die Behindertenhilfe beklagt einen Personalnotstand. Einrichtungen müssen ihr Angebot reduzieren, weil Fachkräfte fehlen. Menschen mit Behinderung würden eher verwahrt als betreut, schimpfen Familienangehörige. Ein betroffener Vater hat deshalb eine Petition an den Bundestag gestartet. Die Branche ruft die Bundesregierung zu einer Fachkräfte-Offensive auf, um sich gegen wachsende personelle Lücken zu stemmen.
Energie-Härtefallfonds sollen Gas- und Stromsperren verhindern. Die Stadt Hannover nutzt dieses Instrument schon seit einem Jahrzehnt und konnte damit nach eigenen Angaben mehr als 10.000 drohende Stromsperren abwenden. Der Berliner Senat hat angesichts der bedrohlichen Folgen des drastischen Energiepreisanstiegs ebenfalls einen Hilfsfonds angekündigt. Es werden Forderungen nach einem bundesweiten Ausbau laut.
Diakonie-Präsident Ulrich Lilie will das oftmals tabuisierte Thema Einsamkeit „aus der Schmuddelecke holen“. „Ich möchte, dass es besprechbar wird, wenn man sich einsam fühlt“, sagte der Diakonie-Chef auf seiner Sommerreise zu diesem Thema, die ihn vom 22. bis 25. August durch mehrere Bundesländer führte. Im Interview forderte er mehr Engagement und ein abgestimmtes Vorgehen gegen die zunehmende Einsamkeit in der Gesellschaft, und zwar „mit langem Atem“.
Für Nachtarbeit kann ein Gehaltszuschlag von 30 Prozent fällig werden. Geht etwa eine Krankenschwester in einer stationären Wohneinrichtung für schwerbehinderte Menschen einer Dauernachtwache nach, hat sie Anspruch auf ein entsprechendes Lohn-Plus, wie das Bundesarbeitsgericht bekräftigte.
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Markus Jantzer
Würzburg (epd). Karin Baumgärtner vom Würzburger Verein für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung ist entsetzt. Im September wird die neue Wohnanlage ihrer Organisation eröffnet - allerdings nur mit halber Belegung. Grund: Nur jede zweite freie Stelle konnte besetzt werden. „Wir finden kein Personal“, sagt Baumgärtner. Die Personalnot in der Behindertenhilfe sei „ein großes Desaster“.
Deutschlandweit bekommen nach ihren Worten Menschen mit Behinderung und ihre Familien die Auswirkungen fehlenden Personals zu spüren. Zunehmend erklärten Dienste einen Aufnahmestopp. Einrichtungen müssten ganz oder teilweise schließen.
Unbesetzte Stellen, knappe Personalschlüssel, ein hoher Krankenstand - das alles führt dazu, dass in den Einrichtungen viel zu wenige Menschen Dienst tun müssen. Davon berichtet auch Thomas Geggerle. Der Oberbayer ist alleinerziehender Vater eines 35-jährigen Sohnes, der wegen einer Hirnhautentzündung kurz nach der Geburt geistig schwer beeinträchtigt ist. Moritz, so heißt der junge Mann, lebt in einer evangelischen Behinderteneinrichtung in Bayern. Dort werde er zunehmend verwahrt statt gefördert, klagt sein Vater.
Geggerle führte in diesem Jahr viele Gespräche mit Moritz' Betreuern. Was er da zu hören bekam, fand er so erschreckend, dass er eine Petition startete: „Für mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen zur Betreuung von Menschen mit Behinderung“, heißt sie. Adressiert ist sie an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und den Petitionsausschuss des Bundestags.
Seine Beobachtungen im Heim alarmieren ihn: „Wenn ich Moritz fürs Wochenende abhole, sitzt er meist mit vier anderen Bewohnern vor dem Fernseher.“ Keiner von ihnen verstehe irgendetwas von dem, was sich auf der Mattscheibe tut. Doch keiner beklage sich, alle seien ruhig. Und das gestresste Personal, so Geggerle, könne endlich Liegengebliebenes aufarbeiten.
In seiner Petition macht er deutlich: Wenn die Arbeit in der Behindertenhilfe nicht attraktiver wird, wird die Situation für Menschen mit Handicap und ihre Angehörigen bald nicht mehr tragbar. „Ich selbst hole inzwischen meinen Sohn schon mal aus der Einrichtung zu mir nach Hause, weil ich merke, dass das Personal kräftemäßig absolut am Limit ist“, erzählt der studierte Sozialpädagoge. Der Alleinerziehende kann dies jedoch nicht oft tun, da er beruflich sehr gefordert ist.
Der Verband Sonderpädagogik rührt die Werbetrommel für mehr Nachwuchs in der Behindertenhilfe. „Anfang Juli riefen wir ein Aktionsbündnis Fachkräftegewinnung ins Leben“, berichtet die Bundesvorsitzende Angela Ehlers. Bei einer Auftaktveranstaltung am 15. September wollen Verbände der Behindertenhilfe Ideen sammeln, wie die Situation verbessert werden kann.
Laut der Inklusionsexpertin aus Schleswig-Holstein müssten zum Beispiel die Studiengänge der Sonder- und Sozialpädagogik reformiert werden. „Außerdem bräuchten wir eine Professionalisierung der Schulbegleitung.“ Schüler könnten monatelang nicht zur Schule gehen, weil ihnen eine persönliche Assistenz fehle.
Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge, eine Dachorganisation der gesamten Sozialbranche, hält die Forderungen der Fachverbände und Angehörigen für berechtigt. Vorstand Michael Löher ist die dramatische Personalnot bekannt: „Teilweise musste die Heimaufsicht wegen Nichterfüllung der Fachkraftquote einschreiten.“ Der Fachkräftemangel belaste das verbliebene Personal immer stärker. Der Stress mache sie krank. In der Folge fielen noch mehr Leute aus. Ein Teufelskreis.
Befürchtet wird eine Flucht aus dem Beruf. „Insgesamt denkt im Augenblick etwa die Hälfte der Menschen in der Behindertenhilfe darüber nach, den Beruf zu verlassen“, sagt Sarah Bormann von der Gewerkschaft ver.di. Dies habe eine Ende 2021 veröffentlichte Befragung ergeben, an der über 8.000 Beschäftigte aus Einrichtungen der Behindertenhilfe teilnahmen. Das sei „erschreckend“.
Berlin, Nürnberg (epd). Einrichtungen der Eingliederungshilfe müssen angesichts der Personalnot Angebote abbauen oder Wohnanlagen komplett schließen. Das ergab eine Befragung der Fachverbände der christlichen Wohlfahrtspflege. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) spricht gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd) von einem „Fachkräfteengpass in Berufen der Heilerziehungspflege und Sonderpädagogik“. Antworten auf die wichtigsten Fragen zur aktuellen Situation.
Wie stellt sich die aktuelle Personallage in der Behindertenhilfe dar? Seit einigen Jahren ist ein Fachkräfte- und Personalmangel deutlich spürbar. Er wird für viele Träger von Sozialunternehmen zur Existenzfrage. Nach der Corona-Pandemie können einige Träger nicht alle Angebote aufrechterhalten, Wohngemeinschaften müssen geschlossen werden.
Welche Folgen hat die Personalnot für die betroffenen Personen und ihre Familien? Angehörige können nicht mehr mit der Unterstützung rechnen, die sie in der Betreuung und Begleitung von ihren Kindern mit Schwerst- und Mehrfachbehinderungen benötigen. „Die volle und wirksame Teilhabe von Menschen mit Behinderung rückt in weite Ferne“, kritisiert der Bundesverband der evangelischen Behindertenhilfe (BeB).
Wie groß ist die Personallücke genau? Aus einer nicht repräsentativen Erhebung der Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP) e.V. bei seinen Trägern geht hervor, dass zum jetzigen Zeitpunkt im Bundesdurchschnitt fünf Prozent der Fachkraftstellen - darunter Sozialpädagogen, Heilpädagoginnen, Heilerziehungspfleger, Erzieherinnen und Pflegefachkräfte - nicht besetzt sind. Der Bundesverband der evangelischen Behindertenhilfe (BeB) sieht „die größten Probleme dort, wo Arbeitszeiten auch in der Nacht, am Wochenende oder im geteilten Dienst gefordert sind“.
Wie lässt sich die Lücke schließen? Nach den Daten des katholischen Fachverbandes müssen in den kommenden zehn Jahren bundesweit die Träger der Eingliederungshilfe ein Viertel der Fachkraftstellen neu besetzen, um die Lücken zu schließen, die aufgrund des aktuellen Personalmangels und altersbedingten Ausscheidens entstehen. In Nordrhein-Westfalen sind es demnach sogar 35 Prozent, in Rheinland-Pfalz 39 Prozent.
Inwieweit gelingt die Rekrutierung von Auszubildenden? Die Caritas leitet aus den Ausbildungszahlen in der Heilerziehungspflege ab, dass der künftige Bedarf in der Eingliederungshilfe nicht gedeckt werden kann. Der Fachverband der Diakonie beobachtet, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht die Gewinnung von Auszubildenden und neuem Personal erschwert.
Wie lange dauert es nach einer Ausschreibung, bis Träger Vakanzen mit neuem Personal schließen können? Bei diakonischen Einrichtungen dauert es laut BeB teilweise länger als ein Jahr, bis Stellen wieder besetzt sind. Das gelte auch im nicht-fachlichen Bereich. Die durchschnittliche Vakanzzeit betrug nach Mitteilung der Bundesagentur für Arbeit (BA) im vergangenen Jahr 114 Tage.
Was ist zu tun? Die Branche ruft die Bundesregierung zu einer Fachkräfte-Offensive für das Berufsbild der Heilerziehungspflege auf. Der BeB fordert einen Runden Tisch, um die Rahmenbedingungen für Auszubildende zu verbessern, das Berufsfeld Heilerziehungspflege in der Öffentlichkeit attraktiv zu machen und den Einsatz von ausländischen Fachkräften zu erleichtern.
Frankfurt a.M., Berlin (epd). Hannover und Bremen haben bereits Energie-Härtefallfonds, Niedersachsen, Berlin, Thüringen und Sachsen wollen sie einrichten. Sie sollen helfen, dass weniger Menschen wegen Zahlungsverzugs Strom und Gas abgestellt werden. So hat das Land Niedersachsen angekündigt, gemeinsam mit Kommunen und Energieversorgern 150 Millionen Euro für lokale Härtefallfonds bereitzustellen. Wegen der bedrohlichen Folgen der Inflation für ärmere Haushalte sollen sie bundesweit ausgebaut werden.
Patrick Brammer, SPD-Fraktionsvorsitzender im Rat der Stadt Celle, befürwortet die Pläne der niedersächsischen Landesregierung: „Ein Härtefallfonds ist ein sinnvolles sozialpolitisches Korrektiv, der nicht die Krise als solche überwindet, aber die Schwächsten unter uns nicht vollends abstürzen lässt.“
Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) dringt ebenfalls auf die Einrichtung eines Härtefallfonds - als Ergänzung zu den geplanten Entlastungspaketen des Bundes. „Das muss Realität werden.“ Es müsse noch darüber diskutiert werden, in welcher Höhe und für welche Haushalte der Fonds kommen soll.
In Hannover wird schon lange Bürgern mit Energieschulden gezielt geholfen. In diesem Jahr feierte dort der enercity-Härtefonds sein zehnjähriges Bestehen. Aus dem Finanztopf, der von der Stadt und den Stadtwerken verwaltet wird, werden auf Antrag Menschen unterstützt, die unverschuldet in finanzielle Armut geraten sind. „Ein Erfolgsmodell, das auch in anderen Städten Beachtung findet“, ist auf der Homepage von enercity zu lesen. Das Konzept scheint zu funktionieren: „Über die finanziellen Zahlungen hinaus haben wir bisher mehr als 10.000 drohende Sperrfälle abwenden können“, sagt Rainer Raddau, Vorsitzender des Fonds.
Dass das dringend nötig ist, zeigen die Daten: Im Jahr 2020 wurde bundesweit 230.015 Haushalten der Strom gekappt. Das geht aus dem Monitoringbericht 2021 von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt hervor. 24.000 Sperrungen gab es beim Gas.
Der Berliner Senat hat einen Härtefallfonds in Höhe von 380 Millionen Euro angekündigt. Ob der Betrag ausreicht, bleibt offen. Denn die konkrete Ausgestaltung des Fonds ist noch nicht bekannt. Die Berliner Arbeiterwohlfahrt (AWO) hat dazu Vorschläge präsentiert - und sich dafür bestehende Programme in Bremen und Hannover angeschaut. „Aus diesen Erfahrungen und Strukturen kann Berlin lernen, ohne das Rad neu erfinden zu müssen“, sagte AWO-Pressesprecher Markus Galle dem Evangelischen Pressedienst (epd).
„Im Ergebnis konnten die Energiesperren in der Stadt Hannover um 45 Prozent reduziert werden“, bilanziert Galle. Der Fonds nehme den Menschen viele existenzielle Ängste: „Ein Aspekt, der oftmals zu Unrecht sehr wenig Beachtung findet.“
Bremerinnen und Bremer, die wegen Zahlungsrückständen mit einer Strom-, Gas oder Wassersperre rechnen müssen, können bereits seit 2021 Hilfe aus einem Härtefallfonds des Landes bekommen. Der Fonds wird über den Landeshaushalt finanziert und Zahlungen werden direkt an die Versorgungsunternehmen weitergeleitet. „Wichtig zu wissen ist, dass der Fonds grundsätzlich nur einmalig genutzt werden kann“, erklärt Andrea Klähn, die bei der Senatorin für Soziales, Jugend, Integration und Sport die Themen Miet- und Energieschulden verantwortet.
In Berlin dränge die Zeit, betont AWO-Sprecher Galle. Er warte auf die Details, wie der Senat den Fonds ausgestalten will. „Dann können bereits ab September erste Gelder fließen. Grundsätzlich muss gewährleistet sein, dass den Menschen sofort mit Zustellung der Jahresabrechnungen geholfen wird.“
Doch Einmalzahlungen alleine reichen nicht, betonen Experten. „Natürlich geht es zunächst darum, die drohende Sperre zu verhindern“, erklärt Annabel Oelmann, Vorständin der Verbraucherzentrale Bremen. Wichtig sei jedoch, die Energiebudgetberatung auszubauen. „Nur so lässt sich die Lage dauerhaft verbessern.“
Jena, Erfurt (epd). Christiane Kellermann (Name geändert) erinnert sich noch an die Anfänge der Corona-Pandemie. „Meine beiden Kinder und ich gehörten zur Risikogruppe. Das machte mir Angst“, sagt die alleinerziehende Mutter. Im März 2020 hat sie deshalb Besorgungen so selten wie möglich getätigt, die Kinder immer zu Hause gelassen.
Zum neuen Schuljahr ist die Angst der 34-Jährigen größer denn je. „Trotz hoher Inzidenzen passiert nichts“, sagt sie. Kellermann fühlt sich von der Politik im Stich gelassen.
Die zweifache Mutter aus Jena spricht sich für Hybridunterricht an Schulen aus, bei dem sich Kinder mit Gesundheitsrisiko online zuschalten können. „Ich wünsche mir ein richtiges, gut strukturiertes Homeschooling“, sagt sie. Bislang habe sie sich Lehrstoff und Informationen selbst organisieren müssen.
Die Initiative „Bildung Aber Sicher“ fordert einen umfassenden Schutz von Risikogruppen in Schulen. Sabine Reißig (Name geändert) hat die Bewegung mit ins Leben gerufen. „'Bildung Aber Sicher' setzt sich seit Frühsommer 2020 vor allem auf Twitter lautstark für Infektionsschutz in Schulen und Kitas ein“, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). Besonders im Blick habe die Initiative die Not von Familien, in denen mindestens ein Mitglied, etwa durch eine chronische Krankheit, einer Covid-19-Hochrisikogruppe angehört. Nach einer Studie des Robert Koch-Instituts (RKI) vom Februar 2021 leben in Deutschland 5,7 Millionen vorerkrankte erwachsene Menschen in Familien mit Kindern.
„Diese Familien benötigen individuelle Lösungen wie die Aussetzung der Präsenzpflicht und gute Betreuung beim Distanzunterricht. Außerdem könnten sie von allgemeinen Infektionsschutzmaßnahmen in Schulen und Kitas wie Masken-, Test- und Luftfilter-Pflicht profitieren“, sagt Stefan Keppeler, der sich seit Anfang 2021 bei „Bildung Aber Sicher“ engagiert.
Auch Lena Riedel (Name geändert) lebt in einer Risikofamilie. Die 34-jährige Erfurterin hat drei Kinder im Alter von fünf bis zehn Jahren, zwei davon sind schulpflichtig. Sie stellt sich die Frage: „Warum haben wir nach zweieinhalb Jahren Pandemie immer noch kein Konzept für Risikofamilien?“
Riedels jüngste Tochter war eine Frühgeburt, was bei ihr eine Lungenerkrankung zur Folge hatte. „Meine Tochter hatte bereits 19 Lungenentzündungen. Sie hat Pflegegrad 4. Ich habe Angst um sie, wenn meine beiden größeren Kinder in die Schule müssen.“ Auch ihre beiden anderen Kinder seien gefährdet. „Mein Großer hat starkes Asthma und leidet an einer Autoimmunerkrankung. Mein Mittlerer hat eine Herz-Rhythmus-Störung“, sagt die alleinerziehende Mutter.
Ein Sprecher der Kultusministerkonferenz sagte dem epd, die Notwendigkeit des Präsenzunterrichts ergebe sich vor allem aus den psychosozialen Folgen, die die Schulschließungen für Kinder und Jugendliche in der Pandemie hatten. „Schule ist gleichermaßen Lebens- und Lernort für Kinder und Jugendliche.“
Der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte betont ebenfalls die Bedeutung sozialer Kontakte in der Schule. „Es muss daher absoluten Ausnahmefällen vorbehalten sein, die Schule nicht zu besuchen“, sagt Verbandssprecher Jakob Maske.
Riedel wünscht sich in Einzelfällen für Schülerinnen und Schüler solche Ausnahmen von der Präsenzpflicht. „Jedes Elternteil sollte selbst entscheiden dürfen, ob das Kind in die Schule geht oder zu Hause unterrichtet wird“, fordert die studierte Pädagogin. Um ihre Kinder selbst zu unterrichten, hat Riedel ein Zimmer mit Laptops, einem Overheadprojektor und einer Tafel ausgestattet.
Ein Sprecher des Bildungsministeriums sagte dem epd: „Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat größtes Verständnis für die Sorgen der Familien.“ Er betonte aber auch, dass der Bereich der schulischen Bildung in den ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der Länder falle.
Berlin (epd). Das Bundeskabinett hat neue Corona-Regeln für den kommenden Herbst und Winter gebilligt. Es beschloss am 24. August in Berlin Änderungen am Infektionsschutzgesetz. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte nach der Kabinettssitzung, es werde weniger Regeln geben. Zugleich mahnte er, die Regeln ernst zu nehmen und forderte die Bundesländer auf, sie einzusetzen. „Der Herbst wird schwierig werden“, warnte Lauterbach, auch wenn das niemand mehr hören wolle. Es gehe darum, eine hohe Zahl von Todesfällen, viele Arbeitsausfälle und schwere Langzeitfolgen nach Covid-19-Erkrankungen zu verhindern.
Dem Entwurf zufolge, auf den Lauterbach sich Anfang August mit Justizminister Marco Buschmann (FDP) verständigt hatte, sollen ab Oktober bundesweit nur wenige Regeln gelten und ansonsten die Länder entscheiden, ob und wann sie die Corona-Maßnahmen verschärfen. Bundesweit einheitlich gilt eine Masken- und Testpflicht für Besucher und Personal von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Im öffentlichen Fern- und Flugverkehr müssen FFP2-Masken getragen werden.
Ansonsten können die Bundesländer ihre Corona-Maßnahmen je nach Lage verschärfen. Um die Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens zu gewährleisten, können sie Masken im öffentlichen Personennahverkehr und in öffentlich zugänglichen Innenräumen wie Restaurants vorschreiben. Sie müssen für die Maskenpflicht in Innenräumen keine Ausnahmen für geimpfte und genesene Personen vorsehen, können dies aber tun. Negativ getestete Menschen müssen keine Masken tragen, wenn sie an Sport- oder Kulturveranstaltungen teilnehmen oder ins Restaurant gehen wollen.
Außerdem sollen die Länder Tests anordnen können, etwa in Schulen und Kindertagesstätten, und eine Maskenpflicht ab der fünften Klasse vorschreiben können, wenn andernfalls der Präsenzunterricht nicht aufrechtzuerhalten ist. Schulen und Kindertagesstätten sollen grundsätzlich offengehalten werden, Lockdowns und Kontaktsperren sind nicht vorgesehen. In einem zweiten Schritt können die Länder die Maskenpflicht erweitern, Abstandsregeln und Personenobergrenzen für Veranstaltungen einführen. Voraussetzung ist, dass die Gesundheitsversorgung oder die kritische Infrastruktur in Gefahr sind, also das Funktionieren von Polizei oder Feuerwehr.
Justizminister Buschmann betonte, die vorgeschlagenen Regelungen seien sehr maßvoll. So sei der private Bereich ausgenommen. Niemand werde zählen, wer bei wem zu Besuch sei. Er betonte aber zugleich, das letzte Wort habe der Bundestag.
Die neuen Regeln für die Bevölkerung sollen vom 1. Oktober an bis zum 7. April 2023 gelten. Die derzeitigen Bestimmungen, die zum 23. September auslaufen, werden bis Ende September verlängert. Der Entwurf muss nun im Bundestag und Bundesrat beraten und beschlossen werden.
Berlin (epd). Zusammen mit den Corona-Regeln für den Herbst hat die Bundesregierung eine Regelung für den Umgang mit knappen medizinischen Ressourcen im Fall einer Pandemie auf den Weg gebracht. Das Bundeskabinett billigte am 24. August in Berlin einen Entwurf für ein Gesetz, das die Benachteiligung behinderter und hochaltriger Menschen in solchen Notlagen ausschließen soll. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Dezember vergangenen Jahres eine entsprechende Regelung verlangt. Über das ethisch sensible Thema muss noch der Bundestag beraten und entscheiden.
Der Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) schreibt vor, dass alle Patienten und Patientinnen im Falle knapper medizinischer Ressourcen gleichbehandelt werden müssen. Maßgebliches Kriterium bei der Entscheidung, wer etwa an das einzige verfügbare Beatmungsgerät angeschlossen wird, wäre demnach die aktuelle und kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit. Weitere Erkrankungen dürften in der aktuellen Lage nur eingeschränkt berücksichtigt werden, Kriterien wie Alter, Behinderung und Grad der Gebrechlichkeit gar nicht.
Die Entscheidung über die Zuteilung muss den Plänen zufolge von mehreren Ärzten getroffen werden. Ausdrücklich ausgeschlossen werden soll nach Angaben des Gesundheitsministeriums die sogenannte Ex-Post-Triage, bei der einem Patienten, der bereits in Behandlung ist, die Therapie entzogen wird, um sie einem anderen Patienten mit besserer Überlebenswahrscheinlichkeit zugutekommen zu lassen. Sie ist ethisch besonders umstritten.
„Wer ein Intensivbett benötigt, muss es bekommen - auch in der Pandemie“, erklärte Lauterbach. Er werde sich dafür einsetzen, dass Engpässe in der intensivmedizinischen Versorgung gar nicht erst entstehen - „durch konsequente Bekämpfung der Pandemie“, sagte er.
Das Bundesverfassungsgericht hatte Ende 2021 entschieden, dass der Staat Ärzten für die Verteilung von schwerstkranken Patienten und Patientinnen auf eine beschränkte Zahl von Klinik-Intensivbetten gesetzliche Vorgaben machen muss und dabei behinderte Menschen nicht benachteiligt werden dürfen. Schon zu Beginn der Corona-Pandemie war über eine Regelung der sogenannten Triage diskutiert worden. Die Politik hatte sich aber dagegen entschieden, den Ärzten per Gesetz Vorgaben zu machen. Die Mediziner richteten sich bislang nach den Empfehlungen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin.
Berlin (epd). Der Bund will in den kommenden beiden Jahren die Länder bei der Qualitätsentwicklung in Kindertagesstätten mit knapp vier Milliarden Euro unterstützen. Das Kabinett beschloss am 24. August in Berlin einen Gesetzentwurf von Familienministerin Lisa Paus (Grüne). Bundestag und Bundesrat müssen dem Gesetz noch zustimmen. Mit dem Kita-Qualitätsgesetz soll unter anderem die Sprachförderung gesetzlich stärker verankert werden. Den Kommunen reicht das nicht.
Die bisherige Bundesförderung sogenannter Sprach-Kitas läuft zum Ende dieses Jahres aus. Das sorgt seit Wochen für Proteste. Mit dem Programm werden Kinder besonders gefördert, die nicht gut Deutsch sprechen, weil es nicht ihre Muttersprache ist oder die es nicht altersgemäß sprechen.
Paus sagte nach der Kabinettssitzung: „Alle Kinder in Deutschland sollten die Chance auf gute frühkindliche Bildung haben, egal, wo sie wohnen, egal, ob ihre Eltern reich oder arm sind.“ Chancengerechtigkeit fange mit der Kita an, betonte sie. Das Kita-Qualitätsgesetz sei ein weiterer Schritt auf dem Weg zu bundesweit einheitlichen Standards für die Kindertagesbetreuung in Deutschland.
Mit dem Kita-Qualitätsgesetz wird das sogenannte Gute-Kita-Gesetz der Vorgängerregierung weiterentwickelt. Zugleich soll es dafür sorgen, dass die Länder die Sprachförderung fortsetzen. Sie sollen vor allem in die Qualität der Einrichtungen investieren: Dazu zählen dem Entwurf zufolge vorrangig die sprachliche Bildung der Kinder, Investitionen für mehr Fachkräfte, gute Ernährung, Angebote für mehr Bewegung sowie die Stärkung der Tagespflege.
Im Unterschied zu den bisherigen Regelungen sieht der Entwurf von Paus vor, dass künftig keine Bundesmittel mehr in eine weitere Senkung von Kita-Gebühren oder die Ausweitung der Gebührenfreiheit gesteckt werden sollen. Das muss aus Landesmitteln finanziert werden. Außerdem sollen die Beiträge gerechter gestaffelt werden nach dem Einkommen der Eltern, der Anzahl der Geschwister und den Betreuungszeiten.
Die Städte in Deutschland befürchten, dass sich die Sprachförderung bei Kleinkindern „dramatisch verschlechtern“ könnte, wie Städtetagspräsident Markus Lewe (CDU) der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ sagte. Denn im Kita-Qualitätsgesetz sei keine Anschlussfinanzierung für das Sprachprogramm vorgesehen. „Es ist eine gute Sache, wenn der Bund weiter Geld gibt, um die Qualität in Kitas zu stärken“, sagte Lewe. Aber der Gesetzentwurf lasse leider offen, wie es für die Sprach-Kitas und 7.000 Fachkräfte weitergehe.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, erklärte, Bund und Länder müssten weiter dafür sorgen, dass Sprachförderung elementarer Bestandteil der frühkindlichen Bildung bleibt. Rund 40 Prozent der Kinder hätten einen Migrationshintergrund.
Der Bund unterstützt seit elf Jahren mit Modellprogrammen die Sprachförderung bei Kindergartenkindern. Das Familienministerium hatte den Kita-Trägern Mitte Juli mitgeteilt, dass im Haushaltsentwurf für 2023 keine Mittel für die Fortsetzung des Sprach-Kita-Programms mehr vorgesehen sind, weil Sprachförderung als Daueraufgabe in die Zuständigkeit der Bundesländer falle.
Nach Angaben des Ministeriums reichten die bisher gewährten Bundesmittel für 7.500 Halbtagsstellen für zusätzliche Fachkräfte zur Sprachförderung in 6.900 Kitas, womit rund eine halbe Million Kinder erreicht worden seien. In diesem und im vergangenen Jahr hat der Bund nach Angaben des Ministeriums jeweils rund 210 Millionen Euro für die Sprach-Kitas zur Verfügung gestellt.
Ohlendorf (epd). Astrid Oertzen zupft erst einmal die Decke vom Sofa, die das helle Möbelstück vor Flecken schützen soll. „Das muss doch nicht sein. Hier soll schließlich gelebt werden“, ruft sie Yuliia Sierhiehieva zu. Die antwortet auf Englisch: „Aber es soll doch alles ordentlich bleiben. Wir wollen keine Unannehmlichkeiten machen.“ Mit ihrer Cousine und fünf Kindern ist die Ukrainerin vor gut einem halben Jahr in das Elternhaus von Astrid Oertzen im niedersächsischen Ohlendorf gezogen, das vorher leer stand. „Wir haben großes Glück“, sagt Sierhiehieva. Inzwischen ist auch die Mutter der 32-Jährigen aus der Ukraine zu ihnen gekommen.
Seit Ende Februar wurden nach Angaben des Bundesinnenministeriums mehr fast 970.000 Personen aus der Ukraine im deutschen Ausländerzentralregister registriert. Etwa 97,3 Prozent von ihnen sind ukrainische Staatsbürger. Rund 65,7 Prozent von ihnen sind Frauen und Mädchen, fast 37 Prozent Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Eine riesige Zahl von Personen, die untergebracht werden muss - und weil vor allem in Ballungsräumen bezahlbare Wohnungen fehlen, leben noch viele Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften.
Nicht nur in der Region im Speckgürtel von Hamburg ist es schwer für die Geflüchteten, Wohnraum zu finden. „Die Unterbringung von über 90.000 vertriebenen Ukrainerinnen und Ukrainern belastet den ohnehin angespannten Wohnungsmarkt extrem“, sagt der Hauptgeschäftsführer des niedersächsischen Landkreistages, Hubert Meyer. „Auch in vielen ländlichen Regionen ist der verfügbare Wohnraum schlicht belegt.“
Deshalb lebten vielerorts die geflüchteten Menschen noch in Gemeinschaftsunterkünften, obwohl sie einen Anspruch auf Sozialleistungen hätten und damit die Kommunen die Kosten der Unterkunft übernähmen.
Auch Yuliia Sierhiehieva war zunächst in einer Gemeinschaftsunterkunft, gemeinsam mit ihrer Cousine Olesya Horoshko, deren Zwillingen und den drei Kindern ihrer Schwester im Alter von zweieinhalb bis 18 Jahren. Erst habe eine Sozialarbeiterin vorgeschlagen, sie zu trennen, damit sie leichter eine Wohnung finden könnten, erzählt sie. „Das wäre aber schwer vorstellbar gewesen. Denn es sind ja nicht meine Kinder. Da ist es gut, dass wir uns gegenseitig unterstützen.“
In dem alten Bauernhaus in Ohlendorf hätten sie sich vor allem in der geräumigen und hellen Küche gleich wohlgefühlt. „Meine Cousine konnte die Lieblingsgerichte der Kinder kochen. Ein Stück Heimat.“
Astrid Oertzen lebt rund anderthalb Stunden von Ohlendorf entfernt in Dithmarschen. Seit dem Tod ihres Vaters im Dezember 2020 war ihr Elternhaus unbewohnt. „Ich konnte es nicht verkaufen, weil ich so daran hing“, sagt die 61-Jährige. „Ich brauchte Zeit, um Abschied zu nehmen.“ So ist das Haus noch vollständig möbliert. Als im Februar der dringende Aufruf kam, Quartiere für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen, beschloss ihre Familie, das Haus anzubieten. „Das war erst schwierig“, blickt sie auf zwei gescheiterte Versuche zurück, bei denen sich Interessenten nicht wieder meldeten. Doch jetzt sei sie froh, der Familie helfen zu können.
Yuliia Sierhiehieva weiß aus eigener Erfahrung: „Es ist nicht so leicht, sein Haus und seine Möbel anderen zu überlassen, die man nie vorher gesehen hat.“ Für die junge Frau aus Kiew hat der Krieg nicht erst mit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar begonnen, sondern schon 2014 mit dem Konflikt auf der Halbinsel Krim. „Wir waren selbst Gastgeber für Geflüchtete aus dem Donbass“, erzählt sie. Der Konflikt habe auch ihre Biografie bestimmt. Sie studierte Psychologie, um Vertriebene, Veteranen und ihre Familien zu betreuen. Ihr Mann und die Schwester, auf deren Kinder sie jetzt achtgibt, sind im Militäreinsatz.
Astrid Oertzen hält zu Yuliia Sierhiehieva vor allem per WhatsApp Kontakt. „Wir haben bewusst überlegt, dass wir der Familie Ruhe gönnen“, sagt sie. „Gleichzeitig finde ich es gut, dass es hier ein Netzwerk von Engagierten aus Kirche und Nachbarschaft gibt.“ Zu diesem Netzwerk gehört mittlerweile auch Yuliia Sierhiehieva selbst. Der evangelische Kirchenkreis Winsen an der Luhe hat sie für ein Jahr angestellt, um den Flüchtlingen aus ihrer Heimat zur Seite zu stehen.
„Viele wollen eine eigene Wohnung finden, aber es ist ein schwieriges System, und die Sprachbarriere macht es noch schwieriger“, sagt sie. Wer eigentlich in die Heimat zurückwolle, schließe auch keinen längerfristigen Mietvertrag ab - ein Problem auf dem umkämpften Wohnungsmarkt. Ein Jahr - so lange kann sich die 32-Jährige inzwischen selbst vorstellen zu bleiben.
Das Elternhaus von Astrid Oertzen steckt für die 61-Jährige und ihre Familie noch voller Erinnerungen, die bis in deren Kindheit zurückreichen. Im Flur hängen noch dutzende Geweihe von Rehböcken, die ihr Vater als passionierter Jäger einst geschossen hat. Doch in vielen Räumen haben inzwischen Barbie-Puppen, Stofftiere und Malkästen vor den Klassikerbänden in den Regalen Einzug gehalten.
Yuliia Sierhiehieva hat in ihrem Zimmer vor allem Fotos aufgestellt. Sie zeigen ihren Mann und sie am Hochzeitstag, beim Pilgern auf dem Jakobsweg und dem letzten gemeinsamen Urlaub in der Türkei. „Das war in unseren Weihnachtsferien im Januar.“
Winsen/Luhe (epd). Das „Deutsche Rote Dach“, eine Organisation des Deutschen Roten Kreuzes, bemüht sich schon lange Jahre um Unterkünfte für Flüchtlinge. Durch Russlands Überfall auf die Ukraine kämen die Kommunen und Hilfeorganisationen an den Rand ihrer Möglichkeiten, sagt der Leiter des Roten Daches, Michael Thomas, im Interview. Die Fragen stellte Karen Miether.
epd sozial: Herr Thomas, Sie vermitteln seit Beginn des Überfalls auf die Ukraine vor allem von Privatleuten angebotene Quartiere für Flüchtlinge, was sind Ihre Beobachtungen?
Michael Thomas: Was genau auf uns zukommt, wussten wir anfangs nicht, nur dass wir in kurzer Zeit sehr viele Schutzbedürftige aufnehmen müssen. Darum vermitteln wir hier zurzeit ausschließlich für Flüchtlinge aus der Ukraine. Das „Deutsche Rote Kreuz“ kümmert sich um alle Flüchtlinge unabhängig von der Herkunft, maßgeblich ist die Not der Menschen. Aber es ist gerade organisatorisch nicht anders zu wuppen. Wir appellieren dringend an die Bevölkerung: Stellen Sie Wohnraum zu Verfügung! Wir wissen ja nicht, wie die Lage im Herbst oder Winter sein wird. Auch leerstehende Jugendherbergen oder Gasthöfe kämen infrage.
epd: Wie ist denn die Situation in einem Landkreis am Rande der Großstadt Hamburg?
Thomas: Im Landkreis leben aktuell ungefähr 4.000 Ukrainerinnen und Ukrainer. Mehr als 2.000 von ihnen sind im privaten Wohnraum untergekommen, den Menschen kostenlos zur Verfügung gestellt haben, vom Zimmer in der eigenen Wohnung bis zu ganzen Häusern. Aber das reicht schon jetzt nicht. Wir haben das Ende der Fahnenstange erreicht. Im Moment kommen etwa 50 Ukraine-Flüchtlinge in der Woche dazu, das sind ja gar nicht die ganz großen Zahlen. Aber wir bekommen kaum noch Angebote für Wohnraum.
epd: Wie geht dann weiter?
Thomas: Ich sehe schon am Horizont, dass wir auch auf Unterkünfte wie Schulhallen zurückgreifen müssen. Wir vermitteln schon teilweise wieder in Gemeinschaftsunterkünfte zurück. Manche Menschen haben nur auf Zeit Wohnraum zur Verfügung gestellt. Jetzt kommt die Oma und jemand braucht ein Zimmer selbst oder eine Ferienwohnung war von Beginn an nur bis zur Urlaubssaison angeboten worden. Es gibt aber kaum Mietwohnungen, die nach den Sätzen der Jobcenter angemessen und bezahlbar sind. Das gilt für die Menschen aus der Ukraine genauso wie für andere auch.
epd: Wie gelingt das Zusammenleben, gibt es Konflikte?
Thomas: Zu 98 Prozent läuft es gut. Aber bei aller Dankbarkeit und Freude für die Hilfsbereitschaft haben manche Menschen auch eine sozial-romantische Vorstellung. Sie treffen dann auf Flüchtlinge, die ihre Ruhe haben und nicht betüdelt werden wollen. Es gibt auch das ältere Ehepaar, das Gegenleistungen erwartet, etwa dass der Müll runtergetragen und der Garten gemacht wird. Abgesehen von der Kriegserfahrungen und möglichen Traumata bringen auch einige Menschen aus der Ukraine Probleme mit. Das kann ein Alkoholproblem sein, häusliche Gewalt oder eine psychische Erkrankung. Da ist es manchmal schnell nötig, ein anderes Quartier zu finden. Manche ziehen auch Gemeinschaftsunterkünfte vor, vielleicht, weil sie in der Nähe ihrer Landsleute sein wollen.
Berlin (epd). Ein halbes Jahr nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) den Deutschen für ihre Hilfe bei der Aufnahme von Flüchtlingen gedankt. „Ich bin sehr stolz auf die Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft in unserem Land“, erklärte Faeser am 23. August in Berlin. Seit Beginn des Krieges am 24. Februar sind nach Angaben des Ministeriums mehr als 967.000 Vertriebene aus der Ukraine registriert worden. Immer mehr melden sich nach Angaben des Deutschen Städtetags mit der Bitte um Unterstützung bei den Behörden.
Wie das Innenministerium mitteilte, wurden bis 21. August 967.546 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in Deutschland gemeldet. Weit überwiegend sind es ukrainische Staatsbürgerinnen. Viele kamen mit ihren Kindern. 36 Prozent der Flüchtlinge seien Kinder und Jugendliche. Das Ministerium weist allerdings auch darauf hin, dass viele der Vertriebenen bereits wieder zurück- oder weitergereist sein können.
„Viele in unserer Gesellschaft sind über sich hinausgewachsen, um Geflüchteten zu helfen“, sagte Faeser. Das sei ein humanitärer Kraftakt, der große Solidarität mit der Ukraine zeige.
Ukrainische Flüchtlinge haben seit Juli Anspruch auf reguläre Sozialleistungen. Nach Angaben des Städtetags werden die inzwischen auch benötigt. Aktuell kämen weniger Geflüchtete aus der Ukraine in den Städten neu an als noch vor einigen Wochen, sagte der Hauptgeschäftsführer des kommunalen Spitzenverbands, Helmut Dedy, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Gleichzeitig würden aber immer mehr ukrainische Geflüchtete um Unterstützung bitten, die bisher bei Freunden, Bekannten und Engagierten privat untergebracht waren.
„Viele Ukrainerinnen und Ukrainer brauchen inzwischen finanzielle Unterstützung, eine Unterkunft und eine Aufenthaltserlaubnis, weil ihr Visum abgelaufen ist“, sagte Dedy. Er sprach von einer sehr angespannten Situation auf dem Wohnungsmarkt sowie bei Kita- und Schulplätzen. Die Städte in Deutschland seien in vielen Bereichen gefordert, um den Menschen zu helfen.
Berlin (epd). 30 Jahre nach den Ausschreitungen gegen Asylbewerber in Rostock-Lichtenhagen haben Politiker und Organisationen ihre Erschütterung über die damaligen Ereignisse ausgedrückt. Die Angriffe auf die Bewohnerinnen und Bewohner einer Aufnahmestelle für Asylsuchende in Rostock-Lichtenhagen gehörten zu den schlimmsten rassistischen Ausschreitungen der deutschen Nachkriegsgeschichte, erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am 22. August in Berlin. Die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD), äußerte sich überzeugt, dass solch ein rassistisches Pogrom heute nicht mehr möglich sei. Organisationen für Flüchtlinge fordern dennoch weitere Konsequenzen.
Vom 22. bis zum 26. August 1992 gab es im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen schwere rassistisch und fremdenfeindlich motivierte Ausschreitungen. Im Verlauf der vier Tage gerieten dabei 150 Menschen in akute Lebensgefahr, nachdem ein Wohnhaus ehemaliger vietnamesischer DDR-Vertragsarbeiter in Brand gesetzt worden war. Mehr als 200 Polizisten wurden verletzt, einer davon schwer.
Faeser kritisierte das damalige Verhalten Schaulustiger und der Polizei. „Es ist bis heute erschütternd, dass kaum einer gegen den Mob einschritt“, erklärte sie. Viele Menschen hätten sogar applaudiert und die Angreifer weiter angestachelt. „Dass kein Mensch starb, war reines Glück“, sagte Faeser und ergänzte: „Der in Rostock-Lichtenhagen aufgeflammte rechtsextremistische Menschenhass wurde zum Fanal, ebenso wie das zögerliche und halbherzige Verhalten der Sicherheitskräfte und die zu geringe Empathie in Politik und Gesellschaft.“
Ähnlich äußerte sich die Arbeiterwohlfahrt (AWO). Die Ausschreitungen hätten nicht in einem gesellschaftlichen Vakuum stattgefunden, erklärte Präsident Michael Groß. Es seien Rechtsextremisten gewesen, die Steine warfen und Feuer legten. „Es war aber die gesamte Gesellschaft, die sie mit ihrem Zündeln dazu ermutigt hat“, sagte er.
Alabali-Radovan sagte im Deutschlandfunk, die Sicherheitsbehörden seien heute ganz anders aufgestellt und die Zivilgesellschaft sei jetzt lauter und stärker gegen Rassismus. Wie Faeser bezeichnete sie Rechtsextremismus dennoch als weiterhin größte Gefahr für die innere Sicherheit. Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) erklärte auf Twitter: „Der Hass ist nicht verschwunden. Es bleibt unsere Pflicht, unsere offene Gesellschaft gegen ihre Feinde zu verteidigen.“
Die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung kritisierte die damalige Reaktion der Bundespolitik auf die rassistischen Ausschreitungen, unter anderem durch eine Verschärfung des Asylrechts. Über die rechtsextremen Strukturen und Rassismus sei überhaupt nicht gesprochen worden, sagte Alabali-Radovan. Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) kritisierte, dass das Leid der Opfer bis heute zu wenig öffentliche Beachtung finde.
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl und die Amadeu Antonio Stiftung forderten ein Ende von Massenunterkünften für Asylbewerber. Noch immer seien Unterkünfte für Flüchtlinge Zielscheibe für rassistische Gewalt, erklärten sie gemeinsam. Um dem zu begegnen, müssten die Heime aufgelöst und Flüchtlinge schnell in Kommunen verteilt werden. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres gab es in Deutschland 43 Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte, wie kürzlich eine Anfrage der Linken im Bundestag ergab. Im Durchschnitt werden demnach zwei Asylbewerber pro Tag Opfer einer in aller Regel rechtsextrem motivierten Attacke.
Frankfurt a.M. (epd). Fritz Schäffer, erster bayerischer Ministerpräsident nach dem Zweiten Weltkrieg, war überzeugt: Es muss in der Stunde Null im kriegsverwüsteten Deutschland eine Umverteilung des Vermögens geben. Freunde machte sich der CSU-Politiker mit der Idee von Sondersteuern nicht. Und doch kam es in der jungen Bundesrepublik zur größten Umverteilungsaktion, die je in einer freien Marktwirtschaft stattgefunden hat: Nach heutigem Geldwert wurden 60 Milliarden Euro aus Vermögens-, Hypotheken- und Kreditgewinnabgaben eingezogen und an Millionen Mittellose ausgezahlt. Vor 70 Jahren, am 1. September 1952, trat das Gesetz zum sogenannten Lastenausgleich in Kraft.
Die Idee hat offenbar wenig von ihrer sozialpolitischen Strahlkraft eingebüßt. Denn in der Debatte, wie der Staat die hohen Corona-Kosten stemmen soll, tauchte auch die Forderung nach einer neuen Sondersteuer nach dem historischen Vorbild des Lastenausgleichs auf.
Schäffer, auch erster Finanzminister der Bundesrepublik, wollte eine sozial und politisch befriedete neue Gesellschaft aufbauen - und setzte auf die Solidarität der Bürger: „Es ist natürlich, dass man daran denkt, dass derjenige, der im Krieg Vermögensschaden erlitten hat, sich an den wendet, der das Vermögen im Krieg behalten hat“, erklärte der Minister damals.
Leid, Elend und Verzweiflung waren allgegenwärtig. Im Land lebten unmittelbar nach Ende des Krieges 15 Millionen Menschen, die oft nicht viel mehr besaßen als ihre zerschlissene Kleidung: Bombenopfer, Heimatlose, ehemalige KZ-Häftlinge. Allein zwölf Millionen Menschen suchten als Vertriebene aus den einstigen deutschen Ostgebieten eine neue Heimat im Westen. 18 Millionen Menschen, also mehr als ein Drittel der damaligen Bevölkerung der Bundesrepublik, hatten Ansprüche auf Zahlungen aus dem Lastenausgleich.
Für Horst Waffenschmidt (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesinnenminister zwischen 1982 und 1997, war der Lastenausgleich „die erste große Bewährungsprobe, die der in Deutschland neu geschaffene, freiheitliche und soziale Rechtsstaat zu bestehen hatte“. „Er hat diese Probe bestanden“, sagte Waffenschmidt 1987 zum 35. Jahrestag des Inkrafttretens des Gesetzes. Der Lastenausgleich bleibe „ein eindrucksvolles Beispiel der Solidargemeinschaft unseres Volkes“. Ähnlich urteilte auch der Historiker Rudolf Morsey: „Der Lastenausgleich minderte ein bedrohliches soziales Spannungspotenzial.“
Zunächst wurde aus Zeitgründen das „Soforthilfegesetz“ verabschiedet, das die größte Not der Geschädigten lindern sollte. Erhoben wurde eine Steuer von drei Prozent auf das vorhandene Eigentum, die sofort fällig war. „In den drei Jahren von 1949 bis zum Inkrafttreten des Lastenausgleichsgesetzes wurden bereits 6,2 Milliarden DM ausgegeben“, berichtete Henning Bartels, Vizepräsident des Bundesausgleichsamtes, das für den Lastenausgleich zuständig war.
Der Bundestag verabschiedete das „Gesetz über einen allgemeinen Lastenausgleich“ gegen die Stimmen von SPD und KPD. Die SPD begründete ihre Ablehnung vor allem mit der verhältnismäßig geringen Abschöpfung der wirklich großen Vermögen. Denn wer etwa ein Haus besaß, das am Tag des Inkrafttretens des Gesetzes 100.000 Mark wert war, sollte bis 1979 50.000 Mark Vermögensabgabe entrichten.
Fast drei Millionen betuchte Bürger zahlten in den Ausgleichsfonds ein. Sie hatten die Hälfte ihres Vermögens abzutreten, gestreckt auf 30 Jahre in vierteljährlichen Tranchen von rund 0,4 Prozent. Von einer Teilenteignung konnte nicht die Rede sein, von der Vermögenssubstanz ging kaum etwas verloren, was auch SPD-Parteichef Erich Ollenhauer kritisierte. Bei der Verabschiedung des Gesetzes sagte er: „Es ist in Wirklichkeit die Krönung dieser Politik der Bevorzugung des großen Privatbesitzes. Das Resultat dieser Politik ist, dass es heute in keinem der Krieg führenden Länder in Westeuropa einen so aufreizenden Gegensatz zwischen größtem Luxus und erbarmungswürdiger Armut gibt wie hier in der Bundesrepublik.“
Weil der Staat wegen Corona und auch als Folge des Ukraine-Krieges viel Geld braucht, ist auch heute wieder ein Lastenausgleich in der Debatte. Doch einen solchen Schritt halten viele Experten für völlig überzogen - nicht zuletzt aus verfassungsrechtlichen Gründen. Auch der Chef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, ist strikt dagegen. Er warnt, „die Bürger nicht durch historische Irrlichter zu verunsichern“. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages urteilte, dass mit Blick auf den Lastenausgleich (LAG) die Ausgangslage 1952 und die aktuelle nicht vergleichbar seien: „Die Vermögensabgabe nach dem LAG bietet sich nicht als Vorbild für die heutige Situation an.“
Einen anderen Blick auf die Lage hat der Historiker Heinrich August Winkler. Dem „Tagesspiegel“ sagte er im März 2020 zu Beginn der Corona-Pandemie: „Deutschland wird um eine Umverteilung großen Stils nicht herumkommen - einen Lastenausgleich zwischen denen, die unter den materiellen Folgen dieser Krise weniger zu leiden haben als die, deren berufliche Existenz auf dem Spiel steht.“ Und: „Die Dimensionen dieser Umverteilung werden die des historischen Lastenausgleichs zugunsten der Heimatvertriebenen und Ausgebombten in der 'alten' Bundesrepublik weit übertreffen.“
Berlin (epd). Unter der Überschrift „Jetzt ist die Zeit zu handeln!“ verschickte der Sozialverband VdK Deutschland am 19. August eine Mitteilung, in der von vier Verbänden der Appell an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erging, zu einem Sozialgipfel einzuladen. Das sei das richtige Forum, um über die Inflation zu sprechen sowie ihre Folgen für die Menschen am Rande der Gesellschaft und darüber, was an Hilfen im nächsten Entlastungspaket der Regierung stehen sollte. Eine Reaktion der Bundesregierung auf den Appell sei noch nicht eingegangen, sagte Pressesprecherin Heike Vowinkel dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Moniert wird in dem Aufruf, dass die Regierung trotz des Starts ihrer Konzertierten Aktion mit Gewerkschaften und Arbeitgebern „noch nicht mit den wirklich Betroffenen und ihren Vertretern geredet hat. Wir als Bündnis fordern Sie daher auf, so schnell wie möglich die Betroffenen zu beteiligen und einen Sozialgipfel einzuberufen“, heißt es dort.
Unterzeichnet haben den Aufruf neben dem VdK, der Deutsche Mieterbund, der Sozialverband Deutschland SoVD und der Tafel Bundesverband. Nicht dabei: Caritas und Diakonie, zwei große Akteure, mit denen in der Vergangenheit oft sozialpolitisch an einem Strick gezogen wurde.
„Es gab keine Anfrage dazu an den Deutschen Caritasverband. Wir standen zu dem Bündnis nicht mit den genannten Verbänden in Kontakt“, teilte die Caritas dem epd am 22. August auf Anfrage knapp und ohne weiteren Kommentar mit.
Diakonie-Präsident Ulrich Lilie sagte dem epd, er unterstütze die breit getragene Forderung nach einem Sozialgipfel mit Bundeskanzler Scholz. „Die enorm gestiegenen Preise für Energie und Nahrungsmittel können von einkommensarmen Menschen kaum noch geschultert werden.“ Im Herbst und Winter werde sich ihre finanzielle Lage absehbar zuspitzen. „Die Schwächsten in einer Krise zu unterstützen - das muss in einer sozialen Marktwirtschaft Chefsache sein. Deshalb gehört das Thema ins Bundeskanzleramt und damit an die Spitze der Tagesordnung“, so Lilie.
Laut VdK gebe es keine inhaltlichen Gründe, weshalb die kirchlichen Verbände nicht eingeladen worden seien, den Aufruf zu unterstützen. Das habe allein zeitliche Gründe gehabt, betonte Pressesprecherin Heike Vowinkel auf Anfrage. Die vier Organisationen zusammenzubringen, sei schon schwierig genug gewesen: „Je größer die Zahl der mitmachenden Verbände, um so schwieriger ist es, die Inhalte zeitnah abzustimmen.“ Und weil alles sehr schnell gehen musste, blieben Diakonie und Caritas diesmal außen vor. Der Aufruf zu dem Sozialgipfel sollte publiziert sein, bevor die Regierung ihre nächstes Entlastungspaket vorstellt.
Sie stellte klar: Falls es zu einem Sozialgipfel kommen sollte, seien Diakonie und Caritas selbstverständlich zur Teilnahme eingeladen: „Wir wollen niemanden ausschließen.“
Bremen (epd). Am 25. August hat Diakonie-Präsident Ulrich Lilie unter dem Schwerpunktthema Einsamkeit eine viertägige Sommerreise durch mehrere Bundesländer beendet. Er fragte Menschen nach ihren Erfahrungen mit Einsamkeit und diskutierte über Wege aus dem krankmachenden Alleinsein. Im Interview mit Dieter Sell sprach er über die teils dramatischen Folgen von Einsamkeit, den Wert lebendiger Kontakte und warum Sudoku keine erfolgversprechende Strategie gegen Einsamkeit ist.
epd sozial: Herr Lilie, das Thema Einsamkeit steht im Mittelpunkt Ihrer Sommerreise. Warum Einsamkeit?
Ulrich Lilie: In der Pandemie mit Lockdown und Kontaktbeschränkungen haben viele Menschen Erfahrungen mit Einsamkeit gemacht, die sich bislang für immun hielten - quer durch alle gesellschaftlichen Schichten.
epd: Es gibt Menschen, die das Alleinsein suchen und als Bereicherung empfinden. Aber die Zahl derjenigen, die ungewollt in Isolation und Einsamkeit stürzen, wächst massiv. Woran liegt das?
Lilie: Ja, in nahezu allen Altersgruppen gibt es immer mehr Menschen, die alleine leben. Die Bindekraft von gemeinschaftsstiftenden Institutionen lässt nach. Nicht nur Kirchengemeinden, sondern auch Parteien, Gewerkschaften oder Vereine haben Schwierigkeiten, Menschen zu halten. Es gibt einen Trend zur Individualisierung in unserer medialen Massengesellschaft, der nicht rückgängig gemacht werden kann. Das ist durchaus gut, weil es dem Einzelnen die Möglichkeit gibt, viel auszuprobieren.
Auf der anderen Seite ist der Mensch ein soziales Wesen und braucht Zugehörigkeit und Gemeinschaft wie die Luft zum Atmen. Wir brauchen nährende und schützende Beziehungen, um leben zu können.
epd: Wenn die Gemeinschaft so wichtig ist, was sind die Folgen ungewollter Einsamkeit?
Lilie: Wir wissen aus der Stress- und Gehirnforschung, dass unfreiwilliges Alleinsein als extremer Stress erlebt wird und auf die gleichen Zentren wirkt wie das Schmerzempfinden. Einsamkeit ist für die Gesundheit ein genauso starker Risikofaktor wie etwa Fettleibigkeit oder dauerhaftes Rauchen. Gleichzeitig ist es ein erheblicher Risikofaktor in der psychischen Entwicklung. Wer alleine lebt, erkrankt viel eher an einer Depression oder an Schizophrenie. Bei älteren Leuten steigt die Gefahr für Demenzerkrankungen. Manche sagen: „Ich mach’ Sudoku.“ Doch das ist eben nicht das Richtige. Es geht vielmehr darum, lebendige Kontakte mit anderen zu haben, sich auszutauschen und etwas mit anderen zu unternehmen.
epd: 2018 wurde in Großbritannien ein Einsamkeitsministerium gegründet. Können wir davon lernen, brauchen wir das auch?
Lilie: Das Thema Einsamkeit sollte als gesellschaftliche Querschnittsaufgabe ressortübergreifend und über ein breites zivilgesellschaftliches Netzwerk gut koordiniert angepackt werden. Das Wohnungsbauministerium ist dabei genauso gefragt wie das Sport-, Innen-, Familien- oder Gesundheitsministerium. Für eine wirksame Strategie müssen wir alle aus der Tortenstück-Logik herausfinden. Wir brauchen eine abgestimmte Strategie und einen langen Atem. Es hilft weder ein Beauftragter gegen Einsamkeit noch hilft es, Einsamkeit pauschal zur Krankheit der Moderne zu erklären und von einer neuen Seuche zu sprechen. Es gibt bereits viele interessante Initiativen und Ideen. Die gilt es jetzt zu beforschen, zu fördern und gut zu vernetzen.
epd: Experten sagen, Einsamkeit muss nicht zwangsläufig und aus heiterem Himmel entstehen, sondern baut sich nach und nach auf. Wer darin geübt ist, Kontakte aufzubauen, könnte besser geschützt sein …
Lilie: Aber viele Menschen haben nach einem langen Tag schlicht nicht mehr die Kraft, ihre eigenen Sozialkontakte zu pflegen - wie beispielsweise oft Alleinerziehende, die sich um ihre Kinder und um die Arbeit kümmern. Und es gibt auch noch andere Einflussfaktoren. So deutet vieles darauf hin, dass Langzeitarbeitslosigkeit, Einsamkeit und ein Krankheitsrisiko eng zusammenhängen.
epd: Wie lässt sich gegensteuern?
Lilie: Wir sollten alle Betroffenen ermutigen, ihre Einsamkeit zu thematisieren. Wohlfahrtsverbände wie die Diakonie, die Telefonseelsorge, Vereine, Kirchen oder kommunale Einrichtungen können hier viel tun. So gibt es auch in Bremen gute Projekte. Das Programm „1.000 Bänke für Bremen“ ist ein schönes Beispiel. Dabei geht es um Ruhebänke, die älteren Menschen durch ihre besondere Sitzhöhe sowie Armlehnen gute Gelegenheiten für eine Pause bieten. So können sie sich länger draußen aufhalten, sich ausruhen, auf alte Bekannte und neue Personen treffen. Kurz: Es geht immer darum, Begegnungen und Gespräche zu ermöglichen. Kirchengemeinden und diakonische Einrichtungen können dabei eine wichtige Rolle spielen.
epd: Haben Sie konkrete Vorschläge?
Lilie: Es ist sinnvoll und wichtig, viele Akteurinnen und Akteure aus der Zivilgesellschaft zusammenzubringen. Nachbarschaftscafés, Patenschaftsmodelle oder Besuchsdienste sind hilfreich. Aber es geht auch um eine intelligente Stadtplanung und Quartiersgestaltung. Wo Menschen leben und wohnen, muss es lebendige, grüne und attraktive Begegnungsorte geben, an denen Menschen etwas zusammen unternehmen können.
Warum bauen wir keine öffentlichen Freibäder in die Citys, in denen heute oft leere Kaufhausruinen stehen? Wir könnten Volkshochschulen oder Stadtbibliotheken zu attraktiven Aufenthaltsorten weiterentwickeln. Es geht also auch um eine umsichtige Entwicklung unserer Städte und Dörfer. Diakonie und Kirche verstehe ich dabei als gute Partner, weil sie schon über viele solcher Orte und Netzwerke verfügen.
Nürnberg (epd). Rund drei Stunden pro Woche investiert Studentin Lara in ihr Ehrenamt. Dabei geht sie nicht zum Fußball oder plant eine Semesterfete, sondern sie begleitet Jugendliche mit Suizidgedanken. „Wenn man einen intensiven Kontakt hat und sieht: Der Person geht es mit der Zeit besser, ist das ein tolles Gefühl. Und gleichzeitig lerne ich, auf mich selbst zu achten und mich im Alltag auch mal rauszunehmen“, sagt die junge Frau. Eine Bekannte von ihr arbeitete bereits für U25, so ist Lara auf das Angebot aufmerksam geworden.
Der Onlineberatungsdienst U25 richtet sich an junge Menschen unter 25 Jahren und sucht sie dort auf, wo sie in ihrer Freizeit viel unterwegs sind: im Internet. Gleichzeitig kommen für die Beratung Gleichaltrige - die Peers - zum Einsatz. „Jugendliche untereinander haben eine andere Sprache. Sie geben sich Rückmeldungen auf Augenhöhe“, sagt die Sozialpädagogin Isabelle Dulleck, die die Arbeit der Ehrenamtlichen fachlich begleitet. „Viele Jugendliche sagen, dass sie genau das gesucht haben: Jemanden, der versteht, wie es ihnen geht und noch ganz nah dran ist an den schwierigen Aufgaben, die Jugendliche oft haben.“
2001 entstand in Freiburg die Idee, eine Suizidprävention für Jugendliche durch Peers anzubieten. Mittlerweile gibt es das Angebot der Caritas an elf Standorten in Deutschland. An einem der Standorte zu wohnen, ist keine Voraussetzung dafür, das Angebot von U25 nutzen zu können. Über das Webportal können sich Ratsuchende von jedem Ort aus kostenlos und anonymisiert registrieren und dann eine Mail verfassen, in der sie ihre Situation beschreiben. Diese Mail geht zunächst an die Teamleitung und wird dann einem der 38 Ehrenamtlichen im Raum Nürnberg zugeteilt. Die Peers beraten maximal drei Personen gleichzeitig. Da die Nachfrage so hoch ist, steht nur zu einem Viertel der Zeit die Anmeldeampel der Webseite auf „grün“. Wenn niemand frei ist, bekommen Ratsuchende Hinweise auf alternative Hilfsangebote.
„Es ist nicht so, dass wir Randgruppen betreuen“, sagt die Ehrenamtliche Mia, „denn bei Jugendlichen kommen Suizidgedanken ziemlich häufig vor. Es ist inzwischen die häufigste Todesursache, noch vor Verkehrsunfällen.“ Dennoch werde das Thema von der Gesellschaft stark tabuisiert, sagt sie. „Ich fühle mich super gut, wenn sich jemand traut, das anzusprechen und wenn dieser Person unser Angebot hilft.“ Die Ehrenamtlichen werden in ihren Beratungen mit jungen Menschen in Extremsituationen konfrontiert - das kann auch mal an die Substanz gehen. Sie stünden dabei aber nie allein da, sagt Mia. Jederzeit können sie sich an die Teamleitung wenden, regelmäßige Supervisionen helfen bei der Verarbeitung. Vor der ehrenamtlichen Tätigkeit absolvieren die Peers eine 32-stündige Ausbildung.
Rund ein Drittel der Ratsuchenden schreibt nur einmal und meldet sich nach der Antwort nicht mehr, sagt Mia. Den Grund dafür oder was danach passiert, weiß sie nicht - Anonymität ist eine der wichtigsten Grundlagen für das niedrigschwellige Angebot. Mit manchen ergibt sich ein langfristiger Austausch. „Ich habe auch Kontakte, die schon mehr als ein Jahr laufen“, sagt sie. Manchmal sei es gut, eigene Erfahrungen mit einzubringen, fügt Lara hinzu. „Dann kann man auch eine Beziehung zu den Ratsuchenden aufbauen.“ Sollten im Austausch akute Suizidgedanken geäußert werden, raten die Peers zu professioneller Hilfe. „Im Normalfall kann es schon sehr entlastend sein, einfach über diese Gedanken zu sprechen. Zu wissen, es gibt ein wertschätzendes Gegenüber, kann auch eine Weile tragen“, sagt Isabelle Dulleck.
Die Gründe, warum Jugendliche Suizidgedanken haben, sind ganz unterschiedlich. In den letzten Jahren gab es jedoch einen Faktor, der immer wieder auftrat. „Seit Pandemiebeginn merken wir, dass die Nachrichten im Schnitt 30 Prozent länger geworden sind“, sagt Dulleck. „Die Ratsuchenden schildern auch, dass sie stärker belastet sind und noch schwieriger in andere Hilfesysteme kommen.“ U25 ersetzt ganz bewusst keine Therapie, versucht aber, ein Rettungsanker für die Jugendlichen zu sein und sie bei Bedarf an professionelle Stellen weiterzuvermitteln.
Die Caritas finanziert U25 in Nürnberg zu zehn Prozent, weitere Mittel kommen seit 2016 vom Bund und vom Freistaat Bayern. Diese Förderung läuft bis Ende 2024 - was danach passiert, ist noch nicht klar, sagt Klaus Weckwerth, Projektleiter vor Ort. Man stehe im Austausch mit Berlin und München und bemühe sich um eine Regelfinanzierung im Rahmen eines Suizidpräventionsgesetzes. „Der Bedarf ist enorm, aber nur wenn die Politik sich dauerhaft finanziell engagiert, kann es weitergehen“, sagt Weckwerth.
Bonn (epd). Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) hat den Gesetzgeber aufgerufen, die Bedingungen für die Suizidassistenz klar zu regeln und dabei die Situation älterer Menschen stärker in den Blick zu nehmen. In ihrer am 23. August veröffentlichten Stellungnahme „Suizidprävention im Alter stärken“ weist die BAGSO auf das erhöhte Suizidrisiko im fortgeschrittenen Lebensalter hin. Deshalb müsse die psychologische und psychiatrische Versorgung älterer Menschen deutlich verbessert werden, hieß es.
„Wir appellieren an die Abgeordneten des Bundestages, das Verfahren für einen freiverantwortlichen Suizid und die Hilfe durch Dritte hierbei möglichst bald zu regeln“, sagte BAGSO-Vorsitzende Regina Görner in Bonn. Der Gesetzgeber müsse sicherstellen, dass mit der Not oder der Unsicherheit von Menschen keine Geschäfte gemacht werden.
Das neu zu regelnde Verfahren der Suizidassistenz muss nach Ansicht der BAGSO der Freiverantwortlichkeit des Sterbewunsches besondere Aufmerksamkeit schenken. Die Organisation plädiert dafür, dass die Prüfung eines Sterbewunsches im Rahmen einer qualifizierten und staatlich kontrollierten Beratung erfolgt, die auch immer Hilfs- und Entlastungsangebote aufzeigen müsse.
Die Neuregelung der Suizidassistenz ist notwendig, weil das Bundesverfassungsgericht 2020 das Gesetz zum Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung für nicht verfassungskonform und somit ungültig erklärt hat. Der Bundestag hat im Juni 2022 in einer Orientierungsdebatte über eine Reform der Sterbehilfe beraten.
Esslingen (epd). Der Beratungsbedarf wegen Essstörungen nimmt zu, die Betroffenen werden imm- er jünger. So ganz neu ist diese Entwicklung nicht: Als Ende der 1990er Jahre immer mehr Betroffene Hilfe suchten, rief Roland Kachler, Leiter der damaligen Psychologischen Beratungsstelle Esslingen, die einzige spezialisierte Fachstelle für Essstörungen in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg ins Leben. Zwölf Jahre lang wurde diese „Anlauf- und Beratungsstelle für Essstörungen“ komplett über Spenden finanziert, dann übernahm der Landkreis Esslingen die Finanzierung einer 50-Prozent-Stelle.
15 Jahre lang hat Barbara Hammann dort beraten, nun hat die 64-Jährige ihre Aufgaben an Micaela Neumann übergeben. Gab es anfangs noch etwa 75 Erstgespräche im Jahr, sind es aktuell 80 bis 90. „Das ist das höchste, was leistbar ist“, sagt Hammann. Die Auslastung sei immer am Anschlag. Gerne hätte Uwe Stickel, seit Februar 2022 Leiter des heutigen Diakonischen Beratungszentrums, noch eine weitere Stelle, hofft erneut auf Spender und Sponsoren. „Wir sollten mehr für die Prävention tun, in die Schulen und ins Jugendhaus gehen, und wir sollten uns das Thema ‚junge Männer‘ nochmals ansehen“, sagt er.
Zwar kommen rund 90 Prozent weibliche Personen und nur zehn Prozent männliche Personen zur Beratung. Doch das spiegle nicht die Verteilung der Betroffenen wider, ist Hammann überzeugt: „Jungs tun sich schwerer, Beratung zu suchen. Sich nur noch von Eiweißshakes zu ernähren, ist auch eine Essstörung.“ Männliche Muskelsucht statt Magersucht? Bei Jungs gebe es beides, sagt Hammann. Und Jungs seien oft noch radikaler, gerieten noch schneller in einen lebensbedrohlichen Bereich. „Wir haben es mit Leben und Tod zu tun.“
Je früher eine Essstörung entdeckt werde, sagt Neumann, desto größer sei die Chance zur Heilung. „Es ist wichtig, das nicht zu übersehen. Es gibt große Hemmungen, das anzusprechen.“ Deshalb berät die Anlaufstelle Essstörungen nicht nur Betroffene, sie berät und schult auch Eltern, Lehrer und Schulsozialarbeiter.
„Es gibt keine alleinige Ursache für Essstörungen“, sagt Hammanns Nachfolgerin, Micaela Neumann. Eine wesentliche Ursache sei Druck: „Ich muss gut sein, ich muss perfekt sein.“ Bei Menschen mit eigenen traumatischen Erlebnissen wirke dieser Druck als Trigger. „Kein Mensch will mittelmäßig sein“, sagt Hammann, jeder wolle sich hervorheben.
„Wir haben in der Gesellschaft viele Menschen, die aus der Balance geraten sind“, sagt Stickel. „Essen, Alkohol, Drogen, Aggressionen. Wir wollen beraten und stabilisieren, helfen, die Dinge auszubalancieren, das kann auch im Gruppengespräch sein.“ Alle drei Gesprächspartner betonen den Unterschied zwischen Beratung und Therapie. Essstörungen seien eine schwere psychosomatische Erkrankung, die oft stationär behandelt werden müsse, sagt Hammann. Oft helfe eine Beratung, die Angst vor einer Therapie abzubauen. Zudem biete die Beratung eine lange Konstanz: „Manche Menschen habe ich 15 Jahre lang begleitet. Ganz niederschwellig, ohne irgendwelche Anträge.“
Wie können Angehörige und Freunde Betroffenen begegnen? „In der Beziehung bleiben, aber nichts beschönigen“, rät Hammann. Keine Appelle, nichts bewerten, sondern bei den eigenen Gefühlen bleiben: „Ich mache mir Sorgen, wenn ich dich anschaue.“
Der Pflegereport 2022 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK kritisiert, dass in deutschen Pflegeheimen gerade in der letzten Lebensphase zu wenig auf die individuellen Bedürfnisse der Bewohner eingegangen wird. Jede fünfte befragte Pflegefach- oder Assistenzperson erlebt laut Pflegereport monatlich oder häufiger, dass Bewohner am Lebensende zum Beispiel in ein Krankenhaus eingewiesen werden, obwohl das aus Sicht der Befragten nicht im besten Interesse der Versterbenden ist. Die Mehrheit der Befragten gibt zudem an, dass sie beobachten, dass sich auf Druck der Angehörigen das Behandlungsteam für belastende beziehungsweise lebensverlängernde Maßnahmen entschieden habe, obwohl die Patientenverfügung ein anderes Vorgehen nahegelegt hätte.
Auch in den Einrichtungen der Diakonie Bethanien machen wir solche Beobachtungen. Und das, obwohl wir bereits sehr viel dafür tun, dass Angehörige und Pflegekräfte sich in ihrem Handeln sicher fühlen. Damit wir möglichst genau wissen, was sich unsere Bewohner auf dem letzten Lebensweg wünschen, haben wir bereits vor Jahren dafür Strukturen und Beratungsangebote aufgebaut, die unsere Altenpflege eng mit Palliativpflege und unseren Seelsorgeangeboten verknüpfen.
Eine enge Verknüpfung von Pflege und Medizin mit einer individuellen und umfassenden Beratung finden wir sehr wichtig. Denn so individuell wie jede Geburt, so individuell ist auch das Sterben eines jeden Menschen. Gerade in der letzten Lebensphase können Menschen in Situationen gelangen, in denen sie ganz plötzlich nicht mehr selbst entscheiden können, was sie sich für ihr Lebensende wünschen. Wenn in so einer Situation die Menschen um sie herum jedoch genau wissen, was zu tun ist, wenn es ihnen nicht gut geht, nimmt das sowohl ihnen selbst als auch den Angehörigen eine Last und viele Ängste.
Deshalb besuchen wir jede Person, die bei uns einzieht, und sprechen intensiv mit ihr über das Sterben und den Tod. Und darüber, was ihnen auf dem letzten Lebensweg wichtig ist. Das ist nicht unbedingt ein Thema, das auf Anhieb für Begeisterung sorgt. Einige Menschen sind skeptisch und möchten sich nicht mit der eigenen Endlichkeit auseinandersetzen. Andere wiederum sind froh, dass endlich jemand da ist, der das Ungesagte ausspricht.
Zentrale Fragen in diesen Gesprächen sind zum Beispiel: Was bedeutet für Sie ein würdevolles Leben? Was gibt Ihnen Trost und Halt? Was ist Ihnen im Umgang mit Ihrer Person wichtig? Daraus entwickeln sich ganz individuelle Gespräche, die am Ende dazu führen, dass wir ein klares Bild davon haben, wie derjenige seinen letzten Lebensweg gehen möchte.
Sogar wenn unsere Bewohner bereits beim Einzug nicht mehr in der Lage sind, ihren Willen für ihren letzten Lebensweg zu äußern, ermitteln wir auf Wunsch oftmals in Gesprächen gemeinsam mit dem Bevollmächtigten und den Angehörigen den mutmaßlichen Willen. Dass wir uns diese Zeit auch in dieser besonderen Situation nehmen, ist für viele Angehörige ein großes Geschenk, das sie dankbar annehmen.
Doch warum machen das laut Pflegereport 2022 viele andere Pflegeheime nicht wie wir in der Diakonie Bethanien? An der Finanzierung allein kann es nicht liegen. Die ist in §132g SGB V geregelt und durchaus fair angelegt. Zwar sind wir auch dort - wie in vielen Bereichen der Gesundheitsbranche - weit weg von einer vollständigen Refinanzierung durch die Krankenkassen. Ein Großteil der Kosten wird jedoch abgedeckt.
Es liegt also vielmehr am Willen und an der Haltung der handelnden Personen. Und hier meinen wir ausdrücklich nicht die Kolleginnen und Kollegen in der Pflege. Vielmehr sind die Träger und Betreiber der Seniorenzentren gefragt, ihre Arbeit nicht vom Profit aus zu denken, sondern den Menschen (wieder) in den Mittelpunkt ihres Handelns zu stellen.
Oft hören wir von anderen Trägern, dass sie Mitarbeitende in die Weiterbildung schicken, die augenscheinlich zwar für die Beratung qualifiziert sind, jedoch in erster Linie erst einmal „ausgemusterte“ Pflegekräfte sind, für die man eine neue Verwendung brauchte. Ebenso hören wir von Pflegekräften, die zwar die Weiterbildung erfolgreich abgeschlossen haben, ihr Wissen und ihre Hilfen aber nie anwenden können, weil sie Personalengpässe in den Einrichtungen auffangen müssen.
Hier zeigt sich einmal mehr der Unterschied zwischen privatwirtschaftlichen Betreibern und diakonisch geprägten Trägern wie der Diakonie Bethanien. Wir fragen nicht zuerst danach, was wir mit einer Leistung verdienen. Wir fragen uns zuerst, was wir tun können, um alten, schwachen und kranken Menschen bis zuletzt ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Ganz so wie es unsere Diakonissen vor 126 Jahren das erste Mal in unserem und in Gottes Namen und Auftrag taten.
Doch selbst wir, die den Willen dazu und die ureigene Haltung haben, stoßen hier und da an Grenzen, die wir alleine nicht überwinden können. Selbst wir kommen in Einzelfällen in eine Lage, in der wir den Bewohner in ein Krankenhaus bringen lassen müssen, obwohl wir wissen, dass der Patient nicht in einem Krankenhaus sterben möchte. Nämlich dann, wenn ein akuter gesundheitsbedrohender Zustand eintritt und wir nicht auf den Hausarzt des Bewohners zugreifen können, weil die Situation außerhalb von Sprech- oder Notdienstzeiten des Arztes entsteht.
Der Wunsch eines Bewohners auch in plötzlichen Krisen keinesfalls in ein Krankenhaus eingewiesen zu werden, besteht sehr oft. Aber ist es nicht unterlassene Hilfeleistung von Angehörigen und Pflegekollegen, einen Bewohner in dieser Situation in der Einrichtung zu lassen? Diese Frage stellt sich vor allem dann, wenn eine Situation auftritt, die vorher eben nicht ganz genau so festgelegt wurde.
Hat der Bewohner beispielsweise Magenbluten und es wurde nichts für diesen expliziten Fall festgelegt, werden ihn Angehörige und Pflegekollegen sicherheitshalber ins Krankenhaus einweisen lassen. Dort angekommen wird er wahrscheinlich ein Magenschutz-Medikament erhalten und das Krankenhaus wieder verlassen. Im Nachhinein war die Einweisung überflüssig, aber in der Situation war niemand vor Ort, der das entscheiden konnte und wollte.
Deshalb plädieren wir für feste interdisziplinäre Notfallteams aus Ärzten und Palliativpflegekräften, die vor Ort tätig und mit der gesundheitlichen Vita der Bewohner vertraut sind. Leider sieht der Gesetzgeber solche Teams nicht vor. Bereitschaftsärzte können diese Lücke nicht schließen, ebenso wenig die Hausärzte, die vielerorts überlastet sind.
Einer Studie der Robert-Bosch-Stiftung aus dem Jahr 2021 zufolge könnten im Jahr 2035 bundesweit knapp 11.000 Hausarztpraxen unbesetzt sein. Schon 2021 waren rund 3.500 benötigte Praxen in Deutschland unbesetzt. Junge Ärzte bevorzugen laut Studie statt Einzelpraxen zunehmend Angestelltenverhältnisse und Teilzeitmodelle. Es liegt an den politischen Entscheidungsträgern, Anreize zu schaffen, diesen - nicht nur am Lebensende - fatalen Mangel zu beseitigen.
Bielefeld (epd). Die v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel wollen auf die stark gestiegenen Kosten unter anderem mit einer Überprüfung ihrer Investitionen reagieren. Das Jahresergebnis des Jahres 2021 sei zwar noch positiv. „Ohne gravierende Einschnitte in vielen Bereichen Bethels wird ein neuerlich positives Ergebnis nicht mehr möglich sein“, sagte Bethel-Chef Pohl am 24. August in Bielefeld.
Das diakonische Unternehmen habe zwar im zweiten Pandemiejahr mit 6,84 Millionen Euro noch ein positives Gesamtergebnis erwirtschaftet, sagte Pohl. Die extrem gestiegenen Energiepreise und weitere steigende Kosten könnten durch das positive Jahresergebnis 2021 aber „bei Weitem nicht aufgefangen“ werden. Neben den Energiekosten nannte Pohl als weitere Herausforderungen die hohe Inflation, gestiegene Bau- und Investitionskosten sowie zu erwartende Lohnsteigerungen. „Wir stehen vor ernsthaften finanziellen Unwägbarkeiten“, warnte der Bethel-Chef. Pohl dankte allen, die mitarbeiteten und Herz gezeigt hätten, um die sozialen Folgen der Erschütterungen zu lindern.
Durch die vielen Krisen sei das vergangene Jahre schon problematisch gewesen, sagte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Rainer Norden. In diesem Jahr kämen jedoch noch viel größere Herausforderungen auf Bethel zu. Aktuell würden allen Investitionen auf den Prüfstand gestellt und voraussichtlich verkleinert oder zeitlich gestreckt. Im Gegensatz zu anderen großen Trägern sei Bethel jedoch in der Situation, auf Spender vertrauen zu können.
Es gebe keine Überlegungen, Angebote für behinderte oder kranke Menschen einzuschränken oder zu schließen, unterstrich Pohl. Auch bei der Prüfung der Investitionen sei das Ziel, alles aufrecht zu erhalten, was da se.
Das Jahresergebnis für 2021 liegt laut Norden mit 6,84 Millionen Euro rund zwei Millionen Euro über dem des Vorjahres (4,88 Millionen Euro). Das Ergebnis werde vollständig in die Arbeit Bethels investiert. Die Gesamterträge aller Stiftungsbereiche und Tochtergesellschaften der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel, vergleichbar mit dem Umsatz, stiegen im Jahr 2021 um vier Prozent auf 1,47 Milliarden Euro (Vorjahr: 1,41 Milliarden).
Im Fall des Assistenzarztes, der im Evangelischen Klinikums Bethel Patientinnen sexuell missbraucht haben soll, hat Bethel einen Unterstützungsfonds für die betroffenen Frauen aufgelegt. Der Fonds könne erlittenes Leid nicht ungeschehen machen, solle aber Hilfe zur Verarbeitung der Verbrechen geben, sagte Pohl. Jede betroffene Frau erhalte 20.000 Euro, zusätzlich würden Kosten für psychologische Betreuung übernommen. Bethel habe seit Bekanntwerden der Ermittlungen vollumfänglich kooperiert. Der beschuldigte Assistenzarzt hatte Suizid begangen.
Flüchtenden Menschen aus der Ukraine habe Bethel seit Kriegsbeginn zur Seite gestanden, sagte Pohl. Rund 350 Geflüchtete aus der Ukraine hätten in den Einrichtungen Schutz und ein neues Zuhause gefunden. Rund die Hälfte seien Kinder und Jugendliche mit Behinderungen. Rund 110 Kinder und Jugendliche aus einem Heim in der Nähe von Kiew lebten nun in der Ortschaft Bethel.
Die v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel zählen zu den größten diakonischen Werken Europas. Rund 230.000 Menschen hat das diakonische Werk nach Angaben des Vorstands im vergangenen Jahr behandelt, betreut oder ausgebildet. Bethel ist an rund 300 Standorten mit Einrichtungen und Diensten in acht Bundesländern vertreten.
Berlin (epd). Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) fordert für Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen der Eingliederungshilfe eine unkomplizierte Abrechnung der rasant steigenden Energiepreise. „Die Energiekrise entwickelt sich zu einer ähnlich großen wirtschaftlichen Herausforderung wie die Pandemie“, sagte bpa-Präsident Bernd Meurer am 22. August in Berlin. „Die Gaspreise haben sich im Schnitt verdreifacht, in manchen Fällen verzehnfacht“, gab der Verbands-Chef an.
Bereits die hohen Preissteigerungen bei Strom und Lebensmittelpreisen machten die Refinanzierung der erhöhten Sachkosten notwendig. „Wir haben die Pflegekassen im Juni aufgefordert, schnelle Nachverhandlungen über die dramatisch gestiegenen Kosten zu ermöglichen“, sagte Meurer. In vielen Bundesländern sei dazu jedoch keine Bereitschaft der Pflegekassen und der Sozialhilfeträger erkennbar. „Dabei gibt es eine gesetzliche Verpflichtung der Kostenträger, wesentlich gestiegene Kosten in zusätzlichen Verhandlungen zu berücksichtigen“, so Meurer.
Mit Blick auf die rasante Preisentwicklung auf dem Gasmarkt forderte der bpa-Präsident eine Direkterstattung der Energie-Mehrkosten, ähnlich dem Abrechnungsverfahren beim Pflege-Rettungsschirm in der Corona-Pandemie. Die Einrichtungen seien mit Preisanhebungen ihrer Gasversorger in Höhe von mehreren zehntausend Euro monatlich konfrontiert.
Köln (epd). Der Bundesverband der Betreuungsdienste (BBD) wirft den gesetzlichen Pflegekassen vor, die Umsetzung des Gesetzes zur Tariftreue und somit besseren Bezahlung von Pflege- und Betreuungsmitarbeitern zu behindern. Die Versorgung von Patienten sei durch akut gefährdet, heißt es in einer am 24. August in Köln verbreiteten Mitteilung des Verbandes. Mit der zum 1. September in Kraft tretenden Tariftreueregelung werden Pflegeanbieter von den Kassen nur noch für ihre Leistungen entlohnt, wenn sie Mitarbeiter nach einem Tarifvertrag bezahlen oder sich daran anlehnen.
Der Vorstandsvorsitzende des BBD, Jörg Veil, beklagte, dass die Pflegekassen vor allem in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg die dadurch steigenden Personalkosten nicht in vollem Umfang oder gar nicht anerkennen würden. Pflege- und Betreuungsdienste, die zeitintensive Versorgungen erbringen, würden in ihrer Existenz gefährdet.
Nach Angaben des BBD hebeln die Kassen die Regelungen aus, indem sie für die höheren Refinanzierungskosten mehr Leistung verlangten. Die Pflegenden müssten für die Gehaltssteigerung schneller arbeiten, erklärte der BDD. Eine Leistungsverdichtung gefährde die Versorgung von bis zu 50.000 Menschen mit Pflege- und Betreuungsbedarf.
Düsseldorf (epd). Die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe begrüßt die Regelung, wonach Begleitpersonen für behinderte Patienten in Kliniken künftig einen Anspruch auf Krankengeld haben. Die Patientenverbände sähen eine lange geforderte Notwendigkeit gut umgesetzt, heißt es in einer am 24. August in Düsseldorf veröffentlichten Mitteilung. Betont wird jedoch zugleich, dass der Gesetzgeber den Kreis derjenigen, die von der Regelung ab November profitieren sollen, noch erweitern müsse.
Hintergrund ist der Beschluss zur Krankenhausbegleitungs-Richtlinie durch den Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Der gibt vor, welche Personen aus dem engsten persönlichen Umfeld künftig Anspruch auf Krankengeld haben, wenn sie eine Person mit Behinderung ins Krankenhaus begleiten.
So muss die Klinikbehandlung ohne die Begleitung nicht durchführbar oder erheblich eingeschränkt sein. Aber es gibt auch Vorbedingungen: Die behinderten Versicherten müssen Eingliederungshilfe beziehen, die Begleitpersonen müssen gesetzlich krankenversichert sein, und die Begleitung in der Klinik muss mindestens acht Stunden am Tag betragen.
„Eine Assistenz im Krankenhaus durch eine nahestehende Person ist für Menschen mit Behinderung teilweise unabdingbar, um die Behandlung durchführen zu können“, sagte Marion Rink, Sprecherin der Patientenvertretung im Gemeinsamen Bundesausschuss. Denn für sie sei der Belastungsgrad durch kommunikative, mentale und körperliche Einschränkungen deutlich höher.
Kritik übten die Patientenvertreter an den Beschränkungen des Kreises der Anspruchsberechtigten. Der Bedarf einer Begleitung sei auch bei vielen behinderten Menschen ohne Eingliederungshilfeanspruch sowie bei älteren beeinträchtigen Menschen gegeben. Sie mahnten, den Personenkreis entsprechend auszuweiten.
Erfurt (epd). Arbeitsverträge und Betriebsvereinbarungen dürfen werktags nicht generell einen Nachtarbeitszuschlag von 20 Prozent vorsehen. Geht eine in einer stationären Wohneinrichtung für schwerbehinderte Menschen angestellte Krankenschwester dort einer Dauernachtwache nach, hat sie Anspruch auf einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 30 Prozent, bekräftigte das Bundesarbeitsgericht in Erfurt in einem am 18. August veröffentlichten Urteil seine bisherige Rechtsprechung. Ob der höhere Zuschlag im Streitfall tatsächlich angemessen ist oder andere Gründe vorliegen, die einen geringeren Anspruch rechtfertigen, soll nun das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln noch einmal prüfen.
Die Klägerin ist in der Einrichtung seit Juli 2003 als „Mitarbeiterin im Betreuungsdienst (Nachtwache) mit der Qualifikation Krankenschwester“ tätig. Laut Arbeitsvertrag erhält sie für ihre Dauernachtschicht werktags einen Nachtarbeitszuschlag von 20 Prozent. Für Sonntagsarbeit gibt es 25 Prozent und für Nachtdienste an gesetzlichen Feiertagen 35 Prozent. Eine tarifvertragliche Regelung zur Nachtarbeitsvergütung gibt es in der Einrichtung nicht. Eine Betriebsvereinbarung legt den 20-Prozent-Zuschlag noch einmal fest.
Doch diese Vergütung hielt die Beschäftigte nicht für „angemessen“. Für ihre belastende Dauernachtarbeit müsse sie einen 30-prozentigen Zuschlag erhalten. Sie verlangte für 280 Nachtarbeitsstunden, die sie von September bis November 2016 geleistet hatte, eine Lohnnachzahlung in Höhe von 464,80 Euro.
Der Arbeitgeber lehnte ab. Die Nachtarbeitszeit gehe mit „Zeiten minderer Beanspruchung“ einher. Außerdem, so der Einrichtungsbetreiber, sei er gesetzlich verpflichtet, dass nachts stets ein Beschäftigter für die behinderten Menschen da ist.
Doch es sei durchaus möglich, dass die Klägerin Anspruch auf einen Zuschlag für ihre Dauernachtarbeit in Höhe von 30 Prozent hat, entschied das BAG. Dies müsse das LAG noch einmal prüfen. Das Arbeitszeitgesetz sehe vor, dass Nachtarbeitnehmer einen „angemessenen Zuschlag oder eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage“ erhalten, „soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichszahlungen bestehen“. Die Tarifvertragsparteien sind danach grundsätzlich frei, eigene Vergütungsregelungen zu treffen. Als Nachtarbeit gilt laut Gesetz die Arbeit zwischen 23 und 6 Uhr (Bäckereien 22 bis 5 Uhr).
Greife - so wie hier - kein Tarifvertrag, bestehe nach ständiger Rechtsprechung für eine Dauernachtarbeit „regelmäßig“ ein Anspruch auf einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 30 Prozent. Bei gelegentlicher Nachtarbeit betrage der Zuschlag in der Regel 25 Prozent, so das BAG mit Verweis auf ein Urteil vom 9. Dezember 2015 im Fall eines Paketauslieferers. Abweichungen nach oben und unten seien je nach Besonderheit der konkreten Tätigkeit möglich. So komme ein geringerer Zuschlag in Betracht, wenn nachts Bereitschaftsdienste anfallen und damit eine „spürbar geringere Arbeitsbelastung besteht“.
Mit den Nachtarbeitszuschlägen solle der Arbeitgeber dahin „gelenkt“ werden, die für die Beschäftigten gesundheitsschädliche Nachtarbeit zu vermeiden. Sei die Nachtarbeit gesetzlich vorgeschrieben und sei diese aus „überragenden Gründen des Gemeinwohls“ zwingend erforderlich, könne der Zuschlag auch geringer ausfallen, urteilte das BAG am 15. Juli 2020 im Fall einer Altenheim-Pflegekraft. Denn wegen der vorgeschriebenen Nachtarbeit könne der Arbeitgeber nicht mit höheren Nachtarbeitszuschlägen dahin gelenkt werden, die Nachtarbeit zu vermeiden. Angemessen sei dann ein Zuschlag von 20 Prozent statt 25 Prozent.
Im aktuell entschiedenen Rechtsstreit bekräftigten die Erfurter Richter, dass bei einer Dauernachtarbeit Arbeitgeber nicht so leicht einen höheren Zuschlag vermeiden können. Hier sehe der Arbeitsvertrag der klagenden Mitarbeiterin im Betreuungsdienst der Schwerbehinderteneinrichtung sowie eine Betriebsvereinbarung für die werktägliche Dauernachtarbeit nur einen Anspruch auf einen Zuschlag in Höhe von 20 Prozent vor. Eine Regelung, „die zum Nachteil der Arbeitnehmer hinter den gesetzlichen Vorgaben für einen angemessenen Ausgleich zurückbleibt“, sei aber unwirksam, betonte das BAG.
Zu Recht habe das LAG angenommen, dass für die geleistete Dauernachtarbeit grundsätzlich ein Regelzuschlag von 30 Prozent fällig werde. Das Gericht müsse aber noch prüfen, ob tatsächlich eine Senkung des Zuschlags wegen weniger belastenden Bereitschaftstätigkeiten während der Nachtarbeit angefallen sind, die wiederum eine geringere Vergütung rechtfertigen könnten.
Dagegen spreche der Vortrag der Klägerin, dass diese alle 30 Minuten einen zehnminütigen Kontrollgang in der Einrichtung machen musste, etwa um Bewohner mit „Weglauftendenz“ zu kontrollieren. Längere Entspannungsphasen seien dann ausgeschlossen, so dass deshalb eine Minderung des Zuschlags für die Dauernachtarbeit nicht gerechtfertigt wäre.
Der Arbeitgeber habe zudem auf die gesetzliche Pflicht verwiesen, dass nachts immer ein Mitarbeiter in der Einrichtung anwesend sein muss und daher der Zuschlag geringer ausfallen müsse. Zumindest die individuelle Dauernachtarbeit der Klägerin sei aber vermeidbar gewesen, befand das BAG. Denn der Arbeitgeber könne die besonders belastende Dauernachtarbeit auch mit Wechselschichtmodellen verhindern. Dies müsse die Vorinstanz ebenfalls noch einmal klären.
Az.: 10 AZR 230/19 (BAG, 30-Prozent-Zuschlag)
Az.: 10 AZR 423/14 (BAG, Paketauslieferer)
Az.: 10 AZR 123/19 (BAG, Pflegekraft im Altenheim)
München (epd). Gemeinnützige Kindergärten dürfen Kinder von Eltern aus bestimmten Unternehmen bei der Aufnahme nicht bevorzugen. Denn um die steuerlichen Vorteile der Gemeinnützigkeit in Anspruch nehmen zu können, müssen die Kita-Leistungen zumindest als Ausschnitt der Allgemeinheit zukommen, entschied der Bundesfinanzhof (BFH) in München in einem am 18. August veröffentlichten Urteil.
Die Klägerin, eine 2008 gegründete GmbH, hatte mit mehreren Unternehmen Verträge über die Errichtung und den Betrieb von Kinderbetreuungseinrichtungen geschlossen. Zweck der Gesellschaft sollte unter anderem die gemeinnützige Förderung der Jugendhilfe durch den Betrieb von vier Kindertageseinrichtungen sein.
Allerdings sollten Kinder von Mitarbeitern der Unternehmen Vorrang bei der Kita-Aufnahme haben. Eltern aus anderen Unternehmen konnten ihre Kinder nur dann in die Kitas zur Betreuung geben, wenn Restplätze vorhanden waren.
Das Finanzamt lehnte die von der Klägerin verlangte Befreiung von der Körperschaftsteuer wegen der Verfolgung gemeinnütziger Zwecke ab.
Zu Recht, entschied der BFH. Die Tätigkeit einer gemeinnützigen Körperschaft müsse darauf gerichtet sein, „die Allgemeinheit zu fördern“. Dies sei nur dann der Fall, wenn „im Grundsatz jedermann“ die Kita-Leistungen beanspruchen könne und „sich der geförderte Personenkreis zumindest als Ausschnitt der Allgemeinheit darstellt und die Allgemeinheit repräsentiert“. Hier würden jedoch nur Mitarbeiter bestimmter Unternehmen unterstützt. Eine verbindliche „Restplatzquote“ für andere Personen gebe es nicht.
Az.: V R 1/20
Koblenz (epd). Die Feuerwehr kann für eine Unterstützung des Deutschen Roten Kreuzes oder anderer Sanitätsorganisationen beim Transport eines Patienten von diesen eine Kostenerstattung für den Einsatz verlangen. Dies hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz in Koblenz in einem am 12. August bekanntgegebenen Urteil entschieden und die entsprechenden landesgesetzlichen Regelungen gebilligt.
Im konkreten Fall ging es um einen Patienten mit Schlaganfallverdacht im Juli 2016. Die herbeigerufenen Sanitäter konnten den beatmeten Mann jedoch nicht aus dem ersten Obergeschoss des Hauses heraus transportieren. Sie riefen daher die Freiwillig Feuerwehr zur Unterstützung herbei. Der Mann konnte schließlich mithilfe der Drehleiter aus dem Haus herausgeholt werden.
Für den unterstützenden Feuerwehreinsatz verlangte die Freiwillige Feuerwehr von der Sanitätsorganisation 547,50 Euro. Die Feuerwehr berief sich dabei auf eine 2016 eingeführte Regelung des rheinland-pfälzischen Brand- und Katastrophenschutzgesetzes. Dieses sieht den Ersatz der Einsatzkosten der Feuerwehr vor, wenn die Feuerwehr zur Unterstützung bei der Beförderung von kranken, verletzten oder sonst hilfebedürftigen Personen im Rahmen des Rettungsdienstes angefordert wird.
Auch das OVG urteilte, dass die Sanitätsorganisation für den unterstützenden Einsatz der Feuerwehr aufkommen muss. Nur weil Mittel der Feuerwehr verwendet wurden, ergebe sich daraus aber noch keine Kostentragungspflicht.
Eine Unterstützung bei rettungsdienstlichen Aufgaben liege vielmehr erst dann vor, „wenn der Einsatz der Feuerwehr ausschließlich bei der Durchführung einer rettungsdienstlichen Aufgabe erfolge und ohne den rettungsdienstlichen Einsatz keine Notwendigkeit eines Einsatzes der Feuerwehr bestanden hätte“, heißt es in dem Urteil.
Werde die Feuerwehr ausschließlich bei der Beförderung des Patienten tätig und hätte ohne den rettungsdienstlichen Einsatz keine Notwendigkeit hierfür bestanden, handele sie zur Unterstützung bei rettungsdienstlichen Aufgaben. Hier sei der Feuerwehreinsatz allein wegen des Notfalltransports und damit als Unterstützung der Sanitätsorganisation erforderlich gewesen.
Az.: 7 A 10018/21.OVG
Berlin (epd). Bei einem erweiterten Umgang eines getrennt lebenden Vaters mit seinem Kind kann die Mutter wegen nicht gezahltem Unterhalt keinen staatlichen Unterhaltsvorschuss mehr verlangen. Denn kümmert sich der Vater trotz zu mindestens einem Drittel der Betreuungszeit um das Kind, gilt die Mutter nach dem Unterhaltsvorschussrecht nicht mehr als „alleinerziehend“, entschied das Verwaltungsgericht Berlin in einem aktuell veröffentlichten Urteil vom 5. Juli. Dies sei aber Voraussetzung für die Hilfeleistung, so das Gericht, das allerdings die Berufung zum Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg zuließ.
Kommt ein getrennt lebender Elternteil seinen Kindesunterhaltspflichten nicht nach, unterstützt der Staat den anderen alleinerziehenden Elternteil, bei dem das Kind auf Dauer in einem gemeinsamen Haushalt lebt, mit Unterhaltsvorschussleistungen. Von dem unterhaltspflichtigen Elternteil kann der Staat sich später den Unterhaltsvorschuss wieder zurückholen.
Im konkreten Fall hatte ein getrennt lebender Vater wegen Privatinsolvenz keinen Unterhalt für seinen Sohn gezahlt. Dieser lebt bei seiner Mutter. Wegen des nicht gezahlten Unterhalts hatte die Mutter seit 2017 Unterhaltsvorschussleistungen erhalten.
Doch dann teilte der Vater dem zuständigen Bezirksamt mit, dass er nach einer familiengerichtlichen Entscheidung nun mehr Umgang mit seinem Sohn haben kann. Nach der Rechnung des Bezirksamtes kümmert sich der Vater danach zu 35,7 Prozent der Betreuungszeit um seinen Sohn. Die Behörde stoppte daraufhin die Unterhaltsvorschussleistungen für Alleinerziehende an die Mutter. Wegen des erweiterten Kindesumgangs des Vaters sei sie nicht mehr „alleinerziehend“.
Dem folgte auch das Verwaltungsgericht. Der Unterhaltsvorschuss sei nur für Alleinerziehende vorgesehen. Dies sei die Kindesmutter nach den Unterhaltsvorschussregelungen aber seit Oktober 2020 nicht mehr.
Wesentliche Voraussetzung für eine Alleinerziehung sei, dass das Kind „bei einem seiner Elternteile“ lebt. Sie könne auch vorliegen, wenn das Kind regelmäßig Umgang mit dem anderen Elternteil hat. Allerdings müsse der alleinerziehende Elternteil weiterhin die elementaren Lebensbedürfnisse des Kindes sichern und befriedigen. Keine Alleinerziehung liege vor, wenn der andere Elternteil - wie hier der Vater - mindestens zu einem Drittel der Betreuungszeit für das Kind aufkommt. Die Kindesmutter werde so wesentlich entlastet. Sie könne berufliche Tätigkeiten nachgehen oder soziale Aktivitäten entfalten.
Az.: 21 K 792/21
Frankfurt a.M. (epd). Homosexuelle Algerier müssen in ihrem Heimatland keine Anklage wegen ihrer sexuellen Orientierung fürchten. Führt ein männlicher Asylbewerber an, dass er in Algerien in der Öffentlichkeit einen Mann nicht umarmen, küssen oder mit ihm Händchen halten könne, ist dies noch kein Grund für Asyl, entschied das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main in einem am 23. August zugestellten Urteil. Denn in der konservativen algerischen Gesellschaft gelte dies auch für heterosexuelle Menschen.
Im konkreten Fall hatte der homosexuelle Kläger in der Vergangenheit bereits als Minderjähriger mehrere erfolglose Asylanträge in Deutschland gestellt. 1998 wurde er in sein Heimatland abgeschoben. Im Februar 2019 reiste er erneut in das Bundesgebiet ein. Sein Asylantrag hatte wiederum keinen Erfolg. Als er im November 2020 noch einmal ein Asylverfahrens beantragte, betonte er, dass ihm wegen seiner Homosexualität Verfolgung drohe. In den letzten Monaten habe es in Algerien Massenverhaftungen und -verurteilungen von Homosexuellen gegeben.
Doch das Verwaltungsgericht entschied, dass es für homosexuelle Menschen in Algerien kein „real risk“ einer Anklage gebe. Die Richter hatten bereits am 5. März 2020 ähnlich entschieden. Auch in der aktuellen Situation habe sich daran nichts geändert. Nur wenn zu dem homosexuellen Verhalten ein zusätzliches Merkmal hinzukomme, könne dies eine Anklage verursachen.
Der Kläger hatte noch angeführt, dass ihm umarmen, küssen und Händchen halten in der Öffentlichkeit fehlten. Dies könne hier Asyl nicht begründen, erklärte das Gericht. Die öffentliche Zurschaustellung von Zuneigungen sei in Algerien auch unter heterosexuellen Paaren unüblich und verpönt, stellte das Verwaltungsgericht fest.
Az.: 3 K 469/21.F.A.
Berlin (epd). Michaela Engelmeier (61) übernimmt beim Sozialverband Deutschland (SoVD) die neu geschaffene Position der hauptamtlichen Vorsitzenden des Bundesvorstandes. Sie wird in dieser Funktion für die Außendarstellung des Verbandes verantwortlich sein und das politische Lobbying übernehmen.
SoVD-Präsident Adolf Bauer sagte dazu: „Ich freue mich, dass es in dem angestoßenen Strategieprozess gelungen ist, durch diese ergänzende Funktion den Verband an die veränderten medialen Rahmenbedingungen in unserer Gesellschaft anzupassen. Damit ist der SoVD für die Zukunft so aufgestellt, dass er in den sich verschärfenden Verteilungskonflikten die Stimmen seiner Mitglieder weiter wirkungsvoll einbringen kann.“
Michaela Engelmeier war von 2013 bis 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages. Davor arbeitete die SPD-Politikerin als Bezugspädagogin und Judolehrerin an einer Förderschule für soziale und emotionale Entwicklung. Engelmeier ist stellvertretende Regionalvorsitzende der SPD Mittelrhein.
Engelmeier war viele Jahre Leistungssportlerin in der Judobundesliga und Mitglied der Nationalmannschaft. Im Anschluss war sie dem Laufsport verbunden, startete bei vielen Marathonläufen, war auch als Triathletin aktiv und ist Vizepräsidentin des Landessportbundes NRW. Ab August 2018 leitete sie das Berliner Büro von des jüdischen Turn- und Sportverbandes Makkabi Deutschland. 2020 wurde sie in das neu geschaffene Amt der Generalsekretärin der Deutsch-Israelischen-Gesellschaft berufen. Die 61-Jährige ist seit mehr als 20 Jahren Mitglied des SoVD.
Marcus Grotian, der Vorsitzende des Patenschaftsnetzwerks Afghanische Ortskräfte, erhält den Dr. Matthias Lange-Fluchthilfepreis des Niedersächsischen Flüchtlingsrates. Grotian war 2011 für siebeneinhalb Monate als Soldat in Afghanistan. Seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 evakuierte das in Eberswalde ansässige Patenschaftsnetzwerk mit Hilfe von Spenden bislang 334 Personen aus Afghanistan nach Deutschland. „All dies ist vor allem dem selbstlosen Engagement von Marcus Grotian zu verdanken“, erklärte der Flüchtlingsrat. Der undotierte Preis erinnert an den Mitbegründer und langjährigen Vorsitzenden des Flüchtlingsrates, Matthias Lange, der 2006 starb.
Birgit Neyer ist die neue Kämmerin des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL). Die Abgeordneten der Landschaftsversammlung wählten die 56-Jährige in Münster mit 91 von 109 Stimmen zur Nachfolgerin von Georg Lunemann, der seit Juli der neue Direktor des LWL ist. Das Mitglied der Grünen wurde als Dezernentin für die LWL-Bereiche Kämmerei, Personal, Klimaschutz, IT und Digitalisierung auf acht Jahre gewählt. Zugleich ist Neyer damit auch allgemeine Vertreterin des Landesdirektors. Sie wird voraussichtlich am 1. Oktober ihr Amt antreten. Die Diplom-Kauffrau studierte in Paris Sprachen und in Münster Betriebswirtschaft. Der LWL Kommunalverband mit seinen mehr als 19.000 Beschäftigten betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung.
Silke Köser steigt als Personal- und Managementberaterin bei der contec GmbH ein. Köser war zuletzt rund sieben Jahre Studienleiterin der Führungsakademie für Kirche und Diakonie. In dieser Position war sie unter anderem für die Bereiche Management in sozialen Organisationen, Personal- und Organisationsentwicklung in der Sozialwirtschaft und Unternehmenskultur zuständig. Einer ihrer Tätigkeitsschwerpunkte bei der Bochumer Unternehmens- und Personalberatung soll die Besetzung von Führungspositionen im Rahmen der strategischen Nachfolgeplanung sein.
Ekkehard Thiesler, Vorstandsvorsitzender der Bank für Kirche und Diakonie (KD-Bank), erhält den Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen. Er wird für sein Engagement gegen antisemitischen Hass und Vorurteile geehrt. Als Mitglied im Finanzausschuss der internationalen Auschwitz-Birkenau-Stiftung habe er die Grundlagen dafür gelegt, dass die Gedenkstätte auch für künftige Generationen als Ort der Erinnerung an das Menschheitsverbrechen des Holocaust und als Mahnmal gegen die Unmenschlichkeit erhalten bleiben kann, erklärte die Staatskanzlei. Thiesler ist seit 2005 Chef der KD-Bank mit Sitz in Dortmund. Die Genossenschaftsbank zählt nach eigenen Angaben mit rund 4.200 Mitgliedern zu den größten Kirchenbanken Deutschlands.
Reiner Wild (67), Sozialwissenschaftler, hat sein Amt als Geschäftsführer des Berliner Mietervereins abgegeben und ist in den Ruhestand getreten. Der gebürtige Hannoveraner kam 1981 zum Berliner Mieterverein, seit 2009 war er dort Geschäftsführer. Außerdem ist Wild seit 2011 Vizepräsident des Deutschen Mieterbundes. Mit 188.000 Mitgliedern ist der Berliner Mieterverein nach eigenen Angaben die größte Mieterorganisation der Stadt.
Andreas Hamann (61) hat die Leitung beim Diakonischen Werk Dithmarschen übernommen. Er ist Geschäftsführer der Beratenden Dienste und tritt die Nachfolge von Rolf Schulz (65) an, der Ende August in den Ruhestand verabschiedet wird. In Dithmarschen hat der Theologe einen Arbeitsbereich mit 54 hauptamtlichen und etwa 90 nebenamtlichen Mitarbeitenden in der Migrationsberatung, Sozialberatung, Familienberatung und Suchthilfe übernommen.
Liudger Gottschlich, Pastor in Dortmund, ist vom Erzbistum Paderborn mit der Seelsorge für Betroffene von Missbrauch beauftragt worden. Diese Stelle wurde nach Angaben des Interventionsbeauftragte des Erzbistums, Thomas Wendland, „aufgrund der Rückmeldungen und Wünsche der Betroffenen“ eingerichtet. Neben seiner langjährigen Erfahrung als Seelsorger und Zusatzausbildungen ermögliche ihm auch seine eigene Missbrauchsgeschichte einen Zugang zu der neuen Aufgabe, erklärte Gottschlich.
Wir haben Tagungen, Seminare, Workshops und Webinare aufgelistet, die aktuell geplant sind. Wegen der Corona-Epidemie sagen Veranstalter allerdings Termine auch kurzfristig ab. Wir bitten unsere Leserinnen und Leser, das zu beachten.
6.-7.9. Frankfurt a.M.:
Fortbildung „Datenschutz in sozialen Einrichtungen - Einführung in das KDG: rechtliche Anforderungen und Umsetzungen im operativen Tagesgeschäft“
der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761/20011700
7.-23.9.:
Online-Kurs „Grundlagen des Zuwendungsrechtes“
Tel.: 030/263 09-142
8.-22.9.:
Online-Seminar „Digitale Öffentlichkeitsarbeit und Social Media für soziale Einrichtungen“
der Paritätischen Akademie Süd
Tel.: 0711/286976-10
9.9.:
Online-Fortbildung „Mit EU-Geldern das eigene Profil stärken - Einführung in EU-Förderprogramme 2021-2027“
der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761200-1700
12.-13.9. Berlin:
Tagung „LebensWert-Treff“
Tel.: 0561/7887-1318
12.-15.9. Freiburg:
Seminar „Konfliktmanagement als Führungsaufgabe“
der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761200-1700
21.-23.9.:
Online-Fortbildung „Agile Führungsansätze - Soziale Organisationen für die Zukunft ausrichten“
der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761/2001700
26.9.:
Online-Fortbildung „Flucht und Behinderung - Rechtliche Möglichkeiten in der Flüchtlings- und Behindertenhilfe“
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 030/48837-495
26.-27.9. Essen:
Fortbildung „'So kann man doch nicht leben!?`' Vermüllt und verwahrlost - Was tun?“
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0172/3012819
26.-30.9. Freiburg:
Seminar „Selbstbewusst und wirksam führen - Authentisch leiten mit TZI“
der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761/2001700
29.9.:
Online-Seminar „Schwangerschaftskonfliktberatung mit unentschiedenen KlientInnen“
Tel.: 030/26309-139