München (epd). Katharina Bürger leitet am Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung des LMU-Klinikums München die Gedächtnisambulanz. Mit der Ärztin, die außerdem Vorsitzende der Alzheimer Gesellschaft München e.V. ist, sprach Susanne Schröder über den herausfordernden Alltag von Alzheimer-Patienten und ihren Angehörigen.
epd sozial: Was hilft Alzheimer-Betroffenen und ihren Angehörigen im Alltag?
Katharina Bürger: Alzheimer führt zu Veränderungen im Alltag mit dem Betroffenen, und das führt häufig zu Spannungen in den Beziehungen. Deshalb müssen Angehörige sich informieren, um die Krankheit zu verstehen. Alzheimer knipst nicht das ganze Gehirn auf einmal aus. Manche Bereiche funktionieren gut, während sich in anderen Defizite zeigen. Die Patienten möchten ihren Alltag selbst gestalten - für die Angehörigen ist das oft eine Gratwanderung zwischen Unter- und Überforderung. Es ist ein Glück, wenn sie gemeinsam mit dem Patienten herausfinden: Das kannst du, aber dort brauchst du zur Sicherheit Unterstützung. Wenn Angehörige sich darauf nicht einlassen, verpassen sie womöglich den Zeitpunkt, an dem man handeln muss, weil einer von beiden unglücklich wird oder der Patient in Gefahr gerät.
epd: Wo bekommen Angehörige Hilfe?
Bürger: Die Alzheimer Gesellschaften bieten eine Fülle von Informationen und Beratungen an. Und es gibt eine breite Palette von Angeboten zwischen „daheim“ und „im Heim“, vor allem in den Städten. Wohlfahrtsverbände und Alten-Service-Zentren bieten exzellente ambulante Angebote. Demenzhelfer entlasten Angehörige durch regelmäßige Besuche im Alltag. Leider dauert es oft zu lange, bis Angehörige diese Angebote annehmen. Das ist bedauerlich, denn dann entgeht dem Betroffenen unter Umständen eine Menge Freude und Abwechslung, was für eine positive Beeinflussung des Krankheitsverlaufes wichtig ist.
epd: Für viele sind Demenzerkrankungen wie Alzheimer ein Schreckensgespenst. Welche Sicht auf die Krankheit wäre Ihnen lieber?
Bürger: Ich finde es ganz normal, Angst vor Alzheimer zu haben. Ich möchte ja auch nicht an Krebs erkranken. Alzheimer hat aber - anders als andere Formen von Demenz - einen eher langsamen Verlauf. Die Betroffenen können noch Jahre am Alltag teilhaben, sozial schwierige Persönlichkeitsveränderungen sind selten. Vielleicht steckt hinter der Angst auch die Frage, ob man eine schwere Krankheit als Kränkung betrachtet. Ein Drittel des Demenzrisikos ist modifizierbar - durch Prävention kann man den Krankheitsbeginn nach hinten verschieben. Aber Alzheimer und Demenz bleiben dennoch immer ein Schicksalsschlag: Es kann jeden treffen. Wie bei anderen Krankheiten ist es hilfreicher, die Diagnose Alzheimer zu akzeptieren, als lange damit zu hadern - denn das nützt nichts.