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Angst vor Corona in der Schule




Schulunterricht mit Corona-Maske
epd-bild/Paul-Philipp Braun
Die Elterninitiative "Bildung Aber Sicher" wendet sich gegen eine Präsenzpflicht im neuen Schuljahr. Sie fordert einen besseren Corona-Schutz für Kinder, deren Familienangehörige zu Covid-19-Hochrisikogruppen gehören.

Jena, Erfurt (epd). Christiane Kellermann (Name geändert) erinnert sich noch an die Anfänge der Corona-Pandemie. „Meine beiden Kinder und ich gehörten zur Risikogruppe. Das machte mir Angst“, sagt die alleinerziehende Mutter. Im März 2020 hat sie deshalb Besorgungen so selten wie möglich getätigt, die Kinder immer zu Hause gelassen.

Zum neuen Schuljahr ist die Angst der 34-Jährigen größer denn je. „Trotz hoher Inzidenzen passiert nichts“, sagt sie. Kellermann fühlt sich von der Politik im Stich gelassen.

Plädoyer für Hybridunterricht

Die zweifache Mutter aus Jena spricht sich für Hybridunterricht an Schulen aus, bei dem sich Kinder mit Gesundheitsrisiko online zuschalten können. „Ich wünsche mir ein richtiges, gut strukturiertes Homeschooling“, sagt sie. Bislang habe sie sich Lehrstoff und Informationen selbst organisieren müssen.

Die Initiative „Bildung Aber Sicher“ fordert einen umfassenden Schutz von Risikogruppen in Schulen. Sabine Reißig hat die Bewegung mit ins Leben gerufen. „'Bildung Aber Sicher' setzt sich seit Frühsommer 2020 vor allem auf Twitter lautstark für Infektionsschutz in Schulen und Kitas ein“, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). Besonders im Blick habe die Initiative die Not von Familien, in denen mindestens ein Mitglied, etwa durch eine chronische Krankheit, einer Covid-19-Hochrisikogruppe angehört. Nach einer Studie des Robert Koch-Instituts (RKI) vom Februar 2021 leben in Deutschland 5,7 Millionen vorerkrankte erwachsene Menschen in Familien mit Kindern.

„Diese Familien benötigen individuelle Lösungen wie die Aussetzung der Präsenzpflicht und gute Betreuung beim Distanzunterricht. Außerdem könnten sie von allgemeinen Infektionsschutzmaßnahmen in Schulen und Kitas wie Masken-, Test- und Luftfilter-Pflicht profitieren“, sagt Stefan Keppeler, der sich seit Anfang 2021 bei „Bildung Aber Sicher“ engagiert.

„Immer noch kein Konzept für Risikofamilien“

Auch Lena Riedel (Name geändert) lebt in einer Risikofamilie. Die 34-jährige Erfurterin hat drei Kinder im Alter von fünf bis zehn Jahren, zwei davon sind schulpflichtig. Sie stellt sich die Frage: „Warum haben wir nach zweieinhalb Jahren Pandemie immer noch kein Konzept für Risikofamilien?“

Riedels jüngste Tochter war eine Frühgeburt, was bei ihr eine Lungenerkrankung zur Folge hatte. „Meine Tochter hatte bereits 19 Lungenentzündungen. Sie hat Pflegegrad 4. Ich habe Angst um sie, wenn meine beiden größeren Kinder in die Schule müssen.“ Auch ihre beiden anderen Kinder seien gefährdet. „Mein Großer hat starkes Asthma und leidet an einer Autoimmunerkrankung. Mein Mittlerer hat eine Herz-Rhythmus-Störung“, sagt die alleinerziehende Mutter.

Ein Sprecher der Kultusministerkonferenz sagte dem epd, die Notwendigkeit des Präsenzunterrichts ergebe sich vor allem aus den psychosozialen Folgen, die die Schulschließungen für Kinder und Jugendliche in der Pandemie hatten. „Schule ist gleichermaßen Lebens- und Lernort für Kinder und Jugendliche.“

„Eltern sollten selbst entscheiden dürfen“

Der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte betont ebenfalls die Bedeutung sozialer Kontakte in der Schule. „Es muss daher absoluten Ausnahmefällen vorbehalten sein, die Schule nicht zu besuchen“, sagt Verbandssprecher Jakob Maske.

Riedel wünscht sich in Einzelfällen für Schülerinnen und Schüler solche Ausnahmen von der Präsenzpflicht. „Jedes Elternteil sollte selbst entscheiden dürfen, ob das Kind in die Schule geht oder zu Hause unterrichtet wird“, fordert die studierte Pädagogin. Um ihre Kinder selbst zu unterrichten, hat Riedel ein Zimmer mit Laptops, einem Overheadprojektor und einer Tafel ausgestattet.

Ein Sprecher des Bildungsministeriums sagte dem epd: „Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat größtes Verständnis für die Sorgen der Familien.“ Er betonte aber auch, dass der Bereich der schulischen Bildung in den ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der Länder falle.

Stefanie Unbehauen