Oktober in Berlin vorgestellt wurde. Die junge Generation ist demnach mit den politischen Parteien unzufrieden, hat aber Vertrauen in staatliche Institutionen.

Mehr als 80 Prozent der Befragten haben Angst vor einem Krieg in Europa. Ein ebenfalls großer Teil sorgt sich um die wirtschaftliche Lage und eine möglicherweise steigende Armut. Die Angst vor Arbeitslosigkeit oder davor, keinen Ausbildungsplatz zu finden, wird dagegen immer geringer. Nur noch etwa ein Drittel teilt diese Sorgen. Das sei ein historischer Tiefstand, hieß es.

Drei Viertel zufrieden mit der Demokratie

Rund drei Viertel der Jugendlichen gaben an, dass sie mit der Demokratie zufrieden sind. Der entsprechende Wert liegt in den ostdeutschen Bundesländern bei 60 Prozent, in den westdeutschen bei 77 Prozent. Zwischen dem Erscheinen der vorangehenden Studie 2019 und der diesjährigen stieg der Anteil der jungen Menschen, die sich für Politik interessieren, von 41 auf 51 Prozent. Jeder vierte junge Mann bezeichnete sich als eher rechts oder rechts. 2019 war es noch jeder Fünfte.

Rund zwölf Prozent der Jugendlichen sind der Studie zufolge verdrossen. Daneben gebe es einen erheblichen Anteil kritischer und unzufriedener Jugendlicher. Diese seien offen für Populismus und sind kritisch gegenüber Staat und Gesellschaft. Sie sehen sich laut Studienleiter Mathias Albert als „benachteiligte Modernisierungsverlierer“.

„Sehr besorgt, aber pragmatisch und optimistisch“

Albert betonte bei der Vorstellung der Untersuchung, junge Menschen seien „sehr besorgt, aber pragmatisch und optimistisch“. So seien die Befragten unter anderem davon überzeugt, dass sie ihren Wunschberuf ausüben werden.

Die Themen Klimawandel und Umweltverschmutzung machen weiterhin einer Mehrheit von zwei Dritteln der Jugendlichen Angst. Insgesamt fühlen sich Jugendliche aus den östlichen Bundesländern auch 35 Jahre nach dem Mauerfall verwundbarer und schlechter gestellt als Gleichaltrige im Westen.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) wies auf die wachsende Zustimmung zu antidemokratischen Positionen hin. Es sei ein Auftrag an die Politik, „Jugendlichen Gehör zu verschaffen und sie zu beteiligen“. Demokratie müsse auch in Kindertagesstätten und Schulen erlernt werden, sagte sie unter Hinweis auf das Gefälle beim Demokratievertrauen in ost- und westdeutschen Bundesländern.

Forderung, Demokratieförderung besser abzusichern

Der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks, Thomas Krüger, forderte vor dem Hintergrund der Studienergebnisse, die oft prekären Strukturen bei der Demokratieförderung durch den Bund stärker abzusichern. Das gelte insbesondere auf regionaler und lokaler Ebene sowie in strukturschwachen Bundesländern.

Die von dem Energie-Unternehmen finanzierte Shell-Jugendstudie erschien in diesem Jahr zum 19. Mal und widmet sich den Lebenswelten von 12- bis 25-Jährigen. Befragt wurden 2.509 junge Menschen der Jahrgänge 1998 bis 2012. Geschlechter, Jahrgänge, Migrationshintergründe, soziale Herkunft, Bildungsstand und weiteres wurden repräsentativ berücksichtigt.

Bettina Gabbe


Behinderung

NS- und DDR-Gedenkstätte: "Eine schlimme Vergangenheit"




Martina Reimann, Gedenkstättenpädagogin, führt die Besucher durch die Bildungsstätte.
epd-bild/Matthias Kindler
Vom Unrechtsort zur Gedenkstätte: In der Potsdamer Lindenstraße wird in einem früheren Gefängnis und Gerichtsgebäude über NS-Verbrechen und Stasi-Haft in der DDR informiert. Seit einiger Zeit werden dort auch inklusive Angebote ausgebaut - und von Menschen mit Behinderung gut angenommen.

Potsdam (epd). Barockes Stadtpalais im holländischen Stil, rote Ziegelfassade, vergitterte Fenster: Mitten im touristischen Zentrum von Potsdam steht ein Denkmal aus dem 18. Jahrhundert, hinter dessen historischer Architektur sich ein Ort von Unrecht und Terror verbirgt. In der NS-Zeit hatte dort ein „Erbgesundheitsgericht“ seinen Sitz, im Gefängnisbau im Hof wurden politische Gegner und „rassisch“ Verfolgte inhaftiert. In der DDR war der Gebäudekomplex ein Untersuchungsgefängnis der Stasi. Seit 1995 ist der Ort eine Gedenkstätte. Inzwischen wird dort versucht, mit einem inklusiven Angebot auch mehr Menschen mit Behinderungen zu erreichen.

Inklusion und Barrierefreiheit hätten einen hohen Stellenwert in der Arbeit der Gedenkstätte, sagt die Historikerin Maria Schultz, die die Gedenkstätte Lindenstraße seit gut drei Jahren leitet: „Wir wünschen uns, dass das historische Gebäudeensemble mit seiner Dauerausstellung und die breitgefächerten Bildungsangebote allen Besuchendengruppen zur Verfügung stehen.“

Tastführungen und Guide in Gebärdensprache

Sie wolle damit dem vielfältigen Charakter der Gesellschaft Rechnung tragen, betont sie. Eine Haftzelle wurde inzwischen für Tastführungen für Blinde und Sehbehinderte hergerichtet. Seit einigen Monaten gibt es einen elektronischen Gedenkstättenguide in deutscher Gebärdensprache.

Der Durchgang durch den Barockbau an der Straße führt zu einem geöffneten Metalltor, dahinter weitere Metalltore, alte Überwachungskameras, die einst das Gelände im Blick hatten, an einigen Stellen massive Metallgeflechte mit scharfen Spitzen, die ein Entkommen verhindern sollten. Im Hof fünf wenige Quadratmeter große „Freigangzellen“ mit Betonboden, Rauputz, nach oben offen und mit Maschendraht gesichert.

Nach Workshop nun Besuch vor Ort

An diesem Tag sind zwölf Männer und Frauen in der Gedenkstätte zu Gast, die am Morgen mit ihren Betreuern in Ostbrandenburg mit dem Bus aufgebrochen sind, um an einer Führung in Leichter Sprache teilzunehmen. Im Alltag arbeiten sie in Werkstätten der diakonischen Stephanus-Stiftung. Sie haben unterschiedliche kognitive und körperliche Einschränkungen, der Älteste ist 63, die Jüngste 19 Jahre alt.

Gedenkstättenpädagogin Martina Reimann lässt noch einmal Revue passieren, was bereits vorher bei einem Workshop erarbeitet wurde: Unterschiede zwischen Diktatur und Demokratie, zwischen DDR und Nationalsozialismus. „Wer wurde in der Nazizeit verfolgt?“, fragt sie. „Die Juden“, sagt ein Mann. „Menschen mit Behinderungen, Homosexuelle“, sagt eine Frau. „Politische Gegner“, sagt eine andere Frau. Dann beginnt die Führung zur NS-Zeit.

Es geht um die Verfolgung behinderter Menschen, Zwangssterilisierungen, Tötungsverbrechen, Opfer und Täter. Was aus den NS-Verantwortlichen nach dem Krieg geworden sein könnte, fragt die Gedenkstättenpädagogin. „Selbstmord“, schlägt eine Frau vor. „Abgehauen“, eine andere. „Versteckt“, sagt ein Mann. Dann erfahren sie, dass die beiden Männer, die vorgestellt wurden, später wieder in ihren alten Berufen als Arzt und als Richter gearbeitet haben.

Modellprojekt wird sehr gut angenommen

Die Führung ist Teil des Modellprojekts „Vergangenheit verstehen“, das von der Bundeszentrale für politische Bildung gefördert wird. „Es wird sehr gut angenommen“, sagt Reimann. Nicht nur aus Brandenburg, auch aus weiter entfernten Orten hätten sich Interessierte gemeldet.

Bei der Führung werden weitere NS-Verbrechen besprochen und Haftzellen gezeigt. Die Frauen und Männer mit Handicap sind konzentriert bei der Sache, hören aufmerksam zu, sehen sich auch auf eigene Faust um. „Hier wird alles gut erklärt“, sagt Mike, einer von ihnen, nach dem Ende des Rundgangs. Eine normale Führung hätte er schwierig gefunden, betont er. „Eine schlimme Vergangenheit“, sagt Kerstin, eine Frau aus der Gruppe: „Ich möchte nicht, dass sich die wiederholt.“

Yvonne Jennerjahn


Armut

Verbände fordern Priorität beim bezahlbaren Wohnen




Obdachlosenprojekt der Berliner Stadtmission
epd-bild/Christian Ditsch
Ein Verbändebündnis dringt auf mehr Engagement gegen die Krise auf dem Wohnungsmarkt. Kommunen und Jobcenter seien bei diesem Unterfangen in Schlüsselrollen. Ein Positionspapier von Armutsbetroffenen und katholischen Verbänden fordert mehr Teilhabe.

Berlin (epd). Ein Bündnis von Verbänden fordert verstärkte politische Bemühungen für bezahlbaren Wohnraum. Die aktuelle Regelung der Mietpreisbremse sei unzureichend, kritisierte die Direktorin des hessischen Landesverbands des Deutschen Mieterbunds, Eva-Maria Winckelmann, in einem Online-Pressegespräch der Verbände zum Internationalen Tag zur Beseitigung der Armut am 17. Oktober. Armutsbetroffene forderten eine bessere politische Einbindung für sich.

Winckelmann sagte, aus der Beratungspraxis wisse ihr Verband, dass Menschen heute überhöhte Mieten in Kauf nähmen, um überhaupt eine Wohnung zu haben: „Das Geld dafür fehlt dann oft an anderer Stelle, beispielsweise für Kinder.“ Zu dem Bündnis gehören die Diakonie Deutschland, die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W), der Deutsche Mieterbund, die Nationale Armutskonferenz sowie das Bündnis „AufRecht bestehen“.

Kommunen sollen prüfen müssen

Winckelmann schlug vor, dass es künftig nicht mehr vom Widerspruch der Mieter abhängen solle, ob die Mietpreisbremse greife. Vielmehr sollten Neuvermietungen an die Kommunen gemeldet werden, die dann zu überprüfen hätten, ob die Preisbremse eingehalten werde. Am Donnerstag war bekannt geworden, dass Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) einen Gesetzentwurf zur Verlängerung der Mietpreisbremse bis 2028 vorgelegt hat.

Die Geschäftsführerin BAG W, Sabine Bösing, verwies auf die wichtige Rolle von Jobcentern bei der Prävention von Wohnungslosigkeit. Jobcenter sollten explizit den Auftrag bekommen, Wohnungsverluste zu verhindern, sagte sie. Da Miet- und Energieschulden die häufigsten Auslöser von Wohnungslosigkeit seien, solle eine Übernahme dieser Schulden als Beihilfe möglich sein.

Eine Delegation von Armutsbetroffenen und katholischen Sozialverbänden übergab in Berlin an Bundestagsabgeordnete ein Positionspapier, in dem eine bessere politische Beteiligung von Menschen mit Armutserfahrung und deren Einbindung bei relevanten Gesetzgebungsverfahren gefordert wird. Erarbeitet wurde das Papier den Angaben zufolge in einer Zukunftswerkstatt der Caritas und weiterer katholischer Verbände mit 40 armutsbetroffenen Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet. Darunter waren ehemalige Obdachlose, Bürgergeldempfänger und alleinerziehende Mütter.

Bessere Expertise von Politikern gefordert

Unter anderem sollten Betroffene ein verbindliches Mitspracherecht in sozialpolitisch relevanten Gremien wie dem Beirat der Bundesagentur für Arbeit erhalten, heißt es in dem Papier. Zudem wird eine bessere Expertise von Politikerinnen und Politikern beim Thema Armut gefordert. „In den seltensten Fällen haben Abgeordnete eine Ahnung, wie Menschen in Armut leben müssen“, heißt es. Deswegen sollte es Pflichtprogramm für jeden Sozialpolitiker sein, praktische Erfahrungen in der Lebenswirklichkeit von Menschen in Armut zu machen. Das könne Begleitung bei der Wohnungssuche, Besuche bei der Tafel oder ein Praktikum in der Sozialberatung sein.

Der Internationale Tag für die Beseitigung der Armut geht auf den 17. Oktober 1987 zurück, als sich mehr als 100.000 Menschen in Paris öffentlich mit den Betroffenen von Armut solidarisierten. Weltweit setzen sich Organisationen an diesem Tag für die Belange armer Menschen ein.

Nils Sandrisser


Familie

Pflegeeltern: Finanzielle Unterstützung steigt weiter an



Berlin (epd). Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge verweist darauf, dass bundesweit mehr Pflegeeltern benötigt werden. „Für Kinder und Jugendliche, die nicht in ihrer Familie leben können und häufig schwer belastende Lebenssituationen zu verkraften haben, ist eine Pflegefamilie oft die am besten geeignete Unterstützung“, sagte Präsidentin Irme Stetter-Karp in Berlin.

Viele Kinder benötigen dringend Schutz und Förderung in einer Pflegefamilie. Da sei es gut, dass die Pauschalbeträge für Pflegeeltern jährlich entsprechend der vom Deutschen Verein veröffentlichten Empfehlungen anstiegen.

Nach Alter der Kinder gestaffelte Pauschalen

Pflegekinder erhalten nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) Unterhalt vom zuständigen Jugendamt. Der Unterhalt steht Pflegefamilien in Form von monatlichen Pauschalen zu und umfasst unter anderem Kosten für den Lebensunterhalt, einen Anerkennungsbetrag für die Erziehung und Pflege der anvertrauten jungen Menschen sowie einen Beitrag zur Alterssicherung der Pflegeperson.

Bei der Festsetzung der Pauschalen orientierten sich die meisten Bundesländer den Angaben nach an den Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Fortschreibung der Pauschalbeträge in der Vollzeitpflege (§§ 33, 39 SGB VIII) und setzten diese verbindlich um.

Besondere Bedarfe werden separat erstattet

"Der Deutsche Verein hat daher für das Jahr 2024 die Pauschale für die Kosten der Erziehung deutlich erhöht und sich weiter dafür ausgesprochen, die Höhe der Pauschalbeträge in der Vollzeitpflege jährlich der Steigerung der Lebenshaltungskosten privater Haushalte anzupassen. Für 2025 gelten folgende Empfehlungen bei den Pauschalen: für ein 0-6-jähriges Pflegekind 1.228 Euro, für ein 6-12-jähriges Pflegekind 1.364 Euro und für ein 12-18-jähriges Pflegekind 1.530 Euro.

Besondere Bedarfe der Pflegekinder werden gegebenenfalls durch eine Erhöhung der Pauschalbeträge ausgeglichen. Hinzu kommt den Angaben nach einmalige Bedarfe wie etwa die Erstausstattung für Säuglinge sowie die Unfallversicherung der Pflegeeltern.




sozial-Branche

Familie

Wo junge, wohnungslose Mütter Aufnahme finden




Spielzimmer im Übergangshaus Mutter Kind in Nürnberg
epd-bild/Sophie Willoughby
Das "Übergangshaus Mutter Kind" in Nürnberg bietet Schwangeren und Müttern mit Kindern, die sich in einer Notlage befinden, eine vorübergehende Bleibe, und will ihnen helfen, wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Ein klassisches Frauenhaus mit engen Regeln ist es nicht. Was haben die Frauen, die hier wohnen, erlebt? Ein Besuch.

Nürnberg (epd). Die Wände des „Übergangshauses Mutter Kind“ sind bunt verziert, ein roter Heißluftballon und hellblaue Wolken verschönern den Gang, der zum Büro von Sophie Willoughby führt. „Bei uns können Frauen mit Kind unterkommen, die keine Wohnung haben. Wir haben Platz für 16 Familien“, sagt die pädagogische Leiterin der Einrichtung. Derzeit ist das Übergangshaus voll belegt.

Lisa Müller (Name geändert) lebt hier seit Anfang des Jahres gemeinsam mit ihrem zehnjährigen Kind. Sie hat sich von ihrem Mann getrennt, mit dem es viele Konflikte gab. „Nach der Hochzeit war er wie ausgewechselt. Er wurde aggressiv, schlug mich und schrie mein Kind an“, erinnert sich die 49-Jährige, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte.

Umzug aus dem Frauenhaus

Nach der Trennung kam sie zunächst für eine Woche im Nürnberger Frauenhaus unter. „Doch dort waren die Sicherheitsauflagen sehr strikt, am Eingang gab es Kameras. Ich habe mich sehr überwacht gefühlt“, erinnert sich Müller. „Es waren keine Besuche erlaubt und es gab strikte Zeiten, wann man kommen und gehen durfte“, sagt sie. Also entschied sie sich für einen Umzug ins „Übergangshaus Mutter Kind“ der Rummelsberger Diakonie.

Hier haben die Frauen mit ihren Kindern mehr Freiheiten. Das ist den Sozialpädagoginnen der Einrichtung wichtig. „Wir verfolgen einen sehr niedrigschwelligen Ansatz. Die Frauen dürfen und sollen ein selbstbestimmtes Leben führen“, betont Willoughby. Das heißt: „Jede Frau darf selbst entscheiden, ob sie über ihre Trennung und ihre Vergangenheit reden möchte oder nicht. Wir lassen ihnen da erst mal viel Freiraum. Frauen brauchen, wenn sie zur Ruhe kommen wollen, auch Freiheit.“ Einmal in der Woche müssen die Frauen aber einen verpflichtenden Termin bei der pädagogischen Beratung des Hauses wahrnehmen.

Dankbar für viele professionelle Hilfen

Müller genießt es, dass sie sich „einfach mal mit einer Freundin treffen kann. Ich kann spontan mit meinem Kind in den Park gehen und meine erwachsenen Töchter können mich besuchen kommen“, sagt sie. Die Sozialpädagoginnen helfen bei der Bearbeitung von Dokumenten und der Wohnungssuche. Dafür sei Müller sehr dankbar. „Als ich hierherkam, hatte ich nichts. Kein Geld, keinen Job, keine Unterlagen. Um alles hatte sich mein Mann gekümmert. Die Leiterinnen haben mich sehr unterstützt. Dadurch habe ich gelernt, wieder Vertrauen zu fassen“, sagt sie.

Eine 25-jährige Frau aus dem Südsudan, die ebenfalls anonym bleiben möchte, lebt mit ihren beiden vier und zwei Jahre alten Kindern ebenfalls im Übergangshaus. Sie kam vor drei Jahren nach Deutschland, gemeinsam mit ihrem Ehemann und dem damals einjährigen Kind. Seit Dezember vergangenen Jahres lebt sie getrennt von dem Vater ihrer zwei Kinder. „Es gab sehr viel Streit.“ Und auch Gewalt. „Das war auch Stress für meine Kinder und ich hatte Angst, dass das einen negativen Effekt auf sie haben könnte. Deshalb habe ich mich getrennt“, sagt die nun alleinerziehende Mutter auf Englisch.

70 Prozent der Gewaltopfer sind Frauen

Damit ist sie kein Einzelfall. In Deutschland ist Partnerschaftsgewalt ein großes Problem. Über 250.000 Menschen sind 2023 Opfer von häuslicher Gewalt geworden - 6,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Das zeigt das Lagebild „Häusliche Gewalt“ des Bundeskriminalamtes. Rund 70 Prozent der Opfer sind Frauen.

„Wir haben hier oft Frauen mit Migrationshintergrund, viele davon leben schon seit einigen Jahren in Deutschland“, sagt Willoughby. Das habe einen bestimmten Grund. „Viele dieser Frauen kommen aus patriarchalischen Partnerschaften, in denen der Mann das Geld verdiente und sich um Unterlagen, Verträge und Versicherungen kümmerte. Im Fall einer Trennung sind die Frauen dann erst einmal auf sich allein gestellt. Hier unterstützen wir.“

Die junge Mutter aus dem Südsudan war anfangs wegen der fehlenden Sprachkenntnisse auf Hilfen angewiesen. Nun besucht sie vormittags einen Deutschkurs, während ihre beiden Kinder in Krippe und Kindergarten untergebracht sind. Für die Zukunft habe sie große Ziele. „Ich möchte eine Ausbildung zur Krankenschwester machen“, sagt sie. Sie hat die Hoffnung, ihren Kindern eine bessere Zukunft bieten zu können.

Stefanie Unbehauen


Familie

Stichwort: Übergangshaus Mutter Kind



Rummelsberg (epd). Das Übergangshaus Mutter und Kind der Rummelsberger Diakonie wurde im Jahr 2014 eröffnet. In der Einrichtung können schwangere Frauen sowie Mütter ab 21 Jahren gemeinsam mit ihren Kindern unterkommen. Das Angebot richtet sich an schwangeren Frauen und Mütter, die wohnungslos sind oder von Wohnungslosigkeit bedroht sind. Frauen, die in Nürnberg gemeldet sind, einen Leistungsbezug und einen Aufenthaltsstatus haben, können in dem Übergangshaus untergebracht werden.

Ziel der Einrichtung ist es, den Frauen und ihren Kindern in einer Notlage zu helfen und sie bei der Wohnungssuche zu unterstützen. Nach der Zeit im Übergangshaus ziehen viele Frauen entweder in eine eigene Wohnung oder werden in eine andere Einrichtung, beispielsweise eine Mutter-Kind-Einrichtung der Jugendhilfe, weitervermittelt. Die Mitarbeiterinnen des Hauses unterstützen bei der Wohnungssuche und beraten bei psychosozialen Problemen.

Das Übergangshaus für Mutter und Kind ist ein Schutzraum, den Männer nicht betreten dürfen. Der Konsum von Alkohol und Drogen ist nicht erlaubt. Haustiere dürfen nicht mitgebracht werden. Die Kosten für das Angebot werden vom Sozialamt Nürnberg und dem Jobcenter übernommen. Wenn die Frauen arbeiten, zahlen sie die Miete selbst.



Familie

Pädagogin: Hilfe für junge Mütter in Konfliktsituationen




Sophie Willoughby
epd-bild/Stefanie Unbehauen
Das "Übergangshaus Mutter Kind" der Rummelsberger Diakonie bietet jungen, alleinstehenden Müttern Zuflucht vor ihren - teils gewalttätigen - Männern. Die pädagogische Leiterin der Einrichtung, Sophie Willoughby, erläutert im Interview mit epd sozial, welche Probleme die Frauen haben und worin der Unterschied zu einem herkömmlichen Frauenhaus besteht.

Nürnberg (epd). Es geht darum, passenden Wohnraum zu bieten. Permanenter Schutz etwa vor dem gewalttätigen Partner kann das Übergangshaus den jungen Müttern oder Schwangeren nicht bieten. „In unserer Einrichtung verfolgen wir einen sehr niedrigschwelligen Ansatz. Die Frauen, die hier leben, dürfen und sollen ein selbstbestimmtes Leben führen“, sagt Sophie Willoughby. Die Fragen stellte Stefanie Unbehauen.

epd sozial: Frau Willoughby, das „Übergangshaus Mutter Kind“ feiert in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen. Wie ist die Idee für diese Einrichtung entstanden?

Sophie Willoughby: Die Notschlafstelle der Stadt Nürnberg, das „Haus für Frauen“ war in den Jahren 2013 und 2014 derart überbelegt, dass Familien teilweise im Speisesaal untergebracht werden mussten. Damals begab sich die Stadt Nürnberg auf die Suche nach einem geeigneten Partner und einem Ort, an dem die betroffenen Mütter und ihre Kinder passend untergebracht werden können. Wichtig war, dass alles kindgerecht und mehr auf die Bedürfnisse der Familien ausgelegt ist. So ist unser „Übergangshaus“ entstanden.

epd: Worin unterscheidet sich die Einrichtung von herkömmlichen Frauenhäusern?

Willoughby: In ein Frauenhaus geht eine Frau, wenn sie akut gefährdet ist, zum Beispiel durch häusliche Gewalt. Unser Haus ist eine Einrichtung für wohnungslose Mütter und setzt nicht voraus, dass die Frauen wegen einer Trennung oder Bedrohungslage zu uns ziehen. In einem herkömmlichen Frauenhaus haben Schutz und Anonymität der Frauen oberste Priorität. Dort sind Kameras an den Eingängen und es herrschen strikte Regeln darüber, wer die Adresse des Hauses kennen darf.

epd: Bei Ihnen ist das anders ...

Willoughby: Ja. In unserem Haus können wir die Frauen nicht vor Gewalt durch beispielsweise den Ex-Partner schützen, weil wir nicht rund um die Uhr besetzt sind. In unserer Einrichtung verfolgen wir einen sehr niedrigschwelligen Ansatz. Die Frauen, die hier leben, müssen einmal in der Woche einen verpflichtenden Termin bei unserer pädagogischen Beratung wahrnehmen, aber ansonsten sind sie sehr frei. Sie dürfen und sollen ein selbstbestimmtes Leben führen.

epd: Was heißt das konkret?

Willoughby: Jede Frau darf selbst entscheiden, ob sie über ihre Trennung und ihre Vergangenheit reden möchte oder nicht. Für die Frauen ist es oft eine große Umstellung und auch ein Stück weit demütigend, zum ersten Mal in so einer Einrichtung leben zu müssen, weil sie vorher eine eigene Wohnung hatten und die Kinder ihr eigenes Zimmer. Hier müssen sie sich dann plötzlich die Küche und das Bad mit anderen Familien teilen und das Schlafzimmer mit den Kindern - das ist alles eine große Veränderung. Wir lassen ihnen da erst einmal viel Freiraum. Frauen brauchen, wenn sie zur Ruhe kommen wollen, auch Freiheit.

epd: Wie kann man sich den Alltag hier vorstellen?

Willoughby: Die Frauen leben sehr selbstständig. Manche arbeiten, andere besuchen einen Deutschkurs, die Kinder gehen in die Kita und die Schule. Die Frauen müssen ihren Alltag selbst bewältigen: Lebensmittel einkaufen, kochen, Wäsche waschen, putzen. Man kann es sich vorstellen wie in einer Wohngemeinschaft. Unsere Einrichtung ist auch nicht immer besetzt. Das ist ein großer Unterschied zu Frauenhäusern. Dort ist immer jemand erreichbar.

epd: Wie nehmen die Kinder das Angebot an?

Willoughby: Das ist sehr unterschiedlich. Manche sind anfangs sehr schüchtern, andere spielen direkt mit den anderen Kindern und suchen Kontakt. Auch hier gilt dasselbe Prinzip: Sie haben viele Freiheiten und werden zu nichts gedrängt. Wir unternehmen häufig gemeinsam etwas. Manche wollen ein Rezept aus dem Internet nachkochen, andere wollen Minigolf spielen gehen oder auch mal ihre Ruhe haben.

epd: Wie viele Wohneinheiten beherbergt die Einrichtung?

Willoughby: Wir haben acht Apartments mit Wohnmöglichkeiten für jeweils zwei Familien. Wir können also insgesamt höchstens 16 Familien unterbringen.

epd: Wie ist die Auslastung aktuell?

Willoughby: Momentan sind wir voll. Das ist nicht immer so. Während der Corona-Pandemie war es eher ruhig, was wohl auch daran liegen kann, dass viele Behörden nur schwer zu erreichen waren wie beispielsweise das Jugendamt und viele Frauen aufgrund der unsicheren Lage in gewaltbehafteten Partnerschaften verblieben sind. Danach ist die Auslastung wieder deutlich angestiegen. Meistens sind alle 16 Plätze belegt.

epd: Ist die Zahl der Anfragen in letzter Zeit gestiegen?

Willoughby: Die Zahl der Frauen, die dieses Jahr aufgrund von häuslicher Gewalt hierherkamen, ist signifikant höher als in den Jahren davor. Woran das liegt, wissen wir nicht.

epd: Wie lange dürfen die Bewohnerinnen in der Einrichtung leben?

Willoughby: In der Regel bis zu sechs Monate. Danach wird der Bedarf noch einmal geprüft. Konnte trotz intensiver Suche keine Wohnung gefunden werden, kann gegebenenfalls verlängert werden.

epd: Was sind die häufigsten Gründe dafür, dass Frauen hier leben?

Willoughby: Bei den meisten ist es die Wohnungslosigkeit. Andere Frauen haben in ihrer Beziehung Gewalt erfahren und wissen nicht, wohin, wenn sie keine familiäre Unterstützung haben. Manche kamen in eine Notlage durch Wohnungsräumung, andere haben Schulden, einen Schufa-Eintrag oder ein laufendes Insolvenzverfahren, weswegen sie keine Wohnung bekommen.

epd: Was benötigen die Frauen, die hier wohnen?

Willoughby: Vor allem benötigen sie Unterstützung rund um Wohnungssuche, Finanzen und Stabilisierung.

epd: Wie sieht diese Unterstützung aus?

Willoughby: Wir helfen beim Erstellen von Accounts auf Wohnungssuchportalen, beim Ausfüllen von Unterlagen und dabei, sich wohnungssuchend zu melden. Wir geben Tipps, welche Wohnungsgröße passend ist, worauf sie achten müssen und was ein angemessener Preis ist. In seltenen Ausnahmefällen begleiten wir eine Wohnungsbesichtigung. Manchmal helfen wir dabei, die Anträge für eine Erstausstattung auszufüllen, da viele Frauen keine Möbel mehr haben. Wir sorgen in erster Linie dafür, dass die Frauen wieder alles haben, was sie zum Leben benötigen. Es gibt jedoch auch Frauen, die nicht in der Lage sind, allein zu wohnen. Da kann ein Mutter-Kind-Heim deutlich mehr Unterstützung leisten, inklusive klar definiertem Hilfeplan durch das Jugendamt.

epd: Kommen im „Übergangshaus Mutter Kind“ auch geflüchtete Frauen unter?

Willoughby: Nein, geflüchtete Frauen haben wir kaum. Das liegt vor allem daran, dass die Frauen, die hier wohnen, einen gesicherten Aufenthaltsstatus benötigen. Wir haben jedoch viele Frauen mit Migrationshintergrund aus den unterschiedlichsten Ländern. Ich denke, das liegt daran, dass diese Frauen häufiger in einer traditionellen Partnerschaft leben, in der der Mann das Geld verdient und sich um Verträge und Versicherungen kümmert und die Frau den Haushalt und die Kindererziehung übernimmt. Wenn sich die Frau dann trennen will, zieht sie oft den Kürzeren und steht ohne Geld, Wohnung und Arbeit da. Männer machen dann häufig auch Druck, drohen damit, den Frauen das Sorgerecht wegnehmen zu lassen.

epd: Wie geht es für die Frauen nach dem Auszug aus dem Übergangshaus weiter?

Willoughby: Viele können danach einen Neuanfang mit ihren Kindern machen, teilweise in eigenen Wohnungen und mit einem neuen Job. Manche versöhnen sich auch wieder mit ihren Männern und kehren zu ihnen zurück. Das ist nicht für jede die beste Lösung. Wenn Konflikte anhalten sind, ist es oft besser, sich zu trennen, weil sonst auch die Kinder darunter leiden.



Kirchen

Diakonie beschließt Bestimmung zum Umgang mit sexualisierter Gewalt




Maria Loheide
epd-bild/Heike Lyding
In Diakonie-Einrichtungen soll der Schutz vor sexualisierter Gewalt künftig verbindlicher werden. Das höchste Beschlussorgan des Bundesverbands beschloss eine Rahmenbestimmung, die Schutzkonzepte, Schulungen und Führungszeugnisse zur Pflicht macht. Zudem wurden neue Regeln im Arbeitsrecht festgelegt.

Berlin (epd). Die Diakonie hat sich Grundsatzregeln zum Umgang mit Missbrauchsfällen gegeben. Auch in Einrichtungen der Diakonie „kam und kommt es zu Verletzungen des Abstinenzgebots und zu Grenzverletzungen und Übergriffen in Form sexualisierter Gewalt“, heißt es in der am 17. Oktober von der Konferenz Diakonie und Entwicklung in Berlin ohne Gegenstimmen verabschiedeten Rahmenbestimmung. Es gab eine Enthaltung bei mehr als 100 Konferenzmitgliedern. Die Konferenz ist das höchste Organ der Diakonie und beschließt über Grundsatzfragen.

Missbrauchstaten würden durch unzureichende Schutzstrukturen und den Missbrauch von institutionell begründeten Machtbefugnissen begünstigt, heißt es in dem zehnseitigen Papier. Es enthält Grundregeln zur Prävention sexueller Übergriffe, zur Aufklärung von Taten sowie zu Ansprech- und Meldestellen für Beschäftigte und Betroffene. Diakonie-Sozialvorständin Maria Loheide sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), die Rahmenbestimmung verpflichte alle Mitglieder des Verbands, tätig zu werden, etwa Schutzkonzepte zu entwickeln und dafür zu sorgen, dass Beschäftigte geschult werden. Sie sei auch Ausdruck dafür, an einer „Veränderung der Kultur“ zu arbeiten.

Führungszeugnis muss vorgelegt werden

Bestimmt wird etwa, dass hauptamtlich Beschäftigte bei beruflich bedingtem Kontakt zu Minderjährigen sowie Volljährigen in Abhängigkeitsverhältnissen immer, ehrenamtlich Beschäftigte abhängig von der konkreten Tätigkeit regelmäßig ein Führungszeugnis vorlegen müssen. Festgelegt wird beim Thema Aufarbeitung beispielsweise, dass Betroffene einen Anspruch auf Einsicht der Fall- und Verfahrensakten haben und ihnen auf Wunsch mitzuteilen ist, welche personellen Konsequenzen aus ihrem Fall gezogen wurden.

Beim Thema Entschädigung, den sogenannten Anerkennungsleistungen, bleibt die Rahmenbestimmung vor dem Hintergrund der noch andauernden Beratungen innerhalb der evangelischen Kirche und im Gremium mit den Betroffenen allgemein. Die Leistungen dienten dazu, das erlittene Unrecht anzuerkennen und dazu beizutragen, es abzumildern, heißt es. Regelungen zur Finanzierung träfen die landeskirchlichen Diakonischen Werke in Abstimmung mit den Landeskirchen. Dabei seien „rechtliche sowie wirtschaftliche Aspekte“ zu beachten.

Ziel ist ein einheitliches Anerkennungsverfahren

Die evangelische Kirche ist bestrebt, die bislang in den 20 Landeskirchen unterschiedlich gestalteten Anerkennungsverfahren und -leistungen zu vereinheitlichen und hat sich dazu mit Betroffenen auf Grundzüge bereits verständigt. Ein formeller Beschluss wird aber erst für das nächste Frühjahr erwartet.

Detlev Zander, Sprecher der Betroffenen im Beteiligungsforum der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), begrüßte die Rahmenbestimmung. Sie sei „ein Schritt in die Zukunft“, sagte Zander, der an der Tagung in Berlin teilnahm. Er betonte, der „Flickenteppich“ bei den Anerkennungsverfahren müsse aufgehoben werden.

Die Rahmenbestimmung soll für alle diakonischen Träger und Fachverbände gelten und tut das mit dem Beschluss bereits für den Bundesverband. Die Landesverbände müssen die Bestimmung noch formell übernehmen.

Arbeitsrecht reformiert

Diakonie-Konferenz bestätigte außerdem neue Regeln im Arbeitsrecht. Demnach ist eine Kirchenmitgliedschaft künftig seltener als früher Voraussetzung für ein Arbeitsverhältnis in der Diakonie. Die Konferenz für Diakonie und Entwicklung beschloss in Berlin, die vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) geänderte Mitarbeitsrichtlinie zu übernehmen. Dafür stimmte die weit überwiegende Mehrheit der mehr als 100 Konferenzmitglieder. Es gab eine Gegenstimme.

Die Richtlinie regelt, dass nur noch für Tätigkeiten in der Verkündigung, der Seelsorge, der evangelischen Bildung oder „in besonderer Verantwortlichkeit für das evangelische Profil“ die Mitgliedschaft in der evangelischen Kirche vorausgesetzt wird. Auch der Austritt aus der Kirche ist danach nicht mehr automatisch Kündigungsgrund, sondern je nach Umständen zu betrachten. Der Personalvorstand im Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung, Jörg Kruttschnitt, sagte, die Richtlinie werde im Bundesverband bereits in die Praxis umgesetzt. Der Beschluss der Konferenz vollzieht dies nun formell nach.

Die Regelungen zur Kirchenmitgliedschaft im eigenen Arbeitsrecht der Kirchen sorgten in der Vergangenheit zunehmend für Diskussionen. 2018 hatte die Berlinerin Vera Egenberger vor dem Bundesarbeitsgericht eine Entschädigung erstritten, nachdem sie sich erfolglos beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung um eine Referentenstelle beworben hatte. Sie unterstellte eine Diskriminierung aus religiösen Gründen, weil sie konfessionslos war.

Corinna Buschow


Verbände

AWO fordert gerechtere Familienleistungen




Michael Groß
epd-bild/Christian Ditsch
Die AWO hat ausrechnen lassen, wie viel Geld mehr ein wohlhabendes Elternpaar für sein Kind bekommt als Eltern mit mittleren oder geringen Einkommen. Sie schlägt vor, die Erziehungsfreibeträge zu kürzen, damit die Familienförderung gerechter wird. Der VdK unterstützt den Vorschlag.

Berlin (epd). Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) fordert eine Reform der finanziellen Hilfen für Familien. Der Familienlastenausgleich sei „ungerecht und verteilungspolitisch fahrlässig“, kritisierte AWO-Präsident Michael Groß am 15. Oktober in Berlin. Es müsse endlich auf Milliarden-Steuergeschenke für Reiche verzichtet und mit dem Geld denen geholfen werden, die wirklich auf Hilfe angewiesen seien, insbesondere benachteiligten Kindern und Jugendlichen aus armen Familien. Der Sozialverband VdK schloss sich der Forderung an.

Der AWO-Bundesverband rechnet vor, dass Spitzenverdiener durch die Kinderfreibeträge bei der Einkommenssteuer auf eine monatliche Entlastung von bis zu 370 Euro kommen, während das Kindergeld für alle 250 Euro im Monat beträgt. Einer Studie des DIW Econ im Auftrag des Verbandes zufolge beziehen etwa 4,5 Millionen Haushalte allein das Kindergeld. Rund 4,2 Millionen Haushalte mit höheren Einkommen können zusätzliche Kinderfreibeträge geltend machen.

Sehr reiche Eltern profitieren am stärksten vom Fördersystem

Am stärksten profitieren den Berechnungen zufolge davon Eltern, die zusammen 555.650 Euro und mehr im Jahr verdienen: Sie erhalten jedes Jahr für ein Kind 1.416 Euro mehr vom Staat als ein Paar, das nur Kindergeld bekommt. Eltern mit gehobenem Einkommen (bis zu 8.058 Euro monatlich) und einem Kind haben rund 1.000 Euro mehr im Jahr und Paare mit mittlerem Einkommen (bis zu 4.835 Euro monatlich) haben jährlich immerhin noch 400 Euro mehr zur Verfügung als Eltern, die nur das Kindergeld bekommen.

Nach den Berechnungen des DIW Econ Instituts könnte der Staat knapp 3,5 Milliarden Euro mehr in der Kasse haben, wenn die Freibeträge drastisch zusammengestrichen würden, die über das sächliche Existenzminimum für ein Kind hinausgehen. Dafür geht die Studie von einem Szenario aus, in dem der Freibetrag für Bildung, Erziehung und Ausbildung (BEA) von derzeit 2.928 Euro für ein Elternpaar auf 600 Euro gesenkt würde.

3,5 Milliarden Euro könnten umgeschichtet werden

Von den 3,5 Milliarden Euro, die bei Best- und Gutverdienern gespart würden, könne man die Regelsätze für Kinder im Bürgergeld und den Kinderzuschlag für Geringverdiener um 100 Euro erhöhen, erklärte AWO-Präsident Groß. Damit würden rund drei Millionen Kinder erreicht, deren Eltern niedrige oder gar kein eigenes Einkommen haben.

Der Präsident des DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung), Marcel Fratzscher, sagte, die Freibeträge für Erziehung und Ausbildung führten zu einer „systematischen Besserstellung von Familien mit hohen Einkommen“. Selbst ohne Steuererhöhungen und ohne Reform der Schuldenbremse könnten messbare Verbesserungen für Familien mit kleinen Einkommen erzielt werden, gleichzeitig seien durch diese solidarische Umverteilung positive wirtschaftliche Effekte durch eine bessere Teilhabe in Bildung und Gesellschaft für viele Kinder und Jugendliche zu erwarten. Die Politik betone ja, sie wolle Chancengleichheit herstellen. Die Frage sei also, wie Kinder und Jugendliche zielgenauer gefördert werden könnten.

Bentele: Jedes Kind sollte dem Staat gleich viel wert sein

Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele erklärte, jedes Kind müsse dem Staat gleich viel wert sein. Die AWO-Studie bestätige, dass eine Neuausrichtung der Familienförderung dringend notwendig sei. Die Regierung müsse die Umverteilungsmöglichkeiten nutzen, die ihr zur Verfügung stünden, forderte die VdK-Chefin.

Statt reiche Familien zu bevorteilen, sollten ärmere Familien mit staatlichen Mitteln besser unterstützt werden, sagte Bentele. Sie rief die Politik auf, hinzuschauen und Familien wirksam und gerecht zu fördern. „Ein wichtiger Baustein ist eine gute Kindergrundsicherung“, sagte die Präsidentin.

In Deutschland leben dem Mikrozensus von 2023 zufolge 20,7 Prozent der Kinder an oder unter der Armutsgrenze. Rund 1,5 Millionen Kinder unter 15 Jahren bezogen im Mai dieses Jahres Bürgergeld. Die Armutsquote unter Kindern ist höher als in der Gesamtbevölkerung, wo sie 16,6 Prozent beträgt.

Bettina Markmeyer


Fachmesse

ConSozial: Medizinethikerin warnt vor blindem Vertrauen in KI




Alena Buyx
epd-bild/Christian Ditsch
Der Fachkräftemangel und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Pflege sind die dominierenden Themen beim Auftakt der ConSozial in Nürnberg. Vor allem bei sozialen Interaktionen muss laut Fachleuten kritisch mit KI umgegangen werden.

Nürnberg (epd). Die Münchner Medizinethikerin Alena Buyx hat zum Start der Fachmesse ConSozial auf das Potenzial von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Pflegebranche hingewiesen. KI könne angesichts des Fachkräftemangels Entlastung schaffen, sei aber nicht der Heilsbringer, sagte die Professorin für Ethik der Medizin und Gesundheitstechnologien an der Technischen Universität München (TUM) am 16. Oktober in Nürnberg. Viel Potenzial sehe sie hingegen bei der Pflegedokumentation, wo die Pflegekräfte rund 40 Prozent ihrer Arbeitszeit mit „administrativen Aufgaben vergeuden“.

Allein im Sozialbereich gehe fast ein Drittel der Mitarbeitenden in den nächsten Jahren in den Ruhestand, sagte die frühere Vorsitzende des Deutschen Ethikrates weiter. Gleichzeitig fehle es an Nachwuchs, das Anwerben ausländischer Fachkräfte werde durch bürokratische Verfahren gebremst. Der Fachkräftemangel sei in den sozialen Berufen besonders belastend.

„KI macht auch Fehler“

Zugleich wies Buyx aber auch auf die Grenzen von KI hin. „Das System macht auch Fehler“, warnte die Medizinethikerin vor blindem Vertrauen. Zwar gebe es in den USA positive Erfahrungen, etwa beim Aufnahme- und Entlassungsmanagement in Krankenhäusern durch einen Chatbot, weil der alle Fragen „mit endloser Geduld“ auch doppelt und dreifach beantworte. In langen Gesprächen habe die KI aber auch schon mal Patienten eine Scheidung empfohlen, so die Professorin.

Es sei wichtig, potenzielle Anwendungsgebiete aktiv und verantwortungsbewusst zu gestalten und bei Fehlentwicklungen gegenzusteuern, sagte Buyx weiter. Ein KI-gesteuerter Roboter könne zwar bei Demenzpatienten eine digitale Beziehung simulieren. „Aber wir wissen nicht, wie sich das langfristig auswirkt.“ Ein geplanter Pflegeroboter zum Füttern sei im Praxistext mit Pflegefachkräften jedoch durchgefallen. Essen verabreichen stehe für „menschliche Interaktion, pflegerische Zuwendung und persönlicher Austausch“.

Groß: Menschen nicht von digitaler Teilhabe abkoppeln

Neben Arbeitskräftemangel und Bürokratie verwies Michael Groß, Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW), bei seinem Grußwort auf weitere Baustellen der Branche. So seien manche Menschen bei der digitalen Teilhabe abgekoppelt, weil sie kein Geld für einen Laptop hätten oder mit der Online-Terminbuchung bei Behörden überfordert seien.

Zum 25. Jubiläum der ConSozial als mittlerweile größte Sozialmesse in Deutschland kam auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Er sicherte der ConSozial als Veranstaltung des Sozialministeriums weitere Unterstützung für die Zukunft zu. Die Beschäftigten in der Sozialwirtschaft - allein im Freistaat sind es 455.000 Festangestellte plus 136.000 Ehrenamtliche - „sind diejenigen, die unser Land am Laufen halten“. Das sollte auch die Gesellschaft anerkennen: „Ab und zu applaudieren, reicht nicht.“ Vielmehr gehe es auch um angemessene Bezahlung, sagte Söder.

Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) bezeichnete die Messe am 17. Oktober als vollen Erfolg. Rund 4.500 Besucherinnen und Besucher konnten mehr als 50 Vorträge beim ConSozial-Kongress und 14 Vorträge beim Kita-Kongress sowie 203 Aussteller auf rund 4.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche besuchen, so die Ministerin.



Schwangerschaft

Interview

Kinderwunschbehandlung: "Kosten für Paare werden steigen"




Stephanie Schlitt
epd-bild/pro familia Frankfurt
Nicht alle Bundesländer geben Ehepaaren Zuschüsse zur künstlichen Befruchtung. Nordrhein-Westfalen hat zuletzt pro Jahr 6.500 Paare gefördert. Damit ist nun Schluss - weil der Bund das Geld streicht. Im Interview mit epd sozial erläutert Stephanie Schlitt, stellvertretende Bundesvorsitzende von pro familia, welche Folgen das hat.

Frankfurt a.M. (epd). Noch ist der Förderstopp in NRW ein Einzelfall. Doch Stephanie Schlitt befürchtet einen Dominoeffekt. Andere Länder könnten dem Beispiel folgen. Das würde die ohnehin teuren Kinderwunschbehandlungen für weniger betuchte Paare oft unbezahlbar machen. Betroffene müssten dann 50 Prozent der Kosten selbst bezahlen, den Rest tragen die Kassen. „Das ist ein großes Problem und für Paare mit Kinderwunsch und wird sehr schmerzhaft sein“, so die Fachfrau. Die Fragen stellte Dirk Baas.

epd sozial: Welche Rolle spielen unerfüllte Kinderwünsche in Ihrem Beratungsalltag und welche Alternativen gibt es zur Kinderwunschbehandlung?

Stephanie Schlitt: Wir würden uns wünschen, dass mehr Paare den Weg in die Beratung finden würden, die eine Kinderwunschbehandlung planen oder gerade durchlaufen. Denn ausführlich über das Problem zu sprechen, kann den Betroffenen dabei helfen, mit den seelischen Belastungen umzugehen, die im Laufe einer Kinderwunschbehandlung auftreten können. Oft kommen Paare erst in die Beratung, wenn bei reproduktionsmedizinischen Behandlungen der Erfolg ausbleibt. Dann kann gemeinsam geklärt werden, ob eine Adoption infrage kommt. Die Beratung unterstützt und begleitet Paare dabei, wenn sie sich von dem Wunsch nach einem leiblichen Kind verabschieden und einen neuen Lebensentwurf entwickeln müssen.

epd: Das Land NRW streicht die finanzielle Förderung von Kinderwunschbehandlungen. Ist das noch ein Einzelfall?

Schlitt: Die Förderung von Kinderwunschbehandlungen geht auf eine Initiative des Bundes zurück. Er hatte den Ländern angeboten, sich an Kinderwunschbehandlungen im Land zu beteiligen, wenn das jeweilige Land sich verpflichtet, den gleichen Anteil der Kosten zu übernehmen, zusammen 25 Prozent. Diese Kooperation sind die meisten Bundesländer nach und nach eingegangen, es fehlen nur Baden-Württemberg, Brandenburg, Hamburg und Niedersachsen. Nordrhein-Westfalen will sich nun aus der Förderung zurückziehen, weil der Bund gegenüber den Ländern massive Mittelkürzungen für das laufende Jahr und 2025 angekündigt hat. Weil diese Mittelkürzungen alle Länder betreffen, steht zu befürchten, dass die übrigen Bundesländer die Förderung ebenfalls stoppen werden. Das würde bedeuten, dass künftig lediglich der Krankenkassenkassenanteil von 50 Prozent der Kosten von Kinderwunschbehandlungen bezahlt wird, 50 Prozent müssen die Paare dann selbst bezahlen.

epd: NRW schiebt den Schwarzen Peter zum Bund, der habe die Zusage seiner Fördergelder ohne Gespräche zurückgezogen. Im nächsten Jahr soll es noch weniger Geld vom Bund geben. Wie bewerten Sie das?

Schlitt: Natürlich wissen wir alle, dass die Haushaltslage sehr angespannt ist. Dennoch hätten wir uns eine andere Lösung gewünscht. Die Folgen der Einsparungen werden für Paare mit Kinderwunsch sehr schmerzhaft sein. In Deutschland ist fast jedes zehnte Paar zwischen 25 und 59 Jahren ungewollt kinderlos. Bei vielen von ihnen wird künftig die Frage im Raum stehen, ob sie die Kinderwunschbehandlung überhaupt finanzieren können.

epd: Wie hoch sind die Kosten, die sie je künstlicher Befruchtung selbst zu bezahlen haben?

Schlitt: Zunächst einmal: Wer eine bestimmte Altersgrenze überschritten hat und nicht in einer heterosexuellen Beziehung lebt, ist in den meisten Fällen schon jetzt von einer Förderung ausgeschlossen. Die meisten Krankenkassen schließen zudem Unverheiratete aus. Die Kosten für eine Behandlung variieren sehr stark: von rund 900 Euro für eine Insemination über etwa 4.000 Euro für eine künstliche Befruchtung bis hinzu rund 6.000 Euro für die Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI). Weil in der Regel mehrere Versuche notwendig sind, übersteigen die Behandlungskosten schnell das Budget der Betroffenen.

epd: Warum müssen oder auch sollten die Bundesländer hier überhaupt Steuergelder aufwenden? Sind diese verschiedenen Formen der Behandlung nicht primär Leistungen der Krankenkassen?

Schlitt: Wir würden uns wünschen, dass alle Menschen den gleichen Zugang zu medizinischem Fortschritt haben, also auch zu reproduktionsmedizinischen Maßnahmen. Dass die Krankenkasse die nur zu 50 Prozent bezahlen und auch nur maximal drei Versuche, erscheint uns willkürlich. Die freiwilligen Leistungen von Bund und Ländern sind ein Versuch, die finanzielle Last für Paare zu reduzieren, um die Benachteiligung von finanziell schwächer gestellten Menschen zu reduzieren. Es gibt keinen Rechtsanspruch auf Unterstützung durch das Land oder den Bund.

epd: NRW hat nach eigenen Angaben jährlich bis zu 6.500 Paare, die ein Kind wollen, unterstützt. Haben Sie Zahlen aus anderen Bundesländern und wenn ja, wie haben die sich in den zurückliegenden Jahren entwickelt? Gibt es bundesweit mehr Behandlungen?

Schlitt: Wir selbst haben keine Zahlen. Brauchbare Aussagen findet man im IVF Register, das 1982 entstanden ist. Hier wird auch die Abhängigkeit von Schwangerschafts- und Geburtenraten vom Alter der Frau betont. (Anmerkung des Interviewers: Laut IVF Register lag die Zahl der Behandlungen 2022 bei 123.332 Zyklen. Haben Frauen in der Altersgruppe von 30 bis 34 Jahren pro Embryotransfer eine Schwangerschaftschance von 39,7 Prozent und eine Geburtenrate von 31,6 Prozent zu erwarten, sinken in der Altersgruppe von 41 bis 44 Jahren die Schwangerschaftsraten pro Embryotransfer auf 16,7 Prozent und die Geburtenrate auf 8,2 Prozent).

epd: Nicht jede Behandlung führt zum gewünschten Erfolg. Haben Sie Daten, wie oft eine solche medizinische Behandlung scheitert und die Paare sich damit abfinden müssen, keine leiblichen Kinder zu haben?

Schlitt: Die Schwangerschaftsraten liegen bei etwa 30 Prozent und die Geburtenraten pro Transfer bei knapp 24 Prozent, die jährliche Statistik gibt darüber Auskunft. Im deutschen IVF-Register sind rund 140 Mitgliedszentren berücksichtigt.

epd: Wie sehen Sie das Fördersystem ganz allgemein, reichen die Unterstützungen vor dem Hintergrund, dass Deutschland ja keine hohe Geburtenrate hat und das langfristig zum Problem werden kann?

Schlitt: Hier geht es nicht um Geburtenraten, sondern um individuelle Lebensgeschichten. Studien zeigen, dass in Deutschland rund jedes sechste Paar vorübergehend von unerfülltem Kinderwunsch oder Unfruchtbarkeit betroffen ist, jedes zehnte Paar bleibt ungewollt kinderlos. Bei dieser hohen Zahl kann davon ausgegangen werden, dass Reproduktionstechniken künftig eine immer größere Rolle dabei spielen werden, Menschen den Kinderwunsch zu erfüllen. Und natürlich ist es dann ein großes Problem, wenn die Paare den Löwenanteil der Behandlungen selbst bestreiten müssen.



Kirchen

Gastbeitrag

Die digitale Zukunft im Blick




Anna Dudenhausen
epd-bild/Diözesancaritasverband Münster
Kontakte zwischen Wohlfahrt und hilfesuchenden Menschen finden schon länger im digitalen Raum statt. Um diese Angebote auszubauen und gleichzeitig Menschen zu befähigen, sich in einer digitalen Welt zurechtzufinden, initiierte der Caritasverband für das Bistum Münster das Projekt "Digital zukunftsfähig aufgestellt". Projektleiterin Anna Dudenhausen berichtet in ihrem Gastbeitrag für epd sozial über den Verlauf der Initiative.

In der Corona-Pandemie leiteten die Einrichtungen und Dienste der Caritas im Bistum Münster in kürzester Zeit zahlreiche Digitalisierungsschritte ein. Aufgrund von Kontaktbeschränkungen entwickelten sie vor Ort unkomplizierte Maßnahmen, um Beratung und Betreuung aufrechterhalten zu können. Die Zeit für grundlegende konzeptionelle Überlegungen sowie die Möglichkeit für systematische Schulungen und Vernetzung waren jedoch kaum gegeben.

Mit dem Ausklingen der Pandemie stellte sich die Frage, was die örtlichen Verbände und Organisationen der Caritas im Bistum Münster benötigen, um sich und ihre Zielgruppen weiter digital für die Zukunft fit zu machen. Denn kontaktorientierte Hilfesysteme wie die der Caritas werden in einer zunehmend digitalisierten Welt weiterhin gefordert sein, ihre Zugänge digital zu gestalten.

Zweijähriges Digitalisierungsprojekt

An dieser Ausgangssituation knüpfte das durch die Glücksspirale geförderte Projekt „Digital zukunftsfähig aufgestellt“ an, das von September 2022 bis August 2024 beim Caritasverband für das Bistum angesiedelt war. Der Projekttitel beschreibt das Gesamtziel der zweijährigen Laufzeit: Die am Projekt teilnehmenden Einrichtungen der Caritas stellen sich digital zukunftsfähig auf, um die Herausforderungen der Digitalisierung im Sinne ihrer Klientinnen und Klienten gut meistern zu können. Für hilfebedürftige Menschen soll über diese Entwicklung die Integration in die Gesellschaft weiter ermöglicht werden.

Eine Bedarfsabfrage und -analyse zum Projektbeginn ergab eine vielschichtige Auseinandersetzung mit anstehenden Digitalisierungsschritten im Bistumsgebiet Münster. Sie offenbarte jedoch auch hemmende Faktoren wie Refinanzierungsfragen und den steigenden Fachkräftemangel. Darüber hinaus wurde deutlich, dass zur Bereitstellung von digitalen Angeboten sowie zur Befähigung von Zielgruppen zunächst grundlegende organisatorische Abläufe innerhalb der Organisationen sowie Kompetenzen der Mitarbeitenden entwickelt und gefördert werden müssen. Diese wichtigen Erkenntnisse flossen in die Projektmaßnahmen ein.

Von digitaler Medienkultur zu KI-Kompetenzen

Insgesamt bildeten sich im Projekt vier größere thematische Schwerpunkte heraus. Diese umfassen:

1) den Umgang mit digitalen Medien in der Kinder- und Jugendhilfe 2) die Onlinebuchung von Beratungsterminen 3) die Öffentlichkeitsarbeit via Social Media und 4) den Erwerb von grundlegenden Kompetenzen im Themenfeld Künstliche Intelligenz (KI). Dabei ging die Arbeit an zwei Projektstandorten sowie die Umsetzung von übergeordneten Schulungs- und Vernetzungsangeboten Hand in Hand.

Das junikum, Gesellschaft für Jugendhilfe und Familien St. Agnes mbH, erfasste im Rahmen des Projekts den Schulungsbedarf der Mitarbeitenden in Sachen digitaler Medien. Außerdem sprachen Kinder und Jugendliche in den Wohngruppen über ihre Mediennutzungsgewohnheiten sowie -erfahrungen. Danach ermöglichte das junikum ausgewählten Fachkräften die Teilnahme an einer zugeschnittenen medienpädagogischen Schulung für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren. Eine neu etablierte Steuerungsgruppe stellte parallel sicher, dass das Wissen zukünftig an die Fachkräfte und schließlich an die Kinder und Jugendlichen weitergegeben werden kann.

Der katholische Sozialdienst e. V. legte neben weiteren digitalstrategischen Fragen einen Schwerpunkt auf die Einführung einer Online-Terminbuchung für die Schwangerschaftsberatung. Diese wurde zuvor von Klientinnen als wünschenswert bewertet. Das Projektteam reflektierte zunächst die bisherige Terminverwaltung und klärte organisatorische sowie rechtliche Fragen. Zudem probierte es einzelne Funktionen des anzuwendenden Tools aus. Nach einer Testphase ist inzwischen die Online-Terminbuchung möglich. Die Erfahrungen zur Einführung wurden mittels einer Checkliste an andere Beratungsstellen weitergegeben.

Im Rahmen der Webseminarreihe „How to SOCIAL MEDIA“ konnten sich rund 120 Mitarbeitende der Caritas im Bistum Münster zu diversen Themen rund um Social Media weiterbilden. Sie schufen sich damit wichtige Grundlagen für die Kommunikation gegenüber hilfe- und ratsuchenden Menschen sowie anderen Bezugsgruppen, wie etwa potenziellen Fachkräften oder Politikerinnen und Politikern. Der Erwerb von grundlegenden KI-Kompetenzen war Ziel einer weiteren Webseminarreihe, die rund 90 Mitarbeitende erreichte. Die Idee dahinter: Um in eine mögliche Anwendung und/oder mit Zielgruppen vor Ort in einen Austausch zu KI gelangen zu können, bedarf es zunächst Wissen über KI und damit verbundene Techniken.

Fazit und Ausblick

Die zweijährige intensive Zusammenarbeit bot den Projektstandorten Zeit und Raum für die Entwicklung von Konzepten und einer schrittweisen Umsetzung. Deutlich wurde dabei: Digitalisierung braucht sowohl die Aufmerksamkeit der Geschäftsführung als auch die Einbindung von Mitarbeitenden und der Zielgruppen, damit sie erfolgreich gelingen kann. Webseminare können auf große Reichweiten stoßen, wenn sie gut in den Arbeitsalltag zu integrieren sind. Dabei stellten sich die Länge von 90 Minuten sowie Termine am Vormittag als ideal heraus.

Mit dem Projektabschluss Ende August 2024 ging die zweijährige Förderzeit zu Ende, die langfristige Perspektive wird aber nicht aus dem Blick fallen. Die angestoßenen Initiativen vor Ort sowie die Angebote der Caritas für das Bistum Münster im Bereich Digitalisierung werden weiter gehen. Dabei soll auch nach der Projektzeit eng mit Mitgliedsorganisationen zusammengearbeitet werden, sowie auf eine starke Vernetzung innerhalb und außerhalb der Caritaswelt gesetzt werden.

Anna Dudenhausen ist Referentin für Digitalstrategie beim Caritasverband für die Diözese Münster


Wohnungsbau

Bündnis fordert mehr Umbau von bestehendem Wohnraum



Berlin, Bonn (epd). Ein Bündnis von Verbänden fordert mehr Anstrengungen bei der Mobilisierung von bestehendem Wohnraum. Jedes Jahr könnten so rund 50.000 Wohnungen entstehen, ohne neue zu bauen, teilte das Bündnis am 14. Oktober mit. Durch Umbauförderung und Beratung von Eigentümern ließen sich dabei jährlich 2,8 Terawattstunden Energie und 700.000 Tonnen CO2 einsparen, wobei hier der vermiedene Neubau noch nicht einberechnet sei.

Große Wohnungen wie etwa Einfamilienhäuser würden nach dem Auszug der Kinder meist von nur ein bis zwei Personen bewohnt, heißt es in dem Appell. Zahlreiche Wohnungseigentümer seien grundsätzlich bereit, ihre Wohnsituation zu verkleinern und bislang ungenutzten Wohnraum zu vermieten, bräuchten dafür aber Unterstützung. Zu den unterzeichnenden Verbänden zählen beispielsweise die Grüne Liga, der Bundesverband Wohneigentum, die Diakonie Deutschland und der Bund deutscher Architektinnen und Architekten.

Diakonie: Chance nicht entgehen lassen

„Wir dürfen nicht ausschließlich auf Neubau setzen. Wohnraum im Bestand zu aktivieren, ist kostengünstiger und umweltschonender“, sagte Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch. „Dieses Potenzial bleibt bisher mehr oder minder ungenutzt. Es bedarf besserer Anreize und Unterstützung, um dieses heute so wertvolle Potenzial zu heben.“ Er betonte, die Gesellschaft profitiere davon in mehrfacher Hinsicht: Klimakrise, Wohnraumnot, schwindendem sozialen Zusammenhalt und Einsamkeit würde man dadurch gleichzeitig begegnen: „Diese Chance dürfen wir uns nicht entgehen lassen.“

Konkret forderte das Bündnis vom Bund, Wohnraumagenturen zu fördern, die zu Möglichkeiten des Wohnens beraten und Auskünfte zu architektonischen, rechtlichen und finanziellen Fragen geben. Der Bund solle auch eine Koordinierungsstelle für intergenerationelle Wohnpartnerschaften einrichten. Bund und Länder gemeinsam sollten Umbaumaßnahmen wie etwa die Schaffung eines zweiten Badezimmers und eines zusätzlichen Eingangs fördern.

Bauordnungen der Bundesländer hinderlich

Umbauten würden häufig mit alters- und klimagerechten Sanierungen verbunden, hieß es weiter. Wenn diese Umbauten zusätzlich neuen Wohnraum schüfen, hätte dies einen dreifachen Nutzen. Doch Bauordnungen der Länder stünden dem häufig entgegen.

Auch aus gesellschaftlicher Perspektive versprächen verstärkte Umbauanstrengungen Gewinn, heißt es im Positionspapier der Verbände. Stabilisiere oder erhöhe sich die Einwohnerzahl eines Quartiers, könne dies Infrastrukturen wie Kitas, Öffentlichen Personennahverkehr oder Geschäfte langfristig erhalten. Gemeinschaftliche Wohnformen verringerten zudem das Risiko von Einsamkeit.



Jugendhilfe

"Jedes Kind verdient ein sicheres Zuhause"



Berlin (epd). Der Bundesverband der Albert-Schweitzer-Kinderdörfer und Familienwerke hat seinen Jahresbericht 2023/2024 vorgelegt. Demnach wurden im Vorjahr deutschlandweit mehr als 63.000 Fälle von Kindeswohlgefährdung registriert. „Das sei ein trauriger Rekord, der zeigt, wie dringend professionelle Unterstützung für Familien in Krisensituationen und Schutzräume für Kinder benötigt werden“, so Geschäftsführer Albrecht Matthaei: „Unsere Arbeit ist heute wichtiger denn je, denn jedes Kind verdient ein sicheres Zuhause.“

Der Bericht biete einen umfassenden Einblick in die vielfältigen Aktivitäten der Organisation, die bundesweit Kinder, Jugendliche und Familien unterstützt, hieß es. Die vorgestellten Zahlen und Projekte unterstrichen die zunehmende Bedeutung, die Reichweite und die Wirksamkeit des Hilfsangebots. In zehn Bundesländern und rund 500 Einrichtungen ist der Träger für Kinder und Familien da, die Hilfe suchen und brauchen. Mehr als 2.300 Mitarbeitende sind in Kinderdörfern, Wohngruppen, Schulen, Kitas, Familienzentren, Jugendtreffs, Fachstellen für Kinderschutz, Kliniken, im Frauen- und Kinderschutzhaus und zusätzlich in der Alten- und Behindertenhilfe aktiv.

„Oft letzter Rettungsanker“

„Unsere Kinderdörfer sind oft der letzte Rettungsanker für Kinder,“ sagte Matthaei. „Jedes Kind, das wir erreichen, ist ein Schritt in eine bessere Zukunft.“ Mit ihren vielfältigen Angeboten hätten die zehn Mitgliedsvereine im vergangenen Jahr mehr als 22.000 Kinder und Jugendliche erreicht. Gleichzeitig wurden mehr als 20.000 Menschen durch weitere soziale Projekte unterstützt.

Anhand von Beispielen zeigt der Verband in seinem Bericht auf, wie er ganz praktisch hilft. Zudem macht er die Verwendung seiner finanziellen Mittel transparent. Möglich werden viele der Therapie-, Bildungs- und Freizeitangebote durch Spenden: Mehr als 8,5 Millionen Euro an Zuwendungen konnten 2023 für Projekte in den Kinderdörfern und Familienwerken, die Fachkräfteinitiative des Verbandes und die bundesweite Miteinander-Schulaktion eingesetzt werden, um das Leben von Kindern und Jugendlichen nachhaltig zu verbessern. „Unsere Arbeit lebt von Spenden, und jeder Beitrag zählt“, betonte der Geschäftsführer.

Der Bericht beleuchtet auch die Herausforderungen, denen sich der Verband stellt - etwa die immer schwierigere Suche nach pädagogischen Fachkräften - sowie die Lösungsansätze, die er dafür entwickelt. Mit dem Blick nach vorn formuliert er sein klares Ziel: Den Fortbestand und die Weiterentwicklung seines Angebots, um noch mehr Kindern und Jugendlichen langfristige Zukunftsperspektiven zu bieten.




sozial-Recht

Bundesfinanzhof

Geteilte Kindesbetreuung heißt nicht geteilte Finanzen




Im Streit um die Aufteilung der Kitakosten bei getrennt lebenden Eltern hat nun der Bundesfinanzhof entschieden.
epd-bild/Heike Lyding
Getrennt lebende Eltern können bei der annähernd gleich aufgeteilten Kinderbetreuung nicht auch von gleich aufgeteilten Einkünften und Ausgaben des Kindes ausgehen. Wer Kindergeld und andere Freibeträge bekommt, kann aber vertraglich vereinbart werden, urteilte der Bundesfinanzhof.

München (epd). Kinder leiden oft unter der Trennung der Eltern, haben Schuldgefühle und geraten in Loyalitätskonflikte. Das paritätische Wechselmodell, bei dem Eltern die Betreuung des Kindes hälftig teilen, soll eine möglichst gleichberechtigte Beziehung des Kindes zu Mutter und Vater garantieren. Doch auch bei einer hälftigen Betreuung des Kindes geht damit nicht automatisch auch eine hälftige Teilung der Einkünfte und Ausgaben zwischen den getrennt lebenden Elternteilen einher, stellte der Bundesfinanzhof (BFH) in München in einem am 10. Oktober veröffentlichten Urteil klar.

So sehen die gesetzlichen Bestimmungen die Auszahlung des Kindergeldes und die Berücksichtigung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende nur für einen Elternteil vor, befand der BFH. Andere Regelungen müssten ausdrücklich - am besten schriftlich - zwischen den Eltern vereinbart werden. Nach den gesetzlichen Bestimmungen erhalte der Elternteil das Kindergeld ausgezahlt, bei dem das Kind gemeldet ist. Die Eltern müssten sich dann über die exakte Aufteilung dieses Geldes einigen.

BGH legte Grundlagen zur Teilung des Kindergeldes fest

Für den Fall einer fehlenden Absprache hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Beschluss vom 20. April 2016 Regeln zur Aufteilung des Kindergeldes bestimmt. Die Karlsruher Richter haben dabei das Kindergeld gesplittet. Danach wird eine Hälfte dem Betreuungs- und die andere Hälfte dem Barunterhalt zugerechnet. Der Betreuungsunterhalt steht laut BGH beiden Elternteilen unabhängig vom Einkommen zu gleichen Teilen zu. Der Elternteil im Wechselmodell, der das Kindergeld erhält, muss dann dem Ex-Partner dessen Anteil am Betreuungsunterhalt geben, also ein Viertel der Summe. Beim Barunterhalt wird das Kindergeld hingegen nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und den Einkünften der Eltern aufgeteilt.

Im aktuellen, vom BFH entschiedenen Fall war der aus Thüringen kommende und getrennt lebende Vater eines Kindes bei den Einkünften und Ausgaben von einer fairen Aufteilung mit der Kindesmutter ausgegangen. Sowohl er als auch seine Ex-Partnerin wollten die Betreuung des gemeinsamen Kindes im paritätischen Wechselmodell ausüben. Eine Woche war das Kind beim Vater, die darauffolgende Woche wieder bei der Mutter. Der Vater führte an, dass er sich mit der Mutter darauf geeinigt habe, dass sie das Kindergeld bekommt und sie dafür im Gegenzug die vollen Kitakosten übernimmt.

Kläger scheiterte mit seiner Steuererklärung

In seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2015 machte er für vier Monate den hälftigen Entlastungsbetrag für Alleinerziehende geltend. Der Freibetrag, der das zu versteuernde Einkommen mindert, betrug 2015 insgesamt 1.908 Euro (2024 insgesamt 4.260 Euro) Alleinerziehende können ihn beanspruchen, wenn das Kind im eigenen Haushalt lebt und der betreffende Elternteil Anspruch auf Kindergeld oder den Kinderfreibetrag hat. Der Kläger beantragte zudem den auf ihn entfallenden Kinderfreibetrag sowie die Berücksichtigung der hälftigen Kitakosten als Sonderausgaben in Höhe von 690 Euro.

Doch der Mann hatte vor dem BFH keinen Erfolg. Nach den allgemeinen Grundsätzen könnten Sonderausgaben nur bei demjenigen steuermindernd berücksichtigt werden, der sie getragen hat - und das sei hier die Kindesmutter. Sie habe die Kitakosten alleine überwiesen. Der Kläger habe auch nicht nachgewiesen, dass er die Kitakosten seiner Ex-Partnerin zumindest teilweise erstattet hat. Allein die Überlassung des Kindergeldes sei noch kein Beleg dafür. Eine Vereinbarung mit der Mutter über die Aufteilung der Kosten habe der Kläger ebenfalls nicht vorlegen können.

Entlastungsbetrag nur für einen Elternteil

Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende stehe aus Gründen der Steuervereinfachung auch im Wechselmodell nur einem Elternteil zu. Das sei regelmäßig derjenige, der das Kindergeld erhält, also ebenfalls die Mutter. Zivilrechtlich könnten Eltern sich aber darauf verständigen, wer das Kindergeld und wer den Entlastungsbetrag erhält. Daran fehle es im Streitfall, so der BFH.

Schließlich könne der Kläger auch nicht den einfachen Kinderfreibetrag beanspruchen. Die steuerlichen Freibeträge für Kinder seien zwar teilbar, seien hier mit dem an die Mutter ausgezahlten Kindergeld aber bereits abgegolten.

Getrennt lebende Eltern können auch kein Gesetz verlangen, dass ihnen das Recht auf ein paritätisches Wechselmodell einräumt, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit Beschluss vom 22. Januar 2018. Weder aus dem Grundgesetz noch aus der UN-Kinderrechtskonvention ergebe sich, dass getrennt lebenden Eltern eine paritätische Betreuung zustehen müsse. Der Gesetzgeber müsse das nicht als Regelfall vorschreiben. Das paritätische Wechselmodell könne erst recht nicht verlangt werden, wenn das Verhältnis zwischen den Eltern „hoch strittig“ und damit das Kindeswohl gefährdet ist.

Az.: III R 1/22 (Bundesfinanzhof)

Az.: XII ZB 45/15 (Bundesgerichtshof Aufteilung Kindergeld)

Az.: 1 BvR 2616/17 (Bundesverfassungsgericht)

Frank Leth


Landessozialgericht

Verkauf eines kreditfinanzierten Autos mindert Kfz-Hilfe



Essen (epd). Die von einem Reha-Träger gezahlte Kraftfahrzeughilfe soll schwerbehinderte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Anschaffung eines Autos und damit den Weg zur Arbeit ermöglichen. Allerdings können behinderte Beschäftigte bei der Kfz-Hilfe leer ausgehen, wenn sie ihren noch mit einem Darlehen belasteten Altwagen vorher verkaufen, entschied das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in einem am 18. September veröffentlichten Urteil. Denn trotz des noch laufenden Darlehens auf den Altwagen wird dessen voller Verkaufserlös mindernd auf die Kfz-Hilfe angerechnet, so die Essener Richter, die allerdings die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) in Kassel zuließen.

Bis zum 9. Juni 2021 konnten Menschen mit Behinderung zur Teilhabe am Arbeitsleben eine Kfz-Hilfe von höchstens 9.500 Euro für den Kauf eines neuen Autos erhalten. Seit dem 10. Juni 2021 hat der Gesetzgeber die Kfz-Hilfe abhängig vom Nettoeinkommen auf bis zu 22.000 Euro erhöht.

Autoverkauf brachte wegen Tilgung nichts ein

Die Klägerin, eine stark gehbehinderte städtische Sachbearbeiterin, war für ihren Arbeitsweg auf einen eigenen Pkw angewiesen. Weil sie mit dessen Schaltgetriebe nicht zurechtkam, verkaufte sie am 21. Oktober 2018 ihr Auto für 20.000 Euro. Von dem Geld hatte sie jedoch nichts, weil der Verkaufserlös vollständig zur Tilgung des mit einem Darlehen finanzierten Autos verwendet wurde.

Kurz darauf kaufte sie einen behindertengerechten Neuwagen mit Automatikgetriebe zum Preis von 39.157 Euro. Vom zuständigen Reha-Träger verlangte sie eine Kfz-Hilfe von hier 6.080 Euro. Die Förderung sei zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich, so ihre Begründung.

Reha-Träger verweigerte Hilfe

Doch der Reha-Träger lehnte den Antrag ab. Zum einen sei dieser erst nach dem Neuwagenkauf im Februar 2019 und damit zu spät gestellt worden. Außerdem müsse der Verkaufserlös des Altwagens angerechnet werden, sodass kein Anspruch auf eine Kfz-Hilfe mehr bestehe, hieß es.

Die Frau meinte dagegen, dass der Verkaufserlös des Altwagens nicht angerechnet werden dürfe. Die Annahme, dass das Geld für den Neukauf eines Pkw verwendet werden könne, sei falsch, weil sie ja noch das Darlehen tilgen musste.

Das LSG wies die Klage ab. Die Klägerin habe zum einen die Kfz-Hilfe, nicht wie vorgeschrieben, vor dem Kauf beantragt. Zum anderen stehe ihr die Förderung bereits deshalb nicht zu, weil der Verkaufserlös des Altwagens angerechnet werden müsse. Dass damit das Darlehen getilgt werden musste, sei unerheblich, so das Gericht. Es würde eine Ungleichbehandlung des zu fördernden Personenkreises bedeuten, wenn der Verkauf eines noch mit einem Darlehen belasteten Altwagens nicht angerechnet würde, der Verkaufserlös eines Autos, das aus Sparguthaben finanziert oder bei dem das Darlehen abbezahlt worden sei, hingegen schon.

Az.: L 18 R 149/22



Landessozialgericht

Kein Anspruch auf Intensivpflege in der Schule



Celle (epd). Schüler mit Erkrankungen haben nach einem Urteil des Landessozialgerichtes Niedersachsen-Bremen keinen Anspruch auf Intensivpflege während der Schulzeit. Die Intensivpflege sei schwerstpflegebedürftigen Menschen vorbehalten, die durch den medizinischen Fortschritt außerhalb von Krankenhäusern und Hospizen versorgt werden können, entschied das Gericht in Celle in einem am 14. Oktober bekannt gemachten Beschluss. Krankenkassen seien nicht dafür zuständig, etwaige Versorgungsdefizite im pädagogisch-erzieherischen Bereich auszugleichen.

Ausgangspunkt war den Angaben zufolge ein Eilverfahren eines achtjährigen Jungen, der an einer angeborenen Störung des Fettstoffwechsels leidet und auf eine spezielle Diät angewiesen ist. Seine Krankenkasse hätte zu Beginn des neuen Schuljahrs häusliche Krankenpflege während der Schulzeit bewilligt. Dabei sei ein Pflegedienst zweimal täglich in die Schule gekommen, um die Gabe von MCT-Öl sicherzustellen.

Leistungen hätten nicht gewährt werden dürfen

Darüber hinaus hätten die Eltern eine außerklinische Intensivpflege als Schulbegleitung beantragt, die insbesondere darauf achten sollte, dass der Junge ausreichend und richtig esse. Dies lehnte die Kasse laut Gericht ab. Das Gericht entschied noch weitgehender als die Kasse. Es bestehe kein Anspruch auf außerklinische Intensivpflege in Form einer Schulbegleitung, sodass selbst die bereits bewilligten Leistungen nicht hätten gewährt werden dürfen.

Die Beaufsichtigung eines Kindes beim Essen oder die Versorgung nach Erbrechen falle zudem in den Bereich der Grundpflege und Betreuung, nicht jedoch der Behandlungspflege, heißt es in dem Urteil vom 23. September.

Az.: L 16 KR 383/24 B ER



Landgericht

Wohnungsgesellschaft muss behinderten Mieter entschädigen



Berlin (epd). Eine Berliner Wohnungsbaugesellschaft muss einem behinderten Mieter 11.000 Euro Entschädigung wegen Diskriminierung zahlen. Die Entschädigung stehe dem im Rollstuhl sitzenden Mieter zu, weil die Gesellschaft den Anbau einer Rampe am Haus mehr als zwei Jahre lang abgelehnt habe, teilte die Pressestelle der Berliner Zivilgerichte am 11. Oktober mit. Das Landgericht habe die Höhe der Entschädigung mit den gravierenden Folgen der Benachteiligung für den Kläger und mit dem Verhalten der Vermieterin begründet.

Der Kläger sei zum Verlassen des Wohnhauses auf Hilfe angewiesen gewesen, weil er die sechs Treppenstufen zum Eingang nicht eigenständig habe überwinden können, erklärte das Gericht. Er sei dadurch in seiner Bewegungs- und Handlungsfreiheit stark eingeschränkt gewesen.

Benachteiligung durch Unterlassen

Dennoch habe die Wohnungsbaugesellschaft zwei Jahre lang „hartnäckig die Zustimmung zum Bau der Rampe aus pauschalen Gründen“ abgelehnt, die „nicht ansatzweise zu überzeugen vermochten“. Dadurch habe sie den Mieter „durch Unterlassen unmittelbar benachteiligt“, befand das Gericht.

Im Vergleich zu anderen Mietern ohne körperliche Behinderung sei dem Kläger der Zugang zur Wohnung rechtswidrig versagt worden, betonte das Gericht. Grundlage für die Gerichtsentscheidung sei das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. In einem weiteren Verfahren in der Angelegenheit hat das Landgericht Berlin den Angaben zufolge die Vermieterin inzwischen zudem verpflichtet, dem Anbau einer Rampe zuzustimmen.

Az.: 66 S 24/24



Sozialgericht

Landkreis muss Asylbewerberleistungen bei Kirchenasyl gewähren



Chemnitz (epd). Sozialhilfebehörden dürfen Flüchtlingen im Kirchenasyl einmal bewilligte Asylbewerberleistungen nicht pauschal streichen. Allein der Umstand, dass Flüchtlinge in ein Kirchenasyl aufgenommen werden, belege noch nicht, dass die Kirchengemeinde für die Bedarfsdeckung aufkomme, entschied das Sozialgericht Chemnitz in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 28. Juni 2024.

Im Streitfall ging es um ein Flüchtlingsehepaar, das über Polen nach Deutschland eingereist war. Nachdem es einen Asylantrag gestellt hatte, wurde es dem Landkreis Zwickau und einer dortigen Gemeinschaftsunterkunft zugewiesen. Der Landkreis bewilligte ihnen bis Ende 2024 insgesamt 826 Euro monatlich an Geldleistungen.

Landkreis strich Zahlungen wegen Aufnahme im Kirchenasyl

Als die Asylanträge der Eheleute als unzulässig abgelehnt wurden, drohte ihnen die Abschiebung. Daraufhin suchte das Ehepaar in einem Kirchenasyl Schutz und die Kirchengemeinde in Zwickau informierte die Behörden.

Der Landkreis strich daraufhin die Asylbewerberleistungen. Die Flüchtlinge würden nun von der Kirchengemeinde versorgt, so die Begründung der Verwaltung. Der Landkreis forderte zudem bereits im März 2024 erbrachte Asylbewerberleistungen in Höhe von 746 Euro wieder zurück.

Über den dagegen eingelegten Widerspruch der Flüchtlinge ist noch nicht entschieden worden. Vor dem Sozialgericht beantragten sie die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs und die Weiterzahlung der Kosten für ihren Lebensunterhalt mit Ausnahme der Aufwendungen für die Unterkunft.

Gericht sieht Notwendigkeit der individuellen Bedarfsprüfung

Ihr Antrag auf vorläufigen Rechtsschutzes hatte vor dem Sozialgericht Erfolg. Zwar könnten Asylbewerberleistungen ganz oder teilweise gestrichen werden, wenn der Bedarf anderweitig gedeckt sei, befand das Gericht. Nur weil sich das Ehepaar im Kirchenasyl befinde, könne aber nicht pauschal von einer Bedarfsdeckung ausgegangen werden.

Ein Mitarbeiter der Kirchengemeinde habe eidesstattlich versichert, dass die Eheleute allenfalls durch Spendengelder finanziertes Essen erhalten. Solch eine notfallmäßige Hilfegewährung Dritter im Vorgriff auf zu erwartende Leistungen des Sozialhilfeträgers lasse die Hilfebedürftigkeit aber nicht entfallen, befand das Gericht. Um Leistungen streichen zu können, müsse der Landkreis ermitteln, inwieweit der Bedarf der Flüchtlinge tatsächlich gedeckt sei. Das habe er unterlassen - und die Flüchtlinge dazu auch nicht angehört. Deshalb sei die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gerechtfertigt. Bis zur Entscheidung in der Hauptsache müsse der Landkreis daher die Asylbewerberleistungen weiter zahlen und könne auch keine Erstattung der bereits gewährten Leistungen verlangen.

Az.: S 3 AY 16/24 ER




sozial-Köpfe

Pflege

Johannes Wünscher bleibt Vorstandschef des DBfK Nordost




Johannes Wünscher
epd-bild/DBfK/Stefanie Siefke
Johannes Wünscher ist in seinem Amt als Vorstandsvorsitzender des Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe Nordost (DBfK) bestätigt worden. Vier neue Mitglieder zählt das Leitungsgremium jetzt.

Berlin (epd). Johannes Wünscher, der bereits vor einem Jahr außerplanmäßig zum Vorstandschef des DBfK Nordost gewählt wurde, ist jetzt in seinem Amt bestätigt worden. Die Wahl gilt bis 2028. Wünscher ist klinisch tätiger Pflegewissenschaftler am Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam.

Neben Wünscher bleiben auch Katja Boguth, Christiane Gollin, Anja Katharina Peters und Juliane Winkler dem Vorstand erhalten. Neu dabei sind Anja Herzog, Tahnee Leyh, Tobias Melms und Benjamin Skade.

„Gesundheitsversorgung vor Herausforderungen“

Anja Herzog ist als Akademische Mitarbeiterin in der Pflegewissenschaft an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg tätig. Tahnee Leyh arbeitet als Community Health Nurse (CHN) beim DRK-Kreisverband Fläming-Spreewald. Tobias Melms koordiniert im Hauptberuf die Pflegequalitätsentwicklung an der Universitätsmedizin Greifswald. Benjamin Skade leitet zwei Pflegebereiche an der neuen Medizinischen Universität Lausitz - Carl Thiem.

„Sowohl in Berlin als auch in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern steht die Gesundheitsversorgung vor großen Herausforderungen. Pflegefachpersonen sind Teil der Lösung“, sagte der wiedergewählte Wünscher. „Ohne eine starke Vertretung des Pflegeberufs auf regionaler Ebene wird auch keine der bundesweiten Reformen nachhaltig gelingen, weder die Neuordnung der Krankenhausstruktur noch die Erweiterung der Pflegekompetenz.“

Gesundheitspflege an mehr Schulen

In Berlin hatte der DBfK Nordost zuletzt die Zwischenbilanz des schwarz-roten Senats für den Pflegeberuf ein Jahr nach der Wiederholungswahl kritisch beurteilt. Weiterhin gibt es keinen Studiengang für Community Health Nursing (CHN) in der Hauptstadt und keinen Zeitplan für die im Koalitionsvertrag in Aussicht gestellte „starke institutionelle Interessenvertretung für Pflegeberufe“. Inzwischen gebe es auch eine gute Nachricht: Schulgesundheitspflege wird ab 2025 an mehr Berliner Schulen als bisher ermöglicht.

Neben dem Vorstand hat der DBfK Nordost auch seine Delegierten neu gewählt, die die Region auf der Delegiertenversammlung, dem obersten Organ im DBfK-Gesamtverband, vertreten: Die Wahl fiel auf Lisa Griese (Mitarbeiterin im Bundestag), Barbara Maria Kedzia (Unfallkrankenhaus Berlin), Jannik Müller (Berliner Bildungscampus für Gesundheitsberufe) und Marie-Christin Petrasch (DRK-Kliniken Berlin Köpenick).



Weitere Personalien



Matthias Scheller, Andreas Mende und Thorsten Minuth sind seit dem 1. September die dreiköpfige Konzerngeschäftsführung der Hamburger Immanuel Albertinen Diakonie. Scheller ist wie bisher Vorsitzender der Konzerngeschäftsführung und „CEO“, Chief Executive Officer. Er ist auch zukünftig verantwortlich für die Sparte „Gesundheit“. Mende ist neuer Konzerngeschäftsführer für „Personal & Organisation“ und Chief Operating Officer. Er ist für sämtliche Personalthemen zuständig und zusätzlich verantwortlich für die Sparten „Wohnen & Pflegen“ sowie „Fördern & Helfen“ und die Sparte „Services“. Minuth ist neuer Konzerngeschäftsführer „Finanzen“ und verantwortet als „CFO“, Chief Financial Office, insbesondere die Bereiche „Finanzen und Controlling“. Die bisherigen Konzerngeschäftsführer Matthias Blum und Peter Kober haben ihre Tätigkeit nach jeweils fünf Jahren zum 31. August beendet. Die Albertinen Diakonie zählt nach eigenen Angaben 8.000 Beschäftigte und ist in sieben Bundesländern aktiv.

Rainer Schlegel (66), ehemaliger Präsident des Bundessozialgerichtes in Kassel, ist zum neuen Ombudsmann der Privaten Kranken- und Pflegeversicherung berufen worden. Er übernimmt das Amt am 1. November. Der Jurist, der auch Abteilungsleiter im Bundesarbeitsministerium war, folgt auf Heinz Lanfermann, der das Amt rund zehn Jahre lang inne hattte und im Juni gestorben ist. „Prof. Dr. Schlegel ist ein ausgewiesener und hochgeschätzter Experte im Recht der Sozialversicherung. Wir sind überzeugt, dass er die Amtsgeschäfte seiner Vorgänger in bewährter und allseits geschätzter Form fortführen wird“, sagte der Vorsitzende des PKV-Verbandes, Thomas Brahm.

Meinolf Noeker (66), Krankenhausdezernent des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), ist in den Ruhestand verabschiedet worden. Er hatte das Amt seit 2012 inne und war damit für rund 13.000 Mitarbeitende in ganz Westfalen-Lippe zuständig. Seine Nachfolge tritt am 1. November Emanuel Wiggerich an, der bisher Leiter des Gesundheitsamtes der Stadt Oberhausen war. „Meinolf Noeker hat den Landschaftsverband Westfalen-Lippe nicht nur fachlich, sondern auch menschlich geprägt“, sagte LWL-Direktor Georg Lunemann. Noeker. Er habe mit Weitsicht und Engagement den LWL-Psychiatrieverbund zu einem verlässlichen Pfeiler der psychiatrischen Versorgung in Westfalen-Lippe gemacht. „240.000 Menschen finden jährlich in den 130 Einrichtungen des Verbundes Hilfe, und das ist auch sein Verdienst“, lobte Lunemann.

Melanie Messer hat den neu eingerichteten Lehrstuhl für Pflegewissenschaft an der Universitätsmedizin Würzburg übernommen, Es ist laut Uni die erste Professur dieser Fachdisziplin an einer staatlichen Universität im Freistaat. Gleichzeitig leitet sie das neu gegründete Institut für Pflegewissenschaft am Universitätsklinikum Würzburg. Zum Wintersemester 2025/26 soll der Bachelorstudiengang „Pflegewissenschaft“ in Würzburg erstmals starten. Messer wechselte Anfang Oktober von der Universität Trier nach Würzburg, wo sie die Professur für Pflegewissenschaft mit Schwerpunkt „Klinische Pflege über die Lebensspanne“ innehatte und die Abteilung Pflegewissenschaft II leitete. Messer arbeitete unter anderem am Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen in Köln. Später leitete sie am Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen in Berlin leitete sie den Stabsbereich „Patientenbelange“, bevor sie 2021 den Ruf nach Trier annahm.

Dominik Geißler (CDU), Landauer Oberbürgermeister, ist in seinem Amt als 1. Vorsitzender des Hospizes Bethesda Landau bestätigt worden. Neue Schriftführerin ist Nieske Schilling, Sprecherin der Geschäftsleitung von Bethesda Landau und ehemalige Leiterin des Hospizes. Das Hospiz Bethesda Landau besteht seit fünf Jahren und wird von den Diakonissen Speyer getragen. Sie betreiben Hospize in Bad Dürkheim, Landau und Speyer.




sozial-Termine

Veranstaltungen bis November



November

4.11.:

Online-Seminar „Kirchliche Eigenbetriebe gestalten - Rechtsformen und betriebswirtschaftliche Steuerung“

der Akademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 03361/710-943

5.-7.11.:

Online-Seminar „Fehlzeiten - Urlaub, Krankheit und Abwesenheitszeiten im Arbeitsrecht“

der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0761/36825-15

5.11.:

Online-Seminar „Erste Hilfe bei zerstrittenen Teams - In Ihrem Team gibt es Konflikte und Sie möchten sie klären?“

der Akademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 03361 710 943

6.11. Münster

Seminar „Fit für die Nachhaltigkeitsberichterstattung“

der Unternehmensberatung Solidaris

Tel.: 02203/8997-133

7.-8.11. Berlin:

Seminar „Wirkungsmanagement Intensivkurs: Strategien und Methoden“

der Paritätischen Akademie Berlin

Tel.: 030/2758282-11

11.-13.11.

Online-Fachveranstaltung „Örtliche Zuständigkeit und Kostenerstattung - Fragen der wirtschaftlichen Jugendhilfe“

des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge

Tel.: 030/62980-220

13.11. Berlin:

Seminar „Der Krankenhaus-Jahresabschluss 2024 - Aktuelle Entwicklungen und Einzelfragen“

der Unternehmensberatung Solidaris

Tel.: 02203/8997-133

19.11. Berlin:

Fallberatung „Kirchliche Besteuerung im Griff“

der Akademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 0172/2883106

20.-21.11.:

Online-Fachveranstaltung „Forum Migrationssozialrecht und Integration“

des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge

Tel.: 030/62980-606

25.-26.11. Hannover:

Tagung „Zugang zur Gesundheitsversorgung - Nah-Niedrigschwellig-Interdisziplinär“

des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge

Tel.: 030/62980-419