sieben Millionen Minijobber gibt es in Deutschland. Zu viele, sagen Kritiker, zu wenige, meint offenbar die Bundesregierung. Sie will die Verdienstmöglichkeiten erhöhen und damit die Tätigkeit attraktiver machen. Die Gewerkschaften machen Front dagegen, denn Minijobber sind schlecht sozial abgesichert. Im Alter droht ihnen Armut.
Pflegekräfte in Kliniken und in der Altenpflege können in der zweiten Jahreshälfte mit einer Zusatzzahlung rechnen. Das Bundeskabinett beschloss den von der Ampel angekündigten Corona-Pflegebonus. Dafür wird eine Milliarde Euro bereitgestellt. Das Geld soll je zur Hälfte an Krankenhäuser und in die Altenpflege gehen.
Wie viele behinderte Flüchtlinge aus der Ukraine bereits bei deutschen Trägern Aufnahme gefunden haben, kann niemand sagen. Der Transport erfolgt meist auf eigene Initiative, eine zentrale Steuerung gibt es nicht. Doch Fachleute sind sich einig, dass es weit mehr Plätze in den Einrichtungen der Behindertenhilfe braucht - denn noch sind Tausende Menschen mit Handicap nicht evakuiert.
Das Landesarbeitsgericht München hat den Grundsatz „Gleiche Arbeit, gleiche Bezahlung“ gestärkt. Ein Minijobber im Rettungsdienst muss demnach die gleiche Entlohnung erhalten wie festangestellte Fachkräfte - auch, wenn er weniger Schichten macht und diese selbst festlegen kann. Der Kläger bekommt nun eine Lohnnachzahlung von 3.300 Euro.
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Dirk Baas
Frankfurt a.M. (epd). Minijobs sind weit verbreitet. Mehr als sieben Millionen Beschäftigte gehen in Deutschland einem 450-Euro-Job nach. Ihre soziale Absicherung ist schlecht: Da die Beschäftigten wenig bis nichts in die Rentenkasse einzahlen, droht ihnen Altersarmut. Und wer seinen Job verliert, kriegt von der Arbeitsagentur keinen Cent. Dass die Bundesregierung die prekären, gering entlohnten Beschäftigungsverhältnisse ausweiten will, stößt auf Kritik.
Die Bundesregierung will in einem neuen Gesetzentwurf gleichzeitig mit der Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns zum 1. Oktober dieses Jahres auf zwölf Euro die Verdienstobergrenze für Minijobs von aktuell 450 Euro auf 520 Euro anheben. Dadurch wird sichergestellt, dass Minijobber auch künftig mit zehn Arbeitsstunden pro Woche unterhalb der Verdienstobergrenze bleiben.
„Die Ausweitung der Hinzuverdienstgrenze auf 520 Euro ist eine krasse Fehlentscheidung der Ampelkoalition“, kritisiert der ver.di-Bundesvorsitzende Frank Werneke. Die Gewerkschaft hat deshalb mit Sozialverbänden und Sozialwissenschaftlern einen öffentlichen Aufruf gestartet, mit dem sie die Regierungspläne stoppen will.
Die Ampel macht in ihrem Koalitionsvertrag ein Versprechen. Dort heißt es: „Wir werden verhindern, dass Minijobs als Ersatz für reguläre Arbeitsverhältnisse missbraucht oder zur Teilzeitfalle insbesondere für Frauen werden.“ Mit ihrem neuen Gesetz erreiche die Regierung jedoch das genaue Gegenteil, werfen ihr die Kritiker vor.
Sie setzen auf die Beratungen im Bundesrat. Die Länderkammer soll sich erstmals am 8. April mit dem Gesetzentwurf befassen. Die Arbeits- und Sozialminister der Länder haben ihre Erwartung an die Ampel unmissverständlich formuliert: Sie fordern die Bundesregierung auf, „Eckpunkte vorzulegen, die beschreiben, mit welchen gesetzgeberischen Schritten Minijobs dort, wo sie reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung verhindern, in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung überführt werden können“.
Der Umfang, in dem prekäre Minijobs gut abgesicherte Arbeitsverhältnisse verdrängen, ist beachtlich: Forscher der Bundesagentur für Arbeit (BA) kamen im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass Minijobs allein in kleinen Betrieben bis zu 500.000 sozialversicherungspflichtige Stellen verdrängen. Minijobs seien für viele Unternehmen zu einem willkommenen und für sie lukrativen Geschäftsmodell geworden, kritisieren Betriebsräte und Gewerkschaften.
Und noch einen Nachteil legten die Nürnberger Arbeitsmarktexperten in ihrer Analyse offen: Wer einmal in einem Minijob landet, kommt nur schwer wieder heraus. Der erhoffte Wechsel in einen sicheren Arbeitsplatz gelinge selten.
Dennoch erscheinen vielen Menschen Minijobs verlockend. Der Grund ist einfach: Beim Minijob ist brutto gleich netto. Eine Minijobberin - 60 Prozent der Beschäftigten sind weiblich - muss nichts in die Sozialversicherung einzahlen und keine Steuern entrichten. Doch dieser scheinbare Vorteil wird teuer eingekauft: Wer seinen Minijob verliert, erhält kein Arbeitslosengeld I.
Auch Kurzarbeitergeld gibt es nicht, wie viele Minijobber in der Corona-Krise schmerzhaft erfahren mussten. Die Arbeits- und Sozialminister der Länder kamen deshalb im vergangenen Dezember zu dem Schluss, „dass Modelle atypischer Erwerbsformen, vornehmlich in Gestalt geringfügiger Beschäftigung (Minijobs), sich mangels ausreichender sozialer Absicherung als nicht krisenbeständig erwiesen haben“.
Die Forscher des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) listen weitere Defizite der geringfügigen Beschäftigung auf: Minijobber verbleiben oft im Niedriglohnsegment und arbeiten unterhalb ihres Qualifikationsniveaus.
Der Arbeitsmarktexperte der Hans-Böckler-Stiftung, Eric Seils, findet Minijobs auch deshalb „problematisch, weil den Beschäftigten teilweise wichtige Rechte wie der Mindestlohn, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub versagt bleiben“. Das weiß auch die Bundesregierung. Sie will daher „die Einhaltung des geltenden Arbeitsrechts bei Mini-Jobs stärker kontrollieren“, wie sie in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben hat.
Schließlich reißen Minijobs große Löcher in die Sozialkassen. Der Einnahmeausfall für die Sozialversicherungen beträgt nach Schätzungen mehr als drei Milliarden Euro im Jahr.
Frankfurt a.M. (epd). Was ein 450-Euro-Minijob ist, steht im Vierten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB IV). Dort ist in Paragraf 8 festgelegt, dass eine geringfügige Beschäftigung vorliegt, wenn das Arbeitsentgelt regelmäßig im Monat 450 Euro nicht übersteigt.
In Deutschland gab es am 30. Juni 2021 rund 7,157 Millionen Beschäftigte, die einen 450-Euro-Minijob hatten. Davon war für rund drei Millionen Menschen die geringfügige Beschäftigung ein Nebenjob. Etwa 4,15 Millionen oder 10,9 Prozent aller Beschäftigten in Deutschland übten zu diesem Zeitpunkt ausschließlich einen Minijob aus. Von ihnen waren 60 Prozent Frauen.
Beschäftigte mit einem monatlichen Bruttolohn von 450 Euro sind von Lohnsteuer und Sozialabgaben befreit. Volljährige mit geringfügiger Beschäftigung haben ein Recht auf den gesetzlichen Mindestlohn. Ein Minijob begründet keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Außerdem entfallen Ansprüche auf Kurzarbeitergeld. Beschäftigungszeiten im Minijob werden beim Arbeitslosengeld nicht angerechnet.
Zur Renten- und, Krankenversicherung führen gewerbliche Arbeitgeber 28 Prozent vom Lohn ab. Es kommen noch zwei Prozent Pauschsteuer und Umlagen hinzu, so dass der gesamte abzuführende Prozentsatz bei 31,28 Prozent liegt. Die Abgaben für Arbeitgeber in Privathaushalten liegen darunter. Minijobber können ergänzend 3,6 Prozent in die Rentenkasse einzahlen, aber die wenigsten tun das.
Minijobberinnen und Minijobber sind nicht durch den Job krankenversichert, sondern wie sonst auch ohne den Minijob: zum Beispiel über einen weiteren Hauptjob, durch eine Familienversicherung, durch das Jobcenter oder über die Rente. Sie sind gesetzlich unfallversichert.
Minijobberinnen und Minijobber bekommen im Krankheitsfall eine Lohnfortzahlung. Der Arbeitgeber muss in der Regel bis zu sechs Wochen im Jahr Entgeltfortzahlung leisten, wenn ein Minijobber arbeitsunfähig wird oder eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme („Kur“) verordnet wurde. Dieser Anspruch entsteht ab einer durchgängigen Beschäftigungsdauer von vier Wochen. Außerdem sind Arbeitgeber zur Lohnfortzahlung während der Mutterschutzfristen und der Zeit von Beschäftigungsverboten in der Schwangerschaft verpflichtet. Ansprüche auf Krankengeld entstehen aus dem Minijob hingegen grundsätzlich nicht.
Im Arbeitsrecht gelten für Minijobberinnen und Minijobber dieselben Regelungen wie für alle anderen Beschäftigten. Das bedeutet: Sie haben ein Anrecht auf einen Lohn, der für die von ihnen ausgeübte Tätigkeit per Tarifvertrag vorgeschrieben ist oder betriebsüblich ist. Und auch für Minijob-Beschäftigte gilt, dass Zuschläge für die Arbeit zu besonderen Zeiten wie Sonn- und Feiertage gezahlt werden müssen, wenn ein Betrieb darüber eine Tarifvereinbarung hat. Außerdem gelten für Minijobber dieselben gesetzlichen Grundlagen zum Arbeitsschutz. Minijobberinnen und Minijobber haben ein Recht auf bezahlten Urlaub.
Wer länger als einen Monat geringfügig beschäftigt ist, hat einen Anspruch auf einen schriftlichen Arbeitsvertrag. Minijobberinnen und Minijobber haben bei Betriebsratswahlen volles Stimmrecht und können auch selbst in den Betriebsrat gewählt werden.
Berlin (epd). Pflegekräfte in Kliniken und in der Altenpflege können in der zweiten Jahreshälfte mit einer Zusatzzahlung rechnen. Das Bundeskabinett beschloss am 30. März in Berlin den von der Ampel-Koalition angekündigten Corona-Pflegebonus. Dafür wird eine Milliarde Euro bereitgestellt. Das Geld soll je zur Hälfte an Krankenhäuser und in die Altenpflege gehen. Das Gesetz soll Ende Juni in Kraft treten. Im ersten Pandemiejahr 2020 wurden schon einmal Corona-Prämien für Beschäftigte in der Pflege gezahlt.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zufolge werden rund 230.000 Pflegefachkräfte und 25.000 Intensivpflegerinnen und -pfleger in den Kliniken sowie rund 1,3 Millionen Beschäftigte in der Altenpflege von den einmaligen, steuer- und sozialabgabenfreien Boni profitieren. Er sagte, Pflegekräfte sorgten insbesondere durch die Versorgung der Älteren dafür, dass Deutschland die Pandemie bisher habe bewältigen können. Die Regierung werde es aber nicht bei dem Bonus als Dank belassen. Arbeitsbedingungen und Bezahlung von Pflegekräften müssten noch in dieser Legislaturperiode deutlich besser werden, sagte Lauterbach. Er nannte die Personalplanung und Finanzierung für zusätzliche Pflegekräfte in den Kliniken und Verbesserungen in der Altenpflege.
Dem Gesetzentwurf zufolge, über den nun der Bundestag beraten muss, können Altenpflegerinnen und -pfleger in Vollzeitbeschäftigung bis zu 550 Euro bekommen, andere Beschäftigte bis zu 370 Euro, sofern sie ein Viertel ihrer Arbeitszeit „gemeinsam mit Pflegebedürftigen tagesstrukturierend, aktivierend, betreuend oder pflegend tätig sind“.
Auch Auszubildende, Freiwilligendienstleistende und Leiharbeitnehmer erhalten einen Bonus. Die Höhe der Zahlung richtet sich im Einzelfall nach dem Umfang der wöchentlichen Arbeitszeit, der Qualifikation und danach, wie stark die Fachkräfte an der unmittelbaren Pflege und Betreuung der alten Menschen beteiligt sind. Außerdem müssen sie zwischen November 2020 und Juni 2022 mindestens drei Monate lang in der Pflegeeinrichtung beschäftigt gewesen sein.
In den Krankenhäusern sollen die Klinikträger gemeinsam mit Betriebsräten oder Mitarbeitervertretungen über die Höhe der Boni bestimmen. Die Prämien für Pflegekräfte auf Intensivstationen sollen um das 1,5-fache höher sein als für Pflegefachkräfte auf Normalstationen. Dem Bundesgesundheitsministerium zufolge werden 837 von insgesamt rund 1.900 Kliniken in Deutschland das Geld für die Bonuszahlungen erhalten - nämlich die, die im Jahr 2021 mehr als zehn mit dem Coronavirus infizierte Patientinnen und Patienten zu behandeln hatten, die mehr als 48 Stunden beatmet wurden. Sie haben den Angaben zufolge im vergangenen Jahr 95 Prozent aller Corona-Patientinnen und -Patienten versorgt. Bedingung ist, dass sie 2021 mehr als zehn Covid-19-Patienten behandelt haben, die beatmet werden mussten.
Die Bundesvereinigung Lebenshilfe kritisierte, wie beim ersten Mal erhielten auch jetzt wieder die Beschäftigten in der Behindertenhilfe keine Bonuszahlungen. Die Bundesvorsitzende und frühere Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) erklärte, die Behindertenhilfe dürfe nicht erneut übergangen werden, da die Beschäftigten während der gesamten Corona-Pandemie Außerordentliches geleistet hätten, um die Folgen von Isolation und Lockdowns aufzufangen.
Sylvia Bühler, Mitglied der Bundesvorstandes der Gewerkschaft ver.di, begrüßte den Bonus, merkte aber zugleich kritisch an: „Wenn allerdings viele Beschäftigte leer ausgehen, wird die gute Absicht zunichte gemacht. Das zentrale Problem der Prämie ist die Begrenzung der Ausgaben auf insgesamt eine Milliarde Euro. Das reicht hinten und vorne nicht.“ Beschäftigte, die nichts bekommen, würden das als Affront empfinden.
Die Regelungen seien unzureichend und ungerecht. Selbst in den Krankenhäusern, in denen ein Bonus gezahlt werden soll, würden Berufsgruppen außerhalb der Pflege ausgeschlossen. Auch gebe es keine überzeugenden Argumente warum Beschäftigte in den anderen Krankenhäusern, im Rettungsdienst, in Psychiatrien, in Reha-Kliniken und in der Behindertenhilfe keine finanzielle Anerkennung bekommen sollen.
Berlin (epd). Genügend Sprachkurse und eine schnelle Anerkennung von ukrainischen Berufsabschlüssen sind Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zufolge die wichtigsten Voraussetzungen, damit Kriegsvertriebene aus der Ukraine möglichst schnell auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß fassen können. Heil sagte nach einem Treffen mit Wirtschaft, Gewerkschaften und Sozialverbänden am 30. März in Berlin, dafür werde er sich einsetzen und mit den Ländern über ein gemeinsames Vorgehen sprechen.
Der Minister betonte, man sehe die Flüchtlinge nicht in erster Linie als Arbeitskräfte. Priorität sei derzeit, ihnen Schutz zu bieten und sie zu versorgen. Viele wollten aber arbeiten. Rechtlich sei für die Vertriebenen der sofortige Zugang zum Arbeitsmarkt zwar gesichert. Aber „lebenspraktisch“ gebe es eine Fülle von Fragen, die zu klären seien. Dazu gehöre auch die Kinderbetreuung, da vor allem Frauen mit Kindern kämen, erläuterte Heil.
Der Arbeitsminister hatte Spitzenvertreter von Arbeitgeber-, Wirtschafts- und Sozialverbänden sowie Gewerkschaften eingeladen, um Fragen der Integration von Ukraine-Flüchtlingen in den deutschen Arbeitsmarkt zu besprechen. Eingeladen waren unter anderem die Spitzen von BDA, DGB, ver.di, DIHK, der Wohlfahrtsverbände und der Bundesagentur für Arbeit.
Bei den Sprachkursen müsse dafür gesorgt werden, dass es auch in ländlichen Gegenden ausreichend Plätze gebe, sagte Heil. Er hofft nach eigenen Worten auch darauf, Ukrainer, die Deutsch sprechen, einbinden zu können. Angeboten werden in Deutschland allgemeine Sprachkurse und berufsbezogene, speziellere Kurse.
Die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse ist seit Jahren ein von der Politik erkanntes Problem für Migranten auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Heil sagte, er wolle jetzt die Chance nutzen, endlich schneller zu werden. Zunächst müssten die Qualifikationen der Geflüchteten erfasst werden. Ukrainer dürften nicht nur als Hilfskräfte beschäftigt werden, sondern müssten eine längerfristige Perspektive erhalten, sagte Heil. Der SPD-Politiker sprach sich außerdem dafür aus, ukrainische Kriegsflüchtlingen den Zugang zu Hartz-IV-Leistungen und damit auch zur Arbeitsvermittlung in den Jobcentern zu eröffnen.
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger erklärte, um schnell und unbürokratisch helfen zu können, bräuchten Unternehmen ein pragmatisches Vorgehen der staatlichen Stellen. Zentral werde sein, dass die Ausländerbehörden Aufenthaltstitel und Arbeitserlaubnis schnell erteilten, genug Sprachkurse verfügbar seien und Berufsabschlüsse anerkannt würden.
Die Wohlfahrtsverbände begrüßten das Ziel, Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine schnell in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Der Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, Ulrich Lilie, warnte im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) aber auch davor, die Menschen mit überhöhten Erwartungen zu überfordern. Als erstes müssten grundlegende Bedürfnisse wie Wohnen sichergestellt „und Kinder gut versorgt sein in Kita und Schule“, sagte Lilie, der auch der Präsident des Bundesverbandes der Diakonie ist.
Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine sind nach Angaben der Bundespolizei rund 280.000 Menschen aus der Ukraine nach Deutschland geflohen. Die tatsächliche Zahl könnte aber höher liegen, da die Vertriebenen derzeit nicht lückenlos registriert werden, weil es an der Grenze zu Polen keine Kontrollen gibt. Ukrainer und Ukrainerinnen mit biometrischem Pass dürfen zudem ohne Visum einreisen und sich für 90 Tage frei innerhalb der EU bewegen. Sie müssen sich erst registrieren, wenn diese Zeit abgelaufen ist oder wenn sie staatliche Leistungen beantragen.
Berlin (epd). Angesichts der großen Anzahl von Ukraine-Flüchtlingen braucht es nach Ansicht der Politik und von Migrationsexperten eine solidarische und flexibel gestaltete Verteilung der Menschen in der EU, um die Erstaufnahmestaaten zu entlasten. Das könnte durch die Nutzung verschiedener Instrumente wie Mindestkontingente und Matching-Verfahren erfolgen, die die derzeit freie Wahl des Ziellandes ergänzen, heißt es in einer Mitteilung des Sachverständigenrates für Integration und Migration (SVR) vom 28. März. Die EU will laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) einen sogenannten Index zur freiwilligen Aufnahme von Flüchtlingen nutzen.
Der SVR lobte die Aktivierung der Massenzustrom-Richtlinie als „eine historische Entscheidung im Sinne des Flüchtlingsschutzes. Wegen der hohen Zahlen an Neuankömmlingen “steht aber die Verteilungsfrage erneut auf der politischen Agenda", sagte SVR-Vorsitzende Petra Bendel.
Rund 3,9 Millionen Menschen sind laut UNHCR aus der Ukraine geflohen. Die meisten von ihnen haben bislang Schutz in der europäischen Nachbarschaft gefunden: in Polen, Ungarn, der Tschechischen Republik, Slowakei, Rumänien sowie der Republik Moldau.
„Wir brauchen einen solidarischen Ausgleich, um Erstaufnahmestaaten in Mittel- und Osteuropa zu entlasten und über eine Verteilung eine möglichst gute Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine mit Zugang zu Gesundheitsleistungen, Bildung und Arbeit zu gewährleisten. Eine dauerhafte Überforderung in wenigen Staaten muss vermieden werden“, betonte Bendel.
„Je länger der Krieg dauert und je mehr Flüchtlinge kommen, die nicht über persönliche Netzwerke verfügen, desto mehr wird die Verteilungsfrage an Relevanz gewinnen“, sagte SVR-Vize Daniel Thym. Die EU-Kommission will über eine sogenannte Solidaritätsplattform die freiwilligen Maßnahmen wie finanzielle und logistische Hilfe oder die Zusage zur Aufnahme von Flüchtlingen koordinieren.
Mitgliedstaaten, die noch vergleichsweise wenige Flüchtlinge aufgenommen haben, könnten entsprechend ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten Mindestkontingente für eine Flüchtlingsaufnahme beziffern oder sonstige, zum Beispiel logistische, Hilfe bei der Verteilung und Aufnahme leisten. Perspektivisch könnten auch bedarfsgerechte Matching-Verfahren sinnvoll sein, um aufnahmewillige Mitgliedstaaten und die dortigen Kommunen mit den Flüchtlingen zusammenzubringen, die dort hinwollen. Denkbar wäre laut SVR eine Art Vermittlungsplattform, auf der potenzielle Aufnahmegemeinden Schutzberechtigte über dortige Möglichkeiten in Bezug auf Arbeit, Bildung oder Wohnraum informieren können.
Thym: „Aufnahmeländer, die besonders vielen Flüchtlingen aus der Ukraine Schutz gewähren, müssen zudem logistisch und finanziell von der EU unterstützt werden. Dies gilt auch für Nicht-EU-Staaten wie die Republik Moldau.“
An dem von der EU-Kommission vorgeschlagenen Index könne man sehen, welches Land wie viele Geflüchtete aufgenommen habe, sagte Faeser nach einem Treffen mit ihren EU-Amtskollegen am 28. März in Brüssel. „Danach soll eine etwas gerechtere Verteilung erfolgen.“
Es handele sich um eine freiwillige Verteilung. Zugleich wolle die EU-Kommission aber stärker steuern und gezielt Mitgliedsstaaten ansprechen „Ihr habt noch nicht so viele, nehmt bitte auf“, erklärte Faeser. Der Index sei als als gute Basis gesehen worden. Es wäre aber gut, „mehr Verbindlichkeit zu haben“, betonte die Innenministerin.
Bereits vor der Sitzung hatte die deutsche Ressortchefin festgestellt, dass sie derzeit keine festen Aufnahmequoten für Flüchtlinge anstrebe. „Wir wollen ja jetzt nicht Staaten verschrecken“, das sei der Grund, „warum man nicht jetzt starr an Quoten festhält“, erklärte die Ministerin.
Berlin (epd). Der Deutsche Städtetag dringt auf eine zügige Registrierung und bessere Verteilung der ukrainischen Kriegsflüchtlinge im Land. Um die Großstädte, in denen täglich Tausende Geflüchtete ankommen, zu entlasten, müssten diese sowohl zwischen den Bundesländern als auch auf den ländlichen Raum verteilt werden, sagte der Präsident des Deutschen Städtetages, Markus Lewe, am 30. März in Berlin. Er forderte, sich dabei an den Königsteiner Schlüssel zu halten, der anhand von Wirtschaftskraft und Einwohnerzahlen festlegt, wie viele Asylbewerber ein Bundesland aufnehmen muss.
Lewe wies darauf hin, dass vor allem ostdeutsche Großstädte beliebte Ziele der Geflüchteten seien, die meist privat mit dem Pkw nach Deutschland reisten. „Jede Stadt mit Verkehrsknotenpunkten und einer städtischen Infrastruktur wird im Zweifel lieber aufgesucht als der ländliche Raum“, sagte Lewe, der Oberbürgermeister von Münster ist. Als Beispiele nannte er Berlin, Rostock und Leipzig, aber auch Köln und Münster.
Lewe betonte, dass vor der Verteilung eine Registrierung der Geflüchteten dringend erforderlich sei. Diese erfolge aktuell ineffizient und zu bürokratisch, kritisierte er. Er forderte, die Menschen schon bei ihrer Anreise oder der Aufnahme in eine Erstaufnahmeeinrichtung zu registrieren. Aktuell dauere selbst eine vereinfachte Registrierung rund 45 Minuten pro Person. „Das ist deutlich zu lang“, sagte Lewe.
Der Vizepräsident des Städtetages, Ulf Kämpfer, wies darauf hin, dass Bund und Länder bezahlbaren Wohnraum schaffen müssten. „Im Moment geht es meistens noch um provisorische Unterbringung. Aber viele Menschen werden länger bleiben“, sagte der Oberbürgermeister von Kiel. Um das Problem kurzfristig zu lösen, müsse das Baurecht liberalisiert und leerstehende Wohnungen genutzt werden können, forderte Kämpfer.
Westerstede (epd). Andrea Warnken ist das wohl Schlimmste passiert, was einem Elternteil widerfahren kann. Ihr Sohn Hannes starb im Kinderwagen den plötzlichen Kindstod. „Es hat uns völlig unvorbereitet getroffen“, sagt die 32-Jährige und kämpft mit den Tränen. Hannes wurde nur 16 Wochen und sechs Tage alt.
Es geschah vor dreieinhalb Jahren beim täglichen Gang zum Bäcker, berichtet die junge Frau, die mit ihrer Familie im niedersächsischen Westerstede lebt. Hannes lag im Kinderwagen und hat friedlich geschlafen. „Er war nicht krank“, sagt sie. „Warum hätte ich ihn wecken sollen?“ Erst später habe sie bemerkt, dass etwas nicht stimmt.
Der Tod von Hannes sei für sie, ihren Mann und die kleine Tochter schon schlimm genug gewesen, sagt Warnken. Regelrecht fassungslos habe sie aber gemacht, dass Bekannte sie plötzlich mieden und die Straßenseite wechselten. „Ich hatte das Gefühl, der Tod meines Kindes steht mir auf die Stirn geschrieben.“
Warnken fiel in ein tiefes Loch, hatte kaum noch Kraft, sich Dingen zu widmen, die ihr Leben zuvor bereichert hatten. „Noch nicht einmal meine Leidenschaft, das Nähen, hat mir noch Freude gemacht. Ich habe mich stattdessen von TV-Serien berieseln lassen. Alles war so sinnlos.“
Nach den Erfahrungen von Hildegard Jorch reagieren viele Eltern so wie Andrea Warnken. „Der Tod eines Kindes ist für alle extrem belastend“, sagt die Präsidentin der „Gemeinsamen Elterninitiative Plötzlicher Säuglingstod Deutschland“. Sie beschäftigt sich seit vielen Jahrzehnten mit dem Phänomen. Zwar gebe es mögliche Risikofaktoren für den plötzlichen Kindstod, aber nach wie vor seien keine eindeutigen Ursachen bekannt.
Jorch zufolge ist die Zahl der plötzlichen Kindstode, auch „Sudden Infant Death“ genannt, in den vergangenen Jahrzehnten gesunken. Dies sei unter anderem auf Präventionsmaßnahmen zurückzuführen, etwa die Vermeidung der Bauchlage beim Schlafen, erläutert die Expertin.
Waren es noch in den 1990er Jahren allein in Nordrhein-Westfalen jährlich bis zu 900 Säuglinge, die in ihrem ersten Lebensjahr ohne erkennbaren medizinischen Grund plötzlich starben, seien es heute bundesweit nur noch rund 150. Die meisten Fälle treten Jorch zufolge im Alter zwischen zwei und sechs Monaten auf. Später nimmt das Risiko stetig ab und sinkt bis zum zweiten Geburtstag auf null. Jungen sind etwas häufiger betroffen als Mädchen.
Häufig werden die betroffenen Eltern für den Tod ihres Kindes verantwortlich gemacht, hat Jorch beobachtet. Doch Hilfe zu finden, etwa in Gesprächsgruppen, sei schwer. „Denn so erfreulich es ist, dass deutlich weniger Kinder diesen Tod sterben, um so schwieriger ist es für die Eltern, Menschen in der Nähe zu finden, die gleiches erlitten haben.“
Gruppen für verwaiste Eltern oder auch für Eltern totgeborener Kinder seien nur bedingt geeignet. Nicht selten werde das Ausmaß der Trauer am Lebensalter der Kinder gemessen und von denen, die ein älteres Kind verloren haben, infrage gestellt. „Das ist bedauerlich, denn Trauer kann nicht verglichen und darf nie gewertet werden“, betont Jorch: „Jeder Mensch trauert auf seine Weise.“
Dass Menschen unterschiedlich trauern, musste auch Andrea Warnken erst verstehen. „Mein Mann trauert anders, aber nicht weniger um Hannes.“ Während sie überhaupt nicht mehr arbeiten wollte, habe sich ihr Mann ganz in die Arbeit gestürzt.
Andrea Warnken hat noch eine ältere Tochter und inzwischen auch einen jüngeren Sohn, der unternehmungslustig über den Fußboden robbt. „Er hat vor kurzem seinen ersten Geburtstag überstanden“, sagt sie und lächelt. „Er hat mir gezeigt, dass mir wieder Gutes passieren kann.“ Obwohl das Risiko des plötzlichen Kindstods nach dem ersten Geburtstag enorm sinkt, überwacht nach wie vor ein Monitor den Schlaf des Jungen. Dadurch sei sie weniger ängstlich.
Doch was hilft am Ende wirklich gegen den Kummer? „Man muss wissen, dass man darüber reden darf“, betont Andrea Warnken. Mittlerweile hat sie auch Kontakt zu anderen Familien, die ein Kind verloren und ihr Mut gemacht haben: „Sie haben gesagt, es wird auch wieder bessere Tage geben.“ Entscheidend sei für sie die Erkenntnis, dass Gefühle ein Ventil brauchen. Für Andrea Warnken ist dieses Ventil ihr Instagram-Kanal „wunder.glaube.glueck“. „Da kann ich über Hannes schreiben, wenn mir danach ist. Das ist meine Form der Trauerbewältigung“, sagt sie.
Berlin (epd). Im vergangenen Jahr haben rund 410.000 Hartz-IV-Haushalte mehr für Wohnen und Heizen gezahlt, als ihnen von den Ämtern zuerkannt wurde. Das ist ein Anteil von 14 Prozent aller Bedarfsgemeinschaften, wie aus Antworten der Bundesregierung auf Anfragen der Linksfraktion hervorgeht, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegen.
Die sogenannte Wohnkostenlücke, also die Differenz zwischen dem im Sozialgesetzbuch II festgelegten Satz für Unterkunft und Heizung und real anfallenden Kosten, betrug demnach im Zeitraum von Dezember 2020 bis November 2021 rund 460 Millionen Euro.
Nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums wurden die aktuellen Regelbedarfe auf Daten von Verbraucherstichproben aus dem Jahr 2018 errechnet. Seitdem dürften die Energiekosten privater Haushalte, nicht zuletzt durch Erhöhungen der Strom- und Gaspreise in den vergangenen Monaten, jedoch gestiegen sein, räumte das Ministerium ein. Zugleich verwies es auf das vereinbarte Entlastungspaket 2022. Um Haushalte mit geringem Einkommen zu unterstützen, sollen Empfänger von Sozialleistungen - darunter Hartz-IV-Bezieher und Berechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz - im Juli eine Einmalzahlung in Höhe von 100 Euro auf den Regelsatz erhalten.
Bis zur geplanten Einführung einer Kindergrundsicherung sollen zudem von Armut betroffene Kinder vom 1. Juli an 20 Euro mehr pro Monat bekommen. Laut Ministerium waren im vergangenen Jahr rund 2,84 Millionen Bedarfsgemeinschaften in Deutschland gemeldet.
„Die Kosten für Miete, Heizung und Strom im SGB II-Satz sind viel zu niedrig angesetzt“, kritisierte die mietenpolitische Sprecherin der Linken-Bundestagsfraktion, Caren Lay. Jeder siebte Hartz-IV-Haushalt „zahlt drauf und muss an Essen, Kleidung oder Bildung sparen. Diese Ungleichheit ist nicht haltbar.“ Ihren Worten zufolge sind es im Schnitt 93 Euro pro Monat und Bedarfsgemeinschaft, die aus den Regelbedarfen privat beigesteuert werden müssen. Dies sei ein Anstieg um acht Prozent gegenüber 2019 und 20 Prozent gegenüber 2017, erklärte die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion.
Angesichts explodierender Mieten, Heiz- und Energiekosten forderte Lay vom Bund, dass „dauerhaft die realen Wohn- und Energiekosten übernommen werden“ müssten. Ein einmaliger Zuschuss genüge nicht. Das Entlastungspaket der Bundesregierung müsse „sozial ausgewogen sein und insbesondere Menschen mit geringen Einkommen entlasten. Denn sie sind am stärksten von Wohnungsnot und Energiearmut betroffen“.
Aachen (epd). Wegen der deutlich gestiegenen Energiepreise drohen laut einer Studie 600.000 zusätzliche Haushalte in Deutschland unter die Armutsgrenze zu rutschen. Nach der Erhebung des Lehrstuhls für Energiesystemökonomik der RWTH Aachen werden die einkommensschwachen Haushalte durch die derzeitigen Steigerungen der Energiepreise am stärksten belastet, wie die Universität am 29. März mitteilte. Gemäß einer Definition der Europäischen Union liegt die Armutsgrenze bei 60 Prozent des mittleren Haushalts-Einkommens. Basis der Berechnungsmodelle sind die Daten der aktuellen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamts.
Den Studienergebnissen zufolge ist aufgrund der Energiepreisentwicklung in allen Haushaltsgruppen eine deutliche finanzielle Mehrbelastung zu verzeichnen. Ein durchschnittlicher Vierpersonenhaushalt, der mit Gas heizt, muss aktuell im Vergleich zu Anfang 2020 mit Mehrausgaben von 1.624 Euro auf ein Jahr kalkulieren. Davon entfallen 10,6 Prozent auf Strom, 46,4 Prozent auf Erdgas und 43 Prozent auf Benzin und Diesel.
In der Diskussion um geeignete energiepolitische Maßnahmen sollten nach Ansicht der Studienautoren die Auswirkungen auf die Energienachfrage berücksichtigt werden. Vor allem bei preislichen oder steuerlichen Erleichterungen sollte bedacht werden, dass diese zu einem „gewissen Wiederanstieg der Energieverbräuche und damit auch der Importabhängigkeit führen“ könnten.
Überdies deuteten die Ergebnisse der Untersuchung an, dass Entlastungen bei Mineralölprodukten wie Benzin oder Diesel tendenziell eher zu einer Entlastung von einkommensstarken Haushalten führen würden. Einkommensschwächere Haushalte würden eher von einer Entlastung bei den Ausgaben für Erdgas profitieren.
Berlin, Frankfurt a.M. (epd). „Wir in der Hoffnungstaler Stiftung Lobetal haben 30 Menschen mit Behinderung aus der Ukraine aufgenommen“, berichtet Sprecher Wolfgang Kern im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Eines von vielen Beispielen, wie die Träger der Behindertenhilfe selbst aktiv werden, ihre Kontakte nutzen und die Betroffenen auf zum Teil abenteuerlichen Wegen nach Deutschland holen. Zentral gesteuert ist dieses Engagement nicht. Kern sieht das ganz pragmatisch: „Krisen sind dadurch gekennzeichnet, dass nach einer chaotischen Phase Strukturen aufgebaut werden. So ist es auch jetzt.“
In Lobetal, das zur von Bodelschwinghschen Stiftung Bethel gehört und seit über 115 Jahren in der Behindertenhilfe aktiv ist, seien Menschen aus den Partnerschaften des Vereins „Ukraine-Hilfe Lobetal“ untergebracht worden, aber auch Flüchtlinge mit Behinderung oder ältere Pflegebedürftige, die auf anderen Wegen nach Lobetal in Bernau bei Berlin kamen.
Mit wie vielen Betroffenen und ihren Betreuern muss man noch rechnen, falls der Krieg andauert? „Das lässt sich schwer sagen. Es werden viele, sehr viele sein“, vermutet Kern. Es kämen zunehmend Menschen mit Hilfebedarf. „Hier braucht es, zumindest für die Regelbetreuung, die Professionalität und die Qualität, die wir behinderten und pflegebedürftigen Menschen entgegenbringen.“
Und genau das ist das Problem. Anders als Einzelpersonen oder geflüchtete Frauen mit Kindern brauchen etwa schwerst mehrfach Behinderte oder Menschen mit geistiger Einschränkung hoch professionelle Unterstützung. Und die kann nur ein spezialisierter Träger bieten. Jörg Markowski, Referent beim Bundesverband evangelische Behindertenhilfe (BeB): „Viele Einrichtungen haben sich bereits selbst auf den Weg gemacht und Unterstützung organisiert. Das ist großartig.“ Doch offen sei, wie viele Betroffene bereits sicher untergebracht sind, sich erholen und zur Ruhe kommen können. „Unser Verband sammelt Infos zu den Aktivitäten nicht systematisch.“
Nach Angaben der Bundesvereinigung Lebenshilfe scheint es derzeit genügend Unterkünfte zu geben, „die allerdings nicht alle unbedingt für eine mittelfristige Unterbringung geeignet sind, weil es sich häufig um ehemalige Wohnstätten handelt, bei denen für eine Nutzung noch Arbeiten erforderlich wären“, sagte Geschäftsführerin Jeanne Nicklas-Faust. Viele Aufnahmeplätze seien von Anfang an nur für eine Übergangsfrist von Tagen oder Wochen gedacht. Und, so merkte Nicklas-Faust gegenüber dem epd kritisch an: „Es wäre hilfreich, wenn nicht in Deutschland verschiedenste Verbände und Initiativen in der Vermittlung und Aufnahme von Flüchtlingen aktiv sind.“ Besser wäre es, koordiniert vorzugehen.
Das zeichnet sich nun ab. In einer bundesweiten Datenbank sammeln seit vergangener Woche Organisationen der Behindertenhilfe Wohn-, Assistenz- und Transferangebote für Menschen mit einer Behinderung, die aus der Ukraine geflüchtet sind. Zu den Initiatoren der Website www.hilfsabfrage.de gehört das Büro des Bremer Landesbehindertenbeauftragten Arne Frankenstein. Er hoffe, dass sich möglichst viele Akteure der Behindertenhilfe beteiligten, „nicht nur in den Städten, auch in der Fläche“, sagte Frankenstein dem epd. „Organisationen in der Ukraine, in den Grenzregionen sowie in Deutschland können dann ein sogenanntes “matching„ zwischen den behinderten, geflüchteten Menschen und den Hilfsangeboten in Deutschland herstellen“, sagt BeB-Referent Markowski.
Unterdessen wächst die Liste der Einrichtungen, die Menschen mit Behinderung aufnehmen, täglich. Der BeB berichtet, dass die Rotenburger Werke in Niedersachsen eine Gruppe von 16 Menschen mit zum Teil komplexer Beeinträchtigung betreuen, die von zehn Fachkräften begleitet werden. Auch Bethel.regional in Nordrhein-Westfalen sei sehr aktiv. 120 Menschen mit Behinderung sollen aufgenommen werden. Der Träger Eben-Ezer in Lemgo habe 40 Plätze in der Behindertenhilfe eingerichtet. „Auch vom Christophoruswerk Erfurt habe ich gehört, dass eine ganz Schulklasse mit motorischen/kognitiven Beeinträchtigungen aus Sumi aufgenommen wurde.“
Das Christliche Jugenddorfwerk Deutschlands (CJD) hat am 24. März 37 schwerst- oder mehrfachbehinderte Kinder, Betreuerinnen und deren eigenen Kinder aufgenommen, die zuvor in Polen waren. Sie kommen im Gästehaus des CJD-Berufsbildungswerks in Koblenz unter. „Diese Kinder im Alter von sechs bis 18 Jahren gehören zu den Schwächsten der Schwachen. 17 von ihnen können nur liegend transportiert werden. Auch ihre gesundheitliche Situation ist teilweise sehr schwierig“, berichtete CJD-Vorstand Petra Densborn. „Wir können ihnen geschützte Räume geben und sie dabei unterstützen, die schrecklichen Erfahrungen zu verarbeiten. Zumal behinderte Kinder eine besonders intensive Traumabewältigung benötigen.“
Auch der Fachverband „Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie“ (CBP) hat bereits Evakuierungen organisiert. Er hat insgesamt bereits 200 Menschen mit Behinderung und ihre Betreuer aus der Ukraine aufgenommen, die auch in den nächsten Monaten begleitet würden. Für die zuletzt geholten 89 Betreuten, 14 Betreuerinnen und acht Angehörigen ging die Reise nach Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen.
Die Neuankömmlinge hätten zuvor in Kiew in altersgemischten, familiären Kleingruppen gelebt, vergleichbar mit den hiesigen SOS-Kinderdörfern. „Diese altvertrauten Strukturen sollen nach Möglichkeit beibehalten bleiben, denn in Zeiten des Chaos durch den Krieg geben sie den jungen Menschen den Halt, den sie zur Bewältigung der aktuellen Situation benötigen“, so Pressesprecher Thomas Schneider. Daher sei es wichtig, dass Mitgliedseinrichtungen gefunden werden konnten, die die gesamten Gruppen entgegen den hierzulande üblichen Strukturen bei sich aufnehmen. Und der Bedarf sei riesig: „Allein in Lwiw warten noch tausende Kinder und junge Erwachsenen mit geistiger Behinderung auf ihre Evakuierung.“
Genf (epd). Die humanitäre Krise in der Ukraine hat sich laut dem Roten Kreuz weiter verschärft. Inzwischen seien 18 Millionen Menschen oder ein Drittel der Bevölkerung auf Unterstützung von außen angewiesen, sagte Rot-Kreuz-Präsident Francesco Rocca am 29. März in Genf. Besonders in Mariupol und anderen von den russischen Streitkräften belagerten Städten spitze sich die Lage zu.
Die Menschen in Mariupol lebten in einer unerträglichen Lage, sagte Rocca. Viele Bewohner hätten nichts mehr zu essen, kein sauberes Wasser und keinen Strom mehr. Der Präsident der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften verlangte die Errichtung stabiler humanitäre Korridore, um Hilfsgüter in die Stadt zu bringen und Menschen zu evakuieren.
Rocca verwies auch auf die sich ständig verschlimmernde Situation im Gesundheitswesen, dessen Mitarbeiter etliche Verletzte behandeln müssten. Infektionskrankheiten drohten sich schneller auszubreiten als in normalen Zeiten.
Die Weltgesundheitsorganisation bestätigte den Beschuss von 74 Krankenhäusern, Arztpraxen und Ambulanzen seit Beginn der russischen Invasion. Dabei seien 72 Menschen gestorben, 40 Menschen hätten Verletzungen erlitten.
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte seinen Truppen am 24. Februar befohlen, die Ukraine anzugreifen. Nach UN-Angaben befinden sich inzwischen mehr als zehn Millionen Menschen innerhalb und außerhalb des Landes auf der Flucht.
Hannover (epd). Wer Geflüchtete aus der Ukraine unterstützt, sollte ihnen aus Sicht des Psychotherapeuten und Trauma-Spezialisten Henning Röhrs zunächst einmal viel zuhören. „Es kann schon viel helfen, wenn sie ihre Erlebnisse erzählen können, die sie gehabt haben“, sagte Röhrs dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das sei noch keine Therapie, aber erzählen könne die Menschen schon entlasten.
Röhrs ist Kinder- und Jugendpsychotherapeut in Laatzen bei Hannover und gehört zum Vorstand des Netzwerks für traumatisierte Flüchtlinge in Niedersachsen. Wer Flüchtlinge bei sich aufnehme oder sie begleite, solle genau hinhören und beobachten, welche Bedürfnisse die Menschen hätten: „Wenn Menschen so eine Situation erlebt haben, wo sie praktisch Spielball gewesen sind und große Hilfslosigkeit erfahren haben, ist es wichtig, dass da Leute sind, die schauen: Was brauchen sie? Vielleicht erstmal ein bisschen Ruhe? Oder ein Gespräch?“
Schlaflosigkeit und Alpträume könnten auf ein Trauma hindeuten, sagte Röhrs. „Oder wenn jemand sehr schnell wütend wird.“ Auch Teilnahmslosigkeit oder Apathie könnten Signale sein. Nicht alle Geflüchteten seien traumatisiert, und grundsätzlich habe jeder Mensch die Fähigkeit, auch schlimme Erfahrungen zu verarbeiten, betonte der Therapeut. Wer direkt Bomben, Zerstörung und Gewalt erlebt oder tagelang in Kellern ausgeharrt habe wie die Menschen in Mariupol, habe mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Trauma davongetragen. Doch andere Menschen hätten ihr Zuhause vorsorglich verlassen, um sich vor dem Krieg in Sicherheit zu bringen. „Die Grenzen zwischen Trauer und Trauma sind fließend.“
Eine Hilfe für Geflüchtete könne es sein, ihnen eine Art Tagesstruktur zu vermitteln. „Für viele Leute ist es wichtig, wenn sie arbeiten können und das Gefühl haben, sie könnten etwas bewirken.“ Kindern helfe es, wenn sie in die Schule gehen und etwas lernen könnten. Ihre Neugier könne eine Hilfe dabei sein, schlimme Erlebnisse in den Hintergrund treten zu lassen.
München (epd). Mehr Einsatz gegen Zwangsprostitution und bessere Ausstiegsmöglichkeiten aus der legalen Prostitution hat die sozialpolitische Vorständin der Diakonie Deutschland, Maria Loheide, gefordert. „Der Ausstieg aus der Prostitution ist mit enormen Hürden verbunden“, sagte Loheide am 30. März in München.
Weil die Betroffenen häufig in den Bordellen wohnten, verlören sie bei einem Ausstieg auf einen Schlag Einkommen und Unterkunft. Häufig sei der Aufenthaltsstatus der oft aus Osteuropa stammenden Frauen unklar oder gar gefährdet und es dauere zu lang, bis sie Sozialleistungen wie Hartz IV erhielten. Nötig sei außerdem eine Berufsperspektive, „die nicht wieder in prekärer Beschäftigung endet“.
Verlässliche Zahlen gebe es beim Thema Prostitution nicht, gerade die Zwangsprostitution sei „ein riesiger Grau- oder sogar Schwarzbereich“, sagte Isabel Schmidhuber, Leiterin des Münchner Frauenobdachs Karla 51. Schätzungen gingen von 300.000 bis 600.000 in der Prostitution tätigen Menschen in Deutschland aus.
Diakonie-Vorständin Loheide empfahl der Bundesregierung eine Dunkelfeldstudie sowie einen „Runden Tisch Prostitution“, an dem alle beteiligten Interessensgruppen teilnehmen müssten.
Berlin (epd). Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele, hat die geplanten Zuschläge auf Erwerbsminderungsrenten begrüßt, aber eine schnellere Umsetzung gefordert. Außerdem müsse im parlamentarischen Verfahren auch noch einmal über die Höhe gesprochen werden, erklärte Bentele am 25. März in Berlin. Der VdK fordert doppelt so hohe Zuschläge, wie von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorgesehen.
Nach Berechnungen des Verbandes würde eine Erwerbsminderungsrente von 800 Euro im Monat nach Heils Plänen um bis zu 60 Euro steigen. Ein Zuschuss in Höhe von 7,5 Prozent ist danach vorgesehen für Rentnerinnen und Rentner, die zwischen 2001 und Mitte 2014 aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aus dem Arbeitsleben ausgeschieden sind. Wer von Mitte 2014 bis 2019 Erwerbsminderungsrentner wurde, soll 4,5 Prozent mehr bekommen.
In den Jahren 2014 und 2019 waren die Renten für nicht mehr erwerbsfähige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zweimal erhöht worden, aber nur für Neurentner. Aufschläge auch für die sogenannten Bestandsrentner sind schon lange im Gespräch, waren aber von der großen Koalition nie umgesetzt worden. Einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zufolge sollen die Verbesserungen für die Frührentnerinnen und -rentner von Juli 2024 an wirksam werden und am 13. April vom Bundeskabinett beschlossen werden.
Dem Zeitungsbericht zufolge würden drei Millionen Rentnerinnen und Rentner mehr Geld bekommen. Die zusätzlichen Ausgaben für die Rentenversicherung würden in dem Gesetzentwurf mit 2,6 Milliarden Euro pro Jahr beziffert. Die Verbesserungen bei den Erwerbsminderungsrenten sollen per Gesetz zusammen mit der regulären Rentenerhöhung beschlossen werden, die zum 1. Juli dieses Jahres erfolgt.
Berlin (epd). Der Deutsche Evangelische Verband für Altenarbeit und Pflege (DEVAP) spricht sich für Anpassungen bei der Anerkennung von internationalen Pflegefachpersonen und bei der Berufsanerkennung von internationalen Pflegeassistenzpersonen aus. In einer Information aus Anlass des bevorstehenden zehnjährigen Jubiläums des Anerkennungsgesetzes im April 2022 heißt es, kurzfristig müssten die Regelungen zum Bleiberecht für Pflegeassistenzkräfte auf Bundesebene angepasst werden, so dass auch Assistenzkräfte mit einer kürzeren Ausbildungszeit nach Abschluss in Deutschland bleiben können und eine Arbeitsgenehmigung erhalten.
„Hier brauchen wir dringend die Unterstützung des Bundes“, sagte DEVAP-Vorsitzender Wilfried Wesemann. Zur Begründung sagte er weiter: „Die Anerkennung ausländischer Pflegefachkräfte ist - aus der Zeit vor der generalistischen Ausbildung - meist nur im Rahmen des Krankenpflegegesetzes möglich. Deshalb ist die Rekrutierung von Fachpersonal für die stationäre und ambulante Pflege deutlich erschwert, weil der praktische Einsatzort im Krankenhaus sein muss und die Menschen nach der Ausbildung meist dort bleiben.“
In der Übergangsvorschrift für die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse gemäß § 66a Abs. 1 Pflegeberufegesetz heißt es, dass diese Regelung aus dem Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen - kurz „Anerkennungsgesetz“ - noch bis zum 31. Dezember 2024 gelten soll.
„Eine Anerkennung nach dem Altenpflegegesetz und damit direkte Beschäftigung in der Langzeitpflege kommt jedoch meist nicht in Frage, weil es die Ausbildung zum Altenpfleger in anderen Ländern nicht gibt.“, so Wesemann. „Die meisten Länder sichern eine neue Regelung ab dem Jahr 2025 zu. Dies ist jedoch zu spät, weil die Träger bereits heute massive Personalausfälle kompensieren müssen.“ Zur Lösung müsse das Gleichwertigkeitsfeststellungsverfahren für Pflegefachkräfte in den Ländern möglichst kurzfristig auf Basis des Pflegeberufegesetzes angepasst werden."
„Das SGB XI sieht zudem künftig den strukturierten Einsatz von Pflegeassistenzkräften vor. Entsprechende Ausbildungsgänge finden bereits an den Pflegeschulen statt, um den hohen Bedarf an Assistenzpersonal künftig zu decken“, erläuterte Der Vorsitzende. „Die bestehenden Regelungen zum Bleiberecht für Menschen aus Drittstaaten sehen jedoch eine Ausbildung von mindestens zwei Jahren vor.“ Damit werde für die Träger in der Pflege die Rekrutierung von internationalen Pflegeassistenzkräften quasi unmöglich.
„Wir fordern seit Jahren eine bundesweit einheitliche zweijährige generalistische Pflegeassistenzausbildung“, sagte Wesemann. Perspektivisch sei das der richtige Weg, um Vergleichbarkeit zu erreichen und, im Sinne eines ausgewogenen kompetenzorientierten Personalmixes, die künftigen Aufgaben in der Pflege mit begrenztem Personal zu bewältigen.
München (epd). Ein Rettungsassistent im Minijob muss den gleichen Stundenlohn wie seine hauptamtlich arbeitenden Vollzeit-und Teilzeitkollegen erhalten. Nur weil der Minijobber anders als seine Kollegen selbst aussuchen kann, welche angebotenen Dienste er übernimmt, rechtfertigt das noch keinen unterschiedlichen Stundenlohn, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) München in einem am 25. März veröffentlichten Urteil. Die Münchener Richter ließen allerdings die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt zu.
Damit bekam der als Rettungsassistent geringfügig beschäftigte Kläger einen Lohnnachschlag von knapp 3.300 Euro zugesprochen. Seit April 2015 arbeitet der Minijobber in einem Unternehmen, das für den Rettungszweckverband Notfallrettung im Raum München Rettungsdienst- und Krankentransportleistungen erbringt.
Die durchschnittliche Arbeitszeit betrug 16 Stunden monatlich bei einem Stundenlohn von zwölf Euro. Feste Arbeitszeiten gab es nicht. Der Arbeitgeber fragte bei ihm per WhatsApp an, ob er Dienste besetzen will, die der Minijobber aber nicht annehmen musste. Auch Wunschtermine für Einsätze konnten auf diesem Weg benannt werden. Die Dienstpläne der Hauptamtlichen wurden dagegen vom Arbeitgeber vorgegeben. Dafür erhielten diese einen Stundenlohn von 17 Euro.
Der Kläger sah in der ungleichen Bezahlung einen Verstoß gegen das Teilzeit- und Befristungsgesetz. Das sieht vor, dass teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer nicht wegen ihrer Teilzeitarbeit schlechter behandelt werden dürfen als Vollzeitkräfte. Eine unterschiedliche Behandlung sei nur aus sachlichen Gründen erlaubt.
Es gebe aber hier im konkreten Fall keine qualitative Unterscheidung zwischen den Tätigkeiten der hauptamtlich Tätigen und dem Minijobber, so der Kläger. Das gesetzliche Benachteiligungsverbot gelte auch, wenn teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer untereinander unterschiedlich behandelt werden, hier die Minijobber einerseits und die hauptamtlichen Teilzeitkräfte andererseits.
Der Arbeitgeber hielt die unterschiedliche Bezahlung zwischen Vollzeit- und Teilzeitkräften sowie Minijobbern indes für gerechtfertigt. Letztere könnten die Art ihrer Einsätze und die Arbeitszeit frei wählen, während die anderen Beschäftigten verbindlich in ein Schichtsystem eingeteilt würden. Ausgleich für den flexiblen Arbeitsmodus sei der geringere Stundenlohn, argumentierte das Unternehmen.
Die unterschiedliche Vergütung richte sich nach Mitarbeitern, deren Arbeitseinsätze vorbestimmt werden und solchen, die flexibel ihre Einsätze wählen könnten. Die höhere Planungssicherheit bei hauptamtlichen Vollzeit- und Teilzeitkräften begründe die höhere Vergütung.
Dem widersprach jedoch das LAG. Die Praxis, geringfügig Beschäftigten eine geringere Vergütung pro Stunde zu zahlen, verstoße gegen das gesetzliche Benachteiligungsverbot. „Die unterschiedliche Behandlung einer Gruppe teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer gegenüber den vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern entfällt nicht dadurch, dass der Arbeitgeber eine andere Gruppe teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer nicht benachteiligt“, befand das LAG mit Verweis auf ein Urteil des BAG vom 19. Januar 2016.
Hier vergüte der Rettungsdienstbetreiber die Arbeitnehmergruppe der „nebenamtlich“ Teilzeitbeschäftigten anders als die Vollzeitkräfte. Einen ausreichenden sachlichen Grund gebe es hierfür nicht. Der Arbeitgeber begründe zwar, so das LAG, dass die höhere Bezahlung für Hauptamtliche wegen der nicht frei wählbaren Dienste gerechtfertigt sei. Warum die höhere Vergütung notwendig sein soll, sei dennoch unklar.
Denn der Arbeitgeber könne nach der Gewerbeordnung sowieso Beschäftigte anweisen, wann sie ihre Arbeit erbringen müssen, es sei denn, das ist - etwa im Arbeitsvertrag - anders geregelt. Doch selbst wenn man davon ausgehen würde, dass Minijobbern wegen der freien Wahl ihrer Dienste ein geringerer Stundenlohn zustehen müsse, rechtfertige dies im Streitfall noch keinen Unterschied von 43 Prozent des Stundenlohns, urteilte das LAG.
Bereits am 29. Juli 2011 hatte auch das LAG Hamm im Fall einer Caritas-Einrichtung geringfügig beschäftigten Pflegeassistentin entschieden, dass sie das gleiche Stundenentgelt wie Vollzeitbeschäftigte beanspruchen könne. Wie die Hammer Richter zu einer Übergangsregelung im Jahr 2010 entschieden, haben Minijobber Anspruch auf den gleichen Bruttolohn - selbst dann, wenn das netto einen höheren Stundenlohn bedeutet, als ihn die Vollzeitbeschäftigten bekommen.
Der Grundsatz gleiche Arbeit für gleichen Lohn muss nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. März 2014 aber nicht für Beamte gelten. Können Beamte aus gesundheitlichen Gründen zeitlich weniger arbeiten, müssen sie danach höhere Bezüge erhalten als freiwillig, im gleichen Umfang teilzeitbeschäftigte Beamte. Denn der aus gesundheitlichen Gründen begrenzt dienstfähige Beamte bringe anders als der freiwillig teilzeitbeschäftigte Beamte seine Arbeitskraft nach seinen Möglichkeiten noch voll ein, so dass eine höhere Besoldung sachlich gerechtfertigt sei.
Az.: 10 Sa 582/21 (Landesarbeitsgericht München)
Az.: 9 AZR 564/14 (Bundesarbeitsgericht)
Az.: 18 Sa 2049/10 (Landesarbeitsgericht Hamm)
Az.: 2 C 50.11 (Bundesverwaltungsgericht)
Kassel (epd). Ein Job von zehn Stunden als Tellerwäscher für einen Lohn von 100 Euro führt bei einem arbeitsuchenden EU-Bürger nicht zu einem Hartz-IV-Anspruch. Eine solche Tätigkeit begründe keine Arbeitnehmereigenschaft, die das Jobcenter zur Zahlung von Arbeitslosengeld II verpflichtet, urteilte am 29. März das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel.
Nach den gesetzlichen Bestimmungen haben arbeitsuchende, nach Deutschland eingereiste EU-Bürger zunächst keinen Anspruch auf Hartz IV. Gehen sie sechs bis zwölf Monate einer Erwerbstätigkeit nach, können sie bei Arbeitslosigkeit sechs Monate lang die Hilfeleistung erhalten. Ab einer Erwerbstätigkeit von einem Jahr ist der Hartz-IV-Anspruch bei Arbeitslosigkeit unbefristet.
Im Streitfall war der in Deutschland geborene griechische Kläger im Alter von fünf Jahren nach Griechenland gezogen. Im Februar 2016 kam er wieder zurück und ging mit Unterbrechungen mehreren Arbeiten nach, bis er im Januar 2019 einen Minijob als Tellerwäscher in einem Restaurant fand. Dort arbeitete er für 100 Euro pro Monat zehn Stunden. Um seinen Lebensunterhalt zu sichern, beantragte er Arbeitslosengeld II.
Das Jobcenter lehnte ab. Der Tellerwäscherjob sei mit einem Schülerjob vergleichbar und könne daher nicht berücksichtigt werden.
Das BSG wies den Fall wegen fehlender Feststellungen an die Vorinstanz zurück, stimmte dem Jobcenter aber im Ergebnis zu. Es handele sich bei der Beschäftigung um eine untergeordnete Tätigkeit, die für den Anspruch auf Hartz IV nicht berücksichtigt werden könne. Der Kläger sei zuvor auch länger als sechs Monate arbeitslos gewesen, so dass sein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer und seine sich daraus ergebende mögliche Hartz-IV-Ansprüche nicht weiter bestanden hätten.
Mit dem verweigerten Hartz-IV-Anspruch werde auch nicht gegen die Verfassung verstoßen. Denn das Grundgesetz gewähre EU-Bürgern ohne ausreichendes Aufenthaltsrecht nicht voraussetzungslos Sozialleistungen. Ausländern sei es zuzumuten, im Zweifel auszureisen und in ihrer Heimat Sozialleistungen zu beanspruchen.
Az.: B 4 AS 2/21 R
Kassel (epd). Ein wegen eines erkrankten Richters viel zu lange dauerndes Gerichtsverfahren kann eine staatliche Entschädigung begründen. Das gelte zumindest dann, wenn das Gericht keine Vorkehrungen für den Fall einer Erkrankung eines Richters oder einer Richterin getroffen hat, entschied das Bundessozialgericht in Kassel in einem am 25. März bekanntgegebenen Urteil vom Vortag.
Im konkreten Fall hatte sich ein Berliner mit der Bundesagentur für Arbeit wegen eines gewährten Darlehens vor Gericht gestritten. Das Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin dauerte jedoch über viereinhalb Jahre. Ein Grund für die Verfahrensverzögerung war eine dreimonatige Erkrankung des Vorsitzenden Richters.
Der Kläger meinte, dass das Verfahren schon nach acht Monaten hätte entschieden werden können. Bei einer überlangen Verfahrensdauer sieht das Gesetz für jeden Monat 100 Euro an Entschädigung vor.
Das Land Berlin gewährte ihm daher 1.200 Euro. Das Landessozialgericht Potsdam sprach dem Berliner wegen des zu langen Gerichtsverfahrens weitere 1.300 Euro zu, berücksichtigte dabei aber drei Monate wegen der Erkrankung des Richters nicht mit.
Das Bundessozialgericht urteilte, dass regelmäßig pro Gerichtsinstanz ein Jahr Verfahrensdauer als angemessen anzusehen sind. Komme es wegen der Erkrankung eines Richters zu einer überlangen Verfahrensdauer, könne ein Entschädigungsanspruch bestehen. Höhere Gewalt sei die Erkrankung nicht. Denn der Staat sei verpflichtet, Gerichte ausreichend mit Personal auszustatten, so dass eine Krankheitsvertretung im Verfahren einspringen kann. Da dies im Streitfall nicht geschehen ist, stünden dem Kläger weitere 300 Euro Entschädigung zu.
Az.: B 10 ÜG 2/20 R
Karlsruhe (epd). Patienten können bei einem ärztlichen Behandlungsfehler nicht nur für das erlittene Leiden Schmerzensgeld beanspruchen. Ein nicht entschuldbarer Verstoß gegen die ärztliche Sorgfaltspflicht und damit ein hoher Grad des Verschuldens des Arztes kann die Höhe des Schmerzensgeldes zusätzlich erhöhen, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am 28. März veröffentlichten Urteil.
Damit kann eine Witwe wegen der fehlerhaften ärztlichen Behandlung ihres verstorbenen Mannes auf eine höhere Schmerzensgeldzahlung hoffen. Ihr Mann musste 2008 als Notfall ins Krankenhaus. Eine Röntgenaufnahme und ein EKG legten einen Herzinfarkt nahe. Der damals 72-Jährige kam auf eine Normalstation, ohne dass zunächst eine Herz-Katheteruntersuchung gemacht wurde. Als es einige Stunden später zum Herzstillstand kam und der Mann wiederbelebt werden musste, wurde die Untersuchung doch noch gemacht. Einen Tag später starb der Mann an einem erneuten Herzstillstand.
Die Witwe verlangte wegen eines grob fehlerhaften Behandlungsfehlers 30.000 Euro Schmerzensgeld. Die Katheteruntersuchung hätte viel eher begonnen werden müssen. Ihr verstorbener Mann habe bis zu seinem Tod besonders leiden müssen.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf sprach ihr 2.000 Euro Schmerzensgeld zu. Dabei berücksichtigte das Gericht bei der Höhe des Schmerzensgeldes nicht den Grad des Verschuldens des Arztes. Schmerzensgeld als Genugtuung für den erlittenen Behandlungsfehler sei nicht erforderlich, da der Mann ja schon tot sei.
Der BGH wertete dies als fehlerhaft und verwies das Verfahren zur erneuten Prüfung zurück. Schmerzensgeld solle dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für die erlittenen Schäden geben. Dabei könnten aber nicht nur Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, das Leiden sowie Entstellungen die Höhe der Entschädigung beeinflussen. Ein hoher Grad des Verschuldens des Arztes könne zusätzlich den Schmerzensgeldanspruch erhöhen.
Dies sei der Fall, wenn das ärztliche Verhalten „eindeutig gegen gesicherte und bewährte medizinische Erkenntnisse und Erfahrungen verstieß“, erklärte der BGH. Hier habe der Mann zumindest teilweise den Geschehensablauf im Krankenhaus bis zu seinem Tod miterlebt. Der Grad des Verschuldens des Arztes müsse als Genugtuung bei der Höhe des Schmerzensgeldes einfließen.
Az.: VI ZR 409/19
Karlsruhe (epd). Beim Anschwärzen eines Nachbarn beim Vermieter kann sich der Hinweisgeber nicht auf eine zugesicherte Anonymität verlassen. Führt ein Mieter eine nicht belegte starke Geruchsbelästigung sowie Ungeziefer im Treppenhaus auf einen Nachbarn zurück, kann der gegenüber dem Vermieter Auskunft über die Person verlangen, die ihn beschuldigt hat, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am 28. März veröffentlichten Urteil. Die Datenschutzgrundverordnung steht dem dann nicht entgegen, betonten die Karlsruher Richter.
Im konkreten Fall ging es um ein Mehrfamilienhaus aus dem Raum Ravensburg. Ein Mieter hatte wegen einer „starken Geruchsbelästigung und Ungeziefer im Treppenhaus“ sich beim Vermieter heimlich beschwert und die Ursache hierfür bei einem Nachbarn gesehen. Der Vermieter sicherte dem Mieter Anonymität zu und machte eine Wohnungsbegehung bei dem Mieter. Dabei wurde die Wohnung zwar in einem verwahrlosten Zustand vorgefunden. Eine starke Geruchsbelästigung und Ungeziefer im Treppenhaus konnten aber nicht festgestellt werden.
Der gescholtene Nachbar verlangte vom Vermieter den Namen des Mieters, der sich über ihn beschwert hatte. Nach der Datenschutzgrundverordnung habe er einen Auskunftsanspruch. Der Vermieter lehnte ab. Werde der Namen des Hinweisgebers offengelegt, würde ihm kein Mieter mehr Informationen geben. Außerdem würde der Hausfrieden gestört.
Doch der BGH gab dem klagenden Mieter recht. Dieser sei mit nicht belegten starken Gerüchen und Ungeziefer im Treppenhaus in Verbindung gebracht worden. Bei leichtfertig gemachten unrichtigen Angaben könne der Hinweisgeber nicht auf eine Geheimhaltung vertrauen. Dem betroffenen Mieter stehe die Auskunft zu, auch um vom Hinweisgeber Unterlassung der unrichtigen Angaben verlangen zu können. Dass dann keiner mehr den Vermieter über Unregelmäßigkeiten im Mietshaus informiert, sah der BGH nicht. Denn Hinweise könnten auch anonym gegeben werden.
Az.: VI ZR 14/21
München (epd). Auch wer einen Küchentisch hat, darf in der Regel ein Arbeitszimmer von der Steuer absetzen. Will ein Steuerpflichtiger die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten steuermindernd geltend machen, reicht es aus, dass der Raum „nahezu ausschließlich“ für berufliche Zwecke genutzt wird, entschied der Bundesfinanzhof (BFH) in einem am 24. März veröffentlichten Urteil. Es komme nicht darauf an, dass die Arbeiten auch an einem Küchentisch oder im Esszimmer erledigt werden können, betonten die Münchener Richter.
Nach den gesetzlichen Bestimmungen können Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von bis zu 1.250 Euro jährlich abgezogen werden. Bildet das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit, können die Aufwendungen unbeschränkt abgezogen werden.
Hier hatte die klagende Flugbegleiterin die Kosten für ein häusliches, 13,5 Quadratmeter großes Arbeitszimmer in Höhe von 1.250 Euro in ihrer Einkommensteuererklärung geltend gemacht. Sie müsse sich dort auf anstehende Flüge vorbereiten, Dienstpläne abrufen oder auch sich über Zollbestimmungen und Sicherheitsvorkehrungen am Computer informieren.
Das Finanzamt lehnte den Steuerabzug ab. Das Arbeitszimmer sei für die berufliche Tätigkeit nicht erforderlich. Auch das Finanzgericht Düsseldorf verwies darauf, dass die Arbeiten problemlos an einem Küchentisch oder im Esszimmer getätigt werden könnten.
Doch auf die Erforderlichkeit des Arbeitszimmers komme es nicht an, urteilte der Bundesfinanzhof. Für den Steuerabzug reiche es aus, dass das häusliche Arbeitszimmer nahezu ausschließlich für berufliche oder betriebliche Zwecke genutzt werde. Inwieweit im Streitfall die Klägerin den Raum auch für private Zwecke genutzt hat und ein Steuerabzug nicht infrage kommt, muss das Finanzgericht noch einmal prüfen.
Az.: VI R 46/17
Straßburg (epd). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat zwei ehemaligen Untersuchungshäftlingen jeweils mehrere Tausend Euro Entschädigung wegen entgangener Besuche zugesprochen. Die beiden Männer saßen im Dezember 2011 und April 2014 in Haft, wie das Gericht am 29. März in Straßburg mitteilte. Dort hatten sie kein Recht, unbeaufsichtigt Langzeitbesuche von bis zu 72 Stunden durch Familienangehörige zu empfangen.
Die beiden klagten und machten geltend, dass Strafgefangenen in Estland anders als Untersuchungshäftlingen ein solches Besuchsrecht zustehe. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte urteilte, dass dadurch das Diskriminierungsverbot im Zusammenspiel mit dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt worden sei.
Az.: 12222/18 und 7613/18
Berlin (epd). Die Journalistin und Beraterin Kerstin Claus (52) wird neue Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. Sie übernimmt am 1. April für fünf Jahre die Nachfolge von Johannes-Wilhelm Rörig, wie Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) am 30. März in Berlin mitteilte. Claus erklärte, eines ihrer zentralen Anliegen sei es, die Zusammenarbeit mit Betroffenen nach dem Vorbild im Bund in den Bundesländern auszubauen.
Spiegel sagte, mit Claus habe man eine hervorragend qualifizierte Frau gewinnen können, die neue Impulse setzen werde. Die Ministerin kündigte eine bundesweite Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagne in diesem Jahr an. Kein Kind solle sexualisierte Gewalt erleben. Prävention sowie Hilfen und Aufarbeitung müssten weiter gestärkt werden.
Claus, die vom Bundeskabinett berufen wurde, ist Mitglied im Betroffenenrat des Unabhängigen Beauftragten sowie im Nationalen Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen und arbeitet beruflich in der Politik- und Strategieberatung zum Thema sexualisierte Gewalt. Im vergangenen Jahr stand sie auf der von der heutigen Bundesfamilienministerin Spiegel angeführten Landesliste der Grünen in Rheinland-Pfalz für die Landtagswahl.
Kerstin Claus wurde 1969 in München geboren und hat einen langen Weg der Aufarbeitung einer eigenen Missbrauchserfahrung hinter sich. Der Täter, ein evangelischer Pfarrer, wurde nicht strafrechtlich verfolgt, sondern lediglich versetzt. Claus engagierte sich vehement für eine unabhängige Aufarbeitung der Missbrauchsfälle insbesondere in der evangelischen Kirche und kritisierte insbesondere den Umgang der Kirchenverantwortlichen mit den Betroffenen.
Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, gratulierte Claus. Sie freue sich sehr, dass die Bundesregierung eine seit vielen Jahren engagierte und anerkannte Expertin in dieses wichtige Amt berufen habe. „Für die Bewältigung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen des Schutzes von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt in Institutionen und Familien sowie der Aufarbeitung erlittenen Unrechts auch in der evangelischen Kirche ist dies eine wichtige und sehr gute Weichenstellung für die gemeinsame Arbeit der kommenden Jahre“, erklärte Kurschus.
Claus kündigte an, sie wolle in ihrem neuen Amt die „Entschlossenheit zum Handeln entfachen“. Nur wer verstanden habe, was Missbrauch für Kinder und Jugendliche und ihr Leben bedeute, der handele auch, sagte sie. Sie wolle die Zusammenarbeit des Bundes mit Ländern und Kommunen intensivieren und dazu beitragen, dass die Beteiligung von Betroffenen auch in den Ländern verankert werde: „Dann wird vieles konkreter“, sagte Claus. Immer wieder seien es die Betroffenen gewesen, die mit ihren Erfahrungen und ihrem Wissen die Aufarbeitung der Missbrauchsskandale und die Prävention vorangebracht hätten.
Dass eine Betroffene beauftragt werde, bedeute einerseits sehr viel. Andererseits wäre vieles besser, wenn es keine Rolle mehr spiele, wer Missbrauch und sexuelle Gewalt bekämpft. „Dieses Thema hört nicht auf“, sagte Claus. „Sexuelle Gewalt ist in der Gesellschaft fest verankert.“
Das Amt des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs ist beim Bundesfamilienministerium angesiedelt. Die Ampelkoalition will es gesetzlich verankern und die vom bisherigen Missbrauchsbeauftragten Rörig ins Leben gerufene Aufarbeitungskommission fortführen. Rörig hatte seine Arbeit nach mehr als zehn Jahren im Februar beendet. Er war Nachfolger der ersten Missbrauchsbeauftragten, der früheren Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD).
Claus' Vorgänger hatte Kampagnen auf den Weg gebracht, um in Schulen und der gesamten Gesellschaft mehr Aufmerksamkeit für Missbrauch zu schaffen. Er verhandelte auch über Standards der Aufarbeitung mit den Kirchen. Mit der katholischen Kirche schloss er eine sogenannte Gemeinsame Erklärung ab. Mit der evangelischen Kirche liefen bis zuletzt noch Verhandlungen darüber.
Christian Stäblein (54) wird Beauftragter für Flüchtlingsfragen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Das hat der Rat der EKD einstimmig beschlossen. Das Amt wurde neu eingerichtet. Die Beauftragung für das Ehrenamt gilt für die gesamte Ratsperiode bis 2027. Mit der neu geschaffenen Beauftragung will der Rat die Bedeutung der Flüchtlingsarbeit innerhalb der EKD hervorheben. Der Berliner Bischof soll auch zum Vorsitzenden der EKD-Kammer für Migration und Integration berufen werden. In dieser Funktion folgt er auf den ehemaligen rheinischen Präses Manfred Rekowski, der dieses Amt bis 2021 innehatte. Stäblein studierte evangelische Theologie und als Nebenfächer Judaistik, Philosophie, Geschichte und Rechtswissenschaften in Göttingen, Berlin und Jerusalem. Er ist seit September 2019 Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.
Helmar Fexer ist für sein 40-jähriges Wirken in Kirche und Caritas mit der Verdienstmedaille des Erzbistums Bamberg und der höchsten Auszeichnung der Caritas, dem Brotteller, geehrt worden. Der scheidende Diözesan-Caritasdirektor habe für die Zukunft der Caritasverbände notwendige strukturelle Änderungen vorgenommen und dabei stets die ethischen Grundlagen hochgehalten, wie Erzbischof Ludwig Schick bei Fexers Verabschiedung sagte. Fexer begann seine berufliche Laufbahn 1982 im Erzbischöflichen Jugendamt. 1989 wechselte er zum Diözesan-Caritasverband. 1994 wurde der Sozialpädagoge Leiter der Abteilung Eingliederungs- und Gefährdetenhilfe, 1997 Stabsstellenleiter Hauptberufliche Sozialarbeit. 2001 übernahm er die Leitung des Bereichs Soziales. 2007 wurde er zugleich stellvertretender Diözesan-Caritasdirektor, nach der Satzungsreform 2016 stellvertretender Vorstandsvorsitzender. 2018 folgte er Gerhard Öhlein als Diözesan-Caritasdirektor und Vorstandsvorsitzender des Caritasverbandes für die Erzdiözese Bamberg.
Michaela Rueß (49), Theologin und langjährige Diözesanreferentin der Hauptabteilung Caritas im Bischöflichen Ordinariat der Diözese Rottenburg-Stuttgart, und Michael Beekes (58), zuletzt Vertriebsmanager, werden im Juli die Doppelspitze im Caritasverband für das Bistum Essen bilden. Hans-Georg Liegener, der derweil die Diözesan-Caritas kommissarisch leitet, wird dann seine Dienstgeschäfte an die beiden Vorstände übergeben. Der Verband setzt mit den beiden neuen Vorständen auf eine agile, breit-gefächerte und kompetente Doppelspitze. Mit der Neubesetzung im Juli endet dann auch sechsmonatige Interimszeit von Hans-Georg Liegener, der den Posten des Caritasdirektors nach dem unerwarteten Ausscheiden von Matthias Schmitt übernahm. Schmitt wechselte ins Erzbistum Köln, wo er mittlerweile als Stellvertretender Caritasdirektor arbeitet.
Knut Ipsen, ehemaliger Präsident des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), ist tot. Er starb im Alter von 86 Jahren. „Als langjähriger Präsident hat Professor Ipsen das DRK auf Bundesebene und darüber hinaus nachhaltig geprägt. National wie international war er eine der herausragenden Persönlichkeiten im Bereich des humanitären Völkerrechts“, sagte Präsidentin Gerda Hasselfeldt. Der Hamburger war drei Jahre bei der Bundeswehr und studierte anschließend Jura und promovierte. 1973 erfolgte die Habilitation für das Fach Öffentliches Recht mit Schwerpunkt Völkerrecht. Von 1979 bis 1989 war Ipsen Rektor der Ruhr-Universität. Von 1991 bis 1993 war der Jurist der Gründungsrektor der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). 1994 wurde er zum Präsidenten des DRK gewählt. Dieses Amt hatte er insgesamt neun Jahre lang inne, bis er im Jahr 2003 nicht mehr zur Wiederwahl antrat.
Benjamin Lorenz (43), Pfarrer, übernimmt die Leitung der diako-Pflegeschulen Augsburg. Er hat das Amt am 1. April angetreten. Lorenz verfügt über Leitungs-und Unterrichtserfahrung und bringt weitreichende pädagogische Kompetenzen mit. „Mit seinen Voraussetzungen ist er hervorragend für die Leitung unserer Pflegeschule profiliert“, sagte Rektor Jens Colditz. Auch im geistlichen Leben der Evangelischen Diakonissenanstalt werde Lorenz mitwirken.
Karl Lauterbach, Bundesgesundheitsminister (SPD), übernimmt die Schirmherrschaft für das Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS). Das Bündnis entstand 2005 als Verein und umfasst nach eigenen Angaben über 800 persönliche Mitglieder und Mitgliedsorganisationen sowie Fachleute aus dem Gesundheitswesen. „Für das Zeichen und die Bereitschaft gemeinsam an Themen der Patientensicherheit zu arbeiten, danken wir Gesundheitsminister Lauterbach und freuen uns auf die Zusammenarbeit,“ sagte Ruth Hecker, Vorsitzende im APS.
Claus Fussek, Pflegeexperte, hat am 29. März die Auszeichnung „Weißer Engel“ des bayerischen Gesundheitsministeriums für sein Lebenswerk erhalten. „Claus Fussek wird zurecht als 'Engel der Alten' bezeichnet“, sagte Minister Klaus Holetschek (CSU) bei der Preisübergabe in München. Fussek setze sich seit gut 40 Jahren unermüdlich für die Würde von Senioren und Menschen mit Behinderung ein und kämpfe für bessere Bedingungen in der Pflege. Er sei ein wichtiges Sprachrohr für die Pflegebedürftigen und für deren Angehörige. „Er hat immer wieder den Finger in die Wunde gelegt und auf die Missstände in der Pflege hingewiesen. Er war unbequem - und das ist gut“, betonte der Minister. Fussek stammt aus Bad Tölz und gilt als einer der bekanntesten Pflegekritiker in Deutschland. Anfang des Jahres verabschiedete sich der 69-Jährige in den Ruhestand.
Otto Ernst Krasney, ehemaliger Vizepräsident des Bundessozialgerichts ist gestorben. Krasney starb am 12. März im Alter von 89 Jahren. Der Jurist gehörte dem Bundessozialgericht von Juni 1971 bis zu seiner Pensionierung Ende 1997 an, seit Februar 1988 als dessen Vizepräsident. Er habe durch sein von menschlicher Wärme und Empathie getragenes Wirken das Gesicht des Bundessozialgerichts über zweieinhalb Jahrzehnte wesentlich geprägt, heißt es in einem Nachruf des Gerichts. Er habe maßgebliche sozialpolitische Akzente zur Entwicklung des deutschen Sozialstaats gesetzt. Der breiten Öffentlichkeit ist Krasney durch seine Funktion als Ombudsmann nach den Bahnunglücken in Eschede und Brühl bekannt geworden.
Gilbert F. Houngbo wird neuer Generaldirektor der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Mit dem früheren Premierminister Togos steht erstmals ein Afrikaner an der Spitze der ILO. Der amtierende Präsident des Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung soll sein neues Amt im Oktober antreten. Seine Amtszeit beträgt fünf Jahre. Er löst den Briten Guy Ryder ab, der im Jahr 2012 ILO-Generaldirektor wurde. Houngbo setzte sich gegen vier Mitbewerber und Mitbewerberinnen aus Australien, Frankreich, Südafrika und Südkorea durch. Die 1919 gegründete ILO gehört zu der Familie der Vereinten Nationen. Sie verabschiedet und überwacht Konventionen zur Schaffung einer besseren und menschenwürdigen Arbeitswelt. Auf ILO-Initiative sind die schlimmsten Formen der Kinderarbeit verboten.
Katharina Adams ist neue Referentin für jugendpolitische Bildung neu im Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung (ZGV) der evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Sie studierte Sprache und Kommunikation an der Universität Siegen sowie Interkulturelle Kommunikation und Bildung an der Universität Köln. Nach ihrem Studium arbeitete sie als Bildungsreferentin bei der Pfadfinderinnenschaft St. Georgen im Diözesanverband Aachen und gehörte dort dem Aus- und Weiterbildungsteam an. Als Werksstudentin arbeitete Adams sie darüber hinaus beim gemeinnützigen Verein „Open Door International“ in Köln, der das Ziel verfolgt, das friedliche Zusammenleben von Menschen durch interkulturellen Austausch für Jugendliche und junge Erwachsene zu fördern.
Claudia Franke (49), Vorsitzende des bayerischen Landes-Ausschusses Selbst-VertreterInnen, ist zur Vorsitzenden des Rates behinderter Menschen der Lebenshilfe-Bundesvereinigung gewählt worden. „Es freut uns sehr, dass damit eine seit vielen Jahren engagierte Selbst-Vertreterin aus Bayern ihre vielfältigen Erfahrungen verstärkt auf Bundesebene einbringen kann“, sagte die Landesvorsitzende Barbara Stamm. Franke ist Präsidiumsmitglied der Lebenshilfe Neumarkt. Seit vielen Jahren engagiert sich sie sich auch überregional in der Selbst-Vertretung von Menschen mit Behinderungen. 2018 wurde sie erstmals zur Vorsitzenden des Landes-Ausschusses Selbst-VertreterInnen der Lebenshilfe Bayern gewählt. Mit Monika Haslberger kommt die stellvertretende Bundesvorsitzende der Lebenshilfe ebenfalls aus Bayern. Sie ist Mitglied im Landesvorstand und Vorsitzende der Lebenshilfe Freising.
Wir haben Tagungen, Seminare, Workshops und Webinare aufgelistet, die aktuell geplant sind. Wegen der Corona-Epidemie sagen Veranstalter allerdings Termine auch kurzfristig ab. Wir bitten unsere Leserinnen und Leser, das zu beachten.
7.-8.4. Berlin:
Seminar „Teilhabe organisieren mit einem teilhabebasierten Organisationsmodell - Kollegiale Führung und agile Organisationsentwicklung in der Eingliederungshilfe“
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0172/30128-19
20.-22.4. Berlin:
Fortbildung „Quartiers-, Sozialraum- und Netzwerkarbeit“
26.-28.4.:
Online-Seminar „Deeskalation von herausfordernden Situationen in der Erziehungshilfe“
Tel.: 030 26309-139
27.4. Hamburg:
Seminar „Controlling für Einrichtungen der Eingliederungshilfe“
der Unternehmensberatung Solidaris
Tel.: 040/359060
27.4. Nürnberg:
Seminar „§ 2b UStG - Endspurt zum 31. Dezember 2022 für die Umsetzung bei kirchlichen Körperschaften“
der Unternehmensberatung Solidaris
Tel.: 02203/8997-221
27.4.:
Online-Seminar: „Flüchtlingskinder in der Schule - Was tun?“
der IN VIA Akademie
Tel.: 05251/2908 38
28.4. Hamburg:
Seminar „Pflegesatzverhandlungen in der stationären Altenhilfe“
der Unternehmensberatung Solidaris
Tel.: 040/359060
28.4.:
Online-Seminar: „Der Weg zur Niederlassungserlaubnis und Einbürgerung für Geflüchtete“
Tel.: 030/26309-139
Mai
2.-4.5. Erfurt:
Seminar „Schutzkonzeptprozesse wirksam auf den Weg bringen und begleiten“
Tel.: 030/26309-139
3.5.. München:
Seminar: „ABC des Umsatzsteuer- und Gemeinnützigkeitsrechts“
der Unternehmensberatung Solidaris
Tel.: 02203/8997-221
16.-18.5. Essen:
Seminar „Psychiatrische Krankheitsbilder - Grundlagen“
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0172/3012819