sozial-Recht

Sozialgericht

Landkreis muss Asylbewerberleistungen bei Kirchenasyl gewähren



Chemnitz (epd). Sozialhilfebehörden dürfen Flüchtlingen im Kirchenasyl einmal bewilligte Asylbewerberleistungen nicht pauschal streichen. Allein der Umstand, dass Flüchtlinge in ein Kirchenasyl aufgenommen werden, belege noch nicht, dass die Kirchengemeinde für die Bedarfsdeckung aufkomme, entschied das Sozialgericht Chemnitz in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 28. Juni 2024.

Im Streitfall ging es um ein Flüchtlingsehepaar, das über Polen nach Deutschland eingereist war. Nachdem es einen Asylantrag gestellt hatte, wurde es dem Landkreis Zwickau und einer dortigen Gemeinschaftsunterkunft zugewiesen. Der Landkreis bewilligte ihnen bis Ende 2024 insgesamt 826 Euro monatlich an Geldleistungen.

Landkreis strich Zahlungen wegen Aufnahme im Kirchenasyl

Als die Asylanträge der Eheleute als unzulässig abgelehnt wurden, drohte ihnen die Abschiebung. Daraufhin suchte das Ehepaar in einem Kirchenasyl Schutz und die Kirchengemeinde in Zwickau informierte die Behörden.

Der Landkreis strich daraufhin die Asylbewerberleistungen. Die Flüchtlinge würden nun von der Kirchengemeinde versorgt, so die Begründung der Verwaltung. Der Landkreis forderte zudem bereits im März 2024 erbrachte Asylbewerberleistungen in Höhe von 746 Euro wieder zurück.

Über den dagegen eingelegten Widerspruch der Flüchtlinge ist noch nicht entschieden worden. Vor dem Sozialgericht beantragten sie die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs und die Weiterzahlung der Kosten für ihren Lebensunterhalt mit Ausnahme der Aufwendungen für die Unterkunft.

Gericht sieht Notwendigkeit der individuellen Bedarfsprüfung

Ihr Antrag auf vorläufigen Rechtsschutzes hatte vor dem Sozialgericht Erfolg. Zwar könnten Asylbewerberleistungen ganz oder teilweise gestrichen werden, wenn der Bedarf anderweitig gedeckt sei, befand das Gericht. Nur weil sich das Ehepaar im Kirchenasyl befinde, könne aber nicht pauschal von einer Bedarfsdeckung ausgegangen werden.

Ein Mitarbeiter der Kirchengemeinde habe eidesstattlich versichert, dass die Eheleute allenfalls durch Spendengelder finanziertes Essen erhalten. Solch eine notfallmäßige Hilfegewährung Dritter im Vorgriff auf zu erwartende Leistungen des Sozialhilfeträgers lasse die Hilfebedürftigkeit aber nicht entfallen, befand das Gericht. Um Leistungen streichen zu können, müsse der Landkreis ermitteln, inwieweit der Bedarf der Flüchtlinge tatsächlich gedeckt sei. Das habe er unterlassen - und die Flüchtlinge dazu auch nicht angehört. Deshalb sei die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gerechtfertigt. Bis zur Entscheidung in der Hauptsache müsse der Landkreis daher die Asylbewerberleistungen weiter zahlen und könne auch keine Erstattung der bereits gewährten Leistungen verlangen.

Az.: S 3 AY 16/24 ER