Wuppertal (epd). Am Ende ist sein Plan doch noch Wirklichkeit geworden. Schon bevor Roland Mönig 2020 die Leitung des Von der Heydt-Museums in Wuppertal übernahm, wollte er unbedingt die Werke von „Brücke“ und „Blauer Reiter“ in einer Ausstellung zusammenbringen. Jetzt, zum Jahresende 2021, ist es ihm gelungen.

Seit dem 21. November sind 160 ausgewählte Werke - 90 Gemälde und 70 Arbeiten auf Papier - unter dem Titel „Brücke und Blauer Reiter“ zu bestaunen, und der Besucher darf sich freuen, die Wucht der Farben und ihre Wirkung zu genießen. Ob Karl-Schmitt-Rotluffs „Norwegische Landschaft“, das „Mädchen mit Katze“ und der „Fuchs“ von Franz Marc, die „Fingerhüte im Garten“ von August Macke - überall strahlt es förmlich von den Wänden.

Erstmals seit 25 Jahren sind die Werke von „Brücke“ und „Blauer Reiter“ wieder zum Vergleich gemeinsam präsentiert - zuletzt war das 1996 im Museum am Ostwall in Dortmund möglich. Rund die Hälfte der Ausstellung stammt aus dem eigenen Bestand des Museums, in einer Kooperation ergänzt um Leihgaben des Buchheim Museums Bernried am Starnberger See und der Kunstsammlung Chemnitz. Hinzu kommen Werke von internationalen Leihgebern wie etwa Wassily Kandinskys „Improvisation 33 (Orient I)“ aus dem Stedelijk Museum Amsterdam.

Beitrag zur neuen Zeit

„Es ist lange überfällig, dieses entscheidende Kapitel moderner Kunst in Deutschland für eine neue Generation aufzubereiten“, sagt Mönig. Beide Künstlergruppen hätten Konventionen gesprengt und damit eine neue Vorstellung von Kunst sowie ein neues Bild des Künstlers begründet.

Die Künstlerinnen und Künstler von „Brücke“ und „Blauer Reiter“ stehen stellvertretend für den deutschen Expressionismus und gelten damit als Schlüsselfiguren der Klassischen Moderne. „Beide Künstlergruppen verstanden sich als Vorreiter eines neuen Sehens, eines neuen Fühlens, eines neuen Denkens“, erläutert Mönig: „Sie erwarteten eine neue Zeit und eine neue Welt und wollten ihren Beitrag dazu leisten.“

Doch statt der neuen Zeit, auf die die Vertreter der 1905 gegründeten „Brücke“ und des an der Jahreswende 1911/12 entstandenen „Blauen Reiters“ hofften, gab es zunächst den Ersten Weltkrieg als Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts, dem sich auch viele Künstler nicht entziehen konnten - oder wollten.

August Macke, der 1905 in einem Selbstporträt lachend und prostend ein Weinglas erhebt, wird einberufen und fällt 1914, gerade mal 27 Jahre alt. Franz Marc, der vermeintlich sanftmütige Maler der Tiere, zieht unterdessen mit voller Überzeugung in den Krieg und stirbt 1916 im Alter von 36 Jahren in der Schlacht um Verdun. Während und nach dem Ersten Weltkrieg konnten sich die überlebenden Künstler nicht mehr als Visionäre sehen, die Darstellungen werden deutlich melancholischer, verzweifelter. Max Beckmann interpretiert sich 1915 als Krankenpfleger, Ernst Ludwig Kirchner 1918 als Kranker.

Nach 1945 zum „Fanal der Freiheit“ stilisiert

Nach der Blüte des Expressionismus in der Weimarer Republik gab es für die Stilrichtung mit Beginn der Nazi-Diktatur nur noch aufgesetzte Empörung: „Das hielt man einmal für deutsche Kunst“, wetterte das „Chemnitzer Tageblatt“ 1933 zur Eröffnung einer „Schandausstellung“ mit gebrandmarkten Werken von „Brücke“ und „Blauer Reiter“. Kirchner warnte: „Es liegt Krieg in der Luft. In den Museen wird jetzt die mühsam errichtete Kultur der letzten 20 Jahre vernichtet.“

Doch nach 1945 seien die Kunst von „Brücke“ und „Blauer Reiter“ sowie der Expressionismus insgesamt zum „Fanal der Freiheit“ stilisiert und wiederentdeckt worden, merkt Mönig dazu an. Als Wegbereiter der wiedergewonnenen Freiheit inspirierten sie mit den Werken des Informel und des Abstrakten Expressionismus die Malerei der Nachkriegszeit - Thema des „Epilog“ im letzten Raum der Ausstellung, die bis einschließlich 27. Februar 2022 zu sehen ist.