Nürnberg (epd). Die Wände des „Übergangshauses Mutter Kind“ sind bunt verziert, ein roter Heißluftballon und hellblaue Wolken verschönern den Gang, der zum Büro von Sophie Willoughby führt. „Bei uns können Frauen mit Kind unterkommen, die keine Wohnung haben. Wir haben Platz für 16 Familien“, sagt die pädagogische Leiterin der Einrichtung. Derzeit ist das Übergangshaus voll belegt.
Lisa Müller (Name geändert) lebt hier seit Anfang des Jahres gemeinsam mit ihrem zehnjährigen Kind. Sie hat sich von ihrem Mann getrennt, mit dem es viele Konflikte gab. „Nach der Hochzeit war er wie ausgewechselt. Er wurde aggressiv, schlug mich und schrie mein Kind an“, erinnert sich die 49-Jährige, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte.
Nach der Trennung kam sie zunächst für eine Woche im Nürnberger Frauenhaus unter. „Doch dort waren die Sicherheitsauflagen sehr strikt, am Eingang gab es Kameras. Ich habe mich sehr überwacht gefühlt“, erinnert sich Müller. „Es waren keine Besuche erlaubt und es gab strikte Zeiten, wann man kommen und gehen durfte“, sagt sie. Also entschied sie sich für einen Umzug ins „Übergangshaus Mutter Kind“ der Rummelsberger Diakonie.
Hier haben die Frauen mit ihren Kindern mehr Freiheiten. Das ist den Sozialpädagoginnen der Einrichtung wichtig. „Wir verfolgen einen sehr niedrigschwelligen Ansatz. Die Frauen dürfen und sollen ein selbstbestimmtes Leben führen“, betont Willoughby. Das heißt: „Jede Frau darf selbst entscheiden, ob sie über ihre Trennung und ihre Vergangenheit reden möchte oder nicht. Wir lassen ihnen da erst mal viel Freiraum. Frauen brauchen, wenn sie zur Ruhe kommen wollen, auch Freiheit.“ Einmal in der Woche müssen die Frauen aber einen verpflichtenden Termin bei der pädagogischen Beratung des Hauses wahrnehmen.
Müller genießt es, dass sie sich „einfach mal mit einer Freundin treffen kann. Ich kann spontan mit meinem Kind in den Park gehen und meine erwachsenen Töchter können mich besuchen kommen“, sagt sie. Die Sozialpädagoginnen helfen bei der Bearbeitung von Dokumenten und der Wohnungssuche. Dafür sei Müller sehr dankbar. „Als ich hierherkam, hatte ich nichts. Kein Geld, keinen Job, keine Unterlagen. Um alles hatte sich mein Mann gekümmert. Die Leiterinnen haben mich sehr unterstützt. Dadurch habe ich gelernt, wieder Vertrauen zu fassen“, sagt sie.
Eine 25-jährige Frau aus dem Südsudan, die ebenfalls anonym bleiben möchte, lebt mit ihren beiden vier und zwei Jahre alten Kindern ebenfalls im Übergangshaus. Sie kam vor drei Jahren nach Deutschland, gemeinsam mit ihrem Ehemann und dem damals einjährigen Kind. Seit Dezember vergangenen Jahres lebt sie getrennt von dem Vater ihrer zwei Kinder. „Es gab sehr viel Streit.“ Und auch Gewalt. „Das war auch Stress für meine Kinder und ich hatte Angst, dass das einen negativen Effekt auf sie haben könnte. Deshalb habe ich mich getrennt“, sagt die nun alleinerziehende Mutter auf Englisch.
Damit ist sie kein Einzelfall. In Deutschland ist Partnerschaftsgewalt ein großes Problem. Über 250.000 Menschen sind 2023 Opfer von häuslicher Gewalt geworden - 6,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Das zeigt das Lagebild „Häusliche Gewalt“ des Bundeskriminalamtes. Rund 70 Prozent der Opfer sind Frauen.
„Wir haben hier oft Frauen mit Migrationshintergrund, viele davon leben schon seit einigen Jahren in Deutschland“, sagt Willoughby. Das habe einen bestimmten Grund. „Viele dieser Frauen kommen aus patriarchalischen Partnerschaften, in denen der Mann das Geld verdiente und sich um Unterlagen, Verträge und Versicherungen kümmerte. Im Fall einer Trennung sind die Frauen dann erst einmal auf sich allein gestellt. Hier unterstützen wir.“
Die junge Mutter aus dem Südsudan war anfangs wegen der fehlenden Sprachkenntnisse auf Hilfen angewiesen. Nun besucht sie vormittags einen Deutschkurs, während ihre beiden Kinder in Krippe und Kindergarten untergebracht sind. Für die Zukunft habe sie große Ziele. „Ich möchte eine Ausbildung zur Krankenschwester machen“, sagt sie. Sie hat die Hoffnung, ihren Kindern eine bessere Zukunft bieten zu können.