sozial-Branche

Krieg in der Ukraine

Trauma-Spezialist: Flüchtlingen aufmerksam zuhören



Hannover (epd). Wer Geflüchtete aus der Ukraine unterstützt, sollte ihnen aus Sicht des Psychotherapeuten und Trauma-Spezialisten Henning Röhrs zunächst einmal viel zuhören. „Es kann schon viel helfen, wenn sie ihre Erlebnisse erzählen können, die sie gehabt haben“, sagte Röhrs dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das sei noch keine Therapie, aber erzählen könne die Menschen schon entlasten.

Röhrs ist Kinder- und Jugendpsychotherapeut in Laatzen bei Hannover und gehört zum Vorstand des Netzwerks für traumatisierte Flüchtlinge in Niedersachsen. Wer Flüchtlinge bei sich aufnehme oder sie begleite, solle genau hinhören und beobachten, welche Bedürfnisse die Menschen hätten: „Wenn Menschen so eine Situation erlebt haben, wo sie praktisch Spielball gewesen sind und große Hilfslosigkeit erfahren haben, ist es wichtig, dass da Leute sind, die schauen: Was brauchen sie? Vielleicht erstmal ein bisschen Ruhe? Oder ein Gespräch?“

Schlaflosigkeit und Alpträume

Schlaflosigkeit und Alpträume könnten auf ein Trauma hindeuten, sagte Röhrs. „Oder wenn jemand sehr schnell wütend wird.“ Auch Teilnahmslosigkeit oder Apathie könnten Signale sein. Nicht alle Geflüchteten seien traumatisiert, und grundsätzlich habe jeder Mensch die Fähigkeit, auch schlimme Erfahrungen zu verarbeiten, betonte der Therapeut. Wer direkt Bomben, Zerstörung und Gewalt erlebt oder tagelang in Kellern ausgeharrt habe wie die Menschen in Mariupol, habe mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Trauma davongetragen. Doch andere Menschen hätten ihr Zuhause vorsorglich verlassen, um sich vor dem Krieg in Sicherheit zu bringen. „Die Grenzen zwischen Trauer und Trauma sind fließend.“

Eine Hilfe für Geflüchtete könne es sein, ihnen eine Art Tagesstruktur zu vermitteln. „Für viele Leute ist es wichtig, wenn sie arbeiten können und das Gefühl haben, sie könnten etwas bewirken.“ Kindern helfe es, wenn sie in die Schule gehen und etwas lernen könnten. Ihre Neugier könne eine Hilfe dabei sein, schlimme Erlebnisse in den Hintergrund treten zu lassen.