Berlin, Nürnberg (epd). Einrichtungen der Eingliederungshilfe müssen angesichts der Personalnot Angebote abbauen oder Wohnanlagen komplett schließen. Das ergab eine Befragung der Fachverbände der christlichen Wohlfahrtspflege. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) spricht gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd) von einem „Fachkräfteengpass in Berufen der Heilerziehungspflege und Sonderpädagogik“. Antworten auf die wichtigsten Fragen zur aktuellen Situation.
Wie stellt sich die aktuelle Personallage in der Behindertenhilfe dar? Seit einigen Jahren ist ein Fachkräfte- und Personalmangel deutlich spürbar. Er wird für viele Träger von Sozialunternehmen zur Existenzfrage. Nach der Corona-Pandemie können einige Träger nicht alle Angebote aufrechterhalten, Wohngemeinschaften müssen geschlossen werden.
Welche Folgen hat die Personalnot für die betroffenen Personen und ihre Familien? Angehörige können nicht mehr mit der Unterstützung rechnen, die sie in der Betreuung und Begleitung von ihren Kindern mit Schwerst- und Mehrfachbehinderungen benötigen. „Die volle und wirksame Teilhabe von Menschen mit Behinderung rückt in weite Ferne“, kritisiert der Bundesverband der evangelischen Behindertenhilfe (BeB).
Wie groß ist die Personallücke genau? Aus einer nicht repräsentativen Erhebung der Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP) e.V. bei seinen Trägern geht hervor, dass zum jetzigen Zeitpunkt im Bundesdurchschnitt fünf Prozent der Fachkraftstellen - darunter Sozialpädagogen, Heilpädagoginnen, Heilerziehungspfleger, Erzieherinnen und Pflegefachkräfte - nicht besetzt sind. Der Bundesverband der evangelischen Behindertenhilfe (BeB) sieht „die größten Probleme dort, wo Arbeitszeiten auch in der Nacht, am Wochenende oder im geteilten Dienst gefordert sind“.
Wie lässt sich die Lücke schließen? Nach den Daten des katholischen Fachverbandes müssen in den kommenden zehn Jahren bundesweit die Träger der Eingliederungshilfe ein Viertel der Fachkraftstellen neu besetzen, um die Lücken zu schließen, die aufgrund des aktuellen Personalmangels und altersbedingten Ausscheidens entstehen. In Nordrhein-Westfalen sind es demnach sogar 35 Prozent, in Rheinland-Pfalz 39 Prozent.
Inwieweit gelingt die Rekrutierung von Auszubildenden? Die Caritas leitet aus den Ausbildungszahlen in der Heilerziehungspflege ab, dass der künftige Bedarf in der Eingliederungshilfe nicht gedeckt werden kann. Der Fachverband der Diakonie beobachtet, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht die Gewinnung von Auszubildenden und neuem Personal erschwert.
Wie lange dauert es nach einer Ausschreibung, bis Träger Vakanzen mit neuem Personal schließen können? Bei diakonischen Einrichtungen dauert es laut BeB teilweise länger als ein Jahr, bis Stellen wieder besetzt sind. Das gelte auch im nicht-fachlichen Bereich. Die durchschnittliche Vakanzzeit betrug nach Mitteilung der Bundesagentur für Arbeit (BA) im vergangenen Jahr 114 Tage.
Was ist zu tun? Die Branche ruft die Bundesregierung zu einer Fachkräfte-Offensive für das Berufsbild der Heilerziehungspflege auf. Der BeB fordert einen Runden Tisch, um die Rahmenbedingungen für Auszubildende zu verbessern, das Berufsfeld Heilerziehungspflege in der Öffentlichkeit attraktiv zu machen und den Einsatz von ausländischen Fachkräften zu erleichtern.