Bonn (epd). Für die neue Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die westfälische Präses Annette Kurschus, ist „nichts langweiliger und belangloser als das Geplapper von Alltagsplätzen“. Worte könnten berühren und Leben vermitteln, sagte die Theologin bei ihrer Ehrung mit dem Ökumenischen Predigtpreis 2021 am 17. November in Bonn. Sie warb dafür, auch in kurzen Ansprachen und Grußworten „auf die Kraft des Wortes zu vertrauen“. Vor allem das Fremde, das Unerwartete rege an.
„Was man wirklich hört, das geht ins Herz“, erklärte Präses Kurschus, die vor einer Woche zur obersten Repräsentantin der deutschen Protestanten gewählt worden war. Für sie fange Predigen immer mit dem Zuhören an. Sie habe das früh als Kind in der Familie, bei der Oma und im Kindergottesdienst erfahren dürfen. „Mir Zeit zu nehmen für das Zuhören, was Menschen erzählen, hat mich geprägt und ist bis heute ein grundlegender Teil meiner Freude zu predigen.“
Präses Kurschus wurde für ihr Lebenswerk als Predigerin ausgezeichnet. Der Vorsitzende der Jury, der Bonner Theologieprofessor Eberhard Hauschildt, sagte, Kurschus' Art zu predigen sei „vorbildlich nicht nur für den Gottesdienst der Gemeinde, sondern für eine breite Öffentlichkeit“.
In der Kategorie „Beste Predigt“ ging die Auszeichnung in diesem Jahr an den Kieler Pfarrer Marco Voigt für seine Antrittspredigt 2019 als evangelischer Radiopastor beim NDR. Die Jury verbinde mit dieser Auszeichnung auch die Wertschätzung der Kurzandachten im Radio und darüber hinaus, sagte Hauschildt. Laut Voigt müssen sich Humor und Tiefgang in einer Predigt nicht ausschließen. Gerade die Radioandacht sei eine Übung, für Menschen zu predigen, „die man nicht kennt und nicht sieht und ihnen doch beim Frühstück oder auf dem Weg zur Arbeit ganz nahe sein kann“.
Der Ökumenische Predigtpreis wurde 2000 erstmals vergeben. Der undotierte Preis, der jährlich am Buß- und Bettag verliehen wird, soll die Redekunst in den Kirchen fördern. Bisherige Preisträger waren unter anderen der Kabarettist Hanns Dieter Hüsch, der Rhetorik-Professor Walter Jens (Tübingen), der Schweizer Dichter und Pfarrer Kurt Marti, die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann, der katholische Politiker Norbert Lammert sowie der evangelische Theologe und Publizist Jörg Zink.
Frankfurt a.M. (epd). Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, sieht keinen Grund, das Wort „Gott“ zu gendern. Gott könne nicht auf ein Geschlecht festgelegt werden, sagte Kurschus im Interview der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Aus ihrer Sicht sei die Anrede „Gott“ offen genug.
Diese Offenheit werde schon in der Bibel deutlich, indem für Gott unterschiedliche Schreibweisen und Namen verwendet würden, erklärte die neue EKD-Ratsvorsitzende. Martin Luther habe dann das hebräische Tetragrammn JHWH mit den vier Großbuchstaben HERR übersetzt. Damit habe Luther aber keinen Mann gemeint, „sondern das ist eine genderübergreifende Machtansage“.
Was das Gendern insgesamt angehe, bemühe sie sich darum, alle anzusprechen, sagte Kurschus. „Wichtig ist mir, dass ich durch meine Anrede niemanden ausschließe.“ Dazu erklärte sie: „Ich variiere und experimentiere. In der Regel kombiniere ich weiterhin die weibliche und die männliche Aussprache. Inzwischen benutze ich auch manchmal das Sternchen, mache also eine kurze Pause beim Sprechen.“
Bochum/Hildesheim (epd). Die Corona-Pandemie hat für die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche (EKD), Annette Kurschus, in besonderer Weise die Bedeutung von Trost und Hoffnung angesichts von Angst, Not und Sterben vor Augen geführt. „Selten haben wir so hautnah gespürt: Wir brauchen Trost und Hoffnung so nötig wie die Luft zum Atmen und das tägliche Brot“, sagte Kurschus am 21. November in einem Gottesdienst zum Ewigkeitssonntag in Bochum-Wattenscheid. An diesem stillen Feiertag, häufig auch als Totensonntag bezeichnet, gedenken die evangelischen Christen der Verstorbenen des zurückliegenden Jahres, bevor eine Woche später am Ersten Advent das neue Kirchenjahr beginnt.
Im vergangenen Jahr sei die Verzweiflung so vielfältig gewesen, dass sie viele Tränen des Kummers, der Angst, der Ohnmacht und des Zorns gesehen habe, auch Tränen über den Tod geliebter Menschen, erklärte die leitende Theologin der Evangelischen Kirche von Westfalen. Der Tod bleibe fremd und Sterben sei immer ein Ausnahmezustand, während der Corona-Pandemie habe es aber „noch Schlimmeres“ gegeben, nämlich den einsamen Tod: „Wir haben erlebt, wie schrecklich es ist, wenn keiner da ist, der trösten kann, wenn Kranke in völliger Isolation, mutterseelenallein, um ihr Leben kämpfen.“
Trauerfeiern seien „sang- und klanglos ohne Lied“ und Angehörige bei Beerdigungen auf Abstand geblieben, beklagte die 58-jährige Theologin: „Es war zum Schreien, es war zum Heulen, es war zum Verzweifeln.“ Gott habe jedoch „Spuren der Hoffnung in unsere Welt“ gelegt. Formen und Rituale wie gemeinsames Feiern, Beten und Gedenken seien ein kostbarer Schatz, durch den die Lebenden Trost schöpfen und die Hoffnung neu in ihre Herzen „einpflanzen“ könnten. Angst, Trauer und Einsamkeit könnten „Gott ans Herz“ gelegt werden.
Im Anschluss an den Gottesdienst wurden auf dem Evangelischen Friedhof Wattenscheid mehrere „Bäume der Hoffnung“ gepflanzt. Mit der Aktion gedenken Gemeinden in der gesamten westfälischen Landeskirche der Menschen, die in der Pandemiezeit gestorben sind. „Die Bäume werden wachsen und auch künftige Generationen daran erinnern, was wir im Augenblick durchmachen“, sagte Präses Kurschus. „Sie geben unseren Toten ein sichtbares, hoffnungsvolles Gedenken.“
Auch in einem vom ZDF übertragenen Fernsehgottesdienst wurde besonders der Verstorbenen der Corona-Pandemie gedacht. „Dieses Jahr hat uns Menschen genommen, und die Pandemie hat uns riesige Fragen hinterlassen“, sagte der hannoversche Landesbischof Ralf Meister in der Hildesheimer Michaeliskirche. Dazu spanne die Pandemie „unsere Gesellschaft zwischen Gemeinwohl und Egoismus bis an die Grenzen“.
Meister, der auch Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) ist, rief dazu auf, „aus der Hoffnung, nicht aus der Verzweiflung“ zu leben. Er betonte, dass Tod und Trauer nicht nur Schmerz bedeuteten, sondern auch neue Perspektiven erschließen könnten. Der Bischof verwies auf den Tod Jesu, der den Menschen den Blick geöffnet habe für „unglaubliche Sehnsuchtsräume“, die auch den Menschen in der Gegenwart eine Kraftquelle sein könnten, um Veränderung zu wagen. Die aktuellen Krisen zeigten, dass neu und anders über die Zukunft der Welt nachgedacht werden müsse.
Hannover (epd). Die Auslandsbischöfin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Petra Bosse-Huber, hat die schnelle Aufnahme von Flüchtlingen gefordert, die an der polnisch-belarussischen Grenze ausharren. „Die Staaten der Europäische Union müssen die Menschen unverzüglich aufnehmen, denn der Winter ist bereits da und ihnen droht der Tod durch Erfrieren“, erklärte die Auslandsbischöfin am 18. November in Hannover.
Seit Monaten versuchen Flüchtlinge, über Belarus in die EU zu gelangen. Ihre Zahl hat sich zuletzt deutlich erhöht. EU-Spitzenpolitiker werfen dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, die Menschen mit Versprechungen einer leichten Einreise anzulocken und dann an die Grenze zu den EU-Mitgliedstaaten Polen, Litauen oder Lettland zu schleusen. Nach Medienberichten sitzen Tausende Flüchtlinge und Migranten im Grenzgebiet fest. Auf polnischer Seite ist das Grenzgebiet zur Sperrzone erklärt worden. Hilfsorganisationen, Ärzte, unabhängige Medien und Menschenrechtsorganisationen haben keinen Zugang.
„Menschen sind keine Waffen“, betonte Bosse-Huber. Europa solle auf die Erpressungsversuche nicht reagieren, indem es selbst Recht und Humanität über Bord werfe.
Die EKD veröffentlichte einen gemeinsamen Appell mit der Arbeitsgruppe „Christliche Vision“ des Koordinierungsrates für Belarus mit vier Forderungen. Die Menschen im polnisch-belarussischen Grenzgebiet müssten sofort humanitäre Hilfe erhalten. Zudem müsse die polnische Regierung geltendes Recht einhalten, wie die Menschenrechte und das Verbot von Push-Backs. Das europäische Asylrecht müsse gewahrt werden. Außerdem brauche die EU Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit in der Flüchtlingspolitik, dazu gehöre die solidarische Aufnahme und Verteilung von Schutzsuchenden.
Düsseldorf (epd). Die Staatsanwaltschaft Köln wirft dem bereits angeklagten katholischen Priester U. zwei weitere Fälle des sexuellen Missbrauchs an einer Minderjährigen vor. Wie das Landgericht Köln am 16. November erklärte, hat die Staatsanwaltschaft eine weitere Anklage wegen sexuellen Missbrauchs an einem elfjährigen Mädchen erhoben, darunter ein schwerer Fall (AZ: 261 Js 261/21). Die beiden Taten sollen im Januar 2011 stattgefunden haben.
Am 23. November wird vor dem Landgericht die Hauptverhandlung gegen den 70-jährigen U. eröffnet (AZ: 102 KLs 17/20). Ihm wird vorgeworfen, von Sommer 1993 bis Ende 1999 in insgesamt 31 Fällen sexuelle Übergriffe an seinen drei Nichten begangen zu haben. In dem Zeitraum sei U. Seelsorger in Gummersbach gewesen. Die 2. Große Strafkammer prüft laut Landgericht nun, ob die neue Anklage mit dem bereits anhängigen Verfahren gemeinsamen verhandelt werden kann.
Die Nichten des Beschuldigten waren den Angaben zufolge zur Zeit der mutmaßlichen Übergriffe zwischen 7 und 13 Jahre alt. Unter den 31 angeklagten Fällen des sexuellen Missbrauchs an den Kindern sind auch drei schwere Fälle. U. soll laut Anklage „Beischlaf oder beischlafähnliche Handlungen“ an seinen Nichten begangen haben. Die häufigsten Anklagevorwürfe gegen U. beziehen sich auf Berührungen und Manipulationen der Mädchen an Brust, Po und im Genitalbereich. U. war bis 2019 im Erzbistum Köln tätig.
Im Zusammenhang mit dem innerkirchlichen Umgang mit dem Fall U. steht auch der jetzige Hamburger Erzbischof Stefan Heße in der Kritik. Der katholische Theologe war von 2006 bis 2012 Hauptabteilungsleiter im Bereich Personal Seelsorge im Erzbistum Köln und danach bis 2014 Generalvikar unter dem damaligen Kölner Erzbischof und Kardinal Joachim Meisner. Heße hatte dem Papst wegen Verfehlungen im Umgang mit Missbrauchsfällen im Erzbistum Köln seinen Rücktritt angeboten. Franziskus lehnte das Gesuch Heßes im September allerdings ab.
Köln (epd). Begleitet von Kritik hat der Kölner Weihbischof Rolf Steinhäuser einen sogenannten Bußgottesdienst für Opfer sexualisierter Gewalt durch Geistliche abgehalten. „Von Priestern und weiteren kirchlichen Mitarbeitern unseres Bistums ist eine große Zahl von Verbrechen sexualisierter Gewalt an Kindern, Jugendlichen und Schutzbefohlenen verübt worden“, sagte der Apostolische Administrator des Erzbistums am 18. November im Kölner Dom. Angehörige katholischer Reformgruppen und einige der Betroffenen kritisierten den Gottesdienst als einseitige Aufarbeitung.
Steinhäuser, der den Kölner Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki während dessen Auszeit vertritt, beschrieb seine Rolle als „Chef der Täterorganisation Erzbistum Köln“. Er bekannte, er habe lange Zeit an Einzelfälle geglaubt und die Tatsachen nicht wahrhaben wollen. „Ich habe versucht, diese Kirche zu schützen. Ich habe die Betroffenen nicht im Blick gehabt. Das ist mein Versagen und meine Sünde“, erklärte er.
Die katholische Laienbewegung „Wir sind Kirche“ kritisierte den „Bußgottesdienst“ als „erneutes kommunikatives Versagen“, das viele Betroffene ausgeschlossen und vor den Kopf gestoßen habe. Ein Bußgottesdienst könne Sinn machen, „wenn den frommen Worten ebenso ernsthafte Taten vorausgegangen sind oder folgen würden“. Das sei aber nicht der Fall. „Dieser Bußgottesdienst spaltet statt zu versöhnen“, erklärte die Organisation. Er missbrauche einen Betroffenenbeirat, aus dem die kritischen Mitglieder lange ausgetreten seien.
Der Sprecher des Betroffenenbeirats, Peter Bringmann-Henselder, erklärte hingegen: „Es war uns wichtig, dass die Folgen des sexuellen Missbrauchs für Betroffene sichtbar werden. Die auf sich geladene Schuld von Verantwortlichen und Tätern musste deutlich zur Sprache kommen.“ Deshalb habe der Beirat sich an der Gestaltung des Gottesdienstes beteiligt. Das klare Bekenntnis der Schuld könne auch als ein Zeichen an die vielen Ordensgemeinschaften gesehen werden, sich ihrer Verantwortung ebenfalls zu stellen. „Denn leider ist von diesen Institutionen die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs bisher kaum in Angriff genommen worden“, sagte Bringmann-Henselder.
Die Diskussion über die Verantwortung der Kirche sei mit dem „Bußgottesdienst“ keineswegs beendet, betonte Steinhäuser. Sexuelle Gewalt gebe es auch heute.
Mit dem Gottesdienst wollte das Bistum ein liturgisches Zeichen setzen. Dafür wurde der „Europäische Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch“, der seit 2015 am 18. November begangen wird, gewählt. Zugelassen waren nur 230 geladene Gäste, um einen geschützten Rahmen für die Betroffenen zu schaffen. Im Gottesdienst wurden die Vornamen von Betroffenen verlesen und zum Gedenken für jeden von ihnen eine Kerze aufgestellt.
Der Gottesdienst als Form der Aufarbeitung war schon zuvor umstritten. Ein Teil der Betroffenen lehnte eine Teilnahme ab, weil sie eine Instrumentalisierung und eine Re-Traumatisierung fürchteten. Nicht die Opfer, sondern die Täter hätten die Pflicht, Buße zu leisten, hatte Patrick Bauer, früherer Sprecher des Betroffenenbeirats, im Vorfeld erklärt. Die katholische Reformgruppe „Maria 2.0“ demonstrierte mit Plakaten vor dem Dom.
Berlin (epd). Irme Stetter-Karp wird Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). Die 65-Jährige wurde am 19. November auf der Vollversammlung des ZdK in Berlin mit 149 von 190 abgegebenen Stimmen zur Nachfolgerin von Thomas Sternberg gewählt. Sternberg war sechs Jahre im Amt. Stetter-Karp ist die zweite Frau an der Spitze des ZdK. Von 1988 bis 1997 war die CDU-Politikerin Rita Waschbüsch die erste Vorsitzende des ZdK. Stetter-Karps Gegenkandidat war der katholische Unternehmer Ulrich Hemel (65). Er erhielt 41 Stimmen.
Stetter-Karp, promovierte Sozialwissenschaftlerin, ist keine Unbekannte im ZdK. Als gewählte Einzelpersönlichkeit ist sie unter anderem Mitglied des Hauptausschusses. Als Delegierte der Synodalversammlung begleitet sie auch den Reformprozess Synodaler Weg der katholischen Kirche in Deutschland.
Stetter-Karp war lange in der Diözese Rottenburg-Stuttgart tätig und leitete dort zuletzt die Hauptabteilung Caritas im bischöflichen Ordinariat. Im September 2020 ging sie in den Ruhestand. Seit November 2020 ist sie die Präsidentin des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge. Der Verein ist das Forum aller Akteure der sozialen Arbeit, der Sozialpolitik und des Sozialrechts in Deutschland. Zudem ist die 1956 in Ellwangen geborene Stetter-Karp noch bis 2022 Vizepräsidentin des Deutschen Caritasverbands.
Mit dem Amt der Präsidentin ist gleichzeitig auch die Co-Präsidentschaft im Synodaler Weg verbunden. Stetter-Karp wird neben dem Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, Präsidentin des Synodalen Wegs.
Der scheidende Präsident Thomas Sternberg hatte zuvor in seinem letzten Bericht zur Lage für 24 Jahre im ZdK gedankt. Er sagte, ihn bewege die schwache Wahrnehmung der politischen Positionierungen und Debattenbeiträge und auch der weitgehende Ausfall der Frage nach dem Trost des Glaubens in der Corona-Pandemie. „Es muss uns beunruhigen, wenn wir als Katholiken nur noch abgehandelt werden unter der Frage der Gottesdienste für uns als gesellschaftliche Gruppe“, sagte er.
Berlin (epd). Nur drei von 47 Kirchenoberhäuptern in Deutschland sind laut der Deutschen Umwelthilfe (DUH) nicht klimaschädlich unterwegs. Das hat der achte Dienstwagen-Check der DUH unter den leitenden Geistlichen von evangelischer und katholischer Kirche ergeben. Durchschnittlich stießen deren Dienstwagen im Realbetrieb 190 Gramm CO2 pro Kilometer aus und damit genau das Doppelte des EU-weit vorgeschriebenen Flottengrenzwerts von 95 Gramm, kritisierte die Umwelthilfe am 17. November in Berlin. Ein wesentlicher Grund für das schlechte Ergebnis seien die sogenannten Plug-in-Hybride. Rund ein Drittel der Befragten fahre ein solches Auto, das im realen Fahrbetrieb deutlich mehr Kohlendioxid (CO2) ausstoße als vom Hersteller angegeben.
Von den 47 Kirchenoberhäuptern erhielten 44 eine Rote und drei eine Grüne Karte für die Wahl ihres Dienstwagens. Die Spitzenposition hält Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst von der Evangelischen Kirche der Pfalz mit einem VW ID3 und einem realen CO2-Ausstoß von 56 Gramm pro Kilometer. Auf Platz zwei und drei folgen Nordkirchen-Bischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt (90 Gramm) und Bischof Ralf Meister von der Landeskirche Hannovers (92 Gramm). Beide fahren einen Audi e-tron.
Schlusslicht ist der katholische Bischof Georg Bätzing vom Bistum Limburg. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz fährt einen Diesel-Audi A8 mit einem realen CO2-Ausstoß von 258 Gramm. Die beiden vorletzten Plätze im Ranking teilen sich Kirchenpräsident Volker Jung von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau mit einem BMW 545 xDrive und 248 Gramm CO2-Ausstoß und der Münchner Kardinal Reinhard Marx mit einem BMW 745 Le xDrive iPerformance und 252 Gramm. Beide Wagen sind Plug-in-Hybride, das heißt ein Mix aus Benziner und Elektro.
Die neue Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Annette Kurschus von der Evangelischen Kirche von Westfalen, steht mit einem Plug-in-Hybrid-BMW 745e iPerformance und 212 Gramm auf Rang 27. Ihr Vorgänger im Amt, der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, erreicht Rang 41 mit einem Plug-in-Hybrid-BMW 745 Le xDrive. Dieser pustet 241 Gramm CO2 pro Kilometer raus.
Befragt wurden nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe Erzbischöfe, Bischöfinnen und Bischöfe sowie die geistlichen Würdenträgerinnen und Würdenträger der obersten Leitungsebene. Davon sind 27 römisch-katholisch und 20 protestantisch. Keine Angaben kamen von den Bistümern Görlitz und Regensburg.
Eine Grüne Karte bekommt, wer den gesetzlichen Grenzwert von 95 Gramm nicht reißt, die Gelbe Karte für einen Ausstoß von 96 bis 113 Gramm, die Rote ab 114 Gramm. Gelbe Karten wurden dieses Mal gar nicht vergeben.
Gerade die Kirchen trügen eine gesellschaftliche Verantwortung zur Bewahrung der Schöpfung, erklärte die stellvertretende DUH-Geschäftsführerin Barbara Metz. Die Landeskirchen und Bistümer müssten spritsparende und emissionsarme Antriebsarten bei ihren Dienstwagen verpflichtend vorgeben. „Die Kirchenoberhäupter können damit ein glaubhaftes Zeichen für mehr Klimaschutz setzen“, sagte Metz.
Magdeburg (epd). Niedrigschwellig, inklusiv und einfach: Mit diesem Konzept will ein neuer Streamingdienst zu einem der Platzhirsche auf dem deutschen Markt werden. Wer jedoch an Netflix, Amazon Prime Video oder Disney Plus denkt, irrt. Es geht um eine andere Zielgruppe: Gottesdienstbesucher und an der Thematik Interessierte. Seit rund zwei Wochen ist die Online-Plattform unsergottesdienst.de online - inzwischen streamen dort 30 Kirchen aus sieben Bundesländern ihre Gottesdienste.
Die Idee hinter dem Angebot ist simpel: einen offenen und inklusiven Zugang ohne große Hürden zu Kirche schaffen. Ein Bereich, in dem Wytze Kempenaar und seine Kollegen von unsergottesdienst.de Nachholbedarf sehen: „Kirche ist häufig ein Gebäude mit geschlossenen Türen, Hinweise auf Gottesdienste finden sich auf Plakaten oder Internetseiten, aber ich kann nicht einfach mal reinschauen. Es gibt immer eine bestimmte Schwelle, die aktiv übertreten werden muss.“
Und dann seien da noch die älteren Menschen, die es nicht mehr in ihre Gemeinden schafften. Damit auch sie an Gottesdiensten teilnehmen können, könnten, brauche es häufig Ehrenamtliche, die mit einfachen technischen Mitteln eine Übertragung ins Netz ermöglichen. Unsergottesdienst.de will an dieser Stelle ansetzen und einen professionalisierten Auftritt mit einem geringen Aufwand für Kirchengemeinden schaffen, wie Kempenaar sagt. Damit soll gleichzeitig aber auch eine jüngere Zielgruppe angesprochen werden: Menschen, die nicht mehr am Standort ihrer Kirchengemeinde leben oder unabhängig von Zeit und Ort an Gottesdiensten ihrer Gemeinden teilnehmen möchten.
Ein Konzept, das in den Niederlanden bereits seit 15 Jahren funktioniert. Die größte niederländische Audio- und Video-Streaming-Plattform für Kirchen, Kerkdienstgemist, nutzen heute rund 1.900 Kirchen. Der deutsche Ableger unsergottesdienst.de basiert auf einer Zusammenarbeit zwischen dem großen Bruder aus den Niederlanden und dem jungen Magdeburger Start-up Amos IT der drei Gründer Wytze Kempenaar, Marie Sirrenberg und Florian Bühnemann.
Der Dienst will in Zukunft Gottesdienste von 60 bis 70 Prozent aller deutschen Kirchen streamen. Und geht es nach den Machern, soll das Angebot nicht nur auf christliche Angebote begrenzt bleiben, sondern auch anderen Glaubensgemeinschaften eine Plattform bieten.
Ambitionierte Ziele, auch mit Blick auf bereits bestehende Konkurrenten im Netz: Gemeinden streamen schließlich seit längerem in sozialen Medien wie Youtube oder Facebook, zudem gibt es bereits ähnliche Plattformen, die sich explizit dem Streaming von Gottesdiensten verschrieben haben. Die Betreiber von unsergottesdienst.de schreckt das nicht. „Kirchen habe auch eine datenschutzrechtliche Verantwortung“, betont Kempenaar: „Die Gemeinden sind selbst dafür verantwortlich, wie sie mit den Daten ihrer Mitglieder umgehen wollen. Bei der Nutzung von Youtube oder Facebook beispielsweise ist der Datenschutz fragwürdig.“
Unsergottesdienst.de nehme zwar von den teilnehmenden Kirchen eine monatliche Abo-Gebühr ab 35 Euro, dafür seien die Daten aber auch sicher, unterstreicht Kempenaar. Es gebe genug Serverkapazitäten, um einer großen Nachfrage von Nutzern gerecht zu werden, und es stehe ein Technikpartner zur Verfügung, der aktiv beim Streaming unterstütze. Das Bezahlsystem richte sich dabei nach den Besucherzahlen. Ein Gottesdienstbesucher zählt dann als solcher, wenn er sich einen Stream länger als zehn Minuten ansieht. Wer sich nur umschauen will, was es für Gottesdienste gibt, wird so nicht mitgezählt.
Die Grenzen ihres Angebots sind den drei Machern bewusst. „Einen Gottesdienst auch für junge Mitglieder oder eine breite Masse attraktiv zu gestalten, ist nicht automatisch dadurch gegeben, dass eine Plattform eingesetzt wird“, betont Kempenaar: „Unsergottesdienst.de kann nur ein Hilfsmittel sein, um Menschen Kirche einfacher näher bringen zu können.“
Nordhorn (epd). Sein Markenzeichen war das ruhige und bedächtige Auftreten mit nahezu druckreif gesprochenen Sätzen. Der ehemalige Landessuperintendent der Evangelisch-reformierten Kirche, Walter Herrenbrück, verstand sich selbst als „Lotse und Vermittler“. 17 Jahre war der in Leer geborene Ostfriese leitender Theologe seiner Kirche. Am 19. November ist Herrenbrück im Alter von 82 Jahren in seiner Wahlheimat Nordhorn in der niedersächsischen Grafschaft Bentheim gestorben.
Theologie studierte Herrenbrück in Heidelberg, Bonn und Göttingen. Nach seiner Zeit als Gemeindepastor in Uelsen (Grafschaft Bentheim) war er Studiendirektor im Predigerseminar Wuppertal-Elberfeld und prägte als theologischer Lehrer eine ganze Generation von Pastorinnen und Pastoren. Seit November 1987 und bis April 2004 stand er an der Spitze der reformierten Kirche mit ihren 143 Gemeinden zwischen Ostfriesland und dem Allgäu, zu denen heute 165.000 Mitglieder zählen. Und das mit Tradition: Von 1951 bis 1963 hatte schon einmal ein Walter Herrenbrück das Amt inne - sein Vater.
Herrenbrück sei ein warmherziger Zuhörer und kluger Ratgeber gewesen, dabei humorvoll, feinsinnig und bescheiden, würdigte die reformierte Kirchenpräsidentin Susanne Bei der Wieden den Theologen. Auch wenn es gerade diese noble wie verbindliche Art war, die ihm innerhalb und außerhalb der reformierten Kirche Respekt und Dankbarkeit einbrachte - Herrenbrück ging einem notwendigen Streit nicht aus dem Weg. „Das macht mir Spaß. Nicht nachgeben und trotzdem Probleme im Dialog lösen“, sagte er kurz vor seinem Ruhestand im April 2004.
Tatsächlich gab es viele Diskussionen in einer Zeit, die schon damals von Umbrüchen geprägt war. So war Herrenbrück der letzte Landessuperintendent seiner Kirche. Im Zuge einer Kirchenreform wurde das Amt abgeschafft. Der leitende Theologe oder die leitende Theologin heißt seither Kirchenpräsident oder Kirchenpräsidentin und hat mehr Kompetenzen.
Seine Qualitäten als Lotse und Vermittler bewies Herrenbrück in Gesprächen mit den Gemeinden, in der Kirchenleitung, in zahlreichen Gremien und nicht zuletzt im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), dem er von 1994 bis 2003 angehörte. Dort war er Beauftragter für Kriegsdienstverweigerung und Zivildienst. Erst 2012 gab er sein letztes Ehrenamt als Vorsitzender der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK) ab, das er seit 2006 innehatte.
„Er war ein begnadeter Brückenbauer, ein engagierter friedensbewegter Mensch“, sagt der Bremer Günter Knebel, der lange Zeit Geschäftsführer der EAK gewesen ist. Herrenbrück sei „nie laut, aber auch nicht still, sondern immer konstruktiv wegweisend“ gewesen: „Erinnern an Kriegsgefahr und die Notwendigkeit, zu deren Abwehr Strukturen für wirksame Friedensarbeit aufzubauen, das hatte sich Walter Herrenbrück zur Ruhestandsaufgabe gemacht.“
Zum Streiten gehört das Zuhören: Herrenbrück war in Gesprächen wie im Privaten ein leidenschaftlicher Zuhörer. Das galt für Menschen genauso wie für die Musik. Jüngere werden wohl mit der Technik nichts mehr anfangen können, aber die Älteren wissen noch, was ein „Walkman“ ist, den Herrenbrück oft bei sich hatte und auf dem er gerne Kassetten mit Werken von Johann Sebastian Bach einlegte. Und auch sonst blieb er im Ruhestand aktiv, beispielsweise auf Radtouren - im Kreise seiner Familie mit seiner Frau, seinen Kindern und Enkelkindern.
Emden (epd). Die Synode der Evangelisch-reformierten Kirche hat die Bundesregierung aufgerufen, den 2017 von den Vereinten Nationen beschlossenen Atomwaffenverbotsvertrag zu unterzeichnen. Die in Emden tagenden Delegierten stimmten am 18. November einstimmig einer vom Friedensausschuss vorbereiteten Erklärung zu. Darin heißt es: „Der Einsatz von atomaren Waffen ist ein Verbrechen. Daher fordern wir nicht nur deren Ächtung, sondern darüber hinaus auch ein striktes weltweites Verbot des militärischen und politischen Einsatzes dieser Waffen, sowie ein Verbot ihrer Herstellung und Weiterverbreitung.“
Der Vorsitzende des Friedensausschusses, der hannoversche Theologieprofessor Marco Hofheinz, hatte darauf hingewiesen, dass der Verbotsvertrag im Januar dieses Jahres vom 50. Staat ratifiziert worden sei. Damit sei er völkerrechtlich bindend. Deutschland habe den Vertrag jedoch noch nicht unterzeichnet.
Der Synodale und frühere Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, Reinhold Robbe (SPD), warnte in der Debatte vor einem Alleingang Deutschlands innerhalb der Nato. Nach längeren Beratungen einigten sich die Delegierten auf die Formulierung, Deutschland möge „im Benehmen mit den Nato-Verbündeten seinen Status der nuklearen Teilhabe beenden, so dass künftig Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr nicht mehr an der Vorbereitungen von Einsätzen atomarer Waffen beteiligt sind“.
Zur Evangelisch-reformierten Kirche mit Sitz in Leer gehören rund 165.400 Mitglieder in 143 Gemeinden zwischen Ostfriesland und dem Allgäu.
Berlin (epd). Nach der umstrittenen Urnenbeisetzung eines Neonazis im früheren Grab des jüdischstämmigen Musikwissenschaftlers Max Friedlaender auf dem Südwestkirchof Stahnsdorf will die evangelische Kirche den Grabstein nun an anderer Stelle aufstellen. „Mit der Neuaufstellung des Grabsteins an zentraler Stelle auf dem Kirchhof wollen wir ein ehrendes Gedenken für Max Friedlaender bewahren“, erklärte der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), Christian Stäblein, am 19. November in Berlin.
Zudem soll künftig mit einer Stele Leben und Werk Friedlaenders (1852-1934) gewürdigt werden. Von einer Umbettung der Urne des Rechtsextremisten Henry Hafenmayer sei abgesehen worden. Dies alles geschehe in enger Abstimmung mit den Nachfahren Friedlaenders. Die historische Aufarbeitung seines Lebens soll durch das Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien in Potsdam erfolgen. Der Grabstein werde zurzeit für den neuen Standort aufgearbeitet, hieß es.
Die Nachfahren Friedlaenders erklärten laut EKBO-Pressemitteilung, durch die Neuaufstellung des Grabsteins und den Gedenkort an zentraler Stelle solle Friedlaenders „bedeutende Leistung als Musikwissenschaftler angemessen gewürdigt werden“. Hierzu gehöre insbesondere die Erforschung des Lebens des Komponisten Franz Schubert (1797-1828) durch Friedlaender. Zudem werde im Gedenken an Friedlaenders 1943 in Auschwitz ermordete Nichte Käte Friedlaender Anfang 2022 an deren letztem Wohnort in einem sogenannten „Judenhaus“ in Berlin ein Stolperstein verlegt.
Braunschweig (epd). Die braunschweigische Landeskirche hat am 19. November bei der Herbsttagung ihrer Landessynode den Weg zur kirchlichen Trauung unabhängig von der Geschlechtsidentität und sexuellen Orientierung freigemacht. „Damit ist eine jahrzehntelange Diskriminierung beendet“, sagte Synodenpräsident Peter Abramowski. 34 von 37 anwesenden Synodalen stimmten dafür, das Traugesetz entsprechend zu ändern. Zwei Synodale stimmten dagegen. Es gab eine Enthaltung. Das Traugesetz tritt zum 1. Januar 2022 in Kraft.
In der Präambel des Gesetzes über die kirchliche Trauung war bisher von der Ehe zwischen „Mann und Frau“ die Rede. Diese Formulierung wird durch die Worte „zwei Menschen“ ersetzt. Vollständig heißt der erste Satz der Gesetzes-Einleitung nun: „Die Ehe ist eine Gabe Gottes und hat die Bestimmung, das gemeinsame Leben zweier Menschen auf Lebenszeit in gegenseitiger Achtung zu gestalten.“
Bisher war in der Landeskirche Braunschweig nur eine Segnung von gleichgeschlechtlichen oder diversen Paaren als ein „Akt der Seelsorge“ möglich, der den bisherigen Regeln zufolge „nicht mit einer Trauung verwechselbar“ sein durfte. Bei der Mehrzahl der evangelischen Kirchen in Deutschland sind gleichgeschlechtliche und diverse Paare heterosexuellen Paaren inzwischen gleichgestellt. 14 der 20 Landeskirchen in Deutschland bieten allen Menschen über die Segnung hinaus einen Traugottesdienst als Amtshandlung an.
Die Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig zählt mit rund 320.000 Mitgliedern in 304 Kirchengemeinden zu den kleineren der insgesamt 20 evangelischen Landeskirchen in Deutschland. Ihr Gebiet erstreckt sich von Wolfsburg bis an den Südrand des Harzes.
Köln (epd). Eine Besichtigung des Kölner Doms bleibt auch in Zukunft kostenfrei. „Wir möchten damit unsere Auffassung bekräftigen, dass der Kölner Dom allen Menschen offensteht, egal, woher sie kommen, welcher Nationalität und Religion sie angehören und wie groß ihr Geldbeutel ist“, erklärte Dompropst Guido Assmann am 16. November. Obwohl der Dom wegen der Corona-Pandemie 2020 und 2021 erhebliche Einnahmeausfälle verzeichnet habe, wolle das Domkapitel am kostenfreien Zugang festhalten.
Spekulationen um eine Einführung von Eintrittsgeldern waren demnach aufgekommen, nachdem der Salzburger Dom die Einführung eines „Erhaltungsbetrags“ für alle Besucherinnen und Besucher angekündigt hatte. Seit Ende Oktober müssen Touristen dort fünf Euro entrichten.
Durch die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie verzeichnete die Hohe Domkirche zu Köln im vergangenen Jahr den Angaben zufolge Einnahmeausfälle von rund 2,5 Millionen Euro. „Die Turmbesteigung, die Schatzkammer und unser Domshop mussten in Pandemiezeiten monatelang geschlossen bleiben, Führungen konnten nicht stattfinden, Kerzenopfer und andere Opferstockeinnahmen sind ausgeblieben“, erläuterte Assmann.
Für den Kölner Dom, der eine eigene juristische Person ist, fallen den Angaben nach pro Jahr 12,7 Millionen Euro Unterhalts- und Personalkosten sowie Kosten für Renovierungs- und Baumaßnahmen an. 36 Prozent davon, also etwa 4,5 Millionen Euro, muss das Domkapitel jedes Jahr eigenständig aufbringen, unter anderem mittels Domführungen, Besichtigungen der Schatzkammer und Turmbesteigungen sowie Kapitalanlagen sowie Spenden, Kollekten und Kerzenopfern.
Frankfurt a.M. (epd). Die Farben knallen, erregen Aufmerksamkeit. Der Online- und Social-Media-Auftritt von „Schalom Aleikum“ setzt auf Neongrün, Gelb und Pink. Das Projekt des Zentralrats der Juden in Deutschland zielt auf ein junges Publikum. Es geht um Begegnung, angesprochen sind alle, insbesondere aber Juden und Muslimen. Seit 2019 bieten die Macher Diskussionsveranstaltungen und Workshops an. Die Formel „Schalom Aleikum“ vereint die hebräische und die arabische Begrüßung.
Der Name ist Programm, wie Projektleiter Dmitrij Belkin erklärt. Miteinander reden, nicht übereinander, offen, ehrlich, auf Augenhöhe - das sei das Motto: „Unsere Zielgruppen sind nicht offizielle Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Öffentlichkeit und auch keine langjährigen Dialogprofis, sondern in erster Linie Menschen, die uns im alltäglichen Leben begegnen.“
So sitzen etwa bei der Gesprächsrunde „Let's work it out“ die muslimische Basketballspielerin Beyza Genc und der jüdische Fußballspieler Leonard Kaminski von „Makkabi Berlin“ zusammen und berichten von ihren Erlebnissen mit Rassismus und Antisemitismus auf dem Spielfeld.
Auf dem „Schalom Aleikum“-Instagram-Profil berichten Teilnehmende von ihren Erfahrungen in Veranstaltungen. So schreibt die 18-jährige Naomi, die einen Antisemitismus-Workshop besucht hat: „Wir alle teilen extrem ähnliche Erfahrungen.“ Und der 23-jährige Yasin meint: „Wir haben gemerkt, dass wir mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede haben.“
Der Zentralrat der Juden in Deutschland veröffentlicht in diesen Tagen gemeinsam mit dem Meinungsforschungsinstitut Forsa die Ergebnisse einer Umfrage zum Verhältnis von Juden und Muslimen. Eines der Ergebnisse: Juden und Muslime erleben mehr Diskriminierung als der Durchschnitt der Bevölkerung.
65 Prozent der Befragten gaben an, antisemitische Vorkommnisse mitzubekommen. Ungefähr die Hälfte der Vorfälle schreiben die Befragten jugendlichen, männlichen Einzeltätern zu. Teilnehmende deuten sie von der religiösen Herkunft her überwiegend als muslimisch. Als Hauptgrund für Antisemitismus unter Muslimen wird der Nahostkonflikt angegeben.
Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) registrierte 2020 bundesweit 1.909 Fälle von Antisemitismus - rund 450 mehr als im Vorjahr. Viele der Taten hatten einen rechtsextremistischen Hintergrund oder einen direkten Bezug zur Corona-Pandemie und antisemitischen Verschwörungsmythen.
Wie viel antisemitische Hetze von muslimischer Seite kommt, ist nicht erfasst. Schalom-Aleikum-Projektleiter Belkin, der als jüdischer Kontingentflüchtling aus der Ukraine nach Deutschland kam, sagt: „In den muslimischen Communities Deutschlands ist Antisemitismus ein existierendes und präsentes Problem.“ Der Historiker warnt aber vor einem Generalverdacht: „Einige muslimische Akteurinnen und Akteure nehmen diese Status quo jedoch nicht hin. Sie rufen öffentlich dazu auf, das Problem des Antisemitismus in den eigenen Reihen klar zu benennen und ihm entgegenzuwirken.“
In den vergangenen Jahren sind neben „Schalom Aleikum“ mehrere Projekte gestartet, die den Dialog zwischen Juden und Muslimen fördern wollen. In München feiern beide Religionsgemeinschaften seit 2016 das Festival „AusARTen“, das es in ähnlicher Form inzwischen auch in Berlin gibt.
Beim Projekt „Schalom und Salam“ des Stuttgarter Vereins „kubus“ entwickeln vor allem junge Menschen mit Antisemitismus- und Rassismus-Erfahrung eigene Projekte, um Vorurteilen entgegenzuwirken. Im Rahmen des Festjahres „1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ findet in München außerdem ein jüdisch-muslimischer Stammtisch statt.
Auch das „Heidelberger Bündnis für jüdisch-muslimische Beziehungen“ mit Formaten wie den jüdisch-muslimische Kulturtagen in Heidelberg und dem Podcast „Mekka und Jerusalem“ möchte den Austausch zwischen Juden und Muslimen voranbringen. Man habe lange Zeit aneinander vorbei geredet, sagt Frederek Musall, stellvertretende Rektor der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg. Die Kulturtage gibt es seit 2015, die erste Podcast-Folge lief vor zwei Jahren.
Mit dem Podcast wollen der Judaist und sein Team hauptsächlich Studierende erreichen. Gerade in den Social Media gibt es viel Aufklärungsarbeit zu leisten, wie Musall beobachtet: „Da sind Fotos zu sehen mit brennenden Israelfahnen“, vieles sei verkürzt dargestellt. „Mekka und Jerusalem“ soll Nachrichten einordnen, Hintergründe liefern.
Juden und Muslime hätten oft ähnliche Erfahrungen mit Diskriminierung gemacht, sagt Musall. Und auch sonst gebe es so einige Gemeinsamkeiten: Zum Beispiel beim Essen, was jüdische und muslimische Speisegesetze betreffe. Trotzdem - und das ist dem Professor für Jüdische Philosophie und Geistesgeschichte auch wichtig zu betonen - gibt es auch Trennendes. Zum Beispiel das Thema Israel. Das Land habe eine emotionale und identitätsstiftende Bedeutung für Juden, auch für jene, die sich nicht als besonders religiös bezeichneten. „Da werden wir nicht auf einen Nenner kommen“, glaubt Musall. „Aber wir können uns trotzdem friedlich begegnen und sensibel sein.“
Bremen, Hannover (epd). Klaus Dirschauer und seine Frau haben vorgesorgt. Das Grab auf dem Riensberger Friedhof in Bremen ist bereits bezahlt. Darauf steht der Grabstein - versehen mit den Namen und Geburtsdaten. „Fehlen nur noch die Sterbedaten,“ sagt der 85-Jährige. „Meine Frau und ich haben selbstverständlich besprochen, wie wir uns Trauerfeier, Todesanzeige und Grab vorstellen.“ Der evangelische Theologe hat zahlreiche Essays und Bücher über Trauern, Tod und Abschiedsrituale geschrieben. Dem seit Jahren vorherrschenden Trend zu pflegeleichten und anonymen Grabstätten kann er nichts abgewinnen: „Trauer braucht einen Ort, den ich aufsuchen und an dem ich zum Beispiel am Geburtstag oder am Totensonntag auch etwas niederlegen kann.“
Gerade im ersten Trauerjahr sei das wichtig. Er selbst habe das nach dem Tod seiner ersten Frau erlebt, sagt Dirschauer „Ich habe mit jedem Weg zum Grab die Beerdigung wiederholt. Der Tod will im wahrsten Sinne des Wortes begangen werden.“
Damit steht er gegen einen Trend, der seit Jahren ungebrochen ist. Immer mehr Menschen wollen für sich selbst oder ihre Angehörigen pflegeleichte und anonyme Grabstätten, sagt Markus Gebauer, zweiter Vorsitzender des Bestatterverbandes Niedersachsen. Zur Begründung hörten die Bestatter von alten Menschen häufig, sie wollten nach ihrem Tod niemandem zur Last fallen. Vielfach lebten die Kinder nicht dort, wo die Eltern bestattet würden. Die Alten fragten dann: „Wer soll mein Grab denn noch pflegen?“
Laut Verbraucherinitiative Aeternitas werden mittlerweile etwa 70 Prozent der Toten verbrannt. Ihre Urnen finden in Wandnischen in sogenannten Kolumbarien, in Gemeinschaftsgräbern unter der grünen Wiese, neben dem Baum auf dem Friedhof oder im Wald ihre letzte Ruhe. Vor allem die Zahl der Waldbestattungen nehme zu, sagt Gebauer. „Viele Menschen wollen sich dort begraben lassen, weil sie eine persönliche Beziehung zum Wald haben.“ Für Waldbesitzer sei das lohnend. Immer mehr beantragten die Zulassung für Waldbestattungen. So beherrschten nicht mehr nur die Firmen Friedwald und Ruheforst den Markt.
Auch Seebestattungen erfreuten sich gerade an den Küsten wachsender Beliebtheit, sagt der Fachmann. Er findet die alternativen Formen okay, auch wenn er selbst den Friedhof bevorzugen würde. „Die Trauerkultur unterliegt eben wie vieles andere dem Wandel der Zeit“, sagt Gebauer. Er respektiert die individuellen Wünsche seiner Kundinnen und Kunden. Das gelte für Grabstätten ebenso wie für die Trauerfeier, bei der schon mal ein Motorrad oder eine Golfausrüstung die Halle schmücke. Manche Hinterbliebenen sagten ihm, sie seien eben keine Friedhofsgänger. „Wir stellen bei uns zu Hause ein Bild auf mit einer Kerze davor und denken dann an unseren Vater.“
Dirschauer hält solche Aussagen für wenig ehrlich und nicht ausreichend durchdacht. Die meisten Menschen beschäftigten sich zu Lebzeiten nicht mit ihrem Tod und redeten auch in der Familie nicht darüber. Nach dem Tod werde die Bestattung unter Zeitdruck vielfach „gemanagt“, viele wollten sich des Leichnams möglichst schnell entledigen.
Beredtes Zeugnis gäben davon allein die vielen Blumen und Kerzen vor Urnenwänden, auf Wiesen und an Bäumen. Sie würden dort abgelegt, obwohl es nicht erlaubt sei. „Für die Seebestatteten gibt es dann Erinnerungsfahrten und Gedenktafeln, weil die Angehörigen doch einen Anlaufpunkt brauchen.“ Bestattungen ganz ohne Grab erschwerten die Trauer, sagt Dirschauer: „Die Verstorbenen besuchen zu können, ist ein heilsames und geradezu therapeutisches Ritual“.
Den Gedanken, dass der Mensch mit einer Bestattung im Wald in die Natur zurückkehre, kann Dirschauer nicht nachvollziehen. Dieses „symbolische Weiterexistieren“ sei nur eine „Vertröstung“ und lenke vom Tod ab. Geradezu abstoßend findet der Theologe die noch relativ neue Methode der Kompostierung. Dabei wird der Leichnam unter anderem mit Hilfe von Mikroben innerhalb von wenigen Wochen zersetzt und dann den Angehörigen quasi als Gartendünger übergeben. „Wie gehen wir denn dabei mit unseren Toten um und mit uns selbst in unserer Trauer um einen Verlust?“, entrüstet er sich.
Barsinghausen (epd). René Gerhard hat Gummihandschuhe übergezogen. Mit sanftem Griff drapiert er die Hände des Verstorbenen, der im Holzsarg vor ihm liegt. Dann kämmt er dem Mann vorsichtig das Haar. Der Umgang mit Toten ist dem Bestatter aus Barsinghausen bei Hannover vertraut. Doch in der Corona-Pandemie ist die Belastung gestiegen, und die Bestattungskultur hat sich gewandelt, sagt der 31-Jährige.
Gerhard hat die leeren Wohnbereiche in einigen Altenheimen noch vor Augen, wenn er an die bislang heftigste Phase der Pandemie zurückdenkt. Zur Jahreswende traf das Virus mehrere Heime in Barsinghausen und Umgebung, wo er mit seiner Ehefrau Denise das Bestattungsunternehmen Bierbrauer führt. „Das war wirklich krass“, sagt er. Die aktuell steigenden Infektionszahlen machen ihm Sorgen.
Die Angehörigen habe es seelisch schwer belastet, wenn sie Menschen beim Sterben in den isolierten Pflegeheimen nicht begleiten konnten, sagt Gerhard: „Viele Leute mussten einsam sterben. Das lässt dich als Kind oder Ehegatte nicht los.“ Bei verstorbenen Corona-Infizierten konnten sich Angehörige wegen der Infektionsgefahr nicht mehr am offenen Sarg verabschieden. „Das wünscht man keinem.“
Auch als Bestatter musste Gerhard mit der neuen Situation einen Umgang finden, ebenso für die richtige Balance aus Nähe und Distanz: Einerseits habe er sich und seine Mitarbeitenden schützen wollen, andererseits lasse sich ein Trauergespräch eben nicht einfach am Telefon führen, sagt er: „Du musst die Leute sehen, du musst mit den Leuten sprechen, die wollen aufgefangen werden.“
Dennoch hat Gerhard auch unter den erschwerten Corona-Bedingungen versucht, die Todesfälle nicht zu sehr an sich ranzulassen. „Sonst geht man daran kaputt.“ Für sich sucht er einen nüchternen Umgang: „Am Tod eines Menschen kann ich als Bestatter ja nichts mehr ändern, nur ihm so gut wie möglich etwas Gutes tun.“ Darüber hinaus ist es ihm wichtig, von dem Beruf auch abzuschalten, vor allem von der ständigen Erreichbarkeit: Dafür geht er laufen, arbeitet handwerklich und trainiert Thaiboxen.
René und Denise Gerhard müssen dank der Impfungen inzwischen deutlich weniger Corona-Tote beisetzen - auch in der aktuell rasant wachsenden vierten Welle. Unabhängig vom Infektionsgeschehen ist der Bestatter sicher, dass einige Trends in der Bestattungskultur fortbestehen werden, die ursprünglich aus der Not heraus entstanden sind. „Die Art des Abschieds hat sich doch geändert.“
Videos oder Livestreams von Beerdigungen gehören inzwischen zu seinem Angebot. Das sei vor allem für Angehörige interessant, die nicht an einer Trauerfeier teilnehmen können. Eine Beerdigung hat sein Unternehmen sogar auf die Philippinen übertragen.
An einigen Neuerungen findet Gerhard auch selbst Gefallen. Trauerfeiern einfach draußen stattfinden zu lassen, ist ein Beispiel dafür. „Das war so schön“, sagt er, während er Kunstblumen auf den Särgen in seiner Ausstellungshalle dekoriert. „Du warst in der Natur, die Sonne schien, die Vögel zwitscherten. Das ist so eine Sache, die wir, glaube ich, auch in den nächsten Jahren so beibehalten werden.“
Dass die Gästezahl bei Trauerfeiern lange Zeit begrenzt war, habe viele Familien durchaus belastet, sagt er. Mehr und mehr Angehörige entschieden sich aber mittlerweile für intimere Feiern im kleinen Kreis, auch um in ihrer Trauer unbeobachtet zu bleiben: „Wenn die Leute unter sich sind, können sie so sein, wie sie sind.“
René Gerhard schließt daraus nicht, dass die Pandemie eine „Privatisierung der Trauer“ fördere. Davor hatte im vergangenen Jahr etwa Hannovers evangelische Regionalbischöfin und Ethikratsmitglied Petra Bahr gewarnt. „Ich erlebe das komplett umgekehrt“, sagt Gerhard. Schon vor Corona hätten sich Menschen zunehmend offener mit Trauer und Sterben auseinandergesetzt. Immer mehr von ihnen ließen sich von ihm beraten, weil sie frühzeitig ihr Testament, ihre Vorsorgevollmacht und ihre Patientenverfügung schreiben wollten.
https://www.epd-video.de/themen/beitrag/sterben-in-der-pandemie/
Frankfurt a.M. (epd). Vertreter von acht Religionsgemeinschaften haben am 18. November in der Frankfurter Paulskirche der Corona-Verstorbenen gedacht. Sie erinnerten an das Leid der Erkrankten und Hinterbliebenen weltweit, lasen aus heiligen Schriften, musizierten und sprachen Gebete. „Wir wollen ein Zeichen setzen und das Miteinander der Religionen stärken“, sagte der Initiator und Vorstand der Stiftung gegen Rassismus, Jürgen Micksch.
Der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, dankte den Religionen für ihre Präsenz in der Pandemie. Sie hätten durch digitale Gottesdienste, digitales Fastenbrechen, Podcasts, Meditationen und Seelsorge ein Zeichen der Hoffnung vermittelt. „Ihre Angebote werden so gut angenommen, weil sie wichtig sind“, sagte er.
Klein verwies aber auch auf die Corona-Leugner in fundamentalistischen Gemeinden und Gruppen und erinnerte daran, dass in allen Religionen der Schutz und der Erhalt von Leben „erstes und oberstes Gebot“ sei. Deswegen dürften die leitenden Religionsvertreter Falschinformationen und Irreführung nicht zulassen.
Die Frankfurter Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg (Grüne) würdigte die Religionsgemeinschaften als „wichtige Faktoren der Nächstenliebe, der Solidarität und des Zusammenhalts“. Sie trügen zum Schutz der Menschen bei, indem sie für das Impfen und die Beachtung der Abstands- und Hygieneregeln in der Pandemie einträten, und ließen sie in der Trauer um geliebte Angehörige nicht allein.
Stellvertretend für alle Hinterbliebenen sprach Rafet Öztürk, Dialogbeauftragter des türkisch-islamischen Ditib-Verbandes in Köln. Seine Mutter war im April dieses Jahres an Covid-19 gestorben. Öztürk bedauerte vor allem, dass er als ältester Sohn der Familie seine Mutter nicht angemessen auf ihrem letzten Weg begleiten konnte. „Mir fehlen die Worte für den Schmerz, den ich empfinde.“ Die Anteilnahme von seinen Glaubensgeschwistern, aber auch von seinen christlichen Freunden sei ihm allerdings ein großer Trost gewesen.
Die Gedenkfeier wurde von führenden Persönlichkeiten von Alevitentum, Bahaitum, Buddhismus, Christentum, Jesidentum, Judentum, Islam und Sikh-Religion gestaltet, darunter waren der Rabbiner Julian-Chaim Soussan, die Pfarrerin für interreligiösen Dialog Susanna Faust-Kallenberg, Tsunma Konchok Jinpa Chodron von der Deutschen Buddhistischen Union, der Bundesvorsitzende des Geistigen Rates der Aleviten, Dede Müslüm Kaya, und die Vorsitzende des Zentralrats der Jesiden, Zemfira Dlovani.
Köln (epd). An der Kölner Zentralmoschee der Ditib soll künftig über Lautsprecher zum Gebet gerufen werden. Murat Sahinarslan, Direktor des Moscheeforums, sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (18. November): „Inzwischen sind die Anträge bearbeitet - noch in dieser Woche wollen wir sie einreichen.“ Auch mit den anderen Kölner Moscheegemeinden sei die Ditib im Gespräch. Jede Gemeinde werde selbst entscheiden, ob sie einen Antrag einreicht, um an dem zunächst auf zwei Jahre befristeten Modellprojekt der Stadt Köln teilzunehmen.
Die Ankündigung von Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos), mit einem Pilotprojekt in Köln Gebetsrufe zu ermöglichen, hatte im Oktober kontroverse Diskussionen ausgelöst, war aber auch begrüßt worden. Der Vorstoß habe ihn überrascht, sagte Zekeriya Altug, Ditib-Abteilungsleiter für Gesellschaft und Zusammenarbeit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Für unsere Gemeinde ist das sehr positiv.“ Der Vorstoß sei als „Zeichen des Respekts und der Würdigung der muslimischen Teilhabe zur Stadtgesellschaft angesehen“. Dass der Gebetsruf jetzt auch in der Großstadt Köln möglich sei, bezeichnete Altug als „ein Zeichen dafür, dass die Gesellschaft pluraler und vielfältiger geworden ist“.
Für den Gebetsruf muss die umliegende Nachbarschaft nach den Vorgaben der Stadt Köln von der Moscheegemeinde im Vorfeld mittels eines Flyers informiert werden. Zudem soll für jede Moscheegemeinde eine Ansprechperson benannt werden, die Fragen beantworten oder Beschwerden entgegennehmen kann. Der Gebetsruf darf freitags nur in der Zeit zwischen 12 bis 15 Uhr und für die Dauer von maximal fünf Minuten erfolgen. Auch die Lautstärke des Rufes wird je nach Lage der Moschee mit einer unterschiedlichen Höchstgrenze festgelegt.
Das Projekt wird durch die Kölner Stadtverwaltung eng begleitet. Nach Abschluss der zweijährigen Projektlaufzeit findet eine Auswertung statt, um auf dieser Basis über die Zukunft der Regelung zu entscheiden.
Berlin/ New York (epd). Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist in New York mit der Leo-Baeck-Medaille ausgezeichnet worden. In seiner Dankesrede sagte das deutsche Staatsoberhaupt: „Wir dürfen in Deutschland keinen Antisemitismus dulden!“ Dafür werde er weiter kämpfen, als Staatsoberhaupt und als Mensch, sagte er am 18. November laut Redemanuskript. „Nur wenn Jüdinnen und Juden in Deutschland wieder vollkommen zu Hause sind, sich vollkommen sicher fühlen, nur dann ist Deutschland ganz bei sich.“
Steinmeier wurde vom Leo Baeck Institut für sein langjähriges Engagement für den Erhalt und die Förderung jüdischen Lebens in Deutschland ausgezeichnet. Die Laudatio hielt der Präsident des Jüdischen Weltkongress, Ronald Stephen Lauder. Bisherige Preisträger waren unter anderen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die ehemaligen Bundespräsidenten Johannes Rau und Joachim Gauck sowie der frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne).
Steinmeier drückte seine Dankbarkeit und Demut für das „Wunder der Versöhnung“ aus, das Deutschland nach Zweiten Weltkrieg zuteilgeworden sei. „Dieses Wunder war kein Geschenk des Himmels - es war das Geschenk von Menschen!“, betonte er.
Er erinnerte an den Namensgeber der Auszeichnung, den liberalen Rabbiner Leo Baeck (1873-1956), der kurz nach dem Ende des Krieges wenig Chancen für jüdisches Leben in Deutschland sah. „Soviel Mord, Raub und Plünderung, soviel Blut und Tränen und Gräber können nicht mehr ausgelöscht werden“, hatte Baeck einst gesagt. Diese bittere Analyse habe Steinmeier selbst immer als Verpflichtung verstanden, dazu beizutragen, dass es über alle Abgründe hinweg ein neues jüdisches Leben in Deutschland geben könne.
Baeck ist wegen seines sozialen und politischen Engagements zum Vorbild für die jüdische Glaubensgemeinschaft geworden. Das Forschungsinstitut für deutsch-jüdische Geschichte mit Hauptsitz in New York würdigt mit der Medaille seit 1979 jährlich Persönlichkeiten, die sich in besonderer Weise um die gemeinsame deutsch-jüdische Kultur verdient gemacht haben.
Berlin (epd). Das Lebensgefühl der Menschen in der Corona-Krise ist einer Studie zufolge höchst ambivalent. Die am 15. November in Berlin vorgestellte Untersuchung hat acht verschiedene Corona-Typen in der Gesellschaft identifiziert, die ganz unterschiedlich mit der Pandemie umgegangen sind. Die qualitative Langzeitstudie mit dem Titel „Lebensgefühl Corona“ solle auch dazu beitragen, wirksame Beratungs- und Hilfsangebote zu entwickeln, sagte Diakoniepräsident Ulrich Lilie. Von September 2020 bis Juli 2021 fanden für die Studie drei Befragungen unter insgesamt 50 Personen statt.
„Mütend“, eine Wortschöpfung, die eine Mischung aus müde und wütend kennzeichnen soll, gibt nach Auffassung des Präsidenten der Diakonie den Gefühlszustand der meisten Menschen in der Pandemie zutreffend wieder. In dieser „stillen Katastrophe“ seien sie müde und wütend darüber, dass sie aufgrund der Kontaktbeschränkungen ihre Beziehungen nicht mehr wie gewohnt aufrechterhalten konnten und können.
Der Studie zufolge sind in der Pandemie bestehende soziale und Bildungsunterschiede besonders deutlich hervorgetreten. So seien beim Homeschooling Kinder und Jugendliche aus einem gutsituierten Bildungshaushalt mit dem Fernunterricht gut zurechtgekommen, während sich Kinder aus bildungsfernen Milieus sehr schwertaten.
Einige Befragte beschreiben ihre veränderte Lebenslage in der Pandemie sogar als positiv. Dadurch, dass lange Wege zur Arbeit und Dienstreisen weggefallen seien und statt stundenlanger Meetings kompakte Zoom-Meetings stattgefunden hätten, hätten sich diese Menschen über die gewonnene Zeit für Privates gefreut. „Es ist ein Verdienst der Studie, dass sie die Ambivalenzen dieser Zeit klar aufzeigt“, sagte Lilie.
Insgesamt haben sich in der Untersuchung nach den Worten des Studienleiters Daniel Hörsch acht unterschiedliche „Corona-Typen“ herausgebildet: die Achtsamen, die Ausgebrannten, die Denkerinnen und Denker, die Empörten, die Erschöpften, die Genügsamen, die Mutmacherinnen und Mutmacher und die Zuversichtlichen. Die Studie, bei der im Kern „Wie geht es Ihnen?“ gefragt worden sei, gebe „einen unverstellten Blick auf das Lebensgefühl der Menschen in allen Phasen der Pandemie“, sagte Hörsch.
Diakoniepräsident Lilie zeigte sich davon überzeugt, dass die materiellen und die psychosozialen Folgen von Corona die Gesellschaft noch lange beschäftigen werden. Er forderte eine „verlässliche und flächendeckende Beratung und Angebote insbesondere für die knapp drei Millionen Kinder in relativ armen Haushalten“. Insgesamt müssten die Angebote von Kirche und Diakonie noch stärker auf die individuellen Probleme der Bedürftigen ausgerichtet werden. Andernfalls drohten der Gesellschaft Jahrgänge von Corona-Verlierern, warnte der Sozialexperte.
Die Studie hat auch untersucht, welche Rolle Kirche und Diakonie während der Pandemie für die Menschen gespielt haben. Dabei kam nach Auffassung von Christian Albrecht, Theologe an der Ludwig-Maximilians-Universität München, deutlich heraus, dass die Erwartungen der Menschen an die Kirche stärker auf Alltagsbedürfnisse gerichtet sind, als die Kirche oft annehme. „Menschen fragen, was ihnen die kirchlichen Angebote bringen“, sagte der Theologieprofessor.
„Lebensgefühl Corona“ ist eine gemeinsame Analyse der Evangelischen Zukunftswerkstatt „midi“, der Diakonie Deutschland, der Agaplesion gAG, der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München und des Markforschungsinstituts Limest.
Berlin (epd). Die Ständige Impfkommission (Stiko) hat ihre Empfehlung für Corona-Auffrischungsimpfungen geändert und empfiehlt sie nun allen Personen ab 18 Jahren. Ein entsprechender Beschlussentwurf sei am 18. November in das vorgeschriebene Stellungnahmeverfahren gegangen, teilte die Kommission am Robert Koch-Institut im Anschluss mit. Bislang gilt die offizielle Empfehlung nur für ältere Menschen ab 70 Jahren oder mit bestimmten Vorerkrankungen. Die Auffrischungsimpfung soll laut Stiko grundsätzlich rund sechs Monate nach der zweiten Impfung sowie mit einem der mRNA-Impfstoffe erfolgen. Von den in der EU zugelassenen Vakzinen sind das die Impfstoffe von Biontech und Moderna.
In ihrer Mitteilung bekräftigt die Stiko gleichzeitig, dass Personen mit Immunschwächen, über 70-Jährige, Bewohner und Betreute in der Altenpflege sowie das Personal in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen prioritär mit Auffrischungsimpfungen bedacht werden sollten. Auch bisher Nicht-Geimpfte sollen vordringlich geimpft werden, heißt es darin. Die Empfehlung für alle Erwachsenen gilt auch für Frauen ab dem dritten Monat der Schwangerschaft.
Eine Verkürzung des Abstands zur Zweitimpfung auf fünf Monate könne im Einzelfall und wenn die Kapazitäten vorhanden sind, erwogen werden. Die Stiko begründet ihre neue Empfehlung nicht nur mit dem individuellen Schutz, sondern auch mit dem Ziel, die Übertragungen des Coronavirus zu reduzieren und damit Infektionswellen abzuschwächen. „Die Auffrischimpfung dient sowohl dem Selbstschutz als auch dem Schutz der Mitmenschen und lässt einen längerfristigen robusten Impfschutz erwarten“, erklärte die Stiko.
Eine Wirkung auf den Verlauf der Pandemie werde jedoch erst bei hohen Quoten von Auffrischimpfungen deutlich wirksam werden, betonte das Fachgremium. Die endgültige Empfehlung wird veröffentlicht, wenn Bundesländer und Fachverbände Stellung zum Vorschlag der Stiko genommen haben.
Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern hatten bereits zuvor allen Erwachsenen eine Auffrischungsimpfung gegen Covid-19 nahegelegt. Bislang haben rund 4,8 Millionen Menschen in Deutschland eine Auffrischungsimpfung erhalten.
Düsseldorf (epd). Viele der milliardenschweren Corona-Hilfen der Bundesregierung verstärken einer Studie zufolge Schieflagen in der Gleichstellung von Frauen und Männern vor allem auf dem Arbeitsmarkt. Die Analyse zeige, dass 38 Prozent der 108 untersuchten Maßnahmen Männern eher nutzten als Frauen, teilte das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung am 17. November mit. Für 21 Prozent sei der absehbare Nutzen für Frauen größer einzuschätzen als für Männer. Für Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende des DGB, ein Ärgernis: „Wir brauchen künftig bei allen Regierungsvorhaben schon in der Planung einen Gleichstellungscheck.“
Untersucht wurden die drei zentralen Corona-Hilfspakete der Bundesregierung, darunter auch das Kurzarbeitergeld, der Entlastungsbeitrag für Alleinerziehende, der Kinderbonus und Hilfen für Selbstständige. Die Studienergebnisse zeigten, „dass viele Maßnahmen so aufgesetzt waren, dass sie seltener und in geringerem Umfang Frauen nutzen als Männern“, erklärte Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des WSI.
Bestehende Ungleichheitsstrukturen hätten sich in der Krise noch verstärkt, weil es vor allem Frauen seien, die ihre Jobs wegen der Kinderbetreuung aufgegeben oder ihre Arbeitszeit stärker als ihre Partner reduziert hätten. „Es ist zu befürchten, dass sich diese Belastung auch längerfristig negativ auf die Erwerbsbeteiligung von Frauen auswirken“, sagte Kohlrausch.
Es sei nicht gelungen, die speziellen Belastungen für Frauen in der Krise durch die Hilfen der Regierung abzumildern. Im Gegenteil: „Der Rückstand zu Männern wurde eher noch vergrößert“. Das sei ein Beispiel für eine geschlechterblinde Politik, wie es sie im Jahr 2021 eigentlich nicht mehr geben sollte, sagte die Direktorin.
Sie nannte exemplarisch das Kurzarbeitergeld. Denn davon hätten Millionen Frauen in Minijobs nichts gehabt: Etwa die im Hotel- und Gaststättengewerbe. Dazu komme die ungünstige Versteuerung von geringer entlohnten Teilzeitjobs. Grundsätzlich brauche es mehr existenzsichernde Beschäftigung von Frauen. Auch müssten Minijobs abgeschafft werden, denn sie „sind ein Grund, warum Frauen in der Krise so gelitten haben“.
Studien-Autorin Regina Frey, die als Expertin für Gleichstellungsfragen auch Kommunen, Bundesländer und Bundesbehörden berät, forderte für künftiges Krisenmanagement ein Monitoring der Hilfen, das nach Geschlecht und gegebenenfalls auch nach anderen sozialen Kategorien differenziert werde. Das sei internationaler Standard „und Teil eines guten Regierungshandelns“.
Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Hannack sagte, bis heute sei es der Politik trotz gesetzlicher Verpflichtungen nicht gelungen, die Benachteiligung von Frauen zu beenden. Das sei nicht nur bei den Corona-Hilfen des Bundes zu sehen, denen es an der Geschlechterperspektive gefehlt habe, sondern auch ganz deutlich bei zwei Regelungen, die der DGB seit Jahren als Fehlanreize geißele: die Minijobs und die Steuerklasse V. Sie hätten sich auch in der Corona-Krise als „Treiber der Geschlechterungerechtigkeit erwiesen“ und gehörten von der künftigen Bundesregierung schleunigst abgeschafft - ebenso wie das Ehegattensplitting.
Nur so sei ein Aufbruch in sozial gerechtere Zeiten möglich, den das Land jetzt dringend brauche, unterstrich Hannack: „Wo Fortschritt draufsteht, muss auch Gleichstellung drin sein.“
Hannover (epd). Sie kennt das schon: Martina Nesteroks Zug kommt diesmal auf Gleis 10 statt auf Gleis 11 an. „Im Moment fährt mein Zug jeden Tag woanders. Wenn ich die Bahnhofsmission nicht hätte, würde ich den nie erreichen.“ Die 61-Jährige ist blind. Sie pendelt aus Bielefeld zu ihrem Arbeitsplatz nach Hannover. An Gleis 10 wartet schon Kirsten Heinrich. Sie arbeitet seit elf Jahren ehrenamtlich bei der Bahnhofsmission. Als sie die „Stammkundin“ erblickt, geht sie schnellen Schrittes auf sie zu, hakt sie unter und geleitet sie sicher über den Bahnsteig.
Nesterok ist dankbar für diese Unterstützung im Bahnhofs-Gewusel: „Manchmal laufen dir Leute über den Blindenstock, weil sie aufs Handy gucken.“ 2,2 Millionen Menschen nehmen die Hilfe der Bahnhofsmission bundesweit jährlich in Anspruch. Darunter sind viele ältere Menschen, die sich an großen Bahnhöfen nicht zurechtfinden oder fürchten, ihren Anschlusszug nicht zu erreichen.
Wer Unterstützung benötigt, kann sich vorher telefonisch oder per E-Mail melden. Die Mitarbeiter können am Computer aktuelle Verspätungen und Gleisänderungen einsehen. Dabei arbeiten sie eng mit der Bahn zusammen, die Reisenden ebenfalls behilflich ist. „Die Bahn ist zum Beispiel für Rollstuhlfahrer zuständig“, erläutert Heinrich. Die Mitarbeiter hätten für solche Zwecke eine Rampe und wüssten, wie man Menschen mit Rollstuhl in den Zug schiebt.
In den Räumen der Ökumenischen Bahnhofsmission unterhalb von Gleis 14 am Nordwest-Ausgang ist zurzeit wenig Betrieb - wegen Corona. „Sonst wäre die Bude bei dem nasskalten Wetter voll“, sagt Heinrich. Aktuell hält sie mit ihrer Kollegin Erika Schulze und einem hauptamtlichen Mitarbeiter allein die Stellung. Vor Corona konnten sich hier Menschen, die den Zug verpasst hatten, oder auch Obdachlose bei einem Tee oder Kaffee aufwärmen. „Niemand musste uns seinen Namen sagen oder sich ausweisen“, sagt Schulze. „Es sollte bewusst niedrigschwellig sein.“
In Zeiten der Pandemie, wo überall die Personendaten erhoben werden müssen, sei das so nicht mehr möglich, was beide bedauern. „Für manche Menschen sind wir ein Anker, wir konnten die Uhr danach stellen, wann sie kommen.“ Mit Sorge schauen die Mitarbeiterinnen deshalb auf den bevorstehenden Winter. Warme Kleidung oder Mützen für Bedürftige müssen sie jetzt vor der Tür ausgeben. Die Stadt Hannover will für Entlastung sorgen und Wohnungslosen ermöglichen, sich bei Minusgraden auch tagsüber in den Notschlafstellen aufzuhalten.
Während des Lockdowns war die Bahnhofsmission nur mit hauptamtlichen Kräften besetzt, die 30 Ehrenamtlichen wurden nicht zu den üblichen Schichten eingeteilt. Heinrich wollte in dieser Zeit nicht tatenlos bleiben und engagierte sich zusätzlich bei den Johannitern, die mit ihren Kältebussen an mehreren Punkten in Hannovers Innenstadt Station machen und Obdachlose mit Essen, warmem Tee, trockener Kleidung und Decken versorgen. Im „normalen“ Leben arbeitet Heinrich als freiberufliche Gesundheitstrainerin.
Was hat sie zur Bahnhofsmission verschlagen? Jedenfalls nicht der Begriff „Mission“, da ist sie sich mit Schulze einig. Gleich zweimal hatte Heinrich in ihrer Kindheit und Jugend schlechte Erfahrungen mit evangelischen Pastoren gemacht, erst im Konfirmandenunterricht, später in der Berufsschule. „Der eine hielt sich für göttlicher als Gott“, sagt die 69-Jährige, die auf einem Bauernhof in Schleswig-Holstein aufwuchs. Sie trat aus der Kirche aus. „Ich bin praktisch evangelisch und lebe den christlichen Glauben. Aber ich habe bis heute keine Veranlassung gesehen, wieder einzutreten.“ Ihre Kirchensteuer arbeite sie quasi ab, sagt sie.
Die ebenfalls 69-jährige Schulze ist katholisch und arbeitet seit 15 Jahren ehrenamtlich bei der Bahnhofsmission. „Ich war viele Jahre kirchenfern, weil mir das alles zu altmodisch war.“ Dass sie im Ruhestand wieder „was mit Kirche“ macht, war ihr dennoch wichtig. „Nach fast 42 Jahren als Lehrerin wollte ich nicht von 110 Prozent auf Null gehen“, sagt die Hannoveranerin.
Beide Frauen kümmern sich daher gern um Reisende, Hilf- und Obdachlose und klappern kurz vor Feierabend mit einem Kofferkuli die Bäckereien im Hauptbahnhof ab, um nicht verkaufte Brötchen und andere Lebensmittelspenden einzusammeln, die dann über diakonische Einrichtungen wie den Kontaktladen „Mecki“ verteilt werden. Nach wie vor mag Heinrich den Abwechslungsreichtum an der Arbeit, gerade am Bahnsteig: „Es ist erstaunlich, was die Menschen einem alles in ein paar Minuten erzählen. Das ist manchmal sehr berührend.“
Wuppertal (epd). Am Ende ist sein Plan doch noch Wirklichkeit geworden. Schon bevor Roland Mönig 2020 die Leitung des Von der Heydt-Museums in Wuppertal übernahm, wollte er unbedingt die Werke von „Brücke“ und „Blauer Reiter“ in einer Ausstellung zusammenbringen. Jetzt, zum Jahresende 2021, ist es ihm gelungen.
Seit dem 21. November sind 160 ausgewählte Werke - 90 Gemälde und 70 Arbeiten auf Papier - unter dem Titel „Brücke und Blauer Reiter“ zu bestaunen, und der Besucher darf sich freuen, die Wucht der Farben und ihre Wirkung zu genießen. Ob Karl-Schmitt-Rotluffs „Norwegische Landschaft“, das „Mädchen mit Katze“ und der „Fuchs“ von Franz Marc, die „Fingerhüte im Garten“ von August Macke - überall strahlt es förmlich von den Wänden.
Erstmals seit 25 Jahren sind die Werke von „Brücke“ und „Blauer Reiter“ wieder zum Vergleich gemeinsam präsentiert - zuletzt war das 1996 im Museum am Ostwall in Dortmund möglich. Rund die Hälfte der Ausstellung stammt aus dem eigenen Bestand des Museums, in einer Kooperation ergänzt um Leihgaben des Buchheim Museums Bernried am Starnberger See und der Kunstsammlung Chemnitz. Hinzu kommen Werke von internationalen Leihgebern wie etwa Wassily Kandinskys „Improvisation 33 (Orient I)“ aus dem Stedelijk Museum Amsterdam.
„Es ist lange überfällig, dieses entscheidende Kapitel moderner Kunst in Deutschland für eine neue Generation aufzubereiten“, sagt Mönig. Beide Künstlergruppen hätten Konventionen gesprengt und damit eine neue Vorstellung von Kunst sowie ein neues Bild des Künstlers begründet.
Die Künstlerinnen und Künstler von „Brücke“ und „Blauer Reiter“ stehen stellvertretend für den deutschen Expressionismus und gelten damit als Schlüsselfiguren der Klassischen Moderne. „Beide Künstlergruppen verstanden sich als Vorreiter eines neuen Sehens, eines neuen Fühlens, eines neuen Denkens“, erläutert Mönig: „Sie erwarteten eine neue Zeit und eine neue Welt und wollten ihren Beitrag dazu leisten.“
Doch statt der neuen Zeit, auf die die Vertreter der 1905 gegründeten „Brücke“ und des an der Jahreswende 1911/12 entstandenen „Blauen Reiters“ hofften, gab es zunächst den Ersten Weltkrieg als Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts, dem sich auch viele Künstler nicht entziehen konnten - oder wollten.
August Macke, der 1905 in einem Selbstporträt lachend und prostend ein Weinglas erhebt, wird einberufen und fällt 1914, gerade mal 27 Jahre alt. Franz Marc, der vermeintlich sanftmütige Maler der Tiere, zieht unterdessen mit voller Überzeugung in den Krieg und stirbt 1916 im Alter von 36 Jahren in der Schlacht um Verdun. Während und nach dem Ersten Weltkrieg konnten sich die überlebenden Künstler nicht mehr als Visionäre sehen, die Darstellungen werden deutlich melancholischer, verzweifelter. Max Beckmann interpretiert sich 1915 als Krankenpfleger, Ernst Ludwig Kirchner 1918 als Kranker.
Nach der Blüte des Expressionismus in der Weimarer Republik gab es für die Stilrichtung mit Beginn der Nazi-Diktatur nur noch aufgesetzte Empörung: „Das hielt man einmal für deutsche Kunst“, wetterte das „Chemnitzer Tageblatt“ 1933 zur Eröffnung einer „Schandausstellung“ mit gebrandmarkten Werken von „Brücke“ und „Blauer Reiter“. Kirchner warnte: „Es liegt Krieg in der Luft. In den Museen wird jetzt die mühsam errichtete Kultur der letzten 20 Jahre vernichtet.“
Doch nach 1945 seien die Kunst von „Brücke“ und „Blauer Reiter“ sowie der Expressionismus insgesamt zum „Fanal der Freiheit“ stilisiert und wiederentdeckt worden, merkt Mönig dazu an. Als Wegbereiter der wiedergewonnenen Freiheit inspirierten sie mit den Werken des Informel und des Abstrakten Expressionismus die Malerei der Nachkriegszeit - Thema des „Epilog“ im letzten Raum der Ausstellung, die bis einschließlich 27. Februar 2022 zu sehen ist.
Leipzig (epd). Für den Intendanten des Leipziger Bachfestes, Michael Maul, haben Festivals nur dann eine Zukunft, wenn die Besucher auch weiterhin an die Veranstaltungsorte kommen. „Festival ist, wenn man hingeht“, sagte Maul im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Alle Kulturinstitutionen merkten jedoch, dass das Publikum erst wieder dazu aktiviert werden müsse, in die Häuser zu kommen.
Nach dem pandemiebedingten „Zwangspraktikum im Netz“ wolle das Bachfest aber auch in Zukunft punktuell auf hybride Formate setzen. Einige Highlights sollen auch für das globale Publikum zugänglich sein, allerdings hinter einer Bezahlschranke, erklärte Maul. Ein kostenfreies Streaming-Angebot wäre unfair gegenüber den Besuchern vor Ort und den Künstlern, sagte er. Ziel sei es, ein vernünftiges Verhältnis zwischen Mehraufwand für das Streaming und den Einnahmen zu erreichen.
Das kommende Leipziger Bachfest vom 9. bis 19. Juni 2022 steht unter dem Motto „Bach - We Are Family“ und betont den globalen Charakter der heutigen Bach-Familie. „Wir wollen die Bachbegeisterten nach Leipzig einladen und ihnen die Chance geben, an den Originalspielstätten selbst aktiv zu werden“, sagte Maul. Die bereits für 2020 geplante Idee werde in zwei Teilen 2022 und 2024 umgesetzt.
Im nächsten Jahr sollen demnach 30 Bachchöre vor allem aus Deutschland und Europa, aber auch aus Paraguay, Japan, Kanada oder den USA nach Leipzig reisen. 2024 sollen dann 18 Bachchöre von allen Kontinenten in 18 Konzerten den kompletten „Choralkantaten-Jahrgang“ aufführen. „Das sind über 60 Kantaten, die Bach 1724/25 komponierte. Das hat es so vorher noch nicht gegeben“, betonte Maul. Das Datum passe zudem recht gut: Schließlich werde der Jahrgang dann 300 Jahre alt.
München (epd). PEN-Präsident Deniz Yücel hat mit drastischen Worten die Präsenz rechtsextremer Verlage auf der Frankfurter Buchmesse verteidigt. „Die sollen ihren Stand am Klo bekommen“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“ (16. November). Solange diese Verlage mit ihren Publikationen oder ihrem Verhalten nicht gegen Recht und Gesetz verstoßen, müsse man ertragen, dass sie auf der Buchmesse ausstellen.
„Der Nächste beschwert sich dann über linke Verlage oder die 'Titanic', der Spanier über die Katalanen oder umgekehrt. Und dann kommt der Türke und fordert: 'Kurden raus!'“, sagte Yücel. Er betonte aber zugleich, dass die rechtsextremen Verlage auf der Messe mit Kritik rechnen müssen. Die „Freiheit des dummen Wortes“ sei kein Recht auf Widerspruchsfreiheit. „Das verwechseln die Klemmnazis gerne. Wenn schon Fascho, dann erwarte ich auch 'zäh wie Leder' und 'hart wie Kruppstahl' und nicht weinerlich wie Mutters Liebling. Das Weinerliche ist mir zuwider“, sagte der Autor der Tageszeitung „Die Welt“, der im Oktober an die Spitze der Schriftstellervereinigung PEN in Deutschland gewählt worden war,
Seit einigen Jahren gibt es Auseinandersetzungen um rechte und rechtsextreme Verlage, die auf der Buchmesse in Frankfurt ausstellen. Zur Messe im Oktober hatte die Autorin Jasmina Kuhnke zum Boykott aufgerufen, weil sie aus rechtsextremen Kreisen Morddrohungen erhalten hatte.
Berlin (epd). Im Wahlkampf sind erkennbar religiöse Menschen in den Abendnachrichten der großen Fernsehsender höchst selten zu sehen gewesen. Das geht aus einer Studie zur Sichtbarkeit in der Wahlkampfberichterstattung 2021 des Netzwerks „Neue deutsche Medienmacher*innen“ (NdM) hervor, die am 16. November in Berlin vorgestellt wurde. Der Stichprobe zufolge waren weniger als 0,5 Prozent aller Personen, die im „Heute Journal“ (ZDF), in den „Tagesthemen“ (ARD) und bei „RTL Aktuell“ gezeigt wurden, augenscheinlich religiös - die meisten von ihnen waren christlich.
Unterrepräsentiert waren im Wahl-TV laut Erhebung mit zehn Prozent auch Menschen, die die als migrantisch wahrgenommen werden. In der Gesamtbevölkerung hat wiederum etwa ein Viertel ausländische Wurzeln. So gut wie gar nicht wahrnehmbar waren den Angaben zufolge Personen mit erkennbarer Behinderung (0,7 Prozent).
Analysiert wurden laut Netzwerk vom 1. August bis zum 30. September pro Tag je eine Folge der drei Nachrichtenmagazine. In 183 Nachrichtensendungen seien dabei knapp 4.200 Auftritte von über 2.500 Personen identifiziert worden.
Bonn, Paris (epd). Die Unesco sieht die freie Berichterstattung weltweit immer stärker in Gefahr. Immer mehr Medienschaffende würden bedroht, willkürlich festgenommen oder inhaftiert, hieß es in einer Kurzfassung des „Weltberichts zur Meinungsfreiheit und Medienentwicklung“, die am 18. November während der Generalkonferenz der UN-Bildungsorganisation in Paris vorgestellt wurde. Danach gab es von 2016 bis 2020 rund 400 Morde an Journalistinnen und Journalisten, von denen nur 13 Prozent aufgeklärt wurden. 274 Medienschaffende saßen laut Bericht 2020 im Gefängnis, so viele wie in den vergangenen zehn Jahren nicht.
Kritisch setzt sich der Bericht zudem mit der wachsenden Rolle des Internets und von Social-Media-Plattformen auseinander. Zwar hätten immer mehr Menschen Zugang zu Informationen, doch die zunehmende Verbreitung von Desinformation und Hassrede sowie das sinkende Vertrauen in die Medien seien besorgniserregend, hieß es.
Auch die ökonomische Situation der Medien hat sich laut Bericht durch die Konkurrenz von Digitalkonzernen verschärft. In den vergangenen fünf Jahren hätten sich die Werbeeinnahmen der Tageszeitungen weltweit halbiert. „In einer Zeit, in der fünf digitale Plattformen mehr als die Hälfte aller Werbeeinnahmen einstreichen, müssen die Medien neue Wirtschaftsmodelle finden, um zu überleben“, schrieb Unesco-Generaldirektorin Audrey Azoulay im Vorwort. Zusätzlich hätten die mit der Covid-19-Pandemie einhergehenden wirtschaftlichen Rezessionen auch die Medien erfasst.
Die Präsidentin der Deutschen Unesco-Kommission, Maria Böhmer, nannte den Bericht „ein Warnsignal für die weltweite Situation der Presse- und Informationsfreiheit“. Sie sei bestürzt über die vermehrte Gewalt, der Journalistinnen und Journalisten in ihrer täglichen Arbeit ausgesetzt seien. „Auch in Deutschland sehen wir in der letzten Zeit gehäuft gezielte Angriffe auf Pressevertreter, insbesondere bei Demonstrationen“, erklärte Böhmer in Bonn. Sie mahnte: „Freie Gesellschaften brauchen Meinungsfreiheit und Kontroverse, keine Desinformationen und Polarisierung.“
Die Unesco beobachtet nach eigenen Angaben seit 2011 die Lage der Pressefreiheit und der Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten weltweit. Nach zwei Ausgaben der „World Trends in Freedom of Expression and Media Development“ in den Jahren 2014 und 2018 liegt nun die Kurzfassung des dritten Weltberichts vor. Der Volltext des Weltberichts werde zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht, hieß es.
Frankfurt a.M. (epd). Mit dem Katholischen Medienpreis 2021 sind Beiträge über eine Corona-Intensivstation, über das Attentat von Hanau und eine Hilfsaktion für einen behinderten Menschen ausgezeichnet worden. Den mit 5.000 Euro dotierten Hauptpreis erhielten am 18. November in Frankfurt am Main Carl Gierstorfer und Mareike Müller in der Kategorie Fernsehen für den Beitrag „Charité Intensiv: Station 43 - Glauben“ (RBB/ARD-Mediathek).
Die jeweils mit 2.500 Euro weiteren Preise gingen an Sebastian Friedrich für den Radio-Beitrag „Der letzte Tag: Das Attentat von Hanau“ (Deutschlandfunk Kultur, WDR 5 und NDR Info) und an Amonte Schröder-Jürss für den Print-Artikel „Alle für einen“ („Süddeutsche Zeitung Magazin“). Mit dem undotierten Sonderpreis der Jury wurde Christiane Lutz für ihren Text „Wer's glaubt“ („Süddeutsche Zeitung Magazin“) geehrt.
Der Hildesheimer Weihbischof Heinz-Günther Bongartz betonte bei der Preisverleihung, in bewegten Zeiten der Pandemie seien die „journalistische Recherche und der präzise, einordnende Blick gefragt wie nie“. Wahrheit, Menschenwürde, Persönlichkeits- und Urheberrechte, journalistische Sorgfalt in der Recherche, Fürsorgepflicht und Solidarität für die Schwachen blieben auch Grundwerte in der digitalen Welt der Kommunikation, sagte er.
Die TV-Reportage „Charité Intensiv: Station 43 - Glauben“ zeigt das Arbeiten, Leben und Sterben auf einer Corona-Intensivstation. Der Theologe und TV-Journalist Michael Albus sagte in seiner Laudatio: „Die Frauen und Männer, die, nüchtern gesagt, ihren Dienst tun, aber auch ihr Herz über die Mauer des Leids werfen! Das und sie zu zeigen, ist in dem Beitrag nicht nur vorbildlich, sondern auch bildlich gelungen.“
Der Hörfunk-Beitrag „Der letzte Tag: Das Attentat von Hanau“ rekonstruiert das Attentat vom 19. Februar 2020. Wolfgang Küpper würdigte in der Laudatio die Erzählperspektive, die sich an den Leidenden und nicht am Täter orientiere. In dem Text „Alle für einen“ wird die Geschichte eines 61-jährigen Menschen mit einer kognitiven Behinderung erzählt. Die frühere RBB-Intendantin Dagmar Reim lobte in ihrer Laudatio, der Text enthalte kein falsches Wort, „er kommt ohne schmierige Schein-Lyrik aus“.
Der Beitrag „Wer's glaubt“ beeindrucke nach den Worten von Laudator Albert Herchenbach unter anderem, weil er ohne missionarischen Eifer Gläubige und Gottsuchende verteidige.
Der Katholische Medienpreis wird seit 2003 jährlich von der Deutschen Bischofskonferenz zusammen mit der Gesellschaft Katholischer Publizisten und dem Katholischen Medienverband verliehen. Ausgezeichnet werden Beiträge, die die Orientierung an christlichen Werten sowie das Verständnis für Menschen und gesellschaftliche Zusammenhänge fördern.
Karlsruhe (epd). Große Wohnungsbaugesellschaften dürfen laut Mietvertrag einen Kabelanschluss bereitstellen und die Kosten hierfür auf die Mieterinnen und Mieter umlegen. Der im Mietvertrag enthaltene Kabelanschluss ist nach der bislang geltenden Rechtslage nicht einzeln kündbar, wie am 18. November der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe urteilte. (AZ: I ZR 106/20) Damit müssen Millionen Mieter weiter einen vom Vermieter bereitgestellten Kabelanschluss bezahlen - ob sie wollen oder nicht.
Allerdings hat der Gesetzgeber zum Dezember 2021 eine gesetzliche Neuregelung zur Kündigung von Telekommunikationsdiensten im Rahmen des Mietverhältnisses festgelegt. Mit Ablauf einer Übergangsfrist dürfen Vermieter die Kabelkosten ab Mitte 2024 nicht mehr als Betriebskosten auf die Mieter umlegen. Mieter können dann den Kabelanschluss nach einer Mietdauer von zwei Jahren kündigen.
Vor Gericht hatte die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs von der Essener Vivawest Wohnen GmbH verlangt, dass bereits jetzt Mieterinnen und Mieter nach Ablauf von 24 Monaten ihren im Mietvertrag enthaltenen Kabelanschluss kündigen können. Die Wohnungsbaugesellschaft bietet mehr als 120.000 Mietwohnungen an, von denen etwa 108.000 an ein Kabelfernsehnetz angeschlossen sind.
Die Wettbewerbszentrale hatte sich auf das Telekommunikationsgesetz berufen und argumentiert, dass der Vermieter mit dem im Mietvertrag unbefristet enthaltenen Kabelanschluss ein Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten sei. Nach einer Mietzeit von 24 Monaten müsse laut Gesetz der Kabelanschlussvertrag beendet werden können.
Doch diese Regelung ist erst ab Mitte 2024 verbindlich, wie der BGH urteilte. Der Gesetzgeber habe große Wohnungsbaugesellschaften, die mit Kabel-TV-Anschlüssen ausgestattete Wohnungen vermieten und die Kosten auf die Mieter ausschließlich als Betriebskosten umlegen, bis dahin von den Regelungen im Telekommunikationsgesetz nicht einbeziehen wollen, erklärte das Gericht.
Nach Angaben von Anga, dem Verband Deutscher Kabelnetzbetreiber, werden in Deutschland mehr als 20 Millionen Kunden über Kabel mit Fernsehen und Breitbandinternet versorgt. Ein großer Teil davon geht auf das Konto von großen Wohnungsbaugesellschaften, die in Mietverträgen verbindlich einen Kabelanschluss vorsehen.
Freiburg (epd). Seine Themen sind Selbstliebe, Selbstbefriedigung oder Sommerfeeling - die Posts des Sinnfluencers Elias Renz lassen einen nicht sofort an Kirche denken. Doch auf genau diesen Widerspruch setzt er. „Ich will zeigen, dass Kirche auch lebensnahe Themen besprechen kann“, sagt der 20-jährige Student aus Freiburg am Telefon.
Eigentlich hat Renz nur einen Mini-Job beim Youtube-Projekt der Evangelischen Landeskirche in Baden. Doch die Zahl seiner Social-Media-Aufritte auf Instagram, Youtube und TikTok lassen darauf schließen, dass er einen Vollzeitjob daraus gemacht hat.
Unter dem Namen Ey.lias informiert Elias Renz regelmäßig über die kirchliche Jugendarbeit in Baden, macht wöchentliche Umfragen zu Lieblingssongs und veröffentlicht Statements wie „Niemand außer dir hat die Chance du zu sein!“. Im Schnitt schauen 1.000 bis 4.000 Jugendliche seine Videos an, sein bester Post erreichte 33.000 Menschen.
Zu seinen Followern gehören vor allem junge Menschen, viele sind evangelisch. Aber auch Katholiken und Freikirchler sind vertreten, habe ihm eine Umfrage gezeigt. Vor allem über die Musik kommen auch Kirchenferne zu seinem Account, erzählt der Student der Religionspädagogik/Gemeindediakonie.
Seine Themen begegnen dem geborenen Bühler offline und online. Sein Post zum Thema Selbstbefriedigung entstand zum Beispiel, weil sich konservative Christen auf Instagram dagegen aussprachen. Daraufhin fragten ihn Follower direkt nach seiner Meinung. „Ich habe dann erklärt, dass nicht alle Christen so denken“, sagt Renz. Zu seinem Glaubensbild gehöre der strafende Gott beispielsweise nicht.
Für Renz ist die Arbeit ein „Herzensthema“, erklärt er. „Mich fasziniert es, wie in der Jugendarbeit Neues ausprobiert und Kirche neu gedacht werden kann“, sagt der junge Mann. In die kirchliche Jugendarbeit ist er quasi hineingeboren. Durch seine evangelische Familie war er schon früh auf christlichen Jugendfreizeiten. Heute ist er im Leitungsgremium der Evangelischen Jugend Baden und der Ortenau.
Renz sieht für die Kirche noch ganz viel Potenzial in den Sozialen Medien. Das fange schon beim Thema Qualität und Ästhetik an. „Da draußen gibt es Firmen, die bezahlen ganze Teams dafür, dass sie ihre Botschaften in Hochglanz-Formaten online verbreiten“, sagt er. Und dann poste ein Pfarrer ein Foto seines Schaukastens. „Erst kürzlich wieder auf Instagram gesehen“, betont Renz.
Natürlich klicke der User da, selbst wenn er sich für kirchliche Themen interessiert, lieber das Unternehmens-Video an. „Damit wir nicht das Klischee der rückwärtsgewandten, grauen Kirche bestätigen, müssen wir da viel mehr Energie reinstecken“, sagt Renz, der an den Wochenenden oft Fortbildungen zu Sozialen Medien besucht.
Er selbst ist schon voll in den Planungen für die Adventszeit. „Ich werde jede Woche einen Charakter aus der Weihnachtsgeschichte vorstellen“, kündigt Renz an. Ähnlich dem Projekt @ichbinsophiescholl verkleide er sich als die Figur und berichte jeden Tag etwas aus ihrem Leben. So verbindet er wieder biblische Themen mit der heutigen Welt.
Respect
Als Queen of Soul wird Aretha Franklin mittlerweile überall gefeiert. Der Weg dahin war jedoch ein steiniger. Lange hat sie gebraucht, um sich aus toxischen Beziehungen zu Männern sowie deren übergriffigem Einfluss zu befreien und Vertrauen zu sich und ihrer Stimme zu finden. Die Filmbiografie zeigt den Weg Stück für Stück. Dabei überzeugt sie vor allem durch Hauptdarstellerin Jennifer Hudson, der es mit großer Leidenschaft auch musikalisch gelingt, dem Leben Franklins Intensität zu verleihen.
Respect (Kanada, USA 2021). R: Liesl Tommy. B: Tracey Scott Wilson. Mit: Jennifer Hudson, Forest Whitaker, Marlon Wayans, Audra McDonald, Marc Maron. 145 Min.
Das schwarze Quadrat
Die Gauner Vincent (Bernhard Schütz) und Nils (Jacob Matschenz) haben den Auftrag, das 60 Millionen schwere Kunstwerk „Das schwarze Quadrat“ auf einem Kreuzfahrtschiff mitgehen zu lassen. Als die beiden jedoch unerwartet als David Bowie und Elvis Presley im Animationsteam auftreten müssen, gerät der Plan aus dem Ruder. Mehrere Personen, unter anderem die kaltblütige Kunstdiebin Martha (Sandra Hüller), kommen ihnen auf die Schliche. Teils klamaukig, aber mit liebevoller Figurenzeichnung und begeisterndem Ensemble entwickelt sich eine abstruse Gaunerkomödie.
Das schwarze Quadrat (Deutschland 2021). R u. B: Peter Meister. Mit: Bernhard Schütz, Jacob Matschenz, Sandra Hüller, Pheline Roggan, Christopher Schärf, Victoria Trauttmansdorf. 100 Min.
In den Uffizien
Die Uffizien sind ein ehemaliges Bürogebäude in Florenz, in denen bereits 1581 die Medici ihre Kunstsammlung ausstellten. So wurde das Gebäude zum Vorbild aller Museen und zeigt bis heute die weltweit bedeutendste Sammlung an Renaissancekunst. Der Dokumentarfilm wirft einen Blick hinter die Kulissen des traditionsreichen Hauses, das seit 2015 vom deutschen Museumsdirektor Eike Schmidt geleitet wird. Ohne größere Kommentare, aber genau beobachtend wird demonstriert, wie herausfordernd es ist, die Kunstsammlung einem jungen medienaffinen Publikum näher zu bringen.
In den Uffizien (Deutschland 2021). R u. B: Corinna Belz, Enrique Sánchez Lansch. 100 Min.
Hannes
Die 19-jährigen Moritz (Leonard Scheicher) und Hannes (Johannes Nussbaum) sind unzertrennliche Freunde. Dann allerdings stürzt Hannes bei einer gemeinsamen Motorradfahrt und liegt fortan im Koma. Der im Gegensatz zu Hannes eher verträumte Moritz versucht fortan, das Leben seines Freundes weiterzuleben, in der Hoffnung, dass dieser doch noch einmal erwacht. Basierend auf dem Briefroman von Rita Falk gelingt Hans Steinbichler ein sensibler Film ohne größere Sentimentalitäten. Für die 2019 verstorbene Hannelore Elsner ist die Rolle einer ehemaligen Lehrerin ihr letzter Kinoauftritt.
Hannes (Deutschland 2019). R: Hans Steinbichler. B: Dominikus Steinbichler. Mit: Leonard Scheicher, Johannes Nussbaum, Lisa Vicari, Heiner Lauterbach, Hannelore Elsner. 91 Min.
www.epd-film.de
Oldenburg, Knittlingen (epd). Die Autorin Kerstin Gulden aus Knittlingen bei Karlsruhe hat den Kinder- und Jugendbuchpreis der Stadt Oldenburg 2021 gewonnen. Oberbürgermeister Jürgen Krogmann (SPD) überreichte ihr am 19. November den mit 8.000 Euro dotierten Preis für ihr Jugendbuchdebüt „Fair Play“, wie die Stadt mitteilte.
Gulden setzte sich unter 272 Einsendungen durch, davon 85 verlegte Werke sowie 187 Manuskripte. Dem Urteil der Jury zufolge ist „Fair Play“ „ein origineller und äußerst spannender Jugendroman, der sich mit einem neuartigen Lösungsansatz der Klimakrise beschäftigt“. Er sei aktuell und spiegele wider, was die heutige Jugend umtreibe. Dazu zählten die Umweltkrise und der zunehmende Einfluss von Social Media, der sich in Gruppenzwang und verzerrter Selbstwahrnehmung äußere.
Die Geschichte drehe sich um die Idee, dass jede Umweltsünde auf den eigenen Social-Media-Accounts sichtbar wird, hieß es. „Reißen sich alle zusammen und verbrauchen nur so viel an Energie, Essen, einfach allem, damit das Icon der App grün bleibt statt rot? Und: Spielen alle fair?“
Die Autorin habe lebendige und selbstständige Figuren kreiert, sagte die Schülerjurorin Angelina Sawodowskie. „Fair Play“ sei „eine Geschichte über Vertrauen, Solidarität und Freundschaft, die ihre Zielgruppe erreicht.“ Die Protagonistinnen und Protagonisten durchlebten Konflikte und Situationen, wie sie auf alle Jugendlichen zuträfen.
Der Preis wird jährlich an Autoren und Illustratoren verliehen, die mit einem eigenständigen Werk zum ersten Mal an die Öffentlichkeit treten. Er wird seit 1977 während der bundesweit größten nichtkommerziellen Kinder- und Jugendbuchmesse „Kibum“ in Oldenburg vergeben.
Zu den bisherigen Preisträgerinnen zählen unter anderen Leonie Ossowski (1977), Mirjam Pressler (1980), Tamara Bach (2002) und Julya Rabinowich (2017). Im vergangenen Jahr ging die Auszeichnung an die Berliner Schriftstellerin Anne Gröger und ihr Kinderbuch-Manuskript mit dem Arbeitstitel „Hallo, ich bin der kleine Tod!“
Kabul (epd). Modaser war sechs Jahre alt, als die Taliban seinen Vater, einen Soldaten der ehemaligen afghanischen Regierung erschossen. Er war der Älteste von vier Geschwistern, sollte gerade eingeschult werden. „Nach der Beerdigung sagte meine Mutter zu mir, ich könne nicht zur Schule gehen. Wenn wir nicht hungern wollten, müsste ich Geld verdienen.“
Also zimmerte sich Modaser einen kleinen hölzernen Handwagen und verkaufte fortan von halb sieben am Morgen bis fünf Uhr am Nachmittag Kartoffeln für andere Händler. Er schob seinen Wagen durch den dichten Verkehr von Kabul und wenn er Glück hatte, verdiente er am Tag so viel, dass seine Familie zu Abend essen konnte. Wenn er Pech hatte, verdiente er nichts, sondern wurde geschlagen, beschimpft, bestohlen. An solchen Tagen durchsuchte er abends noch die Müllhalden nach Kupfer und anderem Metall.
Modaser ging es wie schätzungsweise 100.000 bis 200.000 anderen Kindern in Afghanistans Hauptstadt, die an den Kreuzungen und vor jedem Restaurant betteln, schwere Waren schleppen, Abfallhaufen durchwühlen und mit den Straßenhunden um fortgeworfene Lebensmittel konkurrieren. Das Einstiegsalter für diese Kinderarbeit: vier Jahre.
Heute ist Modaser 14 Jahre alt und sieht aus wie ein erwachsener Mann, der die Kindheit lange hinter sich gelassen hat. Er geht in die 8. Klasse einer privaten Oberschule und ist zum zweiten Mal als Klassenbester ausgezeichnet worden. Seine Urkunden hängen an einer Wand, gleich neben einem Foto seines Vaters, ganz so, als wolle er sie dem Toten zeigen. Vier Jahre lang schuftete er. „Es hatte damals keinen Sinn, etwas anderes zu wollen.“
Im Alter von zehn Jahren wurde er von einem Beschäftigten einer Hilfsorganisation angesprochen. Das von Sponsoren finanzierte „Kindness sharing project“ mit Sitz in den USA bietet Straßenkindern und ihren Familien einen Deal an. Jeden Monat erhält die Familie 50 US-Dollar, umgerechnet rund 45 Euro, in bar, außerdem weitere Dinge zur Wahrung eines erträglichen Lebensstandards. Dafür müssen die Mütter oder Eltern sich verpflichten, die Kinder zur Schule zu schicken.
Private Oberschulen als Partner geben den Kindern Stipendien. Im Gegenzug, sagt Modaser, verlangten sie sehr gute Leistungen. Eine Erwartung, die er gerne erfüllt. „Ich bin der Einzige, der unsere Familie aus der Armut befreien kann. Wenn ich hart arbeite, kann ich eines Tages Jura studieren.“ Als Anwalt könne er auch versuchen, die Rechte von Kindern in seinem Land zu vertreten. Nur sehr selten erlaubt er sich, mit den Brüdern Fußball zu spielen.
„Gefunden“ hat Modaser der Sozialarbeiter Zahbihullah Behjat. Der 31-Jährige durchstreift die Straßen der armen Viertel und spricht die Kinder an, tritt dann in Kontakt mit ihren Familien. Bei regelmäßigen Besuchen kontrolliert er die Gesundheit der Mädchen und Jungen und ob die Eltern sich an die Regeln halten. Für jedes Kind, das von der Straße geholt wird, müssen Sponsoren gefunden werden.
Das gelang - bis die Taliban im August wieder die Herrschaft über Afghanistan übernahmen, die Wirtschaft kollabierte, die Lebensmittelpreise explodierten und die Zahl der bettelnden Kinder sprunghaft in die Höhe schnellte. „Die meisten Sponsoren waren Exil-Afghanen, die nun ihr Geld brauchen, um ihre eigenen Verwandten zu unterstützen“, sagt Behjat. Zudem sei es in den vergangenen Monaten unmöglich gewesen, Geld zu überweisen. „Wir haben seit drei Monaten nichts mehr an die Familien gezahlt und auch wir Sozialarbeiter bekommen kein Gehalt.“ Die meisten Kinder seien exzellente Schüler. „Aber in dieser Situation haben wir große Sorge, dass sie auf die Straße zurück müssen.“
Wohin die neue Not führen kann, berichtet Farzana, die nicht ihren vollen Namen nennen möchte. Ihr achtjähriger Sohn Noor Mohammad erhält ebenfalls ein Stipendium. Auch ihr Mann starb im Krieg, da war sie schwanger mit dem dritten Kind. Die schmale Witwenrente der 38-Jährigen reichte nicht, also blieb sie im Haus ihres Schwiegervaters wohnen, der ihr ein Zimmer unter dem Dach mit zerbrochenen Fensterscheiben gab.
Seit die Taliban im Land herrschen, erhält sie keine Rente mehr und kann kaum noch Nahrungsmittel kaufen. Wie sie heizen soll, weiß sie nicht. Das Geld der Organisation hielt sie bislang über Wasser. Und dass ihr Sohn, von dem sie sagt, er sei hundert Mal klüger als sie, zur Schule geht, gab ihr Hoffnung. Doch Anfang November sitzt Farzana frierend im möbellosen Zimmer, der kalte Kabulwind zieht durch die Fenster und die Kinder jammern, sie hätten Hunger.
Noch hat Farzana Reis für zwei Wochen, doch einen neuen Sack wird sie nicht kaufen können. „Mein Schwiegervater sagt, ich solle wieder heiraten, damit ich aus dem Haus bin.“ Ein neuer Mann werde aber ihre Kinder nicht wollen, „dann muss ich sie in ein Heim geben.“ Doch wenn sie den Winter überleben wolle, müsse sie wohl bald das Angebot eines alten Mannes annehmen, der bereit sei, eine arme, verwitwete Frau wie sie zu heiraten. „Und ich kann nur beten, dass es einer ist, der meine Kinder nicht davonjagt.“
Frankfurt a.M., Naypyidaw (epd). Das Militär in Myanmar hat die abgesetzte De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi wegen Wahlbetrugs angeklagt. Weiteren 15 Personen werde ebenfalls wegen illegalen Handelns im Zuge der Wahlen von November 2020 der Prozess gemacht, berichtete die staatliche Zeitung „The Global new Light of Myanmar“ am Dienstag. Die Armee hatte Wahlbetrug als Grund für ihren Putsch vom 1. Februar angeführt, ohne jedoch Beweise vorzulegen. Suu Kyis „Nationale Liga für Demokratie“ (NLD) hatte die Abstimmung klar gewonnen.
Neben Suu Kyi sind auch der frühere Präsident U Win Myint und der ehemalige Leiter der Wahlkommission angeklagt. Den 16 Angeklagten wird unter anderem Bedrohung von Beamten von untergeordneten Wahlkommissionen, Amtsmissbrauch, Manipulation von Stimmzetteln und Einflussnahme im Wahlkampf für die NLD vorgeworfen. Die Nationale Wahlkommission habe die Ergebnisse des Urnengangs annulliert.
Suu Kyi steht bereits wegen verschiedener Vorwürfe vor Gericht, darunter wegen „Anstiftung zum Aufruhr“. Außerdem geht das Militär wegen Verstößen gegen Corona-Auflagen im Wahlkampf sowie wegen illegalem Besitz von Funkgeräten gegen sie vor. Zudem muss sie sich wegen Korruption und Verrats von Staatsgeheimnissen verantworten. Die Verfahren werden als politisch motiviert kritisiert.
Seit dem Putsch versinkt das südostasiatische Land im Chaos. Immer wieder protestieren Menschen unter Lebensgefahr gegen das Regime. Laut der Hilfsorganisation für politische Gefangene AAPP wurden bisher mindestens 1.265 Menschen bei Protesten getötet. Insgesamt 10.184 Menschen sind seit dem Putsch festgenommen worden, etwa 290 wurden verurteilt, 65 von ihnen zum Tode, darunter zwei Minderjährige.
Frankfurt a.M., Brasilia (epd). Die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes in Brasilien nimmt weiter massiv zu. Die Abholzung stieg im Vergleich zum Vorjahr um 22 Prozent auf 13.235 Quadratkilometer, wie aus dem am 18. November veröffentlichten Bericht der brasilianischen Weltraumbehörde Inpe hervorgeht. Das sei der höchste Wert seit 2006.
Der brasilianische Umweltminister Joaquim Pereira Leite kündigte an, die Regierung werde entschiedener gegen die illegale Abholzung vorgehen. Die Daten zeigten jedoch nicht die Entwicklung der vergangenen Monate. Der Inpe-Bericht vom 27. Oktober bezieht sich auf den Zeitraum von August 2020 bis Juli 2021 und basiert auf Satellitenaufnahmen. Beim Weltklimagipfel in der vergangenen Woche hatte Brasilien angekündigt, die illegale Abholzung bis 2028 zu beenden.
Diese Zahlen zeigten, dass die Regierung die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes vorantreibe, erklärte der Exekutivdirektor der Umweltorganisation WWF in Brasilien, Mauricio Voivodic. Sie versuche es jedoch mit märchenhaften Reden zu verbergen. Wenn dieser Trend nicht gestoppt werde, werden der Amazonas-Wald bald unumkehrbaren Schaden erlitten haben. Der Amazonas-Regenwald ist wegen seiner CO2-Speicherung entscheidend für das Weltklima und Heimat einer Vielzahl einzigartiger Pflanzen und Tiere.
Unter dem seit Anfang 2019 regierenden rechtsextremen Präsidenten Jair Bolsonaro hat die Vernichtung des Amazonas-Regenwaldes deutlich zugenommen. Zudem hat der Präsident die Mittel des Umweltministeriums zusammengestrichen und die Überwachung der Regenwaldflächen eingeschränkt, so dass illegale Abholzung kaum mehr verfolgt wird. Bolsonaro hatte bereits vor seinem Amtsantritt versprochen, den Regenwald wirtschaftlich für Bergbau und Landwirtschaft zu erschließen und keine weiteren Schutzgebiete für Ureinwohner auszuweisen.
Frankfurt a.M. (epd). Die Lage in Äthiopien wird immer auswegloser. Eine friedliche Lösung des Tigray-Konflikts, der auf immer mehr Regionen im Land übergreift, ist nicht in Sicht - und wie es scheint, nicht gewollt. „Beide Seiten wollen militärisch gewinnen“, sagt Redie Bereketeab, Wissenschaftler am Nordic Africa Institute im schwedischen Uppsala. Er sehe daher nicht, „dass es zu diesem Zeitpunkt eine Verhandlungslösung geben kann“.
Die beiden Seiten sind: die Zentralregierung von Ministerpräsident Abiy Ahmed und die Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF). Letztere stellte in der nördlichen Region die Regierung, bevor sie bei einer Militäroffensive Abiys vor einem Jahr abgesetzt wurde. Es geht also um die Macht in Tigray und weit darüber hinaus, denn die TPLF war vor Abiys Amtsantritt 2018 auch maßgeblich an der Zentralregierung beteiligt - sie besetzte Schüsselstellen in Politik und Militär.
Der Krieg in Tigray begann mit Abiys Offensive in Reaktion auf einen TPLF-Angriff auf einen Militärposten. Inzwischen sind Tausende Tote, Hunderttausende Vertriebene und Millionen Hungernde zu beklagen. Am 4. November, dem ersten Jahrestag des Kriegsbeginns, rief Abiy in einer neuen Eskalation den Notstand aus und sicherte sich damit weitreichende Befugnisse. Er schwört die Bevölkerung nun auf den „Kampf für die Existenz und Souveränität des Landes“ ein.
„Nach Einschätzung der Regierung und auch der Mehrheit der Menschen versucht die TPLF, Äthiopien zu zerstören“, sagt Redie. Dass die Menschenrechte außer Kraft gesetzt würden, sei logische Folge eines Notstands. „Man muss verstehen, dass es in einem solchen Ausnahmezustand immer unschuldige Opfer gib“, verteidigt der Wissenschaftler die Position Abiys.
Äthiopien-Experte Wolfgang Heinrich wertet den Notstand als „Akt der Verzweiflung“ nach dem Vormarsch der „Tigray Defense Forces“, des militärischen Arms der TPLF, weit ins Landesinnere. Zugleich stehe nichts in der Notstandserklärung, was die Regierung nicht bereits mache: „Unterdrückung der Presse- und Meinungsfreiheit, die Verhaftung von Personen, die im Verdacht stehen, gegen die äthiopische Regierung zu sein, das Recht, jederzeit ohne rechtliche und gerichtliche Grundlage Häuser zu durchsuchen und Eigentum zu konfiszieren, das Recht Menschen zu den Waffen zu zwingen.“
Nach Einschätzung des langjährigen Entwicklungshelfers befindet sich das Land mit seinen 90 verschiedenen ethnischen Gruppen und 80 Sprachen bereits in einem Bürgerkrieg, vor dem die Vereinten Nationen und andere Beobachter immer eindringlicher warnen. „Es gibt unglaublich viele Konfliktlinien, wo im Moment militärisch agiert wird.“ So in den Regionen Amhara, Afar, Benishangul Gumuz, Oromia und zwischen mehreren Regionen. Er befürchte als „Horrorszenario“ einen Showdown in Addis Abeba, weil dies mit sehr viel Blutvergießen einherginge.
Beide Parteien verüben brutale Verbrechen, darunter Massaker und massive sexuelle Gewalt und haben sich laut den UN der Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht. Zugleich ist es kaum möglich, verlässliche Informationen zu erhalten, da die Regierung die Konfliktregion systematisch abriegelt und beide Seiten Propaganda-Kampagnen betreiben. Mehr als vier der rund 115 Millionen Äthiopier und Äthiopierinnen sind den UN zufolge im Land auf der Flucht, mehr als 26 Millionen brauchen Hilfe, um zu überleben.
Für Redie Bereketeab ist die zentrale Zukunftsfrage die nach der politischen Struktur. Derzeit ist Äthiopien föderalistisch organisiert, die Regionen orientieren sich an ethnischer Zugehörigkeit. „Manche sehen im ethnischen Föderalismus das zentrale Problem des Landes und die Gefahr, dass es auseinanderbricht.“ Doch die Vertretungen ethnischer Gruppen wollten ihre Autonomie nicht einbüßen.
Eine Verständigung werde es allerdings nicht geben, solange Abiy an der Macht sei, ist sich Heinrich wiederum sicher. „Die TPLF kann nicht mit Abiy reden nach den Grausamkeiten, die der Tigray-Bevölkerung angetan worden sind.“ Wahrscheinlich werde die TPLF nach einer Rückkehr an die Macht in der Region ein Referendum über die Unabhängigkeit Tigrays abhalten. „Mit den Erfahrungen, die die Menschen in Tigray jetzt mit der äthiopischen Regierung und den äthiopischen Sicherheitsorganen gemacht haben, ist das Ergebnis schon vorhersehbar.“ Und dann würden vermutlich andere Regionen nachziehen: „Das ist ein vorhersehbares Szenario.“
23.-24.11. Schwerte, Ev. Akademie Villigst Lebensmittel - Mittel zum Leben. Ein Dialog zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft. Wie kann ein gesamtgesellschaftlich akzeptierter und wertschätzender Umgang mit Lebensmitteln aussehen und was bedeutet dieser für die Zukunft der Landwirtschaft. https://www.kircheundgesellschaft.de/veranstaltungen/lebensmittel-mittel-zum-leben-2021-11-23-100000-468/
25.11. Rostock Online Antisemitismus und soziale Medien - alles ganz harmlos? Die technologiegetriebene Verbreitung von Antisemitismus. http://akademie-nordkirche.de/veranstaltungen/aktuelles/886
26.-27.11. Bad Boll Online Die Religionen in Krisenzeiten - Hoffnung und Transformation. Was können wir verändern, um globale Solidarität zu bewirken? Wie kommen wir ins Handeln? Welche Rolle spielen dabei kirchliche Akteure? https://www.ev-akademie-boll.de/tagung/640621.html