Kassel (epd). Ein wegen eines erkrankten Richters viel zu lange dauerndes Gerichtsverfahren kann eine staatliche Entschädigung begründen. Das gelte zumindest dann, wenn das Gericht keine Vorkehrungen für den Fall einer Erkrankung eines Richters oder einer Richterin getroffen hat, entschied das Bundessozialgericht in Kassel in einem am 25. März bekanntgegebenen Urteil vom Vortag.
Im konkreten Fall hatte sich ein Berliner mit der Bundesagentur für Arbeit wegen eines gewährten Darlehens vor Gericht gestritten. Das Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin dauerte jedoch über viereinhalb Jahre. Ein Grund für die Verfahrensverzögerung war eine dreimonatige Erkrankung des Vorsitzenden Richters.
Der Kläger meinte, dass das Verfahren schon nach acht Monaten hätte entschieden werden können. Bei einer überlangen Verfahrensdauer sieht das Gesetz für jeden Monat 100 Euro an Entschädigung vor.
Das Land Berlin gewährte ihm daher 1.200 Euro. Das Landessozialgericht Potsdam sprach dem Berliner wegen des zu langen Gerichtsverfahrens weitere 1.300 Euro zu, berücksichtigte dabei aber drei Monate wegen der Erkrankung des Richters nicht mit.
Das Bundessozialgericht urteilte, dass regelmäßig pro Gerichtsinstanz ein Jahr Verfahrensdauer als angemessen anzusehen sind. Komme es wegen der Erkrankung eines Richters zu einer überlangen Verfahrensdauer, könne ein Entschädigungsanspruch bestehen. Höhere Gewalt sei die Erkrankung nicht. Denn der Staat sei verpflichtet, Gerichte ausreichend mit Personal auszustatten, so dass eine Krankheitsvertretung im Verfahren einspringen kann. Da dies im Streitfall nicht geschehen ist, stünden dem Kläger weitere 300 Euro Entschädigung zu.
Az.: B 10 ÜG 2/20 R