sozial-Editorial

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Markus Jantzer
epd-bild/Heike Lyding

die 63-jährige Antonia Peters, die ihre Zwangsstörungen überwunden glaubte, stellt in der Pandemie wieder Verhaltensauffälligkeiten bei sich fest.

Die EKD ist mit dem Versuch, sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche mit der Beteiligung eines Betroffenenbeirats aufzubereiten, gescheitert.

Es könnte der Koalition vor Ende der Legislaturperiode doch noch gelingen, für deutlich höhere Löhne in der Altenpflege zu sorgen.

Die BSG-Richter kritisieren die Verfahren zur Anerkennung von Berufskrankheiten scharf.

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Markus Jantzer





sozial-Politik

Gesundheit

Die Rückkehr des Zwangs




Permanentes Händewaschen gilt als Zwangserkrankung.
epd-bild/Andrea Enderlein
Die Corona-Pandemie verstärkt Zwangsstörungen, sind Betroffene überzeugt. Therapieplätze sind allerdings Mangelware. Sie fordern von Politik und Krankenkassen mehr Unterstützung.

Hamburg, Münster (epd). Bei Antonia Peters begann es mit zwölf. Einige Zeit hat sie ihre Zwangsstörung verheimlicht. „In den 70er Jahren durfte so etwas einfach nicht vorkommen“, sagt die heute 63-Jährige. Aber dann war es nicht mehr zu übersehen: Antonia Peters riss sich die Haare aus. Sie konnte nicht anders. Schließlich trug sie Perücken und ließ niemandem mehr an sich heran.

Erst mit 25 wagte sie sich zum Neurologen, es folgten Therapien, Klinikaufenthalte, Medikamente. „Seit 20 Jahren habe ich den Zwang überwunden“, sagt die Hamburgerin, „aber wenn Druck da ist, fahre ich mir wieder mit den Händen durch die Haare und zwirbele die Haarspitzen.“

„Vielen geht es schlecht“

Corona ist so eine Druck-Situation. Und Antonia Peters ist nicht die einzige, die in der Pandemie eine latente Rückkehr ihres Handlungszwangs beobachtet. „Vielen geht es schlecht“, sagt sie, „Corona verstärkt Ängste und Zwänge. Es gibt bei vielen Rückschläge. Aber es gibt nicht ausreichend Therapieplätze.“

Und das treibt Antonia Peters um. „Die Versorgungssituation ist ganz fatal“, sagt sie. Die Therapeuten seien teils über Jahre ausgebucht und führten keine Wartelisten mehr, viele warteten ein- bis eineinhalb Jahre auf einen ambulanten Therapieplatz, in den Klinken gäbe es oft Wartezeiten von 10 bis 18 Monate. „Die Leute rufen bei uns an und sind verzweifelt“, sagt Peters.

Als Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft Zwangserkrankungen schrieb sie Anfang März an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), bislang ohne Antwort. „Die Regierung reagiert überhaupt nicht. Das besorgt uns sehr.“ Nun will Peters zusammen mit dem Aktionsbündnis Seelische Gesundheit und der Bundespsychotherapeutenkammer bei Politik und Krankenkassen Druck für mehr Behandlungsangebote machen.

Videosprechstunden sind kein Ersatz

„Das fängt bei den Kassen an“, sagt sie. Weil die Therapeuten, die über die gesetzlichen Krankenkassen abrechnen, ausgebucht seien, müssten die Kasse die Plätze bei privaten Therapeuten bezahlen, argumentiert sie. Das Kostenerstattungsverfahren werde aber von vielen Kassen zu zögerlich angewendet. Videosprechstunden und virtuelle Treffen der Selbsthilfegruppen seien kein wirklicher Ersatz für eine Therapie. „Zwangsstörungen lassen sich sehr gut verstecken. Da braucht es den persönlichen Kontakt.“

Das weiß auch Thomas Hillebrand. Er ist Therapeut in Münster und hat sich auf die Behandlung von Zwangserkrankungen spezialisiert. „Es ist abzusehen, dass es durch die Pandemie mehr Zwangserkrankungen geben wird“, sagt er. Das sei schon bei früheren Epidemien der Fall gewesen, etwa bei AIDS. Und es habe sich bereits nach der ersten Corona-Welle 2020 gezeigt. Vor allem die Symptomatik bei Waschzwängen stieg nach seiner Wahrnehmung stark an.

Die Symptome der Betroffenen reichten von einer wachsenden Zahl an Vorsichtsmaßnahmen vor einer Ansteckung, über eine zwanghafte Berührungsangst, die übersteigerte Sorge, ein Familienmitglied könne sich infiziert haben, bis hin zur Überzeugung, der eigene Atem im Auto sei gefährlich. „Die Pandemie-Welt wird als extrem bedrohlich wahrgenommen“, erläutert Hillebrand.

„Eine gewisse Erleichterung“

Bis allerdings empirische Zahlen vorlägen, wird es nach Einschätzung Hillebrands es noch einige Zeit brauchen. „Es dauert, bis die Betroffenen erkennen, dass sie unter einer Zwangsstörung leiden“, sagt er.

Manche mit Zwangsstörung allerdings entlastet die Pandemie. Carola Knaus (Name von der Redaktion geändert) aus Steinfurt leidet seit ihrem 18. Lebensjahr an einem Waschzwang. Mit Wasser will sie sich ständig den Dreck und die Bakterien des Alltags von den Händen spülen. Seit Corona spürt die 34-Jährigen jedoch „eine gewisse Erleichterung“. Denn anders als vor der Pandemie gehört häufiges Händewaschen für alle selbst in der Öffentlichkeit dazu. „Viele achten jetzt auf Hygiene und halten Distanz“, sagt Sachse, „viele achten mehr auf sich selbst.“

Christina Denz


Gesundheit

Hintergrund

Rund 2,3 Millionen Menschen haben eine Zwangsstörung



Frankfurt a. M. (epd). Neben Depressionen und Angsterkrankungen gehören Zwangsstörungen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft Zwangserkrankung leiden in Deutschland rund 2,3 Millionen Menschen irgendwann in ihrem Leben unter einem ausgeprägten Zwang. Dazu gehören neben einem Putz- und Waschzwang der Kontrollzwang, der Ordnungszwang und der Sammelzwang.

Die meisten Betroffenen erkranken zwischen dem 20. und 25. Lebensjahr. Bei 85 Prozent sind die Symptome nach den Angaben vor dem 35. Lebensjahr voll ausgeprägt. Viele verhalten sich bereits in der Kindheit zwanghaft. Zwangsstörungen gehen oft einher mit Depressionen, Phobien, Alkoholsucht oder Essstörungen.

Hohe Dunkelziffer

Fast die Hälfte der Betroffenen mit Zwangshandlungen erleben auch wiederkehrende Zwangsgedanken. Bei Zwangsgedanken handelt es sich um aufdringliche Ideen, Gedanken, Bilder oder Impulse. Zwangshandlungen sind teils selbst als sinnlos oder übertrieben empfundene Handlungen, zu denen sich die Betroffenen innerlich gedrängt fühlen.

Die Psychologin Margarete Stöcker schätzt, dass die Dunkelziffer von Zwangserkrankten hoch ist, auch weil viele eine gewisse Zeit brauchen, um sich eine Zwangsstörung einzugestehen. Selbst für Therapeuten sei es mitunter schwierig, zu unterscheiden, ob jemand mit Ängsten in die Praxis kommt, weil das innere Gleichgewicht aus den Fugen geraten ist - oder ob es sich tatsächlich im eine Angsterkrankung handelt, erklärt sie.



Kirchen

Missbrauch: Kritik am Aus des EKD-Betroffenenbeirats



Die Entscheidung der EKD, den Betroffenenbeirat für die Begleitung der Missbrauchsaufarbeitung auszusetzen, wird von Mitgliedern heftig kritisiert. Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung hofft, dass das Aus nicht das letzte Wort ist.

Hannover, Berlin (epd). Das zumindest vorläufige Aus des Betroffenenbeirats zur Begleitung der Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche sorgt für Kritik. „Mit der einseitigen Aussetzung der Betroffenenbeteiligung versucht sich die EKD der Kritik von Betroffenen an ihren unzureichenden Prozessen der Aufarbeitung zu entziehen“, heißt es in einer am 11. Mai verbreiteten Erklärung von vier noch aktiven Beiratsmitgliedern.

Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) betonten demgegenüber, die Betroffenenbeteiligung solle fortgeführt werden. Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, schlug einen Schlichtungsversuch vor, um das Gremium nicht aufzugeben. „Eine Beendigung - egal ob sie Aussetzung, Auflösung oder Ruhen genannt wird - darf immer nur ultima ratio sein“, sagte Rörig dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Konzept gescheitert

Die EKD hatte am 10. Mai das vorläufige Aus des Betroffenenbeirats bekanntgegeben. Die Konzeption sei gescheitert, hieß es. Grund sind demnach erfolgte Rücktritte aus dem Gremium, interne Konflikte und Dissens zwischen dem Betroffenenbeirat und dem Gegenüber auf EKD-Seite, dem Beauftragtenrat, über das weitere Vorgehen. Der Sprecher des Beauftragtenrats, der Braunschweiger Bischof Christoph Menys, sprach von einem notwendigen „Neustart der Betroffenenpartizipation“. Bis dahin soll es eine Zwischenlösung geben, zu der aber keine Details genannt wurden.

Der badische Bischof Jochen Cornelius-Bundschuh, der ebenfalls dem Beauftragtenrat angehört, räumte Fehler ein. Es sei „wirklich ein Scheitern und schmerzlich, dass der von uns vorgeschlagene Weg nicht tragfähig war“, sagte er. Die EKD übernehme die Verantwortung für das Scheitern. Nach Angaben der EKD soll nun durch eine Evaluation geklärt werden, was schief lief.

Eine Evaluation erteilten die zuletzt verbliebenen Mitglieder eine Absage. „Vertrauliche Protokolle würden so gegen den Willen von Betroffenen weitergegeben werden“, heißt es in ihrer Mitteilung, die unter anderem Katharina Kracht, Detlev Zander und Henning Stein unterzeichnet haben. Man lehne dies „kategorisch“ ab.

Corinna Buschow


Kirchen

Bischof: Aus von Betroffenenbeirat ist "wirklich ein Scheitern"




Jochen Cornelius-Bundschuh
epd-bild/Heike Lyding

Karlsruhe (epd). Der badische Bischof Jochen Cornelius-Bundschuh sieht Fehler der evangelischen Kirche bei der Betroffenenbeteiligung zur Aufarbeitung von Missbrauch und hält einen Neustart für notwendig. „Die Beteiligung von Betroffenen an der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche halte ich für zentral und unverzichtbar“, sagte Cornelius-Bundschuh, der Mitglied im Beauftragtenrat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zum Schutz vor sexualisierter Gewalt ist, dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Insofern ist es wirklich ein Scheitern und schmerzlich, dass der von uns vorgeschlagene Weg nicht tragfähig war“, sagte er.

Bei der geplanten externen Evaluation der Arbeit müsse genau hingeschaut werden, wo die Ursachen lagen, sagte er. In Gesprächen mit ausgeschiedenen und verbliebenen Mitgliedern des Betroffenenbeirats seien schon Faktoren deutlich geworden: „Unklarheiten schon in der Konzeption, mangelnde Begleitung des Prozesses und Unterstützung des Beirates“, sagte der Bischof der Evangelischen Landeskirche in Baden und ging damit auf die von Betroffenen geäußerte Kritik an der Zusammenarbeit mit dem Beauftragtenrat ein.

Wege der Betroffenenpartizipation

Dem Beauftragtenrat gehöre neben Cornelius-Bundschuh weitere leitende Geistliche und Kirchenjuristen an. Der Betroffenenbeirat sollte dieses Gremium beraten und begleiten. Am 10. Mai wurde nach schon länger schwelendem Konflikt das vorläufige Aus des Betroffenenbeirats bekanntgegeben.

„Ich halte es für wichtig, dass die EKD jetzt die Verantwortung für das Scheitern des bisherigen Weges übernommen hat und eine unabhängige Evaluation auf den Weg bringt“, sagte Cornelius-Bundschuh dem epd am 11. Mai. Er hoffe, dass man schnell zu einer guten Analyse komme. „Wir müssen jetzt in der EKD gemeinsam mit Fachleuten, den Betroffenen und externer Beratung zügig Wege der Betroffenenpartizipation finden, die dann auch nachhaltig gangbar sind“, sagte er. Der Weg der Aufarbeitung und Prävention müsse konsequent weitergegangen werden.



Kirchen

Rörig hofft auf Fortsetzung von EKD-Betroffenenbeirat




Johannes-Wilhelm Rörig
epd-bild/Christian Ditsch

Berlin (epd). Die EKD hatte am 10. Mai das zumindest vorläufige Aus des im September berufenen Betroffenenbeirats bekanntgegeben. Er sollte den EKD-Beauftragtenrat zum Schutz vor sexualisierter Gewalt - ein Gremium mit leitenden Geistlichen und Kirchenjuristen - beraten und begleiten. Grund seien Rücktritte mehrerer Mitglieder aus dem Betroffenenbeirat, interne Konflikte sowie Dissens zwischen den beiden Gremien über das Vorgehen, hieß es.

Rörig sagte, er bedauere diese Entwicklung zutiefst. „Ich will nicht ausschließen, dass sowohl der Rat der EKD als auch der Beauftragtenrat die Größe der Herausforderung der Betroffenenbeteiligung insgesamt unterschätzt hat“, sagte Rörig. Aus eigener sechsjähriger Erfahrung mit dem bei seinem Amt angegliederten Betroffenenrat wisse er, dass die Zusammenarbeit ein wichtiger gemeinsamer Aushandlungsprozess sei. Umso wichtiger sei eine klare Geschäftsgrundlage.

„Es muss klare Regeln geben, was die Pflichten der Institution und die Möglichkeiten der Mitwirkung der Betroffenen sind“, sagte Rörig. Eine feste Geschäftsgrundlage sei notwendig, um enttäuschte Erwartungen auf beiden Seiten zu vermeiden. „Das scheint mir einer der Kristallisationspunkte des aktuellen Streits zu sein. Man hätte die gegenseitigen Erwartungen ausführlicher besprechen müssen“, sagte Rörig. Dafür müsse man sich Zeit nehmen. „Wir hatten mit unserem Betroffenenrat mehrtägige Klausurtagungen, um eine stabile Basis der Zusammenarbeit zu schaffen“, sagte er.

„Menschen dürfen nicht evaluiert werden“

Die von der EKD angekündigte Evaluierung des Betroffenenbeirats sieht Rörig daher auch mit Skepsis. „Ich kann einen Prozess erst dann evaluieren, wenn er eine gewisse Zeit nach festgelegten Kriterien gelaufen ist“, sagte er und ergänzte: „Klar ist: Menschen dürfen nicht evaluiert werden.“

Rörig verhandelt derzeit noch mit der evangelischen Kirche über eine „Gemeinsame Erklärung“ über Standards der Aufarbeitung von Missbrauch nach dem Vorbild einer schon vorhandenen Vereinbarung mit der katholischen Deutschen Bischofskonferenz. „Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass die EKD selbst zwei Mitglieder des Betroffenenbeirats an den Verhandlungstisch gebracht hat“, sagte er. Das sei neu und fortschrittlich gewesen. Er würde es begrüßen, wenn sie weiterhin an den Verhandlungen teilnehmen könnten, sagte er.



Frauen

Häusliche Gewalt: Anrufe beim Hilfetelefon 2020 deutlich gestiegen



Berlin (epd). Deutlich mehr Frauen oder besorgte Menschen aus dem Umfeld haben sich während der Corona-Pandemie an das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ gewendet. Wie die Leiterin des Hilfetelefons, Petra Söchting, am 10. Mai in Berlin mitteilte, gab es 2020 rund 51.000 Anrufe oder Online-Kontakte. Dies sei ein Anstieg um 15 Prozent.

Gestiegen sei die Zahl der Anrufe vor allem seit April 2020. In rund 24.000 dieser Beratungen sei es um häusliche Gewalt gegangen, sagte Söchting. Dies entspreche einem Anstieg von 20 Prozent. Das Hilfetelefon berät Frauen, denen physische, sexualisierte oder auch psychische Gewalt wie Mobbing zu Hause, auf der Arbeit oder anderswo angetan wurde.

Erhöhte Aufmerksamkeit

Während der Corona-Pandemie hatte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) die Aktion „Zu Hause nicht sicher“ gestartet, bei der vor allem in Supermärkten stärker als früher auf das Hilfetelefon aufmerksam gemacht wurde. Hintergrund war die Sorge, dass Frauen im Lockdown schwerer Hilfe bekommen und Gewalttaten unbemerkt bleiben. Die gestiegene Zahl der Anrufe erklärt Söchting zum einen mit der erhöhten Aufmerksamkeit für die Nummer. Söchting und Giffey vermuten aber auch einen Anstieg der Gewalt.

Dort, wo schon belastende Situationen vorgelegen hätten, sei Überforderung und Frust während der Pandemie häufiger in Gewalt umgeschlagen, sagte Giffey. Söchting sagte, die Belastungen hätten durch räumliche Enge, Homeoffice und Homeschooling, Angst vor Jobverlust und fehlende Freiräume zugenommen. Möglichkeiten wie ein Kaffeetrinken bei Freunden, die schwierige Situationen deeskalieren können, seien weggefallen.

Rund um die Uhr erreichbar

Gefehlt habe auch die soziale Kontrolle etwa durch Kontakte am Arbeitsplatz, sagte Giffey. Söchting ergänzte, dass auf der anderen Seite aber Hinweise von Nachbarn zugenommen hätten. Durch das Arbeiten im Homeoffice seien mehr Problemfälle in der Nachbarschaft aufgefallen, die sonst vielleicht unbemerkt geblieben wären. Rund 9.000 der Telefonkontakte gehen auf sogenannte Unterstützer für Frauen in Not zurück, zu denen auch Nachbarn gehören.

Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ ist rund um die Uhr unter der Nummer 08000/116016 erreichbar. Hilfsangebote gibt es auch per Chat oder Online-Beratung unter www.hilfetelefon.de. Beratung gibt es in 17 Sprachen sowie in Leichter und Gebärdensprache.

Corinna Buschow


Minderheiten

Mehr Diskriminierungen im Corona-Jahr 2020



Mehr Beschwerden wegen rassistischer Diskriminierung und einen Ausschlag nach oben durch die Corona-Pandemie registrierte die Antidiskriminierungsstelle des Bundes im vergangenen Jahr.

Berlin (epd). Das Corona-Jahr 2020 ist auch für die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ein Einschnitt gewesen. Die Anfragen und Beschwerden stiegen um 78 Prozent, wie aus dem Jahresbericht 2020 hervorgeht, der am 11. Mai in Berlin vorgestellt wurde. Jede dritte Beschwerde bezog sich auf rassistische Diskriminierung. Als Sondereffekt der Pandemie wertet der Bericht 1.904 Anfragen, in der Mehrzahl zur Maskenpflicht.

„Wacher Blick für Ungleichbehandlung“

Der kommissarische Leiter der Antidiskriminierungsstelle, Bernhard Franke, bilanzierte, „es gibt einen wacheren Blick für Ungleichbehandlung“. Zugleich führe die „Verrohung“ im öffentlichen Leben zu mehr Diskriminierung. Im Jahr des Anschlags von Hanau und der „Black Lives-Matter“-Bewegung habe es 2.101 Beschwerden wegen rassistischer Diskriminierung gegeben, knapp 79 Prozent mehr als im Vorjahr mit 1.176 Anfragen. Franke nannte ein Beispiel: Einem Mann mit arabischem Nachnamen sagt der Vermieter am Telefon, die Wohnung sei schon vergeben. Eine Viertelstunde später, beim Anruf mit einem deutschen Nachnamen, ist sie noch zu haben..

Die zusätzlichen Anfragen durch die Corona-Pandemie kamen überwiegend von Menschen mit einer Behinderung, etwa wenn ihnen der Zugang zu einem Geschäft verweigert worden war, weil sie keine Maske trugen. Franke machte Corona-Leugner und Maskenverweigerer mitverantwortlich für die Probleme von Menschen, die wegen einer Behinderung keine Maske tragen können. Eine große Rolle spielte auch, dass wichtige Informationen zu Corona nicht barrierefrei waren. Mit 41 Prozent kam 2020 der größte Teil der Anfragen von Menschen mit einer Behinderung.

Wegen Überlastung der Antidiskriminierungsstelle musste die telefonische Beratung vorübergehend eingestellt werden. Ab Juli soll sie mit mehr Personal wieder funktionieren. Die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende, Katja Suding, nannte es „katastrophal“, dass mitten in der Krise eine Beratungsstelle des Bundes nicht mehr erreichbar sei. Normalerweise wird bei der Antidiskriminierungsstelle auch in Fremdsprachen beraten, derzeit sind nur schriftliche Beschwerden möglich.

Sündenböcke für das Virus

Insgesamt bearbeitete die Stelle im vergangenen Jahr 6.383 Fälle; 2019 waren es 3.580 Anfragen. Ohne den Corona-Effekt wären die Anfragen im Vergleich zu 2019 um 25 Prozent gestiegen. Das Corona-Jahr sei ein Einschnitt gewesen, sagte Franke. Zu Beginn der Pandemie hätten sich vermehrt asiatisch wahrgenommene Menschen an die Stelle gewendet, weil sie zu Sündenböcken für das Virus gemacht worden seien.

Die Antisdiskriminierungsstelle berät Menschen, die aufgrund ihrer ethnischen Herkunft, Religion, Weltanschauung oder sexuellen Identität, einer Behinderung oder ihres Alters Benachteiligungen im Arbeitsleben, beim Mieten einer Wohnung oder bei Alltagsgeschäften erfahren. Gegen Hassnachrichten oder Drohungen im Netz kann die Stelle mit den Mitteln des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) nichts unternehmen.

Franke mahnte bei der Bundesregierung an, die Fristen für Beschwerden zu verlängern. Wer sich benachteiligt sieht, hat zwei Monate Zeit, dies geltend zu machen und überprüfen zu lassen, ob die Behandlung gegen das AGG verstößt. Der Kabinettsausschuss Rechtsextremismus hatte angekündigt, die Frist auf ein halbes Jahr zu verlängern. Franke sagte, das müsse noch in dieser Legislaturperiode beschlossen werden. Wer die extrem kurzen Fristen nicht einhalte, könne keine Ansprüche mehr geltend machen.

Bettina Markmeyer


Bundestag

Bundestag erkennt Solidargemeinschaften im Gesundheitswesen an



Berlin, Bremen (epd). Der Bundestag erkennt Solidargemeinschaften als Alternative zur gesetzlichen und privaten Krankenversicherung und zulässige anderweitige Absicherung im Krankheitsfall an. Dies entschied das Parlament am 6. Mai im Rahmen des Digitale-Versorgung-und-Pflegegesetzes (DVPMG) in Berlin, der Bundesrat muss noch zustimmen.

Der Gesetzgeber verpflichtet die Solidargemeinschaften, die ihre Mitglieder im Krankheitsfall absichern wollen, einige wichtige Kriterien zu erfüllen: Sie müssen ihren Mitgliedern Leistungen „in Art, Umfang und Höhe“ der gesetzlichen Krankenkassen gewähren. Außerdem müssen sie ihre „dauerhafte Leistungsfähigkeit“ gutachterlich nachweisen. Der Vorsitzende des Dachverbands von Solidargemeinschaften (BASSG), Urban Vogel, begrüßte gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd) die Entscheidung des Bundestags: „Die Kriterien, die der Bundestag nun gesetzlich vorschreibt, sind vernünftig und werden von den Mitgliedseinrichtungen der BASSG bereits erfüllt.“

„Ein Durchbruch“

Die BASSG hat sich nach eigenen Angaben für diese gesetzliche Klärung immer wieder eingesetzt, da die Rechtsunsicherheit auch zu vielen gerichtlichen Auseinandersetzungen geführt habe, sagte Vogel. „Die rechtliche Anerkennung per Gesetz ist ein Durchbruch.“

Damit werde eine rechtliche Unsicherheit beseitigt, die mit der Einführung der allgemeinen Versicherungspflicht 2007 eingetreten war. Der Gesetzgeber habe es damals versäumt, klare Kriterien festzulegen, welche Rechte und Pflichten eine Solidargemeinschaft erfüllen muss.

Nach Angaben der BASSG sind rund 25.000 Menschen in Deutschland, die nicht gesetzlich oder privat versichert sind, bei Solidargemeinschaften abgesichert sind.



Corona

Minister: ÖPNV-Nutzer haben kein erhöhtes Corona-Risiko



Hannover (epd). Die regelmäßige Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel birgt einer neuen Studie zufolge kein erhöhtes Risiko einer Corona-Infektion. „Das schafft Sicherheit für alle, die auf die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen sind“, sagte Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) am 10. Mai in Hannover. „Keiner muss Sorge vor einer Infektion haben, wenn er Bus und Bahn nutzt.“

Die den Angaben zufolge bisher einzigartige Studie war von den Bundesländern und dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen in Auftrag gegeben worden. Die Forscher der Charité Research Organisation verglichen im Gebiet des Rhein-Main-Verkehrsverbundes das konkrete Ansteckungsrisiko von Fahrgästen in Bussen und Bahnen mit dem von Pendlerinnen und Pendlern, die regelmäßig mit Pkw, Motorrad oder Fahrrad unterwegs sind. Über fünf Wochen wurden insgesamt 681 freiwillige Teilnehmer im Alter von 16 bis 65 Jahren begleitet. Niedersachsen hatte sich mit 177.000 Euro an der Finanzierung der rund zwei Millionen Euro teuren Untersuchung beteiligt.

Althusmann sagte, das Bundesland habe sich sehr stark dafür gemacht, das tatsächliche Infektionsrisiko erstmals gezielt wissenschaftlich untersuchen zu lassen. Die Ergebnisse der Studie belegten eindeutig, dass kein höheres Infektionsrisiko bei der Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel bestehe. Gleichzeitig belegten sie, dass die sorgfältigen Infektionsschutzmaßnahmen der Verkehrsunternehmen und die staatlichen Schutzvorgaben wie die Maskenpflicht im Öffentlichen Personennahverkehr wirksam seien.




sozial-Branche

Pflege

Für die Alleskönner stehen alle Wege offen




Pflegeschüler Florian Frisch
epd-bild/Diakonissen Speyer
Florian Frisch absolviert die generalistische Pflegeausbildung bei der Diakonissen Pflegeschule Speyer. Er erhält Einblicke in das ganze Pflegespektrum und hat später beste Jobchancen.

Speyer (epd). Ganz prima findet es Florian Frisch, dass er nach seiner Ausbildung im ganzen Spektrum der Pflege arbeiten kann. Ob Krankenpflege, Kinderkrankenpflege oder Altenpflege: Alle Wege stehen dem 31-jährigen Rettungssanitäter aus Römerberg bei Speyer offen, wenn er seine dreijährige Ausbildung beendet hat. „Ich möchte in der Intensivstation oder Notfallaufnahme eines Krankenhauses arbeiten“, nennt er sein Ziel.

Hoch qualifizierte Fachkräfte

Frisch, der seit einem halben Jahr Auszubildender in der Diakonissen Pflegeschule Speyer ist, hat beste Chancen, als „Generalist“ unterzukommen: Seit Januar 2020 gibt es bundesweit die sogenannte generalistische, also allgemeine Pflegeausbildung. Bei ihr wurden die drei bisherigen Berufsbilder zu einer Ausbildung zusammengeführt. Hintergrund der Reform ist es, die Qualität der Pflege sowie ihren gesellschaftlichen Stellenwert zu verbessern.

Hoch qualifizierte Pflegefachfrauen und -männer seien gesucht, betont Tanja Schaller, die Leiterin der Pflegeschule: Die Zahl älterer und pflegebedürftiger Menschen nimmt weiter zu. Zudem steht die Pflege vor wachsenden Herausforderungen. Die Profis, die sich um Pflegebedürftige aller Altersgruppen kümmern, müssen vertiefte medizinisch-pflegerische Kenntnisse haben und in allen Pflegebereichen vernetzt denken.

Einen ersten Kurs in der generalistischen Pflegeausbildung starteten die Diakonissen, der größte diakonische Träger in der Pfalz, bereits im April 2020. Ein zweiter hat in diesem April begonnen, er besteht zu einem Drittel aus Männern. Insgesamt 185 Ausbildungsplätze gibt es, bewerben kann man sich ab 18 Jahren mit einem mittleren Schulabschluss oder einer abgeschlossenen Berufsausbildung. Die Ausbildung bietet zahlreiche Weiterbildungsmöglichkeiten bis hin zu einem fachgebundenen Studium. Die Absolventen können sich in der ganzen Europäischen Union bewerben.

Pflegeschule geschlossen

Noch stecke vieles bei der Reform der Pflegeausbildung in den Kinderschuhen, erzählt Schulleiterin Schaller. So müsse für die Pflegeschulen in Rheinland-Pfalz erst noch ein Rahmenlehrplan schrittweise entwickelt werden. Corona erschwert auch die Ausbildung der zukünftigen Pflegefachkräfte: Gleich im März 2020 wurde die Pflegeschule der Diakonissen wegen der Pandemie geschlossen. Ihre Arbeitsaufträge bekamen die Schülerinnen und Schüler zunächst per E-Mail zugeschickt - die digitale Ausstattung für Videounterricht am heimischen Bildschirm war unzureichend. Ein Jahr später steht die Technik wackelfrei. Zudem gibt es Unterrichtseinheiten mittlerweile in Speyer.

Florian Frisch und seine Schulleiterin stimmen darin überein, dass die „Generalistik“ für die Pflege eine gute Sache sei. Die Auszubildenden hospitierten etwa in verschiedenen Krankenhausstationen und Pflegeeinrichtungen, in ambulanten Pflegediensten oder in der psychiatrischen Pflege. Schwierig sei es aber, derzeit ganz praktische Dinge wie eine Blutentnahme nicht üben zu können, sagt Frisch.

Weltweit Einsatzmöglichkeiten weltweit

Auch die DRK-Schwesternschaft Rheinpfalz-Saar bildet seit Anfang April in Neustadt zwei junge Männer und eine Frau zu Pflegefachkräften aus. Das Interesse an der gut vergüteten Ausbildung in Kooperation mit dem Altenheim Rotkreuzstift und dem Krankenhaus Hetzelstift sei groß, erzählt Sprecherin Elke Rudolph. Attraktiv sei der Beruf für junge Leute auch deshalb, weil das Deutsche Rote Kreuz Einsatzmöglichkeiten weltweit biete.

Viele Pflegekräfte stiegen aber gerade in der Corona-Pandemie aus, weil die Belastungen in ihrem Job sehr hoch und die Bezahlung oftmals ungenügend sei, sagt Schulleiterin Schaller. „Schockiert“ sei sie darüber, dass die kirchlichen Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonie eine einheitliche tarifliche Vergütung für alle in der Pflege Tätigen ablehnten.

Keine Frage ist es für Florian Frisch, dass der verantwortungsvolle Pflegeberuf für ihn das Richtige ist. Die Patientinnen und Patienten seien dankbar für die Hilfe und die Zuwendung. „Man bekommt von ihnen so viel zurück“, sagt er. „Ich weiß abends, weshalb ich morgens zur Arbeit gegangen bin.“

Alexander Lang


Pflege

Höhere Löhne in der Altenpflege: Was geht noch?




Eine Altenpflegerin hilft einer Seniorin beim Mittagessen.
epd-bild/Thomas Lohnes
Die Koalition hat versprochen, die Bezahlung in der Altenpflege schnell und spürbar zu verbessern. Nun wird es knapp, wenn Union und SPD ihre Ankündigungen mit erheblicher Verspätung doch noch umsetzen wollen.

Berlin (epd). Der Bundestag noch drei Sitzungswochen Zeit, um die Voraussetzungen zu schaffen für höhere Löhne in der Altenpflege. Es sind die Wochen, in denen das Parlament seine letzten Beschlüsse vor der nächsten Bundestagswahl fassen kann, eine im Mai, zwei im Juni.

Vor mehr als drei Jahren haben Union und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart, „die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung in der Alten- und Krankenpflege sofort und spürbar (zu) verbessern“. Aus „sofort“ könnte nun ein „gerade noch“ werden - und selbst das ist offen.

„Spürbarer politischer Druck“

Aus der Union ist auf Nachfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) bei der gesundheitspolitischen Sprecherin Karin Maag (CDU) zu hören, man könne sich derzeit nicht äußern, wie und ob noch ein Beschluss zustande kommt. Die Pflegebeauftragte der SPD-Fraktion, Heike Baehrens, erklärt, gute Löhne für alle Beschäftigten in der Pflege seien „nur durch spürbaren politischen Druck zu erreichen“. Sie „hoffe sehr, dass das mit der Union noch gelingt“, sagt Baehrens. Darüber hinaus brauche „es dringend weitere Reformschritte mit einer Begrenzung der Eigenanteile für die Pflegeheimbewohner“.

Um das Lohnniveau in der stationären Altenpflege anzuheben, liegen zwei Vorschläge auf dem Tisch. Im Abstand von drei Tagen hatte erst Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ein Pflege-Tariftreue-Gesetz ins Gespräch gebracht. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) drängte daraufhin, seine bereits mehrfach präsentierten Änderungsvorschläge an ein Gesundheitsgesetz anzukoppeln, über das der Bundestag bereits berät.

Die Vorschläge der beiden Minister sind ähnlich, obwohl ihr Vorgehen eher wie ein Streit wirkt. Beide wollen Tariflöhne in der Altenpflege im Gesetz für die Pflegeversicherung verankern, dem Sozialgesetzbuch XI. Nur noch mit Einrichtungen, die ihre Pflegekräfte tariflich oder nach den kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien entlohnen, sollen dann Versorgungsverträge geschlossen werden dürfen. Ausnahmen, die Spahn zunächst zulassen wollte und die die SPD-Fraktion als Schlupflöcher ablehnt, sind so nicht mehr vorgesehen. Das könnte eine Einigung erleichtern.

Veto der Caritas-Arbeitgeber

Bisher werden nur rund die Hälfte der 1,2 Millionen und zu 80 Prozent weiblichen Beschäftigten in der Altenpflege nach Tarif bezahlt. Der Brutto-Durchschnittslohn für eine Fachkraft im Altenheim beträgt 3.291 Euro, knapp 300 Euro weniger als für eine Pflegekraft im Krankenhaus. Die Löhne sind von einem niedrigen Niveau in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Jede zweite Pflegekraft arbeitet indes in Teilzeit.

Damit höhere Löhne nicht zu Lasten der Heimbewohner gehen, muss der Bund die Pflegeversicherung an anderer Stelle entlasten. Spahn hat Finanzminister Olaf Scholz (SPD) aufgefordert, sich „dazu zu verhalten“. Außerdem will er die Eigenanteile der Heimbewohner für die Pflege ab dem zweiten Jahr prozentual verringern. Die SPD, die eigentlich eine Abschaffung der stark steigenden Zuzahlungen will, müsste da erstmal mitgehen.

Arbeitsminister Heil war im Februar am Veto der Caritas-Arbeitgeber mit dem Versuch gescheitert, unter Beteiligung der kirchlichen Träger zu einem Flächentarif in der Altenpflege zu kommen. Auch Spahn hat seine Ziele nicht erreicht. Mit Plänen für eine Pflegereform, die die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen stärker entlastet und mehr gekostet hätte, ist er in den eigenen Reihen nicht durchgekommen. Auch wenn die Verpflichtung zu Tariflöhnen in der Altenpflege noch ins Gesetz kommen sollte, bleibt die Koalition damit hinter ihren Ankündigungen für eine umfassende Pflegereform zurück.

Bettina Markmeyer


Pflege

Verbände wollen bessere Arbeitsbedingungen und mehr Gehalt



Nicht erst seit der Corona-Pandemie rumort es in der Pflegebranche. Schlechte Arbeitsbedingungen und geringe Bezahlung treiben die Fachkräfte aus dem Job - eine Gefahr für die Gesundheitsversorgung. Fachverbände mahnen dringend Reformen an.

Berlin (epd). Zum Tag der Pflege am 12. Mai haben Fach- und Sozialverbände eine höhere Wertschätzung des Pflegeberufs und eine bessere Bezahlung der Beschäftigten gefordert. Die Gewerkschaft ver.di rief zu Protesten an Seniorenheimen und Kliniken auf. Es herrsche große Erbitterung darüber, dass die versprochenen Verbesserungen bei Löhnen und Arbeitsbedingungen noch nicht auf den Weg gebracht worden seien, heißt es in einer Mitteilung vom 11. Mai.

„Die Beschäftigten in der Pflege haben es satt, mit leeren Versprechungen hingehalten und mit Scheinlösungen abgespeist zu werden“, sagte ver.di-Vorstand Sylvia Bühler: „Doch auch zum Ende seiner Amtszeit weigert sich der Bundesgesundheitsminister, längst überfällige verbindliche und bedarfsgerechte Personalvorgaben auf den Weg zu bringen.“

Überzeugende Pflegereform

"Wir brauchen endlich eine überzeugende Pflegereform, die den Namen verdient und den aktuellen Problemen auch gerecht wird”, sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. Ziel müsse es sein, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, die Bezahlung der Fachkräfte merklich zu erhöhen und die Eigenanteile in der Heimbetreuung zu deckeln.

Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) kritisierte, dass die Pflegekräfte nicht erst seit der Corona-Krise mit vielen Problemen im Alltag zu kämpfen hätten. „Wir müssen dafür sorgen, dass nicht noch mehr Kolleginnen den Beruf verlassen, weil sie mit ihren traumatischen Erfahrungen in der Pandemie alleingelassen werden“, sagte Präsidentin Christel Bienstein. Man müsse aus den Erfahrungen lernen, um die Gesundheitssysteme zukunftsfähig, gerecht und krisenfest aufzustellen.

Verlässliche Dienstpläne

Vordringlich ist aus Sicht von Diakonie und Caritas, dem akuten Personalmangel in der Pflege entgegenzuwirken. Dafür müsse vor allem in die Ausbildungskapazitäten und verbesserte Arbeitsbedingungen investiert werden. „Pflegekräfte brauchen ausreichend Kolleginnen und Kollegen an ihrer Seite, verlässliche Dienstpläne und gesunderhaltende Arbeitsbedingungen. Dazu zählt auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, unterstrichen die kirchlichen Wohlfahrtsverbände.

„Personalmangel und Zeitnot lassen im Moment schon die grundlegende Pflege an ihre Grenzen stoßen, eine kontinuierliche palliativpflegerische Versorgung ist noch schwieriger“, sagte der Chef des Deutschen Hospiz- und Palliativverbandes (DHPV), Winfried Hardinghaus. „Damit diese aber in den Pflegeeinrichtungen sichergestellt werden kann, braucht es rechtliche Vorgaben zur Anzahl entsprechend qualifizierter Fachkräfte - Stichwort Fachkraftquote.“

Lohnanstieg um 33 Prozent

Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden teilte mit, dass die durchschnittlichen Bruttomonatsverdienste für vollzeitbeschäftigte Fachkräfte in Krankenhäusern und Heimen in den vergangenen zehn Jahren um ein Drittel gestiegen seien. Danach verdienten vollzeitbeschäftigte Fachkräfte in Krankenhäusern, wie Gesundheits- und Krankenpflegerinnen und -pfleger, im Jahr 2020 brutto 32,9 Prozent mehr als noch 2010.

Die Bruttomonatsverdienste von Fachkräften in Altenheimen stiegen den Angaben zufolge im selben Zeitraum im gleichen Umfang (plus 32,8 Prozent), bei Fachkräften in Pflegeheimen fiel der Anstieg mit 38,6 Prozent noch etwas höher aus. In allen drei Gruppen erhöhten sich die Verdienste in den vergangenen zehn Jahren deutlich stärker als in der Gesamtwirtschaft (Produzierendes Gewerbe und Dienstleistungen) mit 21,2 Prozent.

„Die Zahlen zeigen eine deutliche Tendenz. Arbeit in der Daseinsvorsorge muss sich lohnen. Wir sind hier wirklich auf dem richtigen Weg. Jetzt heißt es: dranbleiben“, sagte der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Krankenhausverbandes, Gerald Gaß. Zwar hätten die Kliniken im Vorjahr 18.500 neue Stellen in der Pflege besetzt, doch blieben weiterhin viele Arbeitsplätze unbesetzt, weil nicht genügend Pflegekräfte auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stünden.

Dirk Baas, Jürgen Prause


Alzheimer

Mit Liebe zum Augenblick




Das Ehepaar Hans-Martin und Elke Schroeder
epd-bild/Susanne Schröder
Der Arzt stellte bei Hans-Martin Schroeder mit 59 Alzheimer fest: Nach der Bodenlosigkeit der ersten Wochen im Jahr 2016 wagten der Kirchenmann und seine Frau Elke mutige Schritte in ein neues Leben. Wie geht es ihnen jetzt, drei Jahre später?

Rosenheim (epd). Durch die breite Fensterfront flutet die Sonne ins riesige Wohnzimmer, das Herzstück des Domizils von Hans-Martin und Elke Schroeder hoch über den Dächern der Rosenheimer Innenstadt. Bis Corona mit seinen Beschränkungen kam, organisierte Elke Schroeder hier in unregelmäßigen Abständen „Kultur im Salon“, Künstlerevents mit bis zu 60 Gästen im privaten Kreis. Sogar der oberbayerische Musikkabarettist Josef Brustmann war hier mit seinem Programm „Das Leben ist kurz, kauf sie dir, die roten Schuh“ - womit Elke Schroeder beim Thema ist.

„Ich weiß nicht, was morgen sein wird“

„Das Leben passiert jetzt, ich weiß nicht, was morgen oder in drei Jahren sein wird“, sagt die 72-Jährige. Also genießt sie die gemeinsame Zeit mit ihrem Mann und verweigert trotzig alle Spekulationen über die Zukunft. „Wir sind dem Alzheimer auch dankbar, sonst hätten wir nicht so viel Freiraum geschaffen für uns beide“, sagt sie und schaut ihren Mann zärtlich an. Nach der Diagnose 2016 hatte der Starnberger Pfarrer mit 59 Jahren den vorgezogenen Ruhestand beantragt, ein Jahr später fing das Paar in Rosenheim neu an.

Wenn Hans-Martin Schroeder über seinen Krankheitsverlauf der vergangenen drei Jahre spricht, bekommt man den Eindruck eines japanischen Stockkämpfers. Statt die Attacken des Alzheimer mit Gewalt abzublocken, lenkt er sie elegant an sich vorbei. Zu tun, was geht, ist sein Motto. Nicht zu hadern über das, was verloren ist.

In der Rosenheimer Anfangszeit ist Hans-Martin Schroeder zum Beispiel gern allein zum Einkaufen gegangen, doch das hat er aufgegeben. Der 63-Jährige zieht ein schmales schwarzes Portemonnaie aus der Gesäßtasche und klappt es auf: „Wenn ich an der Kasse stehe und mit EC-Karte zahlen soll - das macht mich total nervös“, sagt er und zeigt auf die vielen Fächer des Geldbeutels. Also geht er jetzt eben zusammen mit seiner Frau.

Welcher Handschuh muss an welche Hand?

Auch andere alltägliche Handgriffe fallen ihm schwer: Wo stehen beim Tischdecken die Gläser? Welcher Handschuh muss an welche Hand? Wie isst man eine Weißwurst? „Auch der Weg ins Unterhemd ist manchmal schwierig“, lächelt seine Frau, „und die Schnürsenkel…“ „Oh ja!“, ruft ihr Mann und lacht mit. Elke Schroeder ist froh, dass ihr Mann in solchen Situationen um Hilfe bitten und sie auch annehmen kann. Sie selbst sei dankbar, dass sie die Kraft für den Haushalt und für die Unterstützung ihres Mannes habe. „Es ist ein Geschenk, dass wir so gut und gern miteinander können“, sagt sie.

Doch nicht nur Alltagstätigkeiten, auch manche Vorhaben sind in den letzten Jahren gebröckelt. Die ausgedehnten Tandemtouren sind passé - „ich habe mich im Verkehr nicht mehr so sicher gefühlt“, sagt Hans-Martin Schroeder. Statt dessen unternehmen beide lange Wanderungen im Umland. Seine Passion des Briefeschreibens hat er zur Seite gelegt - von Hand geht es nicht, und mit dem PC dauert es so lang, bis ein Wort fertig da steht. Statt dessen liest er viel und beide singen im Chor der Erlöserkirche - ein fester Termin in der Woche, der beiden gut tut.

Auch die Idee, hin und wieder als Pfarrer bei Gottesdiensten auszuhelfen, ließ sich nur ein paar Monate lang verwirklichen. „Wenn etwas auf dem Altar lag, wusste ich plötzlich nicht mehr, wozu“, sagt der Pfarrer. Seine Frau erinnert sich an eine Hochzeit auf der Burg Pappenheim, für die sie regelrecht trainiert hätten. „Während der Trauung sagte mein Mann plötzlich: Elke, würdest du bitte mal kommen?“ Sie sei also zwischen all den Gästen nach vorn gelaufen, als ihr Mann sie fragte, wie es nach diesem Text nun weitergehe. „Und ich sagte: Jetzt hast du das Gedicht gelesen, jetzt sprichst du über den Trauspruch.“

Eine zu große Belastung

Hans-Martin Schroeder hört der Anekdote mit gespitzten Lippen und belustigtem Blick aufmerksam zu. Ein Lachen perlt aus ihm heraus, gemeinsam amüsieren sie sich über diese Erinnerung. Spätestens nach diesem Erlebnis sei jedoch klar gewesen, dass Einsätze als Pfarrer für Hans-Martin Schroeder eine zu große Belastung sind.

Aber ist das so einfach, die Dinge loszulassen? „Manchmal bin ich schon traurig, wenn ich die Uhr nicht lesen kann“, sagt Hans-Martin Schroeder mit leichtem Stirnrunzeln. „Aber dann lass ich es gehen - es hilft ja auch nicht.“ Er sei froh, dass ihn der Alzheimer nicht jähzornig mache. Wie stark andere Demenzerkrankungen Menschen verändern könnten, wisse er noch aus seiner Zeit als Pfarrer in Starnberg. Seine Frau nickt und sagt: „Dein Wesen bleibt dir.“

So geht das Leben der Schroeders mit Alzheimer weiter, vielleicht manchmal mühselig, oft heiter. In jedem Fall offen und dankbar. Tag für Tag aufs Neue.

Susanne Schröder


Alzheimer

Interview

"Akzeptieren, nicht hadern"




Katharina Bürger
epd-bild/B. Woodward, LMU Klinikum

München (epd). Katharina Bürger leitet am Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung des LMU-Klinikums München die Gedächtnisambulanz. Mit der Ärztin, die außerdem Vorsitzende der Alzheimer Gesellschaft München e.V. ist, sprach Susanne Schröder über den herausfordernden Alltag von Alzheimer-Patienten und ihren Angehörigen.

epd sozial: Was hilft Alzheimer-Betroffenen und ihren Angehörigen im Alltag?

Katharina Bürger: Alzheimer führt zu Veränderungen im Alltag mit dem Betroffenen, und das führt häufig zu Spannungen in den Beziehungen. Deshalb müssen Angehörige sich informieren, um die Krankheit zu verstehen. Alzheimer knipst nicht das ganze Gehirn auf einmal aus. Manche Bereiche funktionieren gut, während sich in anderen Defizite zeigen. Die Patienten möchten ihren Alltag selbst gestalten - für die Angehörigen ist das oft eine Gratwanderung zwischen Unter- und Überforderung. Es ist ein Glück, wenn sie gemeinsam mit dem Patienten herausfinden: Das kannst du, aber dort brauchst du zur Sicherheit Unterstützung. Wenn Angehörige sich darauf nicht einlassen, verpassen sie womöglich den Zeitpunkt, an dem man handeln muss, weil einer von beiden unglücklich wird oder der Patient in Gefahr gerät.

epd: Wo bekommen Angehörige Hilfe?

Bürger: Die Alzheimer Gesellschaften bieten eine Fülle von Informationen und Beratungen an. Und es gibt eine breite Palette von Angeboten zwischen „daheim“ und „im Heim“, vor allem in den Städten. Wohlfahrtsverbände und Alten-Service-Zentren bieten exzellente ambulante Angebote. Demenzhelfer entlasten Angehörige durch regelmäßige Besuche im Alltag. Leider dauert es oft zu lange, bis Angehörige diese Angebote annehmen. Das ist bedauerlich, denn dann entgeht dem Betroffenen unter Umständen eine Menge Freude und Abwechslung, was für eine positive Beeinflussung des Krankheitsverlaufes wichtig ist.

epd: Für viele sind Demenzerkrankungen wie Alzheimer ein Schreckensgespenst. Welche Sicht auf die Krankheit wäre Ihnen lieber?

Bürger: Ich finde es ganz normal, Angst vor Alzheimer zu haben. Ich möchte ja auch nicht an Krebs erkranken. Alzheimer hat aber - anders als andere Formen von Demenz - einen eher langsamen Verlauf. Die Betroffenen können noch Jahre am Alltag teilhaben, sozial schwierige Persönlichkeitsveränderungen sind selten. Vielleicht steckt hinter der Angst auch die Frage, ob man eine schwere Krankheit als Kränkung betrachtet. Ein Drittel des Demenzrisikos ist modifizierbar - durch Prävention kann man den Krankheitsbeginn nach hinten verschieben. Aber Alzheimer und Demenz bleiben dennoch immer ein Schicksalsschlag: Es kann jeden treffen. Wie bei anderen Krankheiten ist es hilfreicher, die Diagnose Alzheimer zu akzeptieren, als lange damit zu hadern - denn das nützt nichts.



Obdachlosigkeit

Zelte und Einkaufswagen vor Boutiquen und Kaufhäusern




Die ehemals wohnungslose Rosemarie Heinert steht vor einem Hotel in Hannover, das seit einiger Zeit ihr Zuhause ist.
epd-bild/Carsten Kalaschnikow
Wie in Hannover füllen sich zahlreiche Innenstädte nach der Lockerung des Lockdowns wieder mit Kauflustigen. Für Obdachlose heißt das, dass sie ihre provisorischen Lager in der City wieder räumen müssen.

Hannover (epd). Endlich wieder bummeln und shoppen. Während viele Menschen sich freuen, dass der Einzelhandel nach dem langen Lockdown wieder öffnet, bedeuten die Lockerungen für wohnungslose Menschen vor allem eins: Sie treffen auf Mitarbeiter des Ordnungsamtes und werden aufgefordert, die provisorischen Schlaf- und Wohnstätten zu räumen, die sie sich in den über Monate verwaisten Innenstädten errichtet haben.

Niemand will hier bummeln

Mirko Vardovic ist einer von ihnen. Er liegt auf einer dicken Schicht aus Pappe unter den Arkaden des Karstadt-Gebäudes an der Georgstraße in Hannover. Und er ist nicht allein. Sieben weitere Wohnungslose campieren hier - mit Zelten, Schlafsäcken, Isomatten, Campingstühlen und Einkaufswagen. Von den Menschen, die in die wiedereröffneten Innenstädte zum Shoppen strömen, werden sie hier nicht gestört. Das Traditionskaufhaus hat im Juni letzten Jahres im Zuge einer Insolvenz seine Pforten für immer geschlossen. Die Schaufenster sind kahl, niemand will hier bummeln.

Vardovic hat dennoch Sorge, dass das Lager geräumt wird. „Entweder kommt das Ordnungsamt, holt die Klamotten weg oder man muss den ganzen Tag hier sitzen“, sagt er. In der Verordnung über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Landeshauptstadt Hannover ist das Verhältnis klar geregelt: Öffentliche Straßen dürfen nur dem Widmungszweck entsprechend benutzt werden. Lagern, Zelten, Übernachten gehören nicht dazu.

Gleichwohl handle die Stadt mit Augenmaß, sagt Udo Möller, Sprecher der Stadt Hannover. „Unsere Außendienstmitarbeiter setzen das Verbot dort durch, wo es wegen des Verhaltens einzelner, wie Verschmutzung und Störungen oder aufgrund berechtigter Beschwerden von Anwohnern und Geschäftsinhabern erforderlich erscheint.“ Wenn geräumt werden müsse, geschehe dies immer mit mehrtägigem Vorlauf und einer Information durch die Straßensozialarbeiter.

Besitztümer der Obdachlosen abtransportiert

Streetworker Manuel Selle vom diakonischen Tagestreff für Wohnungslose „Mecki“ am Hauptbahnhof hat bereits miterlebt, dass nach einer Vorwarnung Zelte und andere persönliche Besitztümer der Obdachlosen abtransportiert wurden. „Die Leute werden angesprochen und wenig später kommt ein Auto von der Stadt, und dann wird alles abgerissen“, sagt Selle.

Rosemarie Heinert weiß, wie man sich in einer solchen Situation fühlt. Zwar hat die Frau in der weinroten Steppjacke nur wenige Monate auf der Straße gelebt und immer in der Notunterkunft am Alten Flughafen übernachtet, doch das hat ihr gereicht. „Das möchte ich nie wieder erleben“, sagt die 62-Jährige, die inzwischen in einem Hotel wohnt.

Das Hotelzimmer hat Heinert einem Spendenprojekt zu verdanken. Sie hofft, dass es nun bergauf geht. Beim Blick über das verdreckte Zeltlager zieht Heinert tief an ihrer Zigarette. „In so eine Situation kommt man schneller als man denkt“, sagt sie und fügt leise an: „Das sind Menschen wir Du und ich. Denen ist nichts Spektakuläres widerfahren. Das ist einfach passiert.“

Krisenanfällige Strukturen

Die Corona-Krise habe gezeigt, wie krisenanfällig die Unterstützungsstruktur für Wohnungslose sei, sagt die Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, Werena Rosenke. Aus diesen Erfahrungen leitet sie Forderungen für die Zukunft ab. So müssten die Standards für Notunterkünfte erhöht werden. Schon vor der Pandemie seien die Zustände vielerorts unhaltbar gewesen, unter Infektionsschutzgesichtspunkten habe sich die Situation verschärft.

Die Hotelprojekte in verschiedenen Städten hätten zudem gezeigt, dass Wohnungslose in Einzelzimmern, in denen sie Privatsphäre genießen, neuen Mut schöpften und besser für die Sozialarbeiter zu erreichen seien, sagt die stellvertretende Sprecherin der Nationalen Armutskonferenz. „Diese Angebote müssen erhalten und ausgebaut werden.“ Rosenkes Sorge indes ist, dass die Pandemie so viele Menschen in finanzielle Not stürzt, dass für Wohnungslose künftig noch weniger Geld zur Verfügung steht als ohnehin schon.

Julia Pennigsdorf


Gesundheit

Gastbeitrag

Nur solidarische Krankenversicherung ist zukunftsfest




VdK-Präsidentin Verena Bentele
Der Sozialverband VdK hält das zweigeteilte System der deutschen Krankenversicherung für überholt. Warum das so ist und welche Reformwege beschritten werden müssten, beschreibt VdK-Präsidentin Verena Bentele in ihrem Gastbeitrag.

Berlin (epd). Nirgendwo in Europa ist die Krankenversicherung so streng in eine gesetzliche und eine private getrennt wie in Deutschland: ein Zweiklassen-System, das seinesgleichen sucht. Zehn Prozent der Deutschen sind privat versichert, 90 Prozent gesetzlich.

Die privaten Versicherungsunternehmen wählen ihre Mitglieder sorgfältig aus. Sie nehmen junge, gesunde und leistungsfähige Menschen auf, die gut verdienen und wenig kosten. Wer gesundheitlich beeinträchtigt ist und hohe Kosten verursacht, hat wegen der hohen Versicherungsbeiträge keine Chance. Die gesetzliche Krankenversicherung versichert jeden, und sie garantiert jedem Leistungen. Nicht nur den Normal- und Geringverdienern, die einzahlen, sondern auch deren Familienmitgliedern.

Die Beiträge richten sich nach den finanziellen Möglichkeiten, nicht nach Alter und Behinderung. Basis ist das Solidarprinzip: Wer zahlen kann, finanziert diejenigen in der Gesellschaft mit, die gesundheitlich angeschlagen sind. Und das ist richtig so.

Gutverdiener entziehen sich

Viele Gut- und Spitzenverdiener entziehen sich dem Solidarprinzip. Das geht auf Kosten der Gemeinschaft: Die Bertelsmann Stiftung hat Anfang 2020 berechnet, dass die Beiträge deutlich sinken könnten, wenn alle gesetzlich versichert wären. Derzeit zahlt jeder gesetzlich versicherte Durchschnittsverdiener zusammen mit seinem Arbeitgeber im Jahr 145 Euro Beiträge dafür, dass sich zehn Prozent der Bürgerinnen und Bürger nicht am Solidarsystem beteiligen. Diese zehn Prozent profitieren aber davon, dass die 90 Prozent gesetzlich Versicherten für die Grundstruktur von ambulanter und stationärer Versorgung sorgen, dass es überhaupt Krankenhäuser und Arztpraxen gibt.

Um Abhilfe zu schaffen, muss es eine einheitliche, eine solidarische Krankenversicherung geben, in die alle einzahlen: auch Selbstständige, Beamte, Politikerinnen und Politiker. Privatversicherte sollten sich nicht länger entziehen dürfen.

Beide Systeme zusammenzuführen, ist eine gewaltige Aufgabe. Das geht nicht von heute auf morgen, Zwischenschritte sind notwendig. Dazu gehört zum Beispiel, dass alle Beamten auch in die gesetzliche Krankenversicherung können und ihr Dienstherr einen Zuschuss dafür zahlt. Die Grünen im Bundestag haben einen Beitrag der privat Versicherten vorgeschlagen, der vom Einkommen abhängen und in den Gesundheitsfonds fließen soll. Darüber lässt sich reden, wenn eines klar ist: Das kann maximal ein erster Schritt sein. Das Nebeneinander von privater und gesetzlicher Krankenversicherung wird immer eine Zwei-Klassen-Versorgung fördern.

Dünne ärztliche Versorgung

Das Gesundheitssystem benachteiligt alle, die wenig Geld verdienen. Nur wer über ein gutes Einkommen verfügt, kann sich im Fall des Falles auch Zuzahlungen für Medikamente, Aufzahlungen bei Hilfsmitteln, oder nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel leisten. Dabei ist die Gesundheitsversorgung Teil der Daseinsvorsorge. Ist sie medizinisch notwendig, muss sie bezahlt werden. Ohne Ausnahmen. Gesundheit darf kein Luxus sein. Deshalb müssen alle Zu- und Aufzahlungen, Leistungsausgrenzungen und Beschränkungen auf Festzuschüsse abgeschafft werden. Das wird Geld kosten. Wenn aber auch Gut- und Spitzenverdiener in eine einheitliche, solidarische Krankenversicherung einzahlen, ist dies zu stemmen.

In strukturschwachen Regionen wird die ärztliche Versorgung immer dünner. Im Jahr 2019 waren dort im Vergleich zu Städten oder Stadtteilen mit vielen Privatpatienten nur bis zu einem Viertel der Ärzte und Psychotherapeuten angesiedelt. Mit einer solidarischen Krankenversicherung und einer einheitlichen Vergütung ließen sich diese Unterschiede ausgleichen. Aber als Anreiz braucht es zum Beispiel einen Landarztzuschlag, Stipendienprogramme oder gute Arbeitsbedingungen mit familiengerechten Arbeitszeiten. Und noch mehr: Ohne Schulen, Kitas oder kulturelle Angebote lässt sich keine Medizinerin und kein Mediziner in einer strukturschwachen Region nieder.

Für den Notfall und für einfache Eingriffe braucht es eine flächendeckende Versorgung mit Krankenhäusern. Bei komplizierten Fällen, wie Kniegelenk-OPs oder Schlaganfall-Behandlungen, muss es einen Standard an Erfahrung und Qualität geben. Das geht nur über Mindestmengen.

Bedarfe wichtiger als Gewinne

Die Krankenhäuser handeln unter hohem finanziellen Druck: Betten belegen, teure Eingriffe durchführen und kostspielige technische Geräte oft nutzen, heißt die Maxime. Alles, was wenig Geld bringt wie Beratungsgespräche, wird seltener erbracht. Personal für unplanbare Ereignisse wird nicht vorgehalten. Das alles hat wenig mit den Bedürfnissen und Bedarfen der Patientinnen und Patienten zu tun und kostet die Krankenkassen viel Geld. Gewinne und ökonomische Effizienz sind keine passenden Ziele für ein Gesundheitssystem.

Die Krankenhausplanung muss die regelmäßige Versorgung der Bevölkerung auf hohem medizinischen Niveau sicherstellen. Sie muss aber auch Reservekapazitäten für den Krisenfall einplanen. Gesundheitsversorger wie Krankenhäuser dürfen sich nicht die lukrativen Rosinen - zum Beispiel kostspielige Operationen - herauspicken, sie müssen sich am Wohl der Patientinnen und Patienten orientieren.

Unnötiger Wettbewerb

Auch unter den 103 gesetzlichen Krankenkassen läuft ein Wettbewerb um junge, gesunde Mitglieder. Er geht zulasten von Alten, Schwachen und chronisch Kranken. Keine Studie hat je belegt, dass ein Wettbewerb der gesetzlichen Krankenkassen die Gesundheitsversorgung verbessert hätte.

Stattdessen ist ein gewaltiges Nebeneinander von Werbebudgets und Verwaltungsstrukturen entstanden, das große Summen verschlingt. Die Verwaltungskosten der gesetzlichen Krankenkassen sind im Jahr 2020 mehr angestiegen als die Leistungsausgaben. Das ist nicht in jedem Jahr so, aber es ist ein Hinweis: Eine einheitliche Verwaltungsstruktur einer gesetzlichen Krankenkasse würde nicht nur eine einheitliche Durchführung der Gesundheitsversorgung bedeuten, sondern auch vervielfachte Kosten in der Verwaltung vermeiden.

Solidarität ist das entscheidende Schlüsselwort. Würde jeder nach seinen Möglichkeiten in eine einheitliche, solidarische Krankenversicherung einzahlen, würde das Berechnungen zufolge ein Plus von rund zehn Milliarden Euro bedeuten. Das finanzielle Fundament dieses Solidarsystems stünde damit fester denn je. Für einen starken Sozialstaat ist ein gutes Gesundheitssystem ein elementarer Baustein. Für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft in schwierigen Zeiten wäre die Vereinigung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung ein richtiger Schritt.

Verena Bentele ist Präsidentin des Sozialverbands VdK.


Corona

Sozialverbände senden wegen Pandemie Hilferuf aus



Wiesbaden (epd). Viele soziale Hilfsprojekte in Hessen sehen wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie ihre Arbeit bedroht. Zum einen hätten die notwendige Umstellung auf digitale Angebote, die Beschaffung von Schutzausrüstung sowie andere Investitionen und Personalkosten zum Teil deutlich höhere Ausgaben bewirkt, hieß es am 7. Mai auf einer Pressekonferenz der Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Wiesbaden. Zum anderen seien aber auch die Einnahmen stark gesunken, weil mit dem Lockdown viele Angebote und somit etwa Kursgebühren, gastronomische Angebote und Verkaufsmöglichkeiten weggefallen seien. Mehr als 102 soziale Einrichtungen hätten bei einer Befragung ein Minus von zusammen rund 15 Millionen Euro im vergangenen Jahr allein in Hessen gemeldet.

Finanzielle Krisenhilfen greifen nicht

Das tatsächliche Defizit dürfte aber noch deutlich höher liegen, weil längst nicht alle der gut 600 sozialen Einrichtungen auf die Befragung durch das von der Liga beauftragte Institut für Wirtschaft für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) der Frankfurter Goethe-Universität geantwortet haben. Der stellvertretende Liga-Vorsitzende Nils Möller vom Deutschen Roten Kreuz richtete daher einen Hilferuf an die Politik, um die Arbeit für gerade von der Pandemie besonders betroffene sozial schwache Menschen auch künftig zu sichern. Besonders bei kleineren Einrichtungen griffen die finanziellen Angebote zur Krisenhilfe oft nicht oder nur bedingt. Das Land Hessen forderte er daher auf, einen Sonderfonds Soziales aufzulegen, um den Betroffenen gezielt zu helfen.

Unter den Folgen der Krise leiden den Angaben zufolge vor allem Angebote der Sucht- und Selbsthilfe, im Bereich Migration, Flucht und Asyl, bei den Rettungsdiensten, für Menschen in sozialen Notlagen, der Behindertenhilfe und Sozialpsychiatrie, für Frauen, Mädchen und Familien sowie in der Kinder- und Jugendhilfe. Wie Christa Larsen vom IWAK berichtete, waren die coronabedingten Einnahmeausfälle bei den 102 sozialen Trägern aus Hessen, die sich äußerten, mit zusammen 11,4 Millionen Euro noch deutlich höher als die Mehrausgaben von 4,4 Millionen.

Schnell und flexibel reagiert

Die Sozialeinrichtungen hätten auf die Schnelle Onlineangebote schaffen, Laptops mit Kamera und sonstiges digitales Equipment kaufen, Mitarbeiter und auch Hilfesuchende darin schulen, Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel besorgen und coronabedingt ausfallende Ehrenamtliche ersetzen müssen. Insgesamt hätten die sozialen Träger der Einrichtungen mit gewaltigem Aufwand schnell und flexibel auf die Krise reagiert.

Im vergangenen Jahr hätten sie das Defizit meist noch mit vorhandenen Projektmitteln und Rücklagen finanzieren können, sagte Möller. Jetzt aber sei die Politik gefragt, zumal die Pandemie noch nicht vorüber sei und durch diese der Bedarf an sozialer Hilfe für Menschen in Not auch danach eher noch wachsen werde.

Gerhard Kneier


Verbände

Arbeitskammer und VdK fordern Rechtssicherheit in häuslicher Pflege



Saarbrücken (epd). In einem gemeinsamen Positionspapier fordern die Arbeitskammer des Saarlandes und der Sozialverband VdK einen rechtssicheren Rahmen für häusliche Pflege. „Wir brauchen eine saubere Lösung für eine Dienstleistung, die tausendfach praktiziert wird“, sagte der VdK-Landesvorsitzende Armin Lang am 11. Mai in Saarbrücken. „Wegschauen gilt nicht mehr.“ Zunehmend Betreuungskräfte aus Osteuropa versorgen den Angaben zufolge pflegebedürftige Menschen in häuslicher Gemeinschaft.

In Deutschland seien rund 700.000 Betreuungskräfte tätig, hieß es. Der saarländische Pflegebeauftragte Jürgen Bender sagte: „Der größte Wunsch pflegebedürftiger Menschen ist es, zu Hause versorgt zu werden. Dies ist derzeit in vielen Familien nur in einer rechtlichen Grauzone möglich und darf so kein Dauerzustand bleiben.“

Um sowohl den Familien als auch den Betreuungskräften mehr Sicherheit zu bieten, entwickelten der VdK und die Arbeitskammer ein Konzept, das nach eigenen Angaben bundesweit einmalig ist. Zunächst müsse Art und Umfang der Beschäftigung festgestellt werden. Die genaue Anzahl der Betreuungskräfte sei unbekannt, denn viele seien illegal tätig, hieß es. Eine genaue arbeitsrechtliche Definition solle die Abgrenzung zu den qualifizierten Pflegekräften, die Versorgungsleistungen übernehmen, aufzeigen. In dem Positionspapier werden ferner Standards für Vermittlungsagenturen gefordert.

Schließlich verlangen der VdK und die Arbeitskammer eine Anpassung der Pflegeversicherung. Derzeit werden die Kosten der Betreuungskräfte nur teilweise übernommen. „Wir möchten jedoch, dass jeder Betroffene diese Leistungen in Anspruch nehmen kann“, sagte Lang.



Behinderung

Betheler Ausbildungshotel Lindenhof wird Inklusionsbetrieb



Bielefeld (epd). Der Lindenhof in Bielefeld-Bethel, Ausbildungshotel für junge Menschen mit Einschränkungen, richtet sich neu aus. Das Hotel ist nicht mehr Teil des Berufsbildungswerks Bethel, sondern gehört nun zur proJob Bethel gGmbH, wie die v. Bodelschwinghschen Stiftungen in der aktuellen Mai-Ausgabe des Bethel-Magazins „Der Ring“ mitteilen. Künftig werde der Schwerpunkt auf Schaffung dauerhafter Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung liegen. Das Inklusionsprojekt wird den Angaben zufolge vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) gefördert.

„Wir machen aus dem Lindenhof ein 3-Sterne-Hotel und ein Inklusionshotel“, sagte Gerd Plöger von proWerk-Geschäftsführung. 20 Menschen sollen demnach dort eine feste Anstellung finden, acht davon mit Behinderungen. Die künftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden sich mit ihren Stärken und Schwächen ergänzen und ein professionelles Team bilden, erklärte Plöger.

Christliche Heimvolksschule

Sobald das touristische Reisen wieder möglich sei, solle der Betrieb starten. Kleine Renovierungsarbeiten im Innen- und Außenbereich seien vorher noch nötig. Die v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel betreiben in enger Verbindung mit proWerk die proJob.Bethel gGmbH.

Der Lindenhof nahm 1919 als christliche Heimvolksschule seinen Betrieb auf. Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Fachwerkhaus am Quellenhofweges als Lazarett genutzt, bevor 1942 dort ein Altenheim für Frauen eingerichtet wurde. Kurz vor Ende des Krieges 1945 brannte das Gebäude nach einem Bombenangriff nieder, wurde aber wieder aufgebaut. Seit 1999 ist es ein Ausbildungs- und Tagungshotel.




sozial-Recht

Bundessozialgericht

Berufskrankheit wegen erlittener Traumata nicht ausgeschlossen




Notfallsanitäter im Einsatz
epd-bild/Steffen Schellhorn
Ein wegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung arbeitsunfähiger Rettungssanitäter hatte bislang keine Chance auf Anerkennung dieser Erkrankung als Berufskrankheit. Das könnte sich nun nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts ändern.

Kassel (epd). Die Bundesregierung und die gesetzlichen Unfallversicherungsträger dürfen bei der Anerkennung von Berufskrankheiten psychische Erkrankungen nicht ignorieren. Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) mit einem Beschluss vom 6. Mai klargestellt und einem an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) erkrankten, arbeitsunfähigen Rettungssanitäter Hoffnung auf Anerkennung seiner psychischen Erkrankung als Berufskrankheit und damit auch auf mögliche Rentenzahlungen gemacht. Erstmals haben die Kasseler Richter selbst eine Studie veranlasst, die die Frage klären soll, ob eine PTBS bei Rettungssanitätern häufiger auftritt als in der Allgemeinbevölkerung.

„Ein gewisser Signalwert“

Der Beschluss hat einen „gewissen Signalwert“ für psychische Erkrankungen als Berufskrankheit, sagte der Vorsitzende Richter des 2. BSG-Senats, Wolfgang Spellbrink. Man habe ein „gewisses Misstrauen“ gegenüber dem Unfallversicherungssystem, ob dieses psychische Erkrankungen als Berufskrankheiten als solche auch identifiziert.

Bei dem Kläger, einem früher beim Deutschen Roten Kreuz in Esslingen angestellten Rettungssanitäter, wurde 2016 nach einem Zusammenbruch eine PTBS diagnostiziert. Seitdem ist er arbeitsunfähig und leidet unter anderem an Depressionen. Ärzten zufolge geht die PTBS auf mehrere traumatische Rettungseinsätze zurück.

So musste der Mann 2009 nicht nur den Amoklauf an der Albertville Realschule in Winnenden und in Wendlingen miterleben, bei dem ein 17-Jähriger 15 Menschen und dann sich selbst erschossen hatte. 2014 wurde der Kläger zu einem Einsatz geschickt, bei dem eine Jugendlich sich selbst enthauptet hatte. Genau ein Jahr später tötete sich eine Freundin der Jugendlichen auf ähnlich grausame Weise. Auch hier wurde der Kläger als Rettungssanitäter eingesetzt.

Wie eine Berufskrankheit anzusehen

Die zuständige Unfallversicherung Bund und Bahn sah in der PTBS des Mannes keine Berufskrankheit. Es gebe keine gesicherten Erkenntnisse, dass eine PTBS bei Rettungssanitätern im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung deutlich häufiger vorkommt.

Was als Berufskrankheit gilt, wird in einer von der Bundesregierung in der Berufskrankheiten-Verordnung geführten Liste aufgeführt. Ist eine Berufskrankheit darin noch nicht aufgeführt, kann eine sogenannte Wie-Berufskrankheit vorliegen, so dass die Liste um diese später ergänzt wird. Ein ehrenamtlich beim Ministerium für Arbeit und Soziales tätiger Ärztlicher Sachverständigenbeirat gibt hierzu Empfehlungen, was nach wissenschaftlichen Erkenntnissen „wie“ eine Berufskrankheit anzusehen ist.

In der Liste der Berufskrankheiten sind psychische Erkrankungen noch gar nicht enthalten, erklärte das BSG. Die Anerkennung psychischer Erkrankungen - hier die PTBS - als „Wie-Berufskrankheit“ habe der Sachverständigenbeirat bislang weder geprüft noch beabsichtigt er bisher eine Prüfung.

BSG-Richter rügt Sachverständige

Der Sachverständigenbeirat entscheide relativ zufällig, bei welchen Erkrankungen er Empfehlungen zur Aufnahme in der Berufskrankheiten-Liste abgeben will, rügte Wolfgang Spellbrink, Vorsitzender Richter des 2. Unfallversicherungssenats.

„Es reicht nicht, die Hände in den Schoss zu legen“ und als Unfallversicherungsträger auf den Sachverständigenbeirat zu verweisen, sagte zudem BSG-Richter Hartwig Othmer. Die Unfallversicherungsträger müssten bei der Frage, ob bestimmte Erkrankungen in einzelnen Berufsgruppen als Berufskrankheit anzusehen sind, mitwirken. Studien würden aber gar nicht von der Unfallversicherung veranlasst. Die Träger dürften nicht darauf verweisen, dass es bei einer fehlenden Prüfung und damit fehlenden Erkenntnissen die Berufskrankheit nicht gibt.

Um die Frage zu klären, ob bei Rettungssanitätern eine PTBS generell gehäuft auftritt, hat nun das BSG das Verfahren vertagt und erstmals eine entsprechende Studie selbst veranlasst. Danach wird endgültig entschieden, ob diese psychische Erkrankung bei Rettungssanitätern wie eine Berufskrankheit anzuerkennen ist. Das BSG dürfe als Revisionsgericht zwar keine auf den Fall bezogenen individuelle Tatsachen feststellen. Dies sei Sache der Vorinstanzen. Allerdings dürfe das BSG generelle Tatsachen erheben, hier in Form einer Studie zu einer generellen Frage.

Mit der Frage, ob eine PTBS eine Berufserkrankung sein kann, hatte das BSG sich auch am 20. Juli 2010 im Fall eines Entwicklungshelfers beschäftigt. Der Mann wurde psychisch krank, nachdem er unter anderem in Westafrika in Bürgerkriegsländern eingesetzt wurde. Das Gericht betonte, dass es nicht ausgeschlossen sei, wenn psychische, traumatisierende Einwirkungen eine Berufskrankheit verursachen könnten. Den Streitfall verwies das BSG jedoch wegen formaler Verfahrensfehler wieder zurück.

Az.: B 2 U 11/20 R (Bundessozialgericht, Rettungssanitäter)

Az.: B 2 U 19/09 R (Bundessozialgericht, Entwicklungshelfer)

Frank Leth


Landessozialgericht

Treppensturz im Homeoffice kein Arbeitsunfall



Essen (epd). Beim Homeoffice sind Wege innerhalb der eigenen Wohnung nicht unfallversichert. Denn der eigentlich versicherte Arbeitsweg beginnt erst mit dem Durchschreiten der Haustür, entschied das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in Essen in einem am 5. Mai bekanntgegebenen Urteil.

Geklagt hatte ein Außendienstmitarbeiter aus dem Raum Aachen. Seine Verwaltungsaufgaben erledigte er im eigenen Haus. Um in Ruhe arbeiten zu können, hatte er ein Büro oberhalb der Wohnräume eingerichtet.

„Häuslicher Wirkungskreis“ nicht versichert

Im September 2018 stürzte er jedoch auf dem Weg von den Wohnräumen zu seinem Büro auf der im Haus befindlichen Wendeltreppe. Er erlitt einen Brustwirbeltrümmerbruch.

Bei der Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik beantragte er die Anerkennung des Sturzes als Arbeitsunfall. Die Berufsgenossenschaft lehnte dies jedoch ab. Der Sturz habe sich im unversicherten „häuslichen Wirkungskreis“ ergeben", so die Begründung.

Der Weg auf der Treppe zum Homeoffice, sei weder ein versicherter „Betriebsweg“ noch ein versicherter „Arbeitsweg“ gewesen, urteilte auch das LSG. Der Weg zur Arbeit beginne erst „mit dem Durchschreiten der Haustür“.

Revision eingelegt

Auch eine Unfallentschädigung als „versicherter Betriebsweg“ scheide aus. Denn ein Betriebsweg sei ein Weg zwischen verschiedenen versicherten Tätigkeiten. Hier habe sich der Außendienstler aber auf die Wendeltreppe begeben, „um seine versicherungspflichtige Tätigkeit im Homeoffice am Unfalltag erstmalig aufzunehmen“. Nach ständiger Rechtsprechung könne es „niemals innerhalb des Hauses beziehungsweise innerhalb der Wohnung“ einen Wegeunfall geben.

Der Kläger hat gegen das Urteil beim Bundessozialgericht in Kassel Revision eingelegt. Dort ist das Verfahren unter dem Aktenzeichen B 2 U 4/21 R anhängig.

Az.: L 17 U 487/19



Oberverwaltungsgericht

Kliniken müssen Betten frei halten für Corona-Notfälle



Berlin (epd). Covid-19-Patienten müssen im Notfall in Notfallkrankenhäusern auch unterkommen können. Jedenfalls in Berlin müssen Notfallkrankenhäuser und Notfallzentren nach den dort geltenden Landesbestimmungen für Covid-19-Patienten zur „Beseitigung eines Notstands“ Betten frei halten, entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg in Berlin in zwei am 4. Mai bekanntgegebenen Beschlüssen.

Die Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit hatte am 26. Januar 2021 eine Krankenhaus-Covid-19-Verordnung erlassen. Danach müssen Krankenhäuser bestimmte Ressourcen für Covid-Patienten frei halten. In Notfallkrankenhäusern besteht ein generelles Behandlungsverbot für nicht dringliche, planbare Eingriffe und Operationen.

Einnahmeausfälle und Liquiditätsengpässe

Mehrere Notfallkrankenhäuser wollten die entsprechenden Landesbestimmungen per Eilbeschluss kippen. Die in der Berliner Verordnung enthaltenen Reservierungs- und Freihaltequoten in Notfallkrankenhäusern und Notfallzentren hätten im bundesweiten Infektionsschutzgesetz keine ausreichende Grundlage. Es drohten zudem Einnahmeausfälle oder sogar Liquiditätsengpässe.

Doch das OVG winkte das verpflichtende Freihalten von Betten durch. Die Berliner Verordnung könne sich auf eine Ermächtigung im Infektionsschutzgesetz stützen, die „Schutzmaßnahmen“ erlaube. Dieser Begriff sei „umfassend und ermöglicht den Infektionsschutzbehörden ein möglichst breites Spektrum an geeigneten Maßnahmen“.

Finanzieller Ausgleich

Eng gesehen gehe es hier zwar nicht um den Schutz vor dem Virus, sondern um die Vermeidung oder Bewältigung eines Notstands bei der Versorgung. Aber auch die Behandlung und Isolation Infizierter trage dazu bei, eine Ausbreitung der Corona-Infektionen zu verhindern.

Erhebliche Einnahmeausfälle oder gar Liquiditätsengpässe hätten die Antragsteller nicht belegt. Für das Freihalten der Betten würden die betroffenen Krankenhäuser einen finanziellen Ausgleich erhalten. Da die Reservierungs- und Freihaltequoten alle Notfallkrankenhäuser gleichermaßen beträfen, sei auch nicht nachvollziehbar, dass hierdurch die Reputation der Antragstellerinnen bedroht sei.

Az.: 1 S 66/21 und 1 S 67/21



Oberverwaltungsgericht

Kein genereller Flüchtlingsstatus für Jesiden aus dem Irak



Münster (epd). Jesiden aus dem Distrikt Sindschar im Irak haben laut einem Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Nordrhein-Westfalen (OVG) keinen generellen Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung. Derzeit drohe ihnen keine Verfolgung als Gruppe mehr durch die Terrormiliz „Islamischer Staat“, erklärte das OVG am 10. Mai in Münster. Mit seiner Grundsatzentscheidung hob das Gericht anderslautende Urteile des Verwaltungsgerichts (VG) Düsseldorf auf.

Geklagt hatten den Angaben zufolge eine in Solingen lebende 19-jährige Jesidin aus dem Irak und ein alleinstehender 23-jähriger Mann aus Mülheim an der Ruhr. Das VG Düsseldorf hatte entschieden, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) ihnen wegen der Verfolgung der Gruppe der Jesiden in Sindschar durch den IS die Flüchtlingseigenschaft zuerkennen muss. Dagegen richteten sich Berufungen des Bundesamts.

Keine aktuelle Verfolgungsgefahr

Die Jesiden seien zwar 2014 vor einer drohenden Verfolgung wegen ihrer Religion aus ihrer Heimat geflohen, hieß es in der Begründung des Urteils. Derzeit sprächen aber „stichhaltige Gründe“ gegen eine erneute Verfolgung der Glaubensgemeinschaft in Sindschar durch den IS. Die tatsächlichen Verhältnisse im Irak und auch die Sicherheitslage in dem Distrikt hätten sich „maßgeblich verändert“. Der militärisch besiegte IS sei zwar als terroristische Organisation weiter aktiv, aber nicht so, dass jedem Jesiden aktuell Verfolgungsgefahr drohe, erklärte der 9. Senat.

Individuelle Verfolgungsgründe hätten die beiden Kläger nicht geltend gemacht, hieß es. Sie könnten auch nicht den subsidiären Schutzstatus beanspruchen. Die Sicherheitslage in dem Gebiet sei nicht so einzuschätzen, dass praktisch jede Zivilperson in Gefahr sei, Opfer einer Gewalttat zu werden.

Ob Jesiden aus Sindschar wegen anderer Gefahren Abschiebungsschutz beanspruchen könnten, müsse in jedem Einzelfall entschieden werden, erklärte das Oberverwaltungsgericht. Die 19-jährige Solingerin hatte diesen vom Bamf zuerkannt bekommen, dem 23-jährigen Mülheimer verwehrte das OVG nun diesen Status. Er könne in der Autonomen Provinz Kurdistan Schutz finden, wo die humanitäre Situation „nicht menschenrechtswidrig“ sei. Ob er tatsächlich abgeschoben werde, entscheide die örtliche Ausländerbehörde.

Der OVG-Senat hat die Revision in den Verfahren nicht zugelassen. Dagegen ist aber eine Nichtzulassungsbeschwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.

Az.: 9 A 1489/20.A und 9 A 570/20.A - I. Instanz VG Düsseldorf 13 K 2693/19.A und 16 K 4584/19.A



Arbeitsgericht

Unentgeltliches MAV-Ehrenamt eines Diakonie-Arztes wird bezahlt



Aachen (epd). Ein in einer diakonischen Klinik nebenberuflich angestellter und dort nur noch für die Mitarbeitervertretung (MAV) tätiger Arzt muss in dem Ehrenamtes nicht auf eine Vergütung verzichten. Denn besteht laut Arbeitsvertrag ein Arbeitsverhältnis, tritt die Regelung im kirchlichen Mitarbeitervertretungsgesetz, welches die MAV-Tätigkeit als unentgeltliches Ehrenamt vorsieht, zurück, entschied das Arbeitsgericht Aachen in einem am 5. Mai bekanntgegebenen Urteil. Dies gelte auch dann, wenn der Arzt in seinem Nebenberuf in der Klinik freigestellt und nur noch für die MAV tätig wird.

Im Streitfall ging es um einen Gefäßchirurgen einer diakonischen Klinik. Als der Klinikbetreiber ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) errichtete, suchte dieser hierfür ärztliches Personal. Der Gefäßchirurg, der in der Klinik auch Vorsitzender der dortigen MAV war, erklärte sich bereit, zum MVZ zu wechseln. Er verlangte jedoch, dass er neben seiner Vollzeitbeschäftigung im MVZ weiter in der Klinik nebenbeschäftigt wird und seine MAV-Tätigkeit ausüben könne.

Neuer Klinikchef wollte sparen

Der Krankenhausträger und der Arzt vereinbarten daraufhin die schrittweise Reduzierung der Arbeitszeit. Für die verbliebene Arbeitszeit wurde er dann für die MAV-Tätigkeit freigestellt.

Als der Vorstandsvorsitzende des Klinikbetreibers wechselte, wollte dieser die Vergütung des Arztes in Höhe von zuletzt 8.678 Euro monatlich sparen. Es handele sich gar nicht um einen Arbeitsvertrag, sondern vielmehr nur um eine Vereinbarung, die die MAV-Tätigkeit vergüten solle.

Solche Regelungen seien aber nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz nichtig, so die Klinik. MAV-Mitglieder dürften wegen ihres Ehrenamtes nicht bezahlt werden.

Vorrang vor kirchlichem Arbeitsrecht

Der Mediziner klagte vor Gericht. Die geschlossene Vereinbarung sei ein Arbeitsvertrag gewesen. Danach stehe ihm die darin enthaltene Vergütung zu.

Das Arbeitsgericht urteilte, dass der Gefäßchirurg in einem Arbeitsverhältnis mit der Klinik steht. Er habe Anspruch auf ausstehenden Lohn in Höhe von 51.898 Euro. Zwar sehe das Mitarbeitervertretungsgesetz für die MAV-Tätigkeit vor, dass diese unentgeltlich erfolge. Hier habe es sich aber nicht um eine Vereinbarung zur Entlohnung der MAV-Tätigkeit gehandelt, sondern um einen Arbeitsvertrag mitsamt geregelter Stundenzahl.

Mit Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stellten die Aachener Richter klar, dass der privatautonom abgeschlossene Arbeitsvertrag Vorrang vor kirchliche Arbeitsrechtsregelungen habe. Die Vorschrift zur unentgeltlichen MAV-Tätigkeit im Mitarbeitervertretungsgesetz sei „Bestandteil der kirchlichen Ordnung, deren Aufrechterhaltung nicht Aufgabe der staatlichen Arbeitsgerichte“ sei.

Az.: 6 Ca 3433/20



Gerichtshof für Menschenrechte

Verweigerung des Wahlrechts von geistig Behinderten rechtens



Brüssel, Straßburg (epd). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat eine Klage aus Spanien abgewiesen, mit der eine Frau für ihre geistige behinderte Tochter das Wahlrecht erstreiten wollte. Die Verweigerung des Wahlrechts sei legitim gewesen, da die Betroffene die Folgen ihres Handelns nicht erfasst hätte, urteilte der EGMR am 11. Mai in Straßburg.

Die spanischen Behörden hatten der geistig Behinderten das Wahlrecht verweigert. Ihre Mutter, gleichzeitig ihr Vormund, klagte vor verschiedenen Gerichten erfolglos dagegen.

Der EGMR erkannte nun die Begründung der spanischen Justiz an. Es sei legitim, das Wahlrecht auf die Bürger zu beschränken, die die Folgen ihrer Handlungen abschätzen und „bewusste und umsichtige Entscheidungen“ fällen könnten. Die Frau verstehe den Sinn einer Wahl nicht und sei leicht zu beeinflussen.

Az.: 43564/17




sozial-Köpfe

Hochschulen

Anika Albert ist Juniorprofessorin für Diakoniewissenschaft




Anika Albert
epd-bild/StefanieSchneider
An der Kirchlichen Hochschule Wuppertal/Bethel hat eine neue Professorin ihren Dienst angetreten: Anika Albert hat den Lehrstuhl für Diakoniewissenschaft übernommen.

Wuppertal (epd). Anika Christina Albert ist seit 1. Mai Juniorprofessorin am Institut für Diakoniewissenschaft und Diakoniemanagement (IDM) am Standort Bethel. „Diakonie ist Wesens- und Lebensäußerung der Kirche“, sagt sie. „Um das immer wieder neu zu verstehen, braucht es eine offene und kritische Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen und Entwicklungen wie der Digitalisierung, dem demografischen Wandel oder auch der Corona-Pandemie.“

Albert studierte Evangelische Theologie und Diakoniewissenschaft in Marburg und Heidelberg und absolvierte den Masterfernstudiengang „Management von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen“ an der TU Kaiserslautern und der Universität Witten/Herdecke. Nach Vikariat, Zweitem Theologischen Examen und Ordination ist sie Pfarrerin der Evangelischen Kirchen Kurhessen-Waldeck und seit 2011 mit ehrenamtlichem Pfarrdienst beauftragt.

2009 wurde sie am Diakoniewissenschaftliche Institut in Heidelberg mit einer diakonietheologischen Dissertation zum Thema „Helfen als Gabe und Gegenseitigkeit“ promoviert. Hier arbeitete Albert als akademische Mitarbeiterin und war von 2011 bis 2014 auch als Dozentin für Systematische Theologie und Ethik an der Evangelischen Hochschule Freiburg tätig. Außerdem nahm sie weitere Lehraufträge wahr und engagierte sich in verschiedenen europäischen Forschungsprojekten. Seit 2014 ist sie Fellow im Margarete von Wrangell-Habilitationsprogramm für Frauen und forscht hier zum Thema „Menschenwürde und Lebensqualität. Perspektiven theologischer Ethik auf Alter, Demenz und Technik“.



Weitere Personalien



Barbara Titze ist seit Anfang Mai neue Leiterin des LWL-Pflegezentrums Lengerich. Die gebürtige Lünenerin war zuletzt Einrichtungsleitung einer Fachklinik auf Borkum und zuvor viele Jahre als Diplom-Sozialpädagogin und Qualitätsmanagementbeauftragte dort tätig. André Slaar ist neuer Pflegedienstleiter. Der 50-Jährige kennt den Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) als Arbeitgeber bereits, denn seit 2004 war er pflegerische Stationsleitung in der LWL-Maßregelvollzugsklinik Rheine. Nebenberuflich studiert er Pflegemanagement.

Daniela Hottenbacher (30) ist neue Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ). Die Physiotherapeutin und Studentin bildet den Vorstand des Dachverbandes der katholischen Jugendverbände in Deutschland zusammen mit Gregor Podschun und Bundespräses Stefan Ottersbach. Hottenbacher studiert Soziale Arbeit und Sport in Mainz. Dort engagiert sie sich ehrenamtlich als Vorsitzende des BDKJ-Diözesanverbandes. Das Amt war nach dem Ausscheiden von Katharina Norpoth ein Jahr lang unbesetzt gewesen. Der Dachverband hat bundesweit 660.000 Mitglieder.

Michael Schmidt (57) wird am 15. Mai mit einem Gottesdienst in sein Amt als Düsseldorfer Diakoniepfarrer eingeführt. Er ist Nachfolger des nach München gewechselten Thorsten Nolting. Schmidt hat bereits im Februar seine Arbeit als Vorstandsvorsitzender der Düsseldorfer Diakonie aufgenommen. Schmidt war zuvor theologischer Vorstand der Stiftung Friedehorst, einer diakonischen Einrichtung in Bremen. Er studierte Theologie in Bielefeld-Bethel, Kiel und Marburg und absolvierte ein Vikariat in Paderborn. Dort arbeitete er zehn Jahre lang als Gemeindepfarrer, bevor 2005 nach Bremen wechselte.




sozial-Termine

Veranstaltungen bis Juli



Wir haben Tagungen, Seminare, Workshops und Webinare aufgelistet, die aktuell geplant sind. Wegen der Corona-Epidemie sagen Veranstalter allerdings Termine auch kurzfristig ab. Wir bitten unsere Leserinnen und Leser, dies zu beachten.

Mai

18.5.:

Online-Seminar „Arbeit mit schwer erreichbaren Kindern und Jugendlichen in Zeiten digitaler Kommunikation“

der Paritätischen Akademie Berlin

Tel.: 030/275828227

27.5.:

Online-Kurs: „Die Schnittstelle Eingliederungshilfe - Pflege gestalten“

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 0172/3012819

Juni

7.6.:

Online-Seminar: „Betriebsverfassungsrecht und Beteiligungsrechte des Betriebsrates“

der Paritätischen Akademie Berlin

Tel.: 030/275828217

7.-8.6:

Online-Fortbildung: „So kann man doch nicht leben!?“ Vermüllt und verwahrlost - Was tun?"

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 0172/3012819

7.-10.6. Freiburg

Fortbildung „Konfliktmanagement als Führungsaufgabe“ der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes

8.6.:

Webinar „Erfolgreiche Förderanträge schreiben“

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356159

10.6.:

Online-Seminar „Spenden und Sponsoring - steuerliche Regelungen“

der Paritätischen Akademie Süd

Tel.: 0711/286976-10

10.-11.6.: Paderborn:

Seminar „Moderations- und Leitungskompetenz für Konferenzen, Arbeitsteams und Projektgruppen“

der In VIA Akademie

Tel.: 05251 2908-38

14.-15.6.:

Online-Seminar „Sozialberatung für EU-BürgerInnen“

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 0174/3473485

21.6.:

Online-Fortbildung „Wirksame Führung im 21. Jahrhundert“

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 0173/2637308

21.-23.6. Hannover:

Fortbildung „Wirksame Führung im 21. Jahrhundert“ der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 0173/2637308

22.6. Berlin: Seminar „Die Stiftungsgeschäftsführung: Rechte, Pflichten und Gestaltungsspielräume“

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356-159

28.6.-2.7.:

Fortbildung „Moderations- und Leitungskompetenz für Konferenzen, Arbeitsteams und Projektgruppen“

der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0761/200-1700