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Minijob-Ausweitung: "Krasse Fehlentscheidung der Ampelkoalition"




Minijobs sind in der Gebäudereinigung weit verbreitet.
epd-bild/Gustavo Alabiso
Das Vorhaben der Bundesregierung, mehr Menschen in Minijobs zu locken, löst bei Experten Unverständnis aus. Sie fordern von der SPD-geführten Ampelkoalition, dafür zu sorgen, dass prekäre Minijobs in krisenfeste Arbeitsplätze umgewandelt werden.

Frankfurt a.M. (epd). Minijobs sind weit verbreitet. Mehr als sieben Millionen Beschäftigte gehen in Deutschland einem 450-Euro-Job nach. Ihre soziale Absicherung ist schlecht: Da die Beschäftigten wenig bis nichts in die Rentenkasse einzahlen, droht ihnen Altersarmut. Und wer seinen Job verliert, kriegt von der Arbeitsagentur keinen Cent. Dass die Bundesregierung die prekären, gering entlohnten Beschäftigungsverhältnisse ausweiten will, stößt auf Kritik.

Die Bundesregierung will in einem neuen Gesetzentwurf gleichzeitig mit der Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns zum 1. Oktober dieses Jahres auf zwölf Euro die Verdienstobergrenze für Minijobs von aktuell 450 Euro auf 520 Euro anheben. Dadurch wird sichergestellt, dass Minijobber auch künftig mit zehn Arbeitsstunden pro Woche unterhalb der Verdienstobergrenze bleiben.

Protestaufruf von ver.di und Sozialverbänden

„Die Ausweitung der Hinzuverdienstgrenze auf 520 Euro ist eine krasse Fehlentscheidung der Ampelkoalition“, kritisiert der ver.di-Bundesvorsitzende Frank Werneke. Die Gewerkschaft hat deshalb mit Sozialverbänden und Sozialwissenschaftlern einen öffentlichen Aufruf gestartet, mit dem sie die Regierungspläne stoppen will.

Die Ampel macht in ihrem Koalitionsvertrag ein Versprechen. Dort heißt es: „Wir werden verhindern, dass Minijobs als Ersatz für reguläre Arbeitsverhältnisse missbraucht oder zur Teilzeitfalle insbesondere für Frauen werden.“ Mit ihrem neuen Gesetz erreiche die Regierung jedoch das genaue Gegenteil, werfen ihr die Kritiker vor.

Bundesrat könnte Vorhaben noch stoppen

Sie setzen auf die Beratungen im Bundesrat. Die Länderkammer soll sich erstmals am 8. April mit dem Gesetzentwurf befassen. Die Arbeits- und Sozialminister der Länder haben ihre Erwartung an die Ampel unmissverständlich formuliert: Sie fordern die Bundesregierung auf, „Eckpunkte vorzulegen, die beschreiben, mit welchen gesetzgeberischen Schritten Minijobs dort, wo sie reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung verhindern, in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung überführt werden können“.

Der Umfang, in dem prekäre Minijobs gut abgesicherte Arbeitsverhältnisse verdrängen, ist beachtlich: Forscher der Bundesagentur für Arbeit (BA) kamen im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass Minijobs allein in kleinen Betrieben bis zu 500.000 sozialversicherungspflichtige Stellen verdrängen. Minijobs seien für viele Unternehmen zu einem willkommenen und für sie lukrativen Geschäftsmodell geworden, kritisieren Betriebsräte und Gewerkschaften.

Minijobs sind eine berufliche Sackgasse

Und noch einen Nachteil legten die Nürnberger Arbeitsmarktexperten in ihrer Analyse offen: Wer einmal in einem Minijob landet, kommt nur schwer wieder heraus. Der erhoffte Wechsel in einen sicheren Arbeitsplatz gelinge selten.

Dennoch erscheinen vielen Menschen Minijobs verlockend. Der Grund ist einfach: Beim Minijob ist brutto gleich netto. Eine Minijobberin - 60 Prozent der Beschäftigten sind weiblich - muss nichts in die Sozialversicherung einzahlen und keine Steuern entrichten. Doch dieser scheinbare Vorteil wird teuer eingekauft: Wer seinen Minijob verliert, erhält kein Arbeitslosengeld I.

Auch Kurzarbeitergeld gibt es nicht, wie viele Minijobber in der Corona-Krise schmerzhaft erfahren mussten. Die Arbeits- und Sozialminister der Länder kamen deshalb im vergangenen Dezember zu dem Schluss, „dass Modelle atypischer Erwerbsformen, vornehmlich in Gestalt geringfügiger Beschäftigung (Minijobs), sich mangels ausreichender sozialer Absicherung als nicht krisenbeständig erwiesen haben“.

Wichtige Arbeitnehmerrechte gelten bei Minijobs nicht

Die Forscher des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) listen weitere Defizite der geringfügigen Beschäftigung auf: Minijobber verbleiben oft im Niedriglohnsegment und arbeiten unterhalb ihres Qualifikationsniveaus.

Der Arbeitsmarktexperte der Hans-Böckler-Stiftung, Eric Seils, findet Minijobs auch deshalb „problematisch, weil den Beschäftigten teilweise wichtige Rechte wie der Mindestlohn, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub versagt bleiben“. Das weiß auch die Bundesregierung. Sie will daher „die Einhaltung des geltenden Arbeitsrechts bei Mini-Jobs stärker kontrollieren“, wie sie in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben hat.

Schließlich reißen Minijobs große Löcher in die Sozialkassen. Der Einnahmeausfall für die Sozialversicherungen beträgt nach Schätzungen mehr als drei Milliarden Euro im Jahr.

Markus Jantzer


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Was Minijobs kennzeichnet

Frankfurt a.M. (epd). Was ein 450-Euro-Minijob ist, steht im Vierten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB IV). Dort ist in Paragraf 8 festgelegt, dass eine geringfügige Beschäftigung vorliegt, wenn das Arbeitsentgelt regelmäßig im Monat 450 Euro nicht übersteigt.

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