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Gesundheit

Zusatzbeitrag für Krankensicherung steigt 2025




Die Kassenbeiträge werden 2025 deutlich steigen.
epd-bild/Norbert Neetz
Die gesetzlichen Krankenversicherungen werden 2025 voraussichtlich ihre Beiträge deutlich erhöhen. Der mögliche Zusatzbeitrag wird auf 2,5 Prozent angehoben, wie Bundesgesundheitsminister Lauterbach ankündigte. Kassen und Sozialverbände zeigen sich besorgt und plädieren für Reformen.

Berlin (epd). Gesetzlich Krankenversicherte müssen im kommenden Jahr mit deutlich höheren Kosten für die Kasse rechnen. Am 16. Oktober gab der zuständige Schätzerkreis seine Prognose für Einnahmen und Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherungen bekannt. Nach seinen Berechnungen muss der Zusatzbeitrag zur Kasse, der auf den regulären Beitragssatz von 14,6 Prozent aufgeschlagen wird, um 0,8 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent steigen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kündigte im Anschluss eine entsprechende Erhöhung an.

Das bedeutet eine Erhöhung der Abgaben um jeweils 0,4 Prozent für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sagte Lauterbach in Berlin. Der Minister nannte als Grund für die steigenden Kosten die Inflation und höhere Löhne. Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass das deutsche Gesundheitssystem ineffizient sei, das teuerste in Europa und bei der Qualität dennoch „teilweise nur mittelmäßig“. Die angestrebten Reformen seien daher notwendig.

Krankenkassen entscheiden selbst über Höhe der Zusatzbeiträge

Der Schätzerkreis, dem Vertreter des Bundesgesundheitsministeriums, des Bundesamts für Soziale Sicherung und des GKV-Spitzenverbandes angehören, erwartet nach eigenen Angaben für das kommende Jahr Einnahmen des Gesundheitsfonds in Höhe von 294,7 Milliarden Euro und gleichzeitig voraussichtliche Ausgaben in Höhe von 341,4 Milliarden Euro. Festgelegt wird der Zusatzbeitrag vom Bundesgesundheitsministerium. Die Krankenversicherungen entscheiden selbst, bis zu welcher Höhe sie den Zusatzbeitrag von den Versicherten verlangen.

Die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer, erklärte, für die Kassen ergebe sich „ein drastischer Erhöhungsdruck“. Bei den meisten Krankenkassen stünden keine Reserven mehr zur Verfügung, um Beitragssteigerungen im nächsten Jahr zu vermeiden oder abzumildern, sagte sie.

Für Bürgerinnen und Bürger kann die Steigerung zu einer Mehrbelastung von bis zu 265 Euro im Jahr führen, teilte die Verbraucherzentrale Bundesverband mit. Thomas Moormann, Leiter Team Gesundheit und Pflege: „Insbesondere Menschen mit niedrigem Einkommen werden die außergewöhnlich hohen Beitragssprünge zu spüren bekommen.“ Und das sei nicht die einzige Mehrbelastung, die Verbraucherinnen und Verbrauchern bevorstehe: „Auch in der Pflegeversicherung werden Beitragssatzerhöhungen erwartet. Es verwundert nicht, dass die Gesundheits- und Pflegeversorgung das Sorgenthema Nummer eins ist.“

„Finanzierung komplett aus dem Gleichgewicht“

Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse (TK), sagte in Berlin: „Die Finanzen in der gesetzlichen Krankenversicherung sind komplett aus dem Gleichgewicht. Die Ausgaben steigen ungebremst und viel stärker als die Einnahmen. Laut der Schätzung müssen die Kassenbeiträge durchschnittlich auf über 17 Prozent steigen - eine noch vor einigen Jahren unvorstellbare Größenordnung.“ Die Regierung habe, anders als im Koalitionsvertrag festgehalten, nichts unternommen, um die Finanzen zu stabilisieren. Im Gegenteil: „Das Finanzproblem ist so groß wie nie. Das müssen nun die Beitragszahlenden mit deutlich höheren Beiträgen ausbaden“, rügte Baas.

Simon Reif, Ökonom am ZEW - Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim, rügte, dass bei der Eindämmung der Gesundheitskosten auf kurzfristige Maßnahmen gesetzt werde. „Um die Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems langfristig zu gewährleisten, muss der Kostenanstieg aber nachhaltig gebremst werden.“ Ziel der Gesundheitspolitik müsse es deshalb sein, Innovationen in die Versorgung zu bringen, um diese effizienter zu machen, so der Experte.

„Risikostrukturausgleich ändern“

Ein Hebel hierfür könnte nach seinen Worten die Änderung der Anreize im Risikostrukturausgleich sein, also dem finanziellen Ausgleichsmechanismus zwischen den gesetzlichen Krankenkassen: „Dann könnten Krankenkassen stärker in die langfristige Gesundheit der Versicherten investieren.“

Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, bezeichnete den drohenden Anstieg des Zusatzbeitrags als „Desaster“. Es treffe die Mehrheit der Menschen „unverhältnismäßig hart“, dass die Finanzierungsprobleme der Krankenversicherung allein auf Kosten von Versicherten ausgetragen werden, sagte sie. Bund und Länder müssten ihre finanzielle Verantwortung wahrnehmen und auch Privatversicherte müssten sich an der Transformation des Gesundheitssystems beteiligen. „Die Regierung sollte endlich eine einheitliche solidarische Krankenversicherung in Angriff nehmen, in die auch bisher Privatversicherte einzahlen. Dadurch ließen sich die Beitragssätze um 3,8 Prozentpunkte senken und der Zusatzbeitrag könnte komplett entfallen“, sagte Bentele.

Kritik an Blockade der FDP

Die Prognose des Schätzerkreises hat nach dessen Angaben die 2025 eigentlich anstehende Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen, also der Einkommenshöhe, bis zu der Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden, berücksichtigt. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte zuletzt dafür plädiert, die Grenzen nicht anzuheben, was dazu führen würde, dass Gutverdienende nicht mehr zahlen müssen.

Die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Maria Klein-Schmeink erklärte, angesichts der Prognose sei es umso wichtiger, dass Lindner die Blockade aufgebe. „Kommt die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen nicht, zahlen Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen die Zeche und müssten noch höhere Beiträge in Kauf nehmen“, sagte sie.

Corinna Buschow, Dirk Baas