verschleppt und verzögert: Eine wissenschaftliche Analyse zu sexualisierter Gewalt in der Bremischen Evangelischen Kirche formuliert massive Versäumnisse. In der Studie des Münchner Institutes für Praxisforschung und Projektberatung heißt es, die vonseiten der Kirche behauptete Aufarbeitung habe nicht stattgefunden. Stattdessen hätten die Verantwortlichen strategisch gehandelt. Bremens leitender evangelischer Theologe Bernd Kuschnerus räumte Fehler ein: „Wir bedauern dies zutiefst.“
Sport verbindet, das ist keine Neuigkeit. Doch er ist auch hilfreich bei der Integration von Migranten. Dass Brüder Ainullah und Omid Moradi in Hildesheim ein neues Zuhause gefunden haben und sich gut aufgehoben fühlen in ihrer neuen Heimat, ist auch dem Fussball zu verdanken. Geholfen hat den beiden Afghanen das Projekt „Soccer Refugee Coach“ des Niedersächsischen Fußballverbandes und des Landessportbundes Niedersachsen. Zugewanderte haben nicht nur die Möglichkeit zu kicken, sondern können sich auch als Co-Trainer und Betreuer von Fußballmannschaften ausbilden lassen.
Die Diskussionen über die Bezahlkarte für Asylsuchende nehmen kein Ende. Die Kirchen und ihre Sozialverbände sehen den Plan, künftig weniger Bargeld auszuzahlen und Bezahlkarten zum Einkaufen zu nutzen, sehr kritisch. „Damit werden die Betroffenen entmündigt“, sagt die Referentin für Flucht und Menschenrechte der Nordkirche, Katherine Braun, im Interview mit dem epd. „So wie die Bezahlkarte jetzt geplant ist, schränkt sie Grund- und Menschenrechte ein und verstärkt Diskriminierungen.“
Das Wort vom „Betreuungsnotstand“ macht die Runde: Personalmangel in den Kitas führt immer öfter zu verkürzten Öffnungszeiten, Notgruppen oder gar der Schließung von Einrichtungen. „Die Situation ist für Kinder und Eltern wie auch für das vorhandene Personal untragbar geworden“, sagt Anette Stein, Expertin für frühkindliche Bildung bei der Bertelsmann Stiftung. Schnelle Besserung ist nicht in Sicht. Bis 2030 werden Prognosen zufolge 430.000 Erzieherinnen gebraucht, denn der Bedarf an Fachpersonal wird noch deutlich steigen: „Bis 2026 kommt noch der massive Ausbau der Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder dazu“, sagt Waltraud Weegmann, Geschäftsführerin des Deutschen Kitaverbandes, im Interview mit epd sozial. Ganztagsbetreuung für alle Kinder ist auf mittlere Sicht nicht realistisch.
Zwei Vollzeitjobs führen nicht zu einem doppelten Urlaubsanspruch. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden. In dem Fall hatte eine rechtswidrig gekündigte Frau noch während des Kündigungsrechtsstreits einen neuen Vollzeitjob angenommen und verlangte von beiden Arbeitgebern die vollen Urlaubsansprüche. Doch das geht nicht, befand das Gericht. Die Klägerin muss ihre Urlaubsansprüche aus der neuen Beschäftigung mit denen vom alten Arbeitgeber verrechnen lassen.
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Ihr Dirk Baas
Berlin (epd). Für diese Untersuchung sollen Befragungen in 9. Schulklassen in allen Bundesländern stattfinden, sagte Kerstin Claus am 12. März dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dafür soll nach ihren Angaben ein Forschungszentrum gegründet werden, für das eine Ausschreibung in den nächsten Wochen veröffentlicht werden soll.
Ziel sei es, eine valide Datengrundlage für ihre geplante Berichtspflicht gegenüber dem Bundestag zu schaffen. Dazu müsse man möglichst nah heran an junge Menschen, sagte Claus. Die Befragungen sollen demnach in einer repräsentativen Stichprobe von 9. Klassen stattfinden und fachlich und mit Hilfeangeboten begleitet werden, da unter den Befragten auch Betroffene von sexueller Gewalt sein werden. Dafür seien forschungsethische Leitlinien im Nationalen Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen entwickelt worden.
Langfristig sollen alle vier Jahre solche Studien entstehen. „Wir wollen wissen, was sich ändert, was wirkt und wie sich Tatkontexte und Risikoräume verschieben“, sagte Claus. Für das geplante Prävalenzforschungszentrum seien im Haushalt jährlich rund 1,7 Millionen Euro veranschlagt.
Am 11. März hatte das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) Mannheim mitgeteilt, an einer repräsentativen nationalen Dunkelfeldstudie zur Häufigkeit von sexualisierter Gewalt zu arbeiten. Der forensische Psychiater Harald Dreßing leitet die Studie, deren Ergebnisse bis Ende des Jahres vorliegen sollen. Diese Studie könne dazu beitragen, auch sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen in den vergangenen Jahrzehnten zu erforschen, und sei damit eine gute Ergänzung zu ihren Planungen, sagte Claus.
Auf Basis einer Zufallsstichprobe wurden für die Mannheimer Studie bundesweit 92 Kommunen ausgewählt. In jeder werden per Post an 100 Bürger Fragebögen verschickt. So soll ein repräsentatives Abbild der deutschsprachigen Wohnbevölkerung von 18 bis 59 Jahren entstehen.
Beteiligt sind neben dem ZI auch die Universitäten Ulm und Heidelberg. Die Studie erhält Drittmittel von der „Weisser Ring Stiftung“, dem Verein Eckiger Tisch und dem Kinderschutzbund. Die genauen Kosten für die Studie sind nicht bekannt.
Bremen, München (epd). In einer wissenschaftlichen Analyse zu sexualisierter Gewalt in der Bremischen Evangelischen Kirche werden der Kirche massive Versäumnisse vorgehalten. In der am 8. März veröffentlichten Studie des Münchner Institutes für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) heißt es, die vonseiten der Kirche behauptete Aufarbeitung habe nicht stattgefunden. Stattdessen hätten die Verantwortlichen strategisch gehandelt. Bremens leitender evangelischer Theologe Bernd Kuschnerus erklärte, die Kirche habe Fehler gemacht: „Wir bedauern dies zutiefst.“
Das IPP kritisiert: „Es wurde verschleppt und verzögert, so dass sich die Bedingungen für eine tatsächliche Aufarbeitung zunehmend verschlechterten.“ Konkret geht es um den Fall des Bremer Dompredigers Günter Abramzik (1926-1992), der als prominente Persönlichkeit Kultur und Gesellschaft in der Hansestadt über Jahre mitgestaltet hatte.
Die Analyse ergab, dass Abramzik gegen mindestens 17 Jungen - fast ausschließlich Jugendliche im Alter zwischen 14 und 18 Jahren - sexualisierte Übergriffe begangen hat. Von einem wesentlich größeren Dunkelfeld sei auszugehen. Dabei habe es sich vorwiegend um Schüler des Alten Gymnasiums in Bremen gehandelt, die an seiner Philosophie-AG teilgenommen hätten, sowie um Konfirmanden: „Ein Großteil der Taten wurde in den 1970er-Jahren verübt.“
Abramzik war zwischen 1958 und 1992 Domprediger. Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs wurden erst 2022 durch Medienberichte öffentlich. „Ein Betroffener hatte bereits 2010 die vom Domprediger verübte sexualisierte Gewalt der Bremischen Evangelischen Kirche gemeldet“, heißt es in der Tiefenanalyse. Sie wurde im Auftrag der Landeskirche als Teil der sogenannten ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Diakonie erarbeitet.
Zwar habe der Betroffene den Umgang der Institution mit ihm als respektvoll empfunden, heißt es in der Teilstudie. Aber im weiteren Verlauf seien keine Versuche unternommen worden, andere Betroffene ausfindig zu machen. Die Kirche habe jahrelang versäumt, die Öffentlichkeit über die Vorwürfe gegen den Domprediger zu informieren: „Sie begründet dies mit ihrer Rücksicht auf den Betroffenen, der sich 2010 gemeldet hatte. Eine Information der Öffentlichkeit wäre aber jederzeit auch ohne Preisgabe der Identität des Betroffenen möglich gewesen.“
Erst 2014 sei in einem Gremium der Domgemeinde über den Fall gesprochen worden, „allerdings ohne den Namen und die Position Abramziks zu nennen“. Das institutionelle Vorgehen sei von Vertreterinnen und Vertretern der Kirche in eine Sprache der Selbstgewissheit und Selbstidealisierung gekleidet worden, kritisiert die Analyse. Aktivitäten der Domgemeinde hätten den Eindruck einer „Flucht in die Prävention“ gemacht.
Bernd Kuschnerus, Schriftführer der Bremischen Evangelischen Kirche, sagte, oberstes Ziel der Kirche sei es gewesen, an der Seite der Betroffenen zu stehen. „Die nun vorliegenden Ergebnisse ermöglichen es uns, unsere Prozesse zu verändern und anzupassen und weitere Maßnahmen für die Aufarbeitung in die Wege zu leiten.“
Das IPP empfiehlt eine wissenschaftliche Untersuchung zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der bremischen Kirche. Dabei müsse die Mitverantwortung der damaligen Kirchenleitungen in den Blick genommen werden. Sie müsse mit einem öffentlichen Aufruf verbunden werden, der sich an Personen richte, die innerhalb der Kirche sexualisierte Gewalt erfahren hätten: „Ein solches Vorhaben würde weit über den Fall Abramzik hinausreichen.“
Frankfurt a.M. (epd). Der Sprecher der Betroffenen sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche, Detlev Zander, hat die Kirchenleitenden aufgefordert, Verantwortung für den Umgang mit Missbrauchsfällen zu übernehmen. „Ich frage mich, wie es passieren konnte, dass in fast allen 20 Landeskirchen und 17 Diakonie-Landesverbänden so unmenschlich mit Betroffenen umgegangen wurde. Ich verlange, dass da auch persönlich Verantwortung übernommen wird“, sagte Zander am 12. März dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Vergangene Woche hatten der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und die Kirchenkonferenz, in der alle 20 Landeskirchen vertreten sind, in Hannover über Lehren aus der Ende Januar veröffentlichten Missbrauchsstudie beraten. Erstmals nahmen an den Sitzungen auch Vertreterinnen und Vertreter von Betroffenen aus dem Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt in der EKD und der Diakonie teil.
Zander, der Betroffenensprecher im Beteiligungsforum ist, forderte die Landeskirchen auf, nun genügend Geld für die Aufklärung, Aufarbeitung und Prävention sexualisierter Gewalt bereitzustellen. Außerdem müssten die Landeskirchen die Vorschläge des Beteiligungsforums, das das Thema Missbrauch EKD-weit bearbeitet, auch umsetzen, sagte er. Das Beteiligungsforum sei die letzte Chance für die EKD, beim Thema Missbrauch zu Glaubwürdigkeit zu kommen.
Das Beteiligungsforum arbeitet derzeit unter anderem an einer Änderung des kirchlichen Disziplinarrechts und an einheitlichen Regeln für Anerkennungsleistungen, die Betroffene für erlittenes Leid entschädigen sollen. Gerade hier seien faire Regeln für die Betroffenen entscheidend, erklärte Zander. „Vereinheitlichung ist ein Muss“, betonte er. „Wenn wir das nicht bis zur EKD-Synode im November schaffen, geht noch mehr Vertrauen verloren.“ Betroffene müssten sehen, dass nach der Veröffentlichung der Studie schnell etwas geschehe.
Die EKD hatte die Studie bei dem unabhängigen Forschungsverbund ForuM in Auftrag gegeben. Die Forscher zählten mindestens 2.225 Betroffene sexualisierter Gewalt und mindestens 1.259 Beschuldigte. Die Dunkelziffer liegt den Forschern zufolge aber deutlich höher. Laut Studie gab es in der evangelischen Kirche und der Diakonie eine mangelnde Verantwortungsübernahme bei der Aufklärung von Taten. Betroffene, die ihre Geschichte öffentlich machten, seien zudem fast immer diskriminiert und ausgegrenzt worden.
Osnabrück (epd). Eine Betroffene von sexueller Gewalt in der evangelischen Kirche wirft dem hannoverschen Landesbischof Ralf Meister schwere Versäumnisse bei der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen vor. „Ich würde einen Rücktritt von Bischof Meister für wichtig und richtig halten“, sagte die unter dem Pseudonym Lisa Meyer auftretende Frau dem Evangelischen Pressedienst (epd). Meyer hat sich viele Jahre für die Aufklärung von Missbrauchsfällen aus den 1970er Jahren in der evangelischen Kirchengemeinde Oesede bei Osnabrück eingesetzt.
Sie sagte, die inzwischen erfolgte wissenschaftliche Aufarbeitung der Missbrauchsfälle von Oesede habe nachweislich schwere Versäumnisse, Fehleinschätzungen und Fehlentscheidungen, Verschleppung und Vertuschung sowie defizitäre Arbeitsbedingungen in der Ansprechstelle für Opfer sexualisierter Gewalt in der hannoverschen Landeskirche dokumentiert. Das alles gehe auch auf das Konto des seit 2011 amtierenden Landesbischofs Meister. „Wenn nicht jetzt, wann dann sollten personelle Konsequenzen folgen?“, fragte Meyer. Im Sinne einer konsequenten Verantwortungsübernahme müssten sowohl die Landeskirche als auch der Landesbischof jetzt ein deutliches Zeichen setzen.
Lisa Meyer war in den Jahren 1973 und 1974 als Elfjährige von einem angehenden Diakon der Kirchengemeinde Oesede mehrfach schwer missbraucht worden. Der Fall wurde zunächst vertuscht. Eine systematische Aufarbeitung begann erst 2021 und mündete in eine vor zwei Wochen veröffentlichte Studie, die weitere sexuelle Übergriffe des Diakons an mindestens sieben Betroffenen aufdeckte.
Meyer sagte: „Es müssen jetzt klare Standards entwickelt werden, wie Aufarbeitungsprozesse vor Ort gestaltet werden sollen.“ Zudem forderte sie einen Perspektivwechsel „weg vom Schutz der Institution und hin zu den Betroffenen“ sowie ein unabhängiges Gremium, das die Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt in der hannoverschen Landeskirche kontrolliert.
Bei der Erarbeitung von Konzepten sollten Betroffene und Kirchengemeinden unbedingt einbezogen werden, betonte Meyer. Es müsse Supervisionen und nach jedem Fall eine Evaluation geben. Bei der Aufarbeitung ihres Falles 2021 habe all das gefehlt. Sie habe die beteiligten Theologen vor Ort als überfordert und hilflos erlebt. Die Landeskirche habe sich jedoch nach ihrem Eindruck immer damit gebrüstet, sie sei in puncto Aufarbeitung ganz vorn mit dabei. „Gemessen an dem Image, das sie sich selbst gegeben hat, klafft da eine Riesenlücke“, sagte Meyer.
Hildesheim (epd). Das katholische Bistum Hildesheim hat eine neue Aufarbeitungsstudie zur Aufdeckung von sexualisierter Gewalt ausgeschrieben. Die Erhebung solle auch andere Formen physischer und psychischer Gewalt in der Diözese in den Blick nehmen, teilte das Bistum am 8. März mit. Dabei habe sich das Bistum eng mit der Unabhängigen Aufarbeitungskommission Nord (UAK Nord) abgestimmt und den Betroffenenrat Nord einbezogen.
Ziel der Studie sei es, Taten zu benennen, Täter zu identifizieren sowie Verantwortliche und Bedingungen aufzudecken, die Taten ermöglicht oder begünstigt haben. Eine besondere Aufmerksamkeit liege zudem auf den Folgen, die Taten für Betroffene und Co-Betroffene hatten und nach wie vor haben. Das Untersuchungsvorhaben soll aus zwei Teilstudien bestehen, die den Zeitraum von 1945 bis 2024 abdecken.
„Im Bistum Hildesheim hat es über viele Jahre immer wieder Fälle von sexualisierter Gewalt gegeben, die ganz klar als Verbrechen einzustufen sind. Das hat zu unfassbarem Leid bei vielen Betroffenen geführt“, sagte Bischof Heiner Wilmer, der Auftraggeber der Studie ist. „Wir stehen heute in der Verantwortung, betroffenen Menschen zu helfen, geschehenes Unrecht aufzuarbeiten und alles dafür zu tun, dass sich so etwas nicht wiederholt. Mit der neuen Studie wollen wir nun den Blick auf die jüngere Vergangenheit und bis in die Gegenwart hinein richten.“
Im Bistum habe es mehrere Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen gegeben, in denen es sehr wahrscheinlich zahlreiche Fälle von sexualisierter Gewalt gegeben habe. Eine Teilstudie solle daher diesen Bereich in den Blick nehmen, um Strukturen herauszuarbeiten, die Gewalt ermöglicht haben. Die andere Teilstudie stellt den Angaben zufolge insbesondere die Lebensgeschichten von Betroffenen und Co-Betroffenen in den Fokus, befasst sich aber ebenso mit Tatverdächtigen und kirchlichen Systemen wie Pfarrgemeinden, in denen sexualisierte Gewalt vorgekommen ist.
Geplant sei zunächst ein Untersuchungszeitraum von zwei Jahren. Da die Studie prozesshaft angelegt sein soll und aus den Teilergebnissen neue Fragen entstehen können, ist eine Verlängerung möglich. Für die Studie bewerben können sich Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen mit sozialwissenschaftlicher, historischer, psychologischer und juristischer Kompetenz. Bewerbungsschluss ist der 30. Juni 2024.
Hildesheim/Hannover (epd). Die Werdegänge von Omid und Ainullah Moradi lesen sich wie ein Best-Practice-Beispiel gelungener Integration. 2015 kamen die Brüder aus Afghanistan über die Mittelmeerroute nach Hildesheim. Sie waren Teenager, 14 und 16 Jahre alt. Heute arbeitet Omid nach Fachabitur und Ausbildung als Elektrotechniker, im Oktober beginnt der 22-Jährige sein Bachelor-Studium der Ingenieurwissenschaft. Omids zwei Jahre älterer Bruder Ainullah hat 2021 Abitur gemacht, er ist im sechsten Semester eines dualen Studiums der Verwaltungsinformatik. „Ich studiere in Hannover und absolviere den praktischen Teil im Landesamt für Soziales, Jugend und Familie“, sagt er.
Geholfen hat den Brüdern auf ihrem Weg das 2016 gegründete Projekt „Soccer Refugee Coach“ des Niedersächsischen Fußballverbandes (NFV) und des Landessportbundes (LSB) Niedersachsen. Das Projekt bietet Zugewanderten nicht nur die Möglichkeit zu kicken, sondern bildet sie auch als Co-Trainer und Betreuer von Fußballmannschaften aus.
Den Geflüchteten werden die Grundlagen des deutschen Fußballs vermittelt. Was ist der Unterschied zwischen Amateuren und Profis? Wie sieht die Vereinsstruktur hierzulande aus? Trainer-Lizenzen, Aufsichtspflicht, Erste Hilfe, Kindertraining - all diese Themen werden in den viertägigen Coach-Lehrgängen behandelt. Das Wort „Refugee“ ist seit kurzem aus dem Namen des Projekts verschwunden. Der Grund: Auch anderweitig benachteiligte Menschen, Menschen mit einer Behinderung etwa oder von Armut Betroffene, sollen sich willkommen fühlen.
„Wir hatten 2016 die Situation, dass wir sehr schnell und konkret vor Ort Angebote für die Geflüchteten schaffen mussten“, erinnert sich Najmann Kuri, Projektkoordinator seitens des NFB, an die Anfänge. „Fußball ist dafür perfekt, jeder auf der Welt kennt es, man braucht nur einen Ball und los geht's, ganz ohne kulturelle oder sprachliche Hürden“, sagt Kuri, der selbst Migrant ist. Er kam vor nunmehr fast 30 Jahren aus Syrien nach Deutschland und weiß, wie wichtig es ist, sich zugehörig und angenommen zu fühlen, Freunde zu finden, eine Vision für das eigene Leben zu entwickeln.
„Fußball ist mehr als Sport, mich hat er von der Straße geholt“, sagt Kuri. Fußball könne eine positive Dynamik entfalten. „Ich habe Mentoren gefunden, Menschen, die mir geholfen haben, so dass ich die Schule fertig machen konnte, diese Vernetzung ist bei der Integration sehr wertvoll.“
Positive Impulse auf die Entwicklung junger Menschen bestätigt auch Dominik Feer, Sportreferent beim LSB in Hannover und ebenfalls bei „Soccer Coach“ aktiv. „Beim Fußball bist du jemand, du entwickelst Selbstbewusstsein. Herkunft, sozialer Stand - das rückt in den Hintergrund.“
Das Bundesprogramm „Integration durch Sport“ des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), zu dem auch der „Soccer Coach“ gehört, gibt es bereits seit 35 Jahren. Der DOSB bezeichnet das Programm, das durch das Bundesinnenministerium und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gefördert wird, als „einen der größten aktiven Integrationshelfer in Deutschland“.
Im Jahr 2022 wurden bundesweit 1.800 Vereine sowie 3.500 Sportgruppen gefördert, die Gesamtsumme lag 2022 bei rund 5,5 Millionen Euro. Am Lehrgang „Soccer Coach“ haben seit Beginn an etwa 30 Standorten in Niedersachsen rund 500 Teilnehmer an knapp 40 Lehrgängen teilgenommen und ein Trainer-Zertifikat, das als Vorstufe zur C-Lizenz gilt, erworben.
Dass das Geld gut investiert ist und das Sportprojekt eine Win-Win-Situation für Geflüchtete wie Mehrheitsgesellschaft darstellt, zeigt der Werdegang der Moradi-Brüder. Omid trainiert beim SV Emmerke und SV Sorsum zweimal wöchentlich die unter 12-Jährigen, samstags begleitet er sie bei ihren Punktspielen. Ainullah hat die Trainer-C-Lizenz erworben, er engagiert sich im MTV 1848 Hildesheim.
Gäbe es die Afghanen nicht, stünden Hobbykicker im Raum Hildesheim vor einem Problem. Denn qualifizierte Trainer sind rar. „In Sorsum und Emmerke hätte sich die Kindermannschaft fast auflösen müssen“, sagt Omid Moradi und es ist ihm anzumerken, dass das in seinen Augen ein großer Verlust wäre - für ihn, aber auch die Kinder. Was aber macht den Zauber von Fußball aus? Warum ist diese Sportart so gut zur Integration geeignet? Omid überlegt. „Fußball verbindet Menschen auf magische Weise“, sagt er schließlich lächelnd.
Ainullah nickt. Er erinnert sich an die sechs Monate, die er mit seinem Bruder in einer Flüchtlingsunterkunft, einer alten Kaserne, verbracht hat. „Da gab es eine ungenutzte Fläche, auf der wir oft Fußball gespielt haben“, sagt er. Manchmal seien Sozialarbeiter und andere Mitarbeiter dazugekommen und hätten mit gekickt. „Man kennt sich nicht, doch schon nach wenigen Sekunden spürt man eine Verbindung - das tut gut“, sagt der angehende Verwaltungsinformatiker.
Hamburg (epd). Hamburg gibt eine Bezahlkarte für Flüchtlinge bereits seit Mitte Februar aus. In Schleswig-Holstein soll sie bis Ende des Jahres eingeführt werden. Mecklenburg-Vorpommern plant die Einführung ab Oktober. Die Referentin für Flucht und Menschenrechte der Nordkirche, Katherine Braun, kritisiert die geplanten Einschränkungen bei der Bezahlkarte. Mit ihr sprach Evelyn Sander
epd sozial: Was halten Sie von der Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete?
Katherine Braun: Die Bezahlkarte kann für Geflüchtete in Erstaufnahmeeinrichtungen, die noch kein eigenes Konto haben, sinnvoll sein und auch Kommunen entlasten. Voraussetzung ist aber, dass die Betroffenen nicht entmündigt und Verwaltungen wirklich entlastet werden. Aktuell geht es jedoch eher um die Reaktion auf populistische Stimmungsmache, die auf dem Rücken von Schutzsuchenden ausgetragen wird. So wie die Bezahlkarte jetzt geplant ist, schränkt sie Grund- und Menschenrechte ein und verstärkt Diskriminierungen. Die Karte soll Bargeldauszahlungen begrenzen, keine Kontofunktion haben und die Kommunen können die Nutzung nach Postleitzahlen einschränken.
epd: Was bedeutet das für die Geflüchteten?
Braun: Wer kein eigenes Konto hat, profitiert davon, dass er in Erstaufnahmeeinrichtung nicht mehr in langen Warteschlangen auf die Auszahlung warten muss. Wenn die Bezahlkarte Einschränkungen hat, haben Asylsuchende aber vor allem Nachteile: Zahlungen in Online-Shops, in Sozialkaufhäusern, auf Flohmärkten, im Schul-Kiosk und in kulturellen Einrichtungen sind nicht möglich. Menschen werden gezwungen, nur in bestimmten Geschäften einzukaufen. Noch dazu können sie von Kommunen kontrolliert werden. Im Kontext populistischer Stimmungen könnte das auch in Straflust münden.
epd: Wie wird sich Migration durch die Bezahlkarte verändern?
Braun: Dass durch Einschränkungen „Anreize“ für eine Flucht nach Deutschland verhindert werden sollen, ist fast zynisch. Die Bezahlkarte wird Menschen auf der Flucht vor Gewalt, Verfolgung, Armut und den Auswirkungen der Klimakrise nicht davon abhalten, bei uns Schutz zu suchen. Menschen kommen vor allem wegen Rechtssicherheit, fairen Asylverfahren und Achtung der Menschenrechte nach Deutschland. Der aktuelle populistische Tonfall in der Debatte schreckt aber viele ausländische Fachkräfte ab, die deutsche Unternehmen dringend brauchen. Das kann sich dieses Land eigentlich nicht leisten.
Berlin (epd). Im Bundesrat mehren sich die Anzeichen, dass die Länder das Inkrafttreten des Cannabis-Gesetzes verschieben wollen. Drei Ausschüsse des Bundesrats empfehlen, zu dem Gesetz den Vermittlungsausschuss anzurufen, wie aus den Vorlagen für die nächste Sitzung der Länderkammer am 22. März hervorgeht. Die Unions-Innenminister in den Bundesländern wollen eine Klage gegen das Gesetz prüfen.
Der federführende Gesundheitsausschuss sowie der Innen- und der Rechtsausschuss des Bundesrats machen zahlreiche Bedenken geltend. Der Gesundheitsausschuss empfiehlt, das Inkrafttreten des Gesetzes vom 1. April auf den 1. Oktober dieses Jahres zu verschieben. Die Bundesländer könnten die neuen Regeln nicht bis zum 1. April umsetzen, heißt es. Zudem seien viele Vorgaben generell nicht praxistauglich.
Dem Rechtsausschuss des Bundesrats zufolge ist es den Staatsanwaltschaften der Länder unmöglich, den rückwirkenden Straferlass kurzfristig umzusetzen. Es müssten Zehntausende Urteile wegen des Konsums oder Besitzes von Cannabis einzeln überprüft werden. Bezweifelt wird auch, dass der nachträgliche Straferlass rechtens ist.
Die Gesundheitsministerien der Länder halten zudem die erlaubten Mengen für zu hoch. Bis zu 50 Gramm getrocknetes Cannabis im Monat entspreche dem Konsum von Jugendlichen, die wegen ihrer Cannabisabhängigkeit behandelt werden, argumentiert der Gesundheitsausschuss. Die Kontroll- und Abstandsregeln zum Schutz Jugendlicher seien unpraktikabel. Außerdem soll der Besitz am 1. April legalisiert, der legale Anbau in größerem Umfang aber erst zum Sommer zugelassen werden. Das führe dazu, dass Schwarzmarkt-Cannabis zumindest in einer Übergangszeit legal mitgeführt und zu Hause aufbewahrt werden könne.
Die Innenminister von CDU und CSU wollen eine Klage gegen das vom Bundestag im Februar verabschiedete Gesetz prüfen. Es sei an vielen Stellen unscharf, sagte der Sprecher der acht Unions-Minister, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), am Dienstag nach einem Treffen in Berlin. Das Gesetz enthalte eine unüberschaubare Zahl an Tatbeständen, die Vielzahl von Detailregelungen verursache Rechtsunsicherheiten.
„Wir waren uns einig, dass auf die Strafverfolgungs- und Ordnungsbehörden der Länder schwierige zusätzliche Aufgaben und ein immenser Aufwand zukommen“, sagte Herrmann nach dem Treffen und machte sich für ein Vermittlungsverfahren stark. Die Unions-Minister warnten zudem vor einem wachsenden Schwarzmarkt. Der sächsische Innenminister Armin Schuster (CDU) sagte, durch die Legalisierung von Cannabis werde die Zahl der Konsumenten steigen.
Die Unions-Innenminister kündigten als Konsequenz, sollte das Gesetz nicht zu verhindern sein, einen strengen Vollzug in ihren Ländern an. Die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) sagte nach einer Kabinettssitzung am 12. März in München, eine zentrale Kontrolleinheit werde den Anbau von Cannabis im Freistaat streng überwachen.
Der Bundestag hatte das Gesetz mit den Stimmen der Ampel-Koalition Ende Februar beschlossen. Es sieht die Legalisierung von Besitz und Anbau begrenzter Mengen Cannabis für Erwachsene vor. Ab 1. Juli können sogenannte Anbauvereinigungen gemeinschaftlich Cannabis anbauen. Union, AfD und die Innenminister der Länder lehnen das Gesetz komplett ab. Wie sich der Bundesrat entscheidet, ist offen. Er kann die Teil-Legalisierung von Cannabis nicht verhindern, die Umsetzung aber verzögern.
Nürnberg (epd). Acht Männer stehen im Halbkreis um Seelsorgerin Sybille Schweiger-Krude und singen voller Energie „Meine Hoffnung und meine Freude, meine Stärke, mein Licht“. Nicht jeder Ton des christlichen Taizé-Liedes sitzt, aber die Sänger sind motiviert dabei und hören der Chorleiterin aufmerksam zu. „Bei 'Stärke' sehen Sie, da ist eine punktierte Note. Das verlängert diese Viertelnote um die Hälfte. Damit wird die Achtel dahinter, die so eine Fahne hat, relativ kurz, also ein bisschen schnittiger“, erklärt Schweiger-Krude, spielt an einem kleinen Keyboard die Stelle und singt sie vor. Ihr Gesang hallt von den Wänden der Kapelle wider. An der Stirnseite des Raumes steht ein Altar mit einem großen Jesusbild.
Es könnte eine ganz normale Kirchenchorprobe sein, aber am Hosenbund der Seelsorgerin klimpert bei jedem Schritt ein großer Schlüsselbund. Um zu ihren Sängern zu kommen, muss sie nacheinander zehn Türen auf- und wieder zusperren. Die acht Chormitglieder kommen begleitet von Wachpersonal im „Seelsorge-Gang“ der Untersuchungshaft der Justizvollzugsanstalt (JVA) Nürnberg an. Hier gibt es festgelegte Regeln, wer sich wann, wo und mit wem bewegen darf. Die Männer, die hier einsitzen, bleiben im Schnitt 100 Tage, bis ihre Verfahren abgeschlossen sind und sie entweder freikommen oder für das Abbüßen ihrer Haftstrafe in die Strafhaft verlegt werden.
„Dass es hier in der Untersuchungshaft so ein Angebot gibt, ist keine Selbstverständlichkeit“, erzählt Anstaltsleiter Thomas Vogt. Der häufige Wechsel der Teilnehmer erschwert die Proben. „Wir können uns nie sicher sein, ob nächste Woche noch alle da sind“, sagt Schweiger-Krude. „Aber gerade hier sind die Gefangenen sehr viel im Haftraum, weil sie in der Untersuchungshaft nicht arbeiten können. Für sie ist die Chorprobe eine Möglichkeit, rauszukommen und mit anderen zusammen Gutes zu erleben.“ Montags und freitags leiten Schweiger-Krude und ihr Kollege Andreas Bär abwechselnd die Proben.
Das Musizieren im Strafvollzug kann positive Auswirkungen auf die Gefangenen haben, bestätigt Daniel Mark Eberhard, Professor für Musikpädagogik und Musikdidaktik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. „Musik kann auch emotionsregulierend wirken und demokratische Grundprinzipien trainieren, vor allem wenn gemeinsam musiziert wird. Da müssen sich dominante Charaktere auch mal zurücknehmen und die Schüchternen sich etwas trauen.“
Mögliche Effekte des Musizierens mit Instrumenten seien eine verbesserte Grob- und Feinmotorik, Aufmerksamkeit und Konzentration. „Im besten Fall sollte ein solches Angebot so angelegt sein, dass es soziale Kompetenzen fördert, zum Beispiel durch Improvisationsteile oder interaktive Formate wie das Kanonsingen“, erklärt Eberhard. „Da kann etwas sehr Zartes entstehen.“ Im regulierten System des Strafvollzugs biete Musik eine Möglichkeit, Selbstwirksamkeit und Selbstbestimmtheit zu erleben.
Für die Gefangenen in Nürnberg steht ganz klar das Gemeinschaftserlebnis im Vordergrund. „Singen macht mir Spaß. Ich mag es, die Leute hier zu sehen und ein bisschen den Alltag zu vergessen“, sagt Tyson, dessen Name wie der aller anderen Gefangenen hier zu seinem Schutz geändert wurde. Tyson ist mit Musik aufgewachsen, wie er erzählt. Manfred singt nicht nur, sondern begleitet die Proben auch am Klavier, das in der Kapelle steht. „Ich habe mit Musik angefangen, da war ich fünf.“ Für ihn sei das Singen eine Möglichkeit, in der Zelle aufgestaute Aggressionen abzubauen: „Die christlichen Lieder sind sehr positiv und das hilft auch bei der Stimmung.“ Und Bonez sagt über das Singen im Chor: „Es gibt einem Hoffnung.“
Acht Plätze gibt es im Chor und eine lange Warteliste. „Es gibt Zugangsvoraussetzungen einerseits von der Haftanstalt“, erzählt Seelsorgerin Schweiger-Krude. „Wer hier singt, darf keine Gefährdung für sich oder andere darstellen.“ Bei den Proben ist Schweiger-Krude gegenseitiger Respekt sehr wichtig. „Ich bin immer wieder überrascht, wie wertschätzend die Gefangenen miteinander umgehen. Wenn jemand etwas gut kann, sagen es ihm die anderen auch.“
Ein paar Häuser weiter in der Strafhaft steht Gitarrenunterricht auf dem Programm. Horst Grimm unterrichtet hier über die Volkshochschule jeden Freitag bis zu vier Schüler. „Alle, die herkommen, haben ganz unterschiedliche Vorkenntnisse. Da ist auch mal jemand dabei, der noch gar nichts kann“, erzählt der Musiker.
An diesem Tag ist nur Anfänger Jimi da, der seit elf Unterrichtsstunden dabei ist. Das erste Lied kommt von einem alten Bekannten der Gefängnismusik: „Ring of Fire“ von Johnny Cash. Intensiv arbeiten die beiden am Anschlag. „Ich wollte schon immer Gitarre lernen und hier habe ich die Zeit dafür“, erzählt Jimi. Im Haftraum übt er jeden Tag. „Der Gitarrenunterricht ist für mich das Highlight der Woche. Und wenn man sieht, man wird besser und besser, das ist ein schöner Erfolg.“ Mehr als 20 Gitarren zum Ausleihen sind in der JVA im Umlauf. Auch die Übungsbücher, die es in der hauseigenen Bibliothek gibt, sind immer gefragt.
„Leider ist das Musizieren im Strafvollzug deutschlandweit eher eine Ausnahme, ein viel zu wenig genutztes Potenzial“, sagt Eberhard. „Wir haben so ein gesellschaftliches Missverständnis, dass Kultur eine Art Sahnehäubchen darstellt. Dabei ist der Mensch ohne Kultur nicht denkbar.“ Entscheide sich eine Einrichtung für ein solches Angebot, seien die Erfahrungen durchweg positiv. Es stelle auch einen wichtigen Faktor für die Resozialisierung dar: „Diejenigen, die in Haft sind, haben oft schon so viel Benachteiligung erfahren. Da müsste die Haft eigentlich eine wichtige soziale Ausgleichsfunktion einnehmen. Daher plädiere ich für viel mehr solcher Angebote.“
Berlin (epd). Angesichts des Erstarkens antidemokratischer Kräfte wollen private Stiftungen, Organisationen und Unternehmen Menschen in Ostdeutschland unterstützen, die sich vor Ort engagieren. Für Projekte zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts werde bis Juli 2024 ein Gemeinschaftsfonds mit einer Million Euro eingerichtet, sagte der Geschäftsführer der Stiftung Bürger für Bürger aus Halle, Olaf Ebert, am 12. März in Berlin bei der Vorstellung der Initiative „Zukunftswege Ost“.
Daraus sollen unbürokratisch Projekte in ländlichen Regionen mit bis zu 5.000 Euro gefördert werden. Eine Gesinnungsprüfung werde es nicht geben, hieß es. Die Kriterien für die Förderung von Vielfalt und Zusammenhalt schlössen Initiativen rechtsextremer Parteien aus. Gefördert werden sollen etwa Projekte für benachteiligte Jugendliche und behinderte Menschen.
Ziel sei die Stärkung von Initiativen, die sich für eine demokratische Kultur, ein friedliches Miteinander und die Gleichwertigkeit aller Menschen einsetzen, teilte der Bundesverband Deutscher Stiftungen mit. Engagierte sollten mit ihren Aktivitäten stärker in den öffentlichen Fokus gerückt werden.
Den Angaben nach engagieren sich rund 37 Prozent der Menschen in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ehrenamtlich und bringen sich ein ins Gemeinwesen. Mehr als 100.000 zivilgesellschaftliche Organisationen, also Vereine, Stiftungen bürgerlichen Rechts, gemeinwohlorientierte Genossenschaften, waren 2022 in Ostdeutschland registriert. Gleichzeitig, so die Initiative, seien viele Engagierte vor Ort einem immer größeren Druck ausgesetzt - durch demokratiefeindliche Kräfte, auch durch fehlende Verlässlichkeit finanzieller Ressourcen. Die öffentliche Förderung von zivilgesellschaftlichen Organisationen liege hier bei nur rund acht Prozent.
Der Bundesverband beobachtet nach eigenen Worten mit Sorge, dass sich viele von ihnen, insbesondere jenseits der urbanen Zentren Ostdeutschlands, immer größerem Druck ausgesetzt sehen. Das Erstarken demokratiefeindlicher Kräfte, der von ihnen beförderte Vertrauensverlust nicht nur in staatliche, sondern auch in zivilgesellschaftliche Institutionen führe dazu, dass sich Engagement im schlimmsten Fall nicht mehr entfalten könne.
Die Vorständin der Dresdner Cellex Stiftung, Eva Sturm, sagte, das Engagement in Ostdeutschland für Demokratie sei sehr groß und oft lokal und kooperativ. Es finde aber nicht immer in auskömmlichen Strukturen und häufig in Bedrohungslagen statt.
Burkhard Schwenker, Vorsitzender des Kuratoriums der Zeit Stiftung Bucerius, sagte, man wolle Kräfte bündeln, Ressourcen schaffen, „um den mutigen Menschen den Rücken zu stärken, die sich für gesellschaftlichen Zusammenhalt engagieren - und damit für uns alle.“
Die Initiative geht auf den Bundesverband Deutscher Stiftungen und einige seiner Mitglieder zurück. Dazu gehören die Stiftung Bürger für Bürger, die Hamburger Zeitstiftung Bucerius, die Cellex Stiftung und die Freudenberg Stiftung aus Weinheim an der Bergstraße. Die Schirmherrschaft hat der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Staatsminister Carsten Schneider (SPD), übernommen
Essenheim (epd). Anny Stöcklein ist schon 101 Jahre alt. Auf ihr hohes Alter ist sie stolz. Frau Stöcklein ist dement. Erwartungsvoll sitzt sie mit ihrem Rollstuhl im Friseursalon von Martina Schäfer, der sich im Erdgeschoss des Seniorenzentrums Domherrengarten im rheinhessischen Essenheim befindet.
Martina hat sich auf die Arbeit mit Menschen mit Demenz spezialisiert. Im Jahr 2010 hatte sie sich selbstständig gemacht und war hauptsächlich als mobile Friseurin tätig. Die Friseurmeisterin bemerkte dabei, dass sich die Senioren unwohl fühlten, wenn sie im eigenen Bad die Haare geschnitten bekamen. Einige ihrer Kunden seien aus der Kriegsgeneration gewesen, sie hätten durch das Haareschneiden sogar Angst bekommen. „Das hat mir das Herz gebrochen“, sagt Martina. Deshalb entschloss sie sich, im Seniorenzentrum in Essenheim einen Friseursalon einzurichten. Seit 2021 hat Martina dort ihr Haarstudio.
„Die Menschen wissen manchmal nicht mal mehr, wer sie selbst sind“, erzählt die Friseurmeisterin. Deshalb ist eine vertraute Atmosphäre für Martinas Kunden wichtig. Poster von Marilyn Monroe und James Dean hängen an der Wand. In einer Wassersäule schwimmen Plastik-Fische. Vor den großen Spiegeln an den Plätzen stehen bunt glänzende Sammeltassen. „Da drin lagern wir manchmal die Hörgeräte, damit die nicht verloren gehen“, erzählt Martina lächelnd.
Auf dem Sperrmüll hatte sie ein altes Radio entdeckt. Es funktioniert nicht mehr, deshalb ist ein Bluetooth-Lautsprecher dahinter versteckt, auf dem leise Musik spielt. Die vielen Zeitzeugen erwecken Erinnerungen bei ihren Kunden, sagt Martina. Die „Wohnzimmer-Atmosphäre“ schaffe Vertrautheit.
Den Umgang mit dementen Menschen hat Martina sich selbst erarbeitet und Fortbildungen gemacht. Sie geht einfühlsam mit ihren Kunden um, viel passiert über nonverbale Kommunikation. Frau Stöcklein ist entspannt, als Martina anfängt, ihr die Haare zu schneiden. Ruhig sitzt sie im Stuhl und betrachtet sich im Spiegel. Wenn Martina mit ihr redet, legt sie ihre Hand um die Schulter von Frau Stöcklein, lächelt und schaut ihr in die Augen. Frau Stöcklein lächelt zurück.
Martina schreibt sich Details aus den Leben ihrer Kunden auf. Sie sammelt biografische Daten, aber auch Anekdoten aus dem Leben der Menschen. Damit hat sie immer Gesprächsstoff, und die Senioren haben das Gefühl, mit einer vertrauten Person zu sprechen.
„Da kommen Menschen, die vielleicht das letzte Mal zum Friseur gehen“, sagt Martina. Der Besuch bei ihr soll deshalb immer etwas ganz Besonderes sein. Martina arbeitet nah am Tod. Direkt vor ihrer Tür liegt das Kondolenzbuch des Seniorenzentrums. Schon öfter hat die Friseurin Namen ihrer ehemaligen Kunden gelesen. Ein wenig traurig sei sie dann manchmal schon, erzählt sie. Auf der anderen Seite wisse sie aber, dass sie den Menschen noch ein schönes Erlebnis geben konnte.
Martina hat sogar ihr eigenes Haarspray entwickelt. Das habe noch den „typischen Haarspray-Geruch“ von vor 40 Jahren. Nach dem Frisieren bekommt auch Frau Stöcklein einige Stöße davon auf die neue Frisur. Bevor die Seniorin wieder von einer Pflegekraft abgeholt wird, bedankt sie sich bei Martina für die neue Frisur. 102 und noch älter wolle sie werden, sagt Frau Stöcklein. Vielleicht sogar 110.
Mainz, Idstein (epd). „Chef, ich geh' dann mal stillen“: ein Satz, der nicht in jedem Betrieb ein gängiger ist. Dabei sind Arbeitgeber durch das Mutterschutzgesetz, Paragraf 7, verpflichtet, Mütter die ersten zwölf Monate nach der Geburt des Kindes für die zum Stillen erforderliche Zeit bezahlt freizustellen. „Mindestens zweimal täglich für eine halbe Stunde oder einmal täglich für eine Stunde“, heißt es. Gleiches gilt für das Abpumpen von Muttermilch. Das Gesetz schützt darüber hinaus auch die Gesundheit der stillenden Frau.
Eine Studie des DGB aus dem Jahr 2022 ergab: Nur acht Prozent von 555 befragten Arbeitnehmerinnen gaben an, dass sie ihr Kind während der Arbeitszeit im Betrieb gestillt haben. 17 Prozent stillten nur außerhalb der Arbeitszeit und mehr als die Hälfte war während der gesamten Stillzeit in Elternzeit. Vier von fünf Frauen, die am Arbeitsplatz stillten, erklärten, dass sich das nicht unkompliziert und nicht geschützt angefühlt habe.
Pia Müller aus Mainz kennt die aufreibende Kombination von Berufstätigkeit und Stillen. Sie ist promovierte Physikerin, arbeitet in der chemischen Industrie und hat vier Kinder. Nach Mutterschutz und anschließendem Urlaub sei sie jeweils wieder in den Job eingestiegen, habe dort regelmäßig ihre Muttermilch abgepumpt und sie mit nach Hause gebracht, erzählt sie. Ihr Mann habe sie dann am nächsten Tag dem Kind gegeben.
In der Arbeitsgemeinschaft Freier Stillgruppen koordiniert Müller den Arbeitskreis „Erwerbstätigkeit und Stillen“. „Wie wir in der Stillberatung erleben, ist der Bedarf nach Informationen, gerade auch in Sachen Stillen im Beruf, enorm“, sagt sie.
Beim Stillen während der Berufstätigkeit muss jemand das Kind an den Arbeitsplatz der Mutter bringen, wenn das Zuhause oder die Kita nicht in der Nähe liegt. Andere Frauen pumpen wie Pia Müller während der Arbeitszeit Muttermilch ab, die jemand anderes dann dem Kind geben kann. „Wir erleben Mütter, die selbstständig sind und Stillen in Zeitfenster integrieren, wie auch Angestellte, deren Arbeitgeber bereits stillfreundliche Strukturen anbieten. Wir möchten die Frauen insgesamt noch mehr ermutigen, sich für ihre Rechte einzusetzen“, sagt Müller.
So haben Frauen, die unter das Mutterschutzgesetz fallen, Anrecht auf einen Raum zum Hinlegen und Ausruhen, aber auch zum Stillen oder Abpumpen von Muttermilch. Müller: „Ein spärlich eingerichteter Raum, eventuell nur ausgestattet mit einer Liege, wird den Bedürfnissen von Stillenden nicht gerecht. Wird eine Milchpumpe verwendet, benötigt die Arbeitnehmerin eine Steckdose, einen Tisch zum Ablegen ihrer Pumputensilien und eine bequeme Sitzmöglichkeit. Auch ein Waschbecken in der Nähe für die Hände und ihr Pumpgeschirr ist hilfreich.“
Bei einer zusammenhängenden Arbeitszeit von mehr als acht Stunden solle der Arbeitgeber zweimal mindestens 45 Minuten oder, wenn in der Nähe der Arbeitsstätte keine Stillgelegenheit vorhanden sei, einmal eine Stillzeit von mindestens 90 Minuten gewähren, heißt es im Gesetz. Häufig seien gerade in anspruchsvolleren beruflichen Positionen aber kaum Möglichkeiten gegeben, Zeitfenster zum Stillen oder Abpumpen einzuplanen, sagt Pia Müller. „Mehrstündige Präsenzmeetings ohne Pause, Dienstreisen sowie Führungskräfte, die in dieser Situation für die Stillende nicht mitdenken, können erschwerende Faktoren sein.“
Sie wirbt: „Stillen hat so viele positive Auswirkungen auf die Gesundheit von Mutter und Kind. Gestillte Kinder werden - statistisch gesehen - weniger häufig krank. Stillen wirkt sich etwa positiv auf das Immunsystem oder die Darmgesundheit des Kindes aus. Stillende haben ein geringeres Risiko, an Brust- und Eierstockkrebs sowie Osteoporose zu erkranken.“
Auch Christiane Bossong, Hebamme und organisatorische Leiterin im Geburtshaus Idstein, weiß um die Vorteile des Stillens. Sie betont zusätzlich die Körpernähe, die wichtig sei für die Mutter-Kind-Bindung. Inwieweit Mütter ihr Recht auf Stillen am Arbeitsplatz wahrnehmen, erlebt sie so: „Die meisten stillen, glaube ich, wenn sie wieder arbeiten gehen, nur noch teilweise. Morgens früh vor der Arbeit, abends und nachts.“ Aber sie betont: „Wir Hebammen können Bescheinigungen für den Arbeitgeber ausstellen, die bestätigen, dass die Frau noch stillt. Das wird vereinzelt genutzt.“
Studien zeigten, dass gut 90 Prozent der Mütter vor der Geburt planten, ihr Kind zu stillen, sagt Müller. „Die WHO empfiehlt, in den ersten sechs Monaten nach der Geburt ausschließlich zu stillen, danach - neben Einführung von geeigneter Familienkost - bis zum 24. Lebensmonat des Kindes und darüber hinaus, solange Mutter und Kind dies wünschen.“
Beide Expertinnen raten Müttern, sich gut zu informieren und rechtzeitig mit dem Arbeitgeber ein sachliches Gespräch zu führen, damit Zeit fürs Stillen eingeplant werden könne und Raum dafür da sei. Denn die Frauen müssen die Freistellung gegenüber dem Arbeitgeber ausdrücklich verlangen, mündlich oder schriftlich. Müller unterstreicht: „Frauen, die so viel Energie aufbringen und im Beruf stillen, die müssten doch eigentlich geschätzte Arbeitnehmerinnen sein.“
Berlin (epd). Das Organspenderegister im Internet geht ab Montag (18.3.) schrittweise an den Start. Dann soll es laut Bundesgesundheitsministerium möglich sein, im Internet zu hinterlegen, ob man bereit ist, Organe oder Gewebe zu spenden. Bis zum 1. Juli sollen den Angaben nach die Entnahmekrankenhäuser die Erklärungen zur Organspende abrufen können.
Für die Registrierung ist anfangs ein Ausweisdokument mit der sogenannten eID-Funktion (elektronische Identität) nötig. Im dritten Quartal dieses Jahres soll auch die Erklärung dann mittels GesundheitsID, etwa über die App der Krankenkasse, möglich werden. Bis zum 1. Januar 2025 sollen schließlich alle behördlich zugelassenen Gewebeeinrichtungen an das neue Onlineregister angebunden sein.
Der Aufbau des Registers geht auf eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 2020 zurück. Der Bundestag hatte damals mehrheitlich die sogenannte Widerspruchslösung, nach der jeder Organspender wird, der dem nicht ausdrücklich widerspricht, abgelehnt. Zugleich beschloss er eine Regelung, die befördern soll, dass mehr Menschen sich dazu erklären, ob ihre Organe nach ihrem Tod anderen Todkranken gespendet werden können. Beschlossen wurde in dem Zusammenhang der Aufbau des Organspenderegisters, wie es bereits in fast allen EU-Ländern existiert.
Fachleute begrüßen grundsätzlich die neue Datenbank, sind aber skeptisch, ob sich die Zahl der Spender dadurch schnell deutlich erhöht. Der Medizinische Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), Axel Rahmel, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), bislang gebe es in keinem Land, in dem so ein Register eingeführt ist, „einen Beleg dafür, dass das einen akuten oder Langzeiteffekt auf die Zahl der Organspenden hat“. Dennoch sei das neue System „ein großer Zugewinn“, denn in dem Register seien die Auskünfte schnell abrufbar und sicher gespeichert.
Nach Zahlen der DSO haben im vergangenen Jahr 965 Menschen nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe gespendet. Insgesamt seien 2.877 Organe transplantiert worden. Die Zahl stieg zwar im Vergleich zu 2022, im internationalen Vergleich liegt Deutschland aber weit zurück.
Wiesbaden (epd). Das Land Hessen hat mit den „Praktikumswochen Hessen 2024“ eine neue landesweite Aktion gestartet, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und jungen Menschen bei der Berufsorientierung zu helfen. Interessierte Unternehmen in ganz Hessen haben demnach ab sofort die Möglichkeit, sich bei der Online-Plattform „Praktikumswoche“ zu registrieren und dort Praktikumsplätze für Schülerinnen und Schüler anzubieten, wie das Wirtschaftsministerium am 12. März in Wiesbaden mitteilte. Während der Sommerferien und in den drei Wochen davor (24. Juni bis 23. August) sollen diese sich dann für jeweils einen Tag möglichst viele Unternehmen ansehen können.
„Man schnuppert nicht nur in den Beruf hinein, sondern gleichzeitig in die Atmosphäre eines Unternehmens“, sagte Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori (SPD) laut Mitteilung. Er forderte Unternehmen dazu auf, sich an der Aktion zu beteiligen: „Solche Erfahrungen sind für junge Menschen überzeugender als alles andere, wenn es um die Berufswahl geht.“
Wer als Schüler an der Aktion teilnehmen möchte, muss sich der Webseite zufolge zunächst ein Profil anlegen und auswählen, für welche Berufsfelder man sich interessiert. Im Anschluss würde anhand dessen automatisch eine individuelle Praktikumswoche geplant, in der jeden Tag ein neues Unternehmen besucht werden kann. Teilnehmen können Schülerinnen und Schüler vor den Sommerferien ab einschließlich der 8. Klasse, für die Teilnahme innerhalb der Sommerferien müssen die Jugendlichen mindestens 15 Jahre alt sein. Wie viele Praktikumstage man machen möchte, könne jeder selbst entscheiden.
Laut hessischem Wirtschaftsministerium werden landesweit bis zum Jahr 2028 rund 200.000 Fachkräfte fehlen, davon etwa 135.000 Personen mit einer Berufsausbildung und rund 67.000 Menschen mit akademischem Abschluss. Die „Praktikumswochen Hessen 2024“ werden unter anderem vom Wirtschafts- und Kultusministerium organisiert.
Hannover (epd). Mit den Stimmen der Regierungsparteien SPD und Grüne hat der Landtag am 13. März eine niedersachsenweite Initiative gegen Einsamkeit auf den Weg gebracht. Unter anderem sollen darin bestehende Maßnahmen zur Einsamkeitsbekämpfung auf Grundlage aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse evaluiert und verbessert werden. Zugleich wird die Landesregierung gebeten, erforderliche neue Konzepte und Ansätze zu entwickeln, die darauf abzielen, soziale Verbindungen zu stärken und das Bewusstsein für das Thema Einsamkeit zu schärfen.
Einen alternativen Antrag der CDU, der unter anderem einen oder eine Landesbeauftragte gegen Einsamkeit vorgesehen hatte, lehnte das Plenum hingegen ab. Sozialminister Andreas Philippi (SPD) sagte, die Strategie gegen Einsamkeit ohne Umwege über neu zu schaffende Stellen auf den Weg zu bringen, „ist aus meiner Sicht der richtige Weg“. Einsamkeit beeinträchtige nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen, sie wirke sich auch auf die Gesellschaft insgesamt aus. „Wir müssen daher dafür sorgen, dass Einsamkeit kein Tabuthema bleibt.“ In diesem Zusammenhang kündigte Philippi eine Kampagne seines Hauses unter dem Titel „Gemeinsam - nicht einsam“ an.
Der SPD-Abgeordnete Marten Gäde bezeichnete Einsamkeit als „eine stille Epidemie, die Menschen aller Altersklassen betrifft“. Da das Problem äußerst komplex sei, bedürfe es auch komplexer Lösungsansätze. Für die Grünen erteilte Swantje Schendel der von der CDU geforderten Koordinierungsstelle ebenfalls eine Absage. Sie verwies auf „kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung, die die nötigen Kapazitäten mitbringen“. Sie warb dafür, in Projekte und Infrastrukturen vor Ort zu investieren.
Frankfurt a. M. (epd). Auf dem Papier sieht alles gut aus: Seit rund zehn Jahren gibt es einen verbrieften Rechtsanspruch auf öffentliche Betreuung für Kinder ab zwei Jahren. Für die über Dreijährigen gilt der Anspruch schon seit 1996. Doch die Realität sieht anders aus: Notgruppen, Aufnahmestopps und verkürzte Öffnungszeiten. Der akute Personalmangel in den Einrichtungen macht den Kitabetrieb unsicher, die frühe Bildung findet allenfalls eingeschränkt statt. Das Wort „Betreuungsnotstand“ macht die Runde. „Der Fachkräftemangel erschwert es zunehmend, die Rechtsansprüche zu erfüllen. Die Situation ist für Kinder und Eltern wie auch für das vorhandene Personal untragbar geworden“, sagt Anette Stein, Expertin für frühkindliche Bildung bei der Bertelsmann Stiftung.
„Es ist das eingetreten, wovor wir schon seit langem warnen: Das System beginnt zu kollabieren“, sagte ver.di- Landesleiterin Andrea Wemheuer am 12. März in Hannover. Sie berichtete von extremen Situationen: In der Gemeinde Vechelde hätten 2023 an einzelnen Tagen „in einer Kita zwei Fachkräfte insgesamt 80 Kinder zu betreuen gehabt“. In der Region Hannover könnten immer mehr Kommunen nur noch im Ausnahmefall eine Ganztagsbetreuung garantieren. „In der Regel endet der Kindergartentag dort um 14 Uhr - weil das Personal fehlt“, so die Gewerkschafterin.
Ausbaden müssen diese Misere die Eltern. Und auch die Unternehmen, wenn Eltern immer wieder ihre Kinder notgedrungen selbst betreuen müssen und im Job fehlen. Bei Benjamin Kobelt, Geschäftsbereichsleiter Kinder, Jugend und Familie bei den Johannitern, einem der größten Kitaträger bundesweit, klingt die Lagebeurteilung so: „Derzeit stellen Einschränkungen aufgrund von Personalmangel noch kein signifikantes flächendeckendes Problem dar“, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Aber, so räumt er ein: Herausforderungen vor Ort gebe es vor allem immer dann, wenn die angespannte Personalsituation einhergehe mit Krankheitswellen.
Ähnlich zurückhaltend äußert sich Jan Becht für den Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK). Obwohl ihm keine speziell gesammelten Daten zu Personalengpässen aus den Mitgliedseinrichtungen vorliegen, sagt Becht: „Die Personalsituation in den Kitas ist von Bundesland zu Bundesland und von Einrichtung zu Einrichtung sehr unterschiedlich.“ So würden etwa in Thüringen Einrichtungen geschlossen, weil zu wenige Kinder angemeldet werden, während in anderen Bundesländern Kitagruppen eingeschränkt betrieben werden, weil Fachkräfte fehlten.
Leidtragende der Misere sind zuallererst die Eltern, die oft schon froh sein können, wenn sie zwar verkürzte, aber dafür verlässliche Öffnungszeiten vorfinden. Die Hans-Böckler-Stiftung hat im Frühjahr 2023 in einer Umfrage bei Eltern das Ausmaß von Schließungen oder reduzierten Öffnungszeiten in den Kitas ermittelt. Demnach waren fast sechs von zehn erwerbstätigen Eltern davon betroffen. Ein Drittel der Befragten habe bereits die eigene Berufstätigkeit reduziert oder Überstunden und Urlaub abgebaut. 67 Prozent gaben an, dass sie die Ausfälle beziehungsweise die verkürzte Betreuung als belastend empfinden.
„Der Mangel an pädagogischen Fachkräften ist eine Tatsache, die auch wir in unseren 151 Kitas deutlich spüren, für den es jedoch kurzfristig keine Lösung geben wird“, sagte Sarah Hoffmann von der Katholischen KiTa gGmbH Trier dem epd. Bei Personalausfällen sei jede Kita durch die Jugendämter dazu verpflichtet, nach einem „Maßnahmenplan“ zu handeln, der verschiedene Stufen umfasse. „Die vollständige Schließung einer Einrichtung stellt die letzte Stufe dar und kommt äußerst selten vor“, so Hoffmann. Zuvor würden Springer- und Vertretungskräfte eingesetzt oder Gruppen zusammengelegt, um den Personalmangel aufzufangen. „Erst wenn all diese Möglichkeiten ausgeschöpft sind, kann es zu Kürzungen der Öffnungszeiten kommen.“ Das sei im Vorjahr auch in einigen ihrer Kitas nötig gewesen, räumt Hoffmann ein.
„Wir rechnen mit einem sich weiter verschärfenden Personalmangel vor allem in den alten Bundesländern, auch weil hier noch der massive Ausbau der Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder bis 2026 dazukommt“, sagt Waltraud Weegmann, Geschäftsführerin des Deutschen Kitaverbandes. Schon heute fehlten bundesweit über 100.000 Erzieherinnen und Erzieher. „Das sind die Zahlen, die die Bertelsmann-Stiftung in ihrem 'Fachkräfte-Radar für KiTa und Grundschule 2023' ermittelt hat“, sagte die Expertin dem epd.
Dass es heute im Vergleich zu vor zehn Jahren doppelt so viele ErzieherInnen gebe, sei zwar ein großer Erfolg. Rund 700.000 sind es. Aber derzeit seien eben schon „alle im Markt befindlichen Fachkräfte in den Kitas eingesetzt“, erläuterte Weegmann. Wegen des Rechtsanspruchs der Eltern auf Betreuung seien die Kapazitäten massiv ausgebaut und auch bestehende Teilzeitplätze in Ganztagesplätze umgewidmet worden, so dass der Bedarf an Fachpersonal deutlich gestiegen sei. Und: Immer jüngere Kinder kommen in die Kitas, deren Betreuung deutlich personalintensiver ist. Nach Berechnungen der Bertelsmann Stiftung fehlen bis zum Jahr 2030 etwa 430.000 Plätze - Ganztagsbetreuung für alle Kinder ist auf mittlere Sicht nicht realistisch.
Der katholische Kita-Zweckverband in Essen ist einer der größten freien Träger von Kindertageseinrichtungen in Deutschland mit rund 250 Einrichtungen. Er beschäftigt 3.500 Mitarbeitende - und sucht derzeit für knapp 160 Stellen pädagogisches Fachpersonal. Sprecherin Lina Strafer sagte dem epd: „Es gibt Teams, die vollständig besetzt sind, es gibt aber auch Teams, die geringer besetzt sind. Um krankheitsbedingte Personalausfälle zu kompensieren, werden mitunter Mitarbeitende von Zeitarbeitsfirmen akquiriert.“ Strafer: „Es ist Aufgabe der Politik, in den Ausbau von Betreuungsplätzen zu investieren und zugleich die Voraussetzungen zu schaffen, dass die Bildungsqualität gesichert werden kann.“
Laut der Gewerkschaft ver.di ist es angesichts der schlechten Personallage und „fachlich nicht angemessener Arbeitsbedingungen“ überaus schwer, dem Job in den Kitas ein positives Image zu geben. „Die Lücken im Bereich der Kindertageseinrichtungen und bei den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern steigen kontinuierlich“, so die stellvertretende Vorsitzende Christine Behle. Das gehe „zulasten der Kinder, der Eltern und der Beschäftigten, die versuchen, der Mangelsituation entgegenzuwirken“.
Doreen Siebernik, GEW-Vorstandsmitglied für Jugendhilfe und Sozialarbeit, fordert von Kommunen, Ländern und Bund, gemeinsam und zeitnah eine Strategie für die Gewinnung und Bindung von Fachkräften zu erarbeiten. Denn: „Diese Krise hat das Potenzial, unsere Gesellschaft nachhaltig zu verunsichern und das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Wohlfahrtsstaates zu untergraben.“
Die Berechnungen der Bertelsmann Stiftung zeigen, dass in einigen Bundesländern eine Reduzierung der Kita-Öffnungszeiten bis 2025 dazu beitragen würde, die Personallage beherrschbarer zu machen. „Das ist zweifellos eine einschneidende Maßnahme, die nur individuell und in enger Abstimmung zwischen Kommune, Träger und Eltern getroffen werden sollte“, betonte Forscherin Anette Stein: „Aber die Kita-Krise ist so weit fortgeschritten, dass neue Antworten gefragt sind.“
Frankfurt a. M. (epd). Verkürzte Öffnungszeiten, Notgruppen oder gar Aufnahmestopp: Die Reaktion vieler Kitas auf die Personalnot bringt Eltern nicht selten an den Rand der Verzweiflung. Doch die Lage wird sich laut Waltraud Weegmann so schnell kaum entspannen. Im Gegenteil: „Wir rechnen mit einem sich weiter verschärfenden Personalmangel vor allem in den alten Bundesländern, auch weil hier noch der massive Ausbau der Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder bis 2026 dazukommt.“ Die Fragen stellte Dirk Baas.
epd sozial: Das Thema Personalmangel in den Kitas und die Folgen davon sind derzeit in aller Munde. Eltern beklagen laut hörbar, oft keine verlässliche Betreuung ihrer Kinder vorzufinden. Wie lösen Ihre Einrichtungen das Problem zumindest vorübergehend?
Waltraud Weegmann: Die Kitas verkürzen die Öffnungszeiten, haben tageweise Notgruppen, schließen ganze Gruppen oder nehmen keine neuen Kinder auf. Häufig können neue Kitas nur teilweise oder gar nicht eröffnet werden, weil nicht genug Personal da ist. Die Kitas helfen sich darüber hinaus, sofern das aufgrund der jeweiligen Kita-Gesetze überhaupt möglich ist, mit Quereinsteigerinnen oder Hilfskräften.
epd: Wie viel pädagogisches Personal fehlt bundesweit aktuell?
Weegmann: Es fehlen über 100.000 Erzieherinnen und Erzieher. Das sind die Zahlen, die die Bertelsmann Stiftung in ihrem „Fachkräfte-Radar für KiTa und Grundschule 2023“ ermittelt hat.
epd: Was sind die Gründe für die aktuellen Probleme? Es gibt doch heute fast doppelt so viele ErzieherInnen wie noch vor zehn Jahren.
Weegmann: Ja, absolut gesehen sind die Zahlen bei den Erziehern und Erzieherinnen gestiegen. Dieses hohe Wachstum ist ein großer Erfolg. Es zeigt, dass der Beruf Erzieher attraktiv ist. Allerdings haben wir dadurch alle im Markt befindlichen Fachkräfte in den Kitas bereits eingesetzt. Parallel dazu wurden die Ausbildungskapazitäten erhöht und neue attraktive praxisintegrierte Ausbildungen geschaffen. Gleichzeitig wurden aber auch viele Kitaplätze neu geschaffen und bestehende Teilzeitplätze in Ganztagesplätze umgewidmet, sodass der Bedarf an Personal gestiegen ist. Und der Bedarf an Kita-Plätzen ist noch lange nicht gedeckt, vor allem in den alten Bundesländern nicht. Zudem leidet die Gewinnung von Auszubildenden unter der demografischen Entwicklung und führt zu geringeren Bewerberinnenzahlen.
epd: Wie sieht vor diesem Hintergrund die Zukunft aus?
Weegmann: Wir rechnen mit einem sich weiter verschärfenden Personalmangel vor allem in den alten Bundesländern, auch weil hier noch der massive Ausbau der Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder bis 2026 dazukommt. Hier könnte es zusätzlich zu den akut bestehenden Problemen noch zu Konkurrenz zwischen Kinder- und Jugendhilfe und Schule um die Erzieherinnen und Erziehern kommen.
epd: Welche Forderungen erheben Sie an die Politik, der Lage doch irgendwie Herr zu werden?
Weegmann: Es wird nicht die eine Lösungen geben, wir brauchen viele Ansätze. Grundsätzlich müssen Bund und Länder stärker zusammenarbeiten und zügig zu Lösungen kommen.
epd: Welche Veränderungen schweben Ihnen vor?
Weegmann: Viele. Hier nur ein paar Beispiele: Der Quereinstieg in eine Tätigkeit in den Kitas muss vereinfacht und die Ausbildung flexibler gestaltet werden. Aus dem Fachkraftschlüssel muss ein Personalschlüssel werden, damit die Träger in eigener Verantwortung freie Stellen besetzen können. Und wir brauchen eine Qualifizierungsoffensive, damit die Mitarbeitenden in den Kitas mit bestmöglicher Fortbildungen ihre herausfordernde Tätigkeit mit hoher Qualität erfüllen können.
epd: Stichwort Qualität. Wie lässt sie sich trotz ungünstiger Rahmenbedingungen erhalten?
Weegmann: Das wird gelingen, wenn Träger die Verantwortung für die Steuerung ihrer Kitas und die Qualitätsentwicklung selbst übernehmen. Die öffentliche Hand sollte als Unterstützung der Qualitätsmaßnehmen externe Evaluationen fördern und fordern. Pädagogische Kräfte müssen von Verwaltungstätigkeiten entlastet werden, damit sie ihrer eigentlichen Arbeit mit den Kindern nachgehen können. Eine Karriere in der Kita muss sich auch finanziell lohnen, wir brauchen flexiblere Eingruppierungsmöglichkeiten je nach Qualifizierung. Pädagogische Abschlüsse aus der EU und aus Drittstaaten müssen unbürokratischer anerkannt, Abschlüsse für die pädagogischen Assistenzberufe müssen bundesweit gleichwertig anerkannt werden. Grundsätzlich müssen Bund und Länder stärker zusammenarbeiten und zügig zu Lösungen kommen.
Bad Salzdetfurth (epd). Die Sache mit der Personaltoilette hat sich besonders tief in ihr Gedächtnis eingegraben. Denn Kindern war es strengstens verboten, diese Toilette zu benutzen - damals bei der Kinderkur im November 1968. Sabine Schwemm aus Hannover tat es trotzdem, aus Versehen, sie war damals noch keine fünf Jahre alt. „Sie haben mich übers Knie gelegt, geschlagen und eingesperrt“, erinnert sich die heute 60-Jährige. Die Betreuerinnen erzählten ihr auch, dass sie ein böses, ungezogenes Kind sei und an Weihnachten nicht nach Hause dürfe. „Da habe ich riesige Angst bekommen, dass ich meine Eltern nie wiedersehen würde. Todesangst habe ich gehabt.“
Sabine Schwemm war damals zum ersten Mal allein von zu Hause weg an einem fremden Ort. Ihre Eltern hatten sie zu einer Kinderkur nach Bad Salzdetfurth bei Hildesheim geschickt: ins „Waldhaus“, ein schmuckes Fachwerkhaus mit Walmdach, Erker, Balkon und Solebad, getragen von einer Stiftung innerhalb der evangelischen Inneren Mission. Die Eltern dachten, sie täten ihrer Tochter etwas Gutes. Frische Luft und gutes Essen sollte es geben, damit die Kinder zu Kräften gelangten. Doch es kam völlig anders. „Ich habe mich allein, verlassen und ausgeliefert gefühlt“, sagt Schwemm und steigt erneut den steilen Weg hinauf zu dem Ort, an dem einst das Kurheim stand. Tausenden erging es damals ebenso wie ihr.
Jetzt erhalten die sogenannten „Verschickungskinder“ erstmals in Deutschland einen festen Erinnerungsort. Denn das Diakonische Werk in Niedersachsen will als Nachfolgerin der Inneren Mission am 16. März eine Gedenkstele aufstellen, die an das Leid der Kinder erinnert.
Die rund 1,30 Meter hohe Stele soll direkt neben dem Museum der Stadt an drei Kinder erinnern, die in der Kur starben. „Wir wollen einen Ort schaffen, der öffentlich dokumentiert, dass im Waldhaus drei Kinder in unserer Obhut und damit auch in unserer Verantwortung zu Tode gekommen sind“, sagte Hans-Joachim Lenke, Vorstandssprecher der Diakonie Niedersachsen. Das Kurheim befand sich damals in Trägerschaft der Inneren Mission, einer Vorläuferorganisation der Diakonie. Es wurde Ende 1969 aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen. Im Museum ist eine eigene Abteilung den Verschickungskindern gewidmet.
Nach jüngsten Schätzungen waren es zwölf Millionen Jungen und Mädchen, die in der Nachkriegszeit auf Kosten der Krankenkassen in solche Heime verschickt wurden. Das Ziel war, die Kinder aufzupäppeln, denn viele waren damals unterernährt. Zudem hatten viele Familien weder Zeit noch Geld für einen Urlaub. Die Kosten trugen die Krankenkassen.
Nach Angaben der „Initiative Verschickungskinder“ gab es bundesweit rund 1.900 Heime unter anderem auf den nord- und ostfriesischen Inseln, in den Hoch- und Mittelgebirgen sowie in Kurorten. Betrieben wurden sie häufig von freigemeinnützigen Trägern wie der Diakonie, der Caritas, der Arbeiterwohlfahrt oder vom Deutschen Roten Kreuz. Viele Heime standen auch in privater Trägerschaft oder wurden von Kommunen getragen.
Der Erfolg wurde oft daran gemessen, ob die Kinder an Gewicht zugenommen hatten. Deshalb wurde ihnen häufig ein kalorienreicher Brei verabreicht, der aber alles andere als lecker schmeckte, wie Sabine Schwemm sich erinnert: „Ekelhaft“, sagt sie, „man musste sich das Essen richtig reinquälen.“ Wer nicht aufaß, musste so lange am Tisch sitzen bleiben, bis der Teller leer war. Einige Kinder spuckten demnach das Essen wieder aus und wurden dann gezwungen, das Erbrochene erneut zu essen.
Die Betreuerinnen trugen eine blaue Tracht, weiße Schürzen und eine Kopfbedeckung. „Tanten“ wurden sie genannt. Viele seien noch jung und wenig ausgebildet gewesen, erzählt Sabine Schwemm im Rückblick. Und sie pflegten eine Art schwarze Pädagogik, die auf Angst und Strafen setzte. Zum Beispiel, wenn ein Kind ins Bett machte: „Dann mussten wir im Nachthemd in den Waschraum kommen und dort stundenlang in der Ecke stehen und die Wand anstarren.“
Ihr gelber Teddy aus Kindertagen erinnert Sabine Schwemm bis heute an die Zeit im Heim. Mit ihm verbindet sie ein traumatisches Erlebnis: Denn schon bald nach ihrer Ankunft im „Waldhaus“ fingen die älteren Kinder an, sie zu drangsalieren. Sie nahmen ihr den Teddy weg, rissen ihm die Augen aus und warfen diese aus dem Fenster. „Ich habe gestrampelt, geschrien, gekratzt und gebissen, aber die anderen waren stärker.“ Als wenig später eine „Tante“ ins Zimmer trat, wurde jedoch Sabine ausgeschimpft, die heulend auf dem Boden saß.
Was in Bad Salzdetfurth geschah, sei alles andere als ein Einzelfall gewesen, sagt Anja Röhl von der bundesweiten „Initiative Verschickungskinder“: „Solche Dinge hören wir fast aus jedem Heim.“ Rund 1.900 Verschickungsheime hat der Verein bisher gezählt. Sie lagen oft an der See, in den Bergen oder in Kurorten. Seitdem die ehrenamtliche Initiative vor einigen Jahren Forschungen zu den Heimen begonnen hat, haben sich Tausende früherer Kurkinder gemeldet und ähnliche Erfahrungen geschildert. Mehr als 46.000 Menschen haben eine Petition unterzeichnet, die eine staatliche Aufarbeitung fordert.
In Bad Salzdetfurth überschlugen sich im Frühjahr 1969 die Ereignisse: Zwischen März und Mai musste das „Waldhaus“ drei tragische Todesfälle vermelden. Stefan (7) aus Obernkirchen fiel um, nachdem er zum hastigen Essen gezwungen wurde. Kirsten (6) aus Hamburg starb an einer Infektion, zudem fanden sich Speisereste in ihrer Lunge. André (3) aus Berlin wurde von älteren Kindern zu Tode geprügelt. „Ich habe noch Glück gehabt“, sagt Sabine Schwemm. Forschende sind bisher auf rund 20 Todesfälle in den Heimen gestoßen. In den Akten sind sie als Unglücksfälle vermerkt.
Sabine Schwemm deutet auf eine Parkfläche am Ortsrand zwischen Eichen und Buchen: „Da hat es gestanden, da oben.“ Das Leid der Verschickungskinder dürfe nicht vergessen werden, mahnt sie: „Man kann daraus lernen, dass man genau hinschauen muss - dorthin, wo hilflose Menschen sind.“
Großerlach (epd). Im Herzen des Naturparks Schwäbisch-Fränkischer Wald betreibt das diakonische Sozialunternehmen „Erlacher Höhe“ im Rems-Murr-Kreis ein Pflegeheim für Menschen ohne festen Wohnsitz. Nur zwei dieser stationären Einrichtungen gibt es in Baden-Württemberg. Zwar sind es Seniorenheime, und doch ist dort einiges anders.
In Pflegeheimen leben üblicherweise vorwiegend hochbetagte Damen. Im Pflegeheim in Großerlach ist das anders. 27 der 30 Bewohner sind männlich, im Schnitt kaum 70 und froh, überhaupt ein Zuhause zu haben. Die Lebenserwartung von Menschen, die auf der Straße gelebt haben oder in besonderen sozialen Schwierigkeiten stecken, sei um etwa zehn Jahre verkürzt, sagt Karl-Michael Mayer, Abteilungsleiter der Sozialen Heimstätte Erlach.
Gerald Rikker ist erst 53. Aufgrund eines schweren Herzfehlers hatte er schon in früher Kindheit viel Zeit im Krankenhaus verbringen müssen. Trotzdem konnte er eine Bäcker- und Konditorlehre abschließen. Doch dann hörte sein Chef auf. Aus der Wohnung, die er mit anderen teilte, flog Rikker raus - der Vermieter wollte das Haus verkaufen.
„Ich wohnte dann erst mal in einer Gaststätte“, erzählt der freundliche Schwabe. „Aber das konnte natürlich nicht so bleiben. Da ich keine Wohnung fand, habe ich mich an die Stadt Backnang gewandt. Die haben mich dann in einer Obdachlosenunterkunft untergebracht.“
Das halbe Jahr dort war für ihn keine glückliche Zeit. „Ein Freund hat mir erzählt, er habe einen Bekannten, der in der Wohnungsnotfallhilfe der Erlacher Höhe arbeitet“, erzählt Rikker. Er meldete sich dort - und fand neben einer passenden Wohnmöglichkeit auch persönliche Unterstützung für seinen Alltag, nahm an tagesstrukturierenden Beschäftigungsangeboten teil.
Seit einer weiteren gesundheitlichen Verschlechterung und einem längeren Krankenhausaufenthalt wohnt Rikker nun im Pflegeheim auf dem gleichen Gelände. „Ich bin hier sehr zufrieden“, sagt der Mann, der eine Herzklappen-OP hinter sich hat und dreimal in der Woche mit dem Taxi zur Dialyse nach Backnang gefahren wird. Allerdings - da sind sich Mayer und Rikker einig - sei es nicht ideal, dass aufgrund des Fachkräftemangels Zeitarbeitskräfte eingesetzt werden müssten, die dann die Heimbewohner nicht so gut kennen. „Ich merke immer wieder, dass es schon ein Unterschied ist, wer mir die Füße wickelt“, sagt der Heimbewohner.
Längst sind Rikkers Eltern verstorben, inzwischen auch sein Bruder. Dass er eine Lebenspartnerin hat, die an den Wochenenden herkommt, ist ein Glücksfall. Dass Bewohner Besuch bekommen, sei sehr selten, sagt Karl-Michael Mayer. Die biografischen Brüche seien oft auch mit starken Abbrüchen in persönlichen Beziehungen verbunden. Nur etwa zehn Prozent hätten noch Kontakt zu Familienangehörigen.
Viele kommen wie Rikker aus Einrichtungen der Wohnungsnotfallhilfe ins Erlacher Pflegeheim. „Wir fangen aber auch verarmte Menschen auf, die im eigenen Zuhause verwahrlosen, weil sie nicht mehr für sich sorgen können oder denen buchstäblich das Dach über dem Kopf zusammenfällt“, sagt Mayer.
Damit sich die Menschen, für die es lange keinen Platz gab, schnell zu Hause fühlen können, wird größtmögliche Rücksicht auf persönliche Eigenheiten genommen. „Jeder darf so, wie er kommt, sein“, so Mayer. Manche seien sehr laut, brächten eine derbe Sprache mit, andere wiederum seien sehr zurückgezogen.
Da viele mit Suchtproblemen zu tun hätten, sei etwa eine kontrollierte Bierabgabe an die Bewohner möglich, auch Rauchen auf dem Zimmer sei erlaubt. Und wenn jemand nun mal nicht duschen wolle, spreche man das Thema erst am nächsten Tag wieder an. Manchmal helfe es, wenn eine andere Person aus dem Team es noch mal versuche - Vertrauensbeziehungen spielten eine große Rolle.
Der Bedarf ist groß. Doch in Baden-Württemberg gibt es außer auf der „Erlacher Höhe“ nur noch ein weiteres für diese Klientel spezialisiertes Pflegeheim, das von der Evangelischen Gesellschaft in Stuttgart betrieben wird.
Die Pläne, in Erlach ein Pflegeheim mit doppelt so vielen Plätzen zu bauen, das zudem wirtschaftlicher wäre, mussten letzten Sommer auf Eis gelegt werden. Neben unerwarteten Kostensteigerungen ist der Hauptgrund, dass Fachkräfte fehlen, die sich in der landschaftlich reizvollen, aber etwas abgeschiedenen Lage im Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald für diese Menschen einbringen.
Würzburg (epd). Irgendwann hatte Lars (Name geändert) das Gefühl, ein kompletter Loser zu sein. Egal, was er auch anpackte, es misslang - zumindest gefühlt. „In unserer Fahrradwerkstatt entdeckte er dann, wie gut er feinmotorisch arbeiten kann“, sagt Lorenz Egner. Er arbeitet beim Projekt „Roven“ der Würzburger Don Bosco-Berufsschule. Hier kümmert man sich seit 15 Jahren um Schulverweigerer. „Roven“ steht für „Rekonstruieren, Organisieren, Vernetzen, Ermutigen, Neustart“ - also für all das, was Schulverweigerer brauchen.
Kinder und Jugendliche müssen in die Schule gehen, mindestens neun Jahre, sagt die Schulpflicht. Wer sich verweigert, dem droht im schlimmsten Fall Jugendarrest. Doch dadurch wird oft nichts besser, sagt Harald Ebert, Leiter der Don Bosco-Berufsschule. Seit 15 Jahren setzt er sich deshalb für Schulverweigerer ein. Wie nötig das ist, zeigen aktuelle Zahlen. 2023 wurde „Roven“ im Durchschnitt wöchentlich kontaktiert. In 34 Fällen stieg das Team in die Beratung ein, in 16 Fällen wurden die Schüler bei „Roven“ aufgenommen.
Kein „Fall“ ist für Lorenz Egner und seine Kollegin Ute Schäffner wie der andere. „Jeder Jugendliche bekommt bei uns ein individuell angepasstes Angebot“, sagt er. „Roven“ ist kein Schulersatz. Es geht deshalb auch nicht zuerst ums Lernen. Durch Gespräche wird versucht, das Vertrauen der Jugendlichen zu gewinnen. In Lars Fall musste das Selbstbewusstsein gestärkt werden, der Achtklässler sollte erkennen: „Ich kann was!“ Ausprobiert wurde vieles, bis er in der Fahrradwerkstatt erlebte, wie gut er kniffelige praktische Probleme lösen kann.
Als Lars dann so weit war, dass man mit ihm auch wieder Schulstoff durchnehmen konnte, musste Egner erst einmal den Wissensstand in den verschiedenen Fächern ermitteln. Achtklässler Lars hinkte vor allem in Mathe dem Lehrplan hinterher. Also stieg er mit Stoff aus der sechsten Klasse wieder ein. „Wir holen die Jugendlichen immer da ab, wo sie stehen“, sagt Egner. Lars hatte plötzlich sogar Spaß am Rechnen. Das sei auch das Ziel, sagt Egner: „Wir versuchen, neu Begeisterung zu wecken.“ Allmählich gelang es Lars, seine Lücken aufzuholen.
Die Frage, welches Ausmaß Schulverweigerung hat, ist schwer zu beantworten. „Je nachdem, welche Formen, Kriterien, Zeiträume und Populationen ermittelt werden, ergeben sich Prävalenzraten, die zwischen 3 und über 25 Prozent liegen können“, sagt Heinrich Ricking, Schulabsentismus-Forscher der Uni Leipzig. Repräsentativ seien die Daten aus der aktuellen PISA-Studie: 2022 schwänzten elf Prozent aller Schüler in den zwei Wochen vor der Befragung mindestens einen Schultag. 15 Prozent ließen mindestens eine Stunde sausen.
Genaue Zahlen zu Bayern gibt es nicht, sagt Ricking. Das bayerische Kultusministerium bestätigt: „Es liegen keine statistisch auswertbaren Daten dazu vor.“ Ein zentrales Meldeverfahren sei nicht geplant, der Aufwand dafür wäre zu hoch. Im Übrigen kenne das bayerische Schulrecht den Begriff „Schulverweigerung“ nicht, nur den Begriff der „Schulpflicht“. Und diese werde bei Schulverweigerern von der Polizei durchgesetzt. Eltern von Schulschwänzern droht ein Bußgeld, das allerdings laut Ministerium nur selten verhängt wird.
Die Ursachen für Schulverweigerung sind vielfältig. Psychische Erkrankungen oder Mobbing können dahinter stecken. „Es kann auch sein, dass ein Jugendlicher aufgrund von Misserfolgen frustriert ist“, sagt Psychologe Bernhard Kühnl von der städtischen Erziehungsberatungsstelle in München. Auffällig sei in den vergangenen Jahren schulverweigerndes Verhalten in den ersten beiden Grundschulklasse gewesen. 2022 habe es deshalb eine hohe Beratungsnachfrage gegeben. „Dieses Phänomen war in diesem Ausmaß neu“, sagt Kühnl.
Um der Entstehung von Schulverweigerung entgegenzuwirken, müsste einiges getan werden, sagte Kühnl, der auch Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft Erziehungsberatung in Bayern ist: „Das Schulsystem ist überfordert, wir haben zu wenig Personal, darum zu große Klassen.“ Auch das trage zur Schulverweigerung bei. Der Erziehungsberater kritisiert in diesem Zusammenhang auch die Selektion nach der vierten Klasse. Die frühe Auslese führe zu einem immensen Leistungsdruck am Ende der Grundschulzeit.
Während einzelne Berufsgruppen wie Lokführer, Boden- und Sicherheitspersonal an Flughäfen die ganze Republik mit Streiks lahmlegen, kommt die Gewerkschaft ver.di auf die grandiose Idee, mit einer Petition die Abschaffung des kirchlichen Arbeitsrechts zu fordern. Angeblich, weil Mitarbeitende unter anderem bei der Diakonie diskriminiert werden und unter schlechten Arbeitsbedingen leiden. Was für ein Unsinn! Anstatt den 3. Weg schlecht zu machen, wäre es klüger, das Prinzip der verbindlichen Schlichtung aus dem kirchlichen Arbeitsrecht auf alle Bereiche der öffentlichen Daseinsfürsorge zu übertragen.
Auf dem Dritten Weg des kirchlichen Arbeitsrechts kommen bessere Vergütungen für Beschäftigte der Diakonie zustande als in vergleichbaren privaten Einrichtungen, die mit Ver.di verhandeln. Zudem profitieren die Beschäftigten von tariflich vereinbarten Arbeitsrechtsregelungen, einer betrieblichen Altersversorgung und sozialen Zusatzleistungen.
Im Gegensatz zum Zweiten Weg, auf dem Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften Tarifverträge mit Mitteln des Arbeitskampfes erstreiten, setzt der Dritte Weg auf das verbindliche Konsensprinzip: Wenn sich Dienstgeber und Dienstnehmer in den Arbeitsrechtlichen Kommissionen nicht einigen können, gibt es nach einem streng vorgegebenen Verfahren eine verbindliche Schlichtung, in der dann ohne Streik eine Entscheidung getroffen wird. Nur in drei Prozent der Fälle wird das aber notwendig. In allen anderen Streitigkeiten finden Dienstgeber und -nehmer einen Konsens.
Forderungen, das kirchliche Arbeitsrecht abzuschaffen, laufen darauf hinaus, dass es auch in den Pflegeheimen flächendeckende Streiks wie jetzt an Flughäfen oder im Bahnverkehr geben kann. Wer auch noch den letzten Prozentsatz einer Tariferhöhung mit Streik auf dem Rücken kranker, alter und pflegebedürftiger Menschen austragen will, denkt offensichtlich immer noch in Kategorien des Arbeitskampfes aus dem vergangenen Jahrhundert. Vor lauter angestaubter Ideologie in manchen Gewerkschaftshäusern scheint der Blick auf die Realität verloren gegangen zu sein. Es gibt doch längst einen „Arbeitnehmermarkt“, auf dem sich Arbeitgeber um ihre Mitarbeitenden bewerben müssen.
Das hat die Evangelische Heimstiftung, die rund 10.200 Beschäftigte zählt, zusammen mit vielen Dienstgebern der Diakonie längst erkannt. Sie setzen daher auf gute Bezahlung, gute Personalschlüssel und gute Arbeitsbedingungen. Genau das erreichen wir auf dem 3. Weg des kirchlichen Arbeitsrechts, das auf Verhandlungen auf Augenhöhe und eine verbindliche Schlichtung setzt, die immer dann das Sagen hat, wenn sich die Verhandlungspartner verhaken.
Dieses Erfolgsmodell wäre doch eine Blaupause für alle Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge, zum Beispiel für Pflegeheime, für Krankenhäuser, für Kitas oder auch für Busse und Bahnen. Leider fehlt es am politischen Mut, sich einer solchen Reform zu stellen. Stattdessen soll am alten Modell des Arbeitskampfes festgehalten und das moderne Modell des 3. Weges abgeschafft werden - verkehrter geht es nicht.
Erfurt, Luxemburg (epd). Zwei Vollzeitjobs führen nicht zu doppeltem Urlaub. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem am 9. März veröffentlichten Urteil entschieden. Demnach muss eine Arbeitnehmerin, die rechtswidrig fristlos gekündigt worden ist und wieder ein Ersatzarbeitsverhältnis begonnen hat, ihre Urlaubsansprüche aus der neuen Beschäftigung mit denen vom alten Arbeitgeber verrechnen lassen. Denn doppelte Urlaubsansprüche sollen in solch einem Fall nach dem Willen des Gesetzgebers vermieden werden, erklärten die Erfurter Richter ihre Entscheidung.
Die Klägerin war seit 1. Dezember 2014 als Fleischereifachverkäuferin in Niedersachsen tätig. Am 23. Dezember 2019 kündigte die Arbeitgeberin der Frau fristlos. Sie erhob Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht. Zum 1. Februar 2020 fand die Klägerin einen neuen Job.
Das Arbeitsgericht stellte mit Urteil vom September 2020 rechtskräftig fest, dass die fristlose Kündigung unwirksam war und das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst worden sei. Erst mit einer weiteren fristlosen Kündigung endete das Arbeitsverhältnis dann im Mai 2021.
Weil die Kündigung der alten Arbeitgeberin rechtswidrig war, stünden ihr noch Urlaubsansprüche zu, meinte die Klägerin. Sie verlangte für nicht genommene und noch offene fünf Urlaubstage im Jahr 2020 und zwei weitere Tage im Jahr 2021 insgesamt 609 Euro als Abgeltung. Das lehnte die Arbeitgeberin ab. Denn die Klägerin müsse sich den Urlaub, den ihr neuer Arbeitgeber gewährt habe, vollständig auf die alten Ansprüche anrechnen lassen.
Das BAG urteilte nun, dass für Zeiten einer Doppelbeschäftigung aus beiden Arbeitsverhältnissen grundsätzlich Urlaubsansprüche bestehen. Diese entstünden für „Zeiten der Arbeitspflicht“, so die Erfurter Richter mit Verweis auf eine ältere BAG-Entscheidung vom 30. November 2021.
Wegen der unwirksamen Kündigung der alten Arbeitgeberin habe eine Arbeitspflicht der Klägerin bestanden, die sie wegen der Entlassung aber nicht erfüllen konnte. Für die neue Ersatzbeschäftigung habe ebenfalls eine Arbeitspflicht bestanden, so dass aus beiden Arbeitsverhältnissen „ungeminderte Urlaubsansprüche“ entstehen.
Allerdings sehe das Kündigungsschutzgesetz bei einer unwirksamen Kündigung vor, dass Arbeitnehmer den Lohn, den sie bei einer neuen Beschäftigung während des Kündigungsrechtsstreits erhalten haben, auf die noch offene Arbeitsentgeltzahlung des früheren Arbeitgebers anrechnen lassen müssen. Das müsse vom Rechtsgedanken her auch für Urlaubsansprüche gelten, urteilte das BAG.
Der Gesetzgeber habe doppelte Urlaubsansprüche wegen einer Doppelbeschäftigung vermeiden wollen. Doppelte Urlaubsansprüche können es nur bei zwei gleichzeitig ausgeübten Teilzeitbeschäftigungen oder einen Vollzeitjob und einem Teilzeitarbeitsverhältnis geben. Bei zwei Vollzeitjobs könne der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht aber nicht bei beiden erfüllen.
Gewinne ein Arbeitnehmer einen Kündigungsrechtsstreit und habe er bereits wieder eine neue Beschäftigung aufgenommen, dürfe er nicht mehr Urlaubsansprüche erhalten, „als er bei normaler Abwicklung des Dienstverhältnisses erhalten hätte“, heißt es in dem Urteil.
Urlaubsansprüche aus der neuen Beschäftigung müssten daher mit den Ansprüchen aus der alten Beschäftigung verrechnet werden. Dabei müssten die Urlaubsansprüche für jedes Kalenderjahr berechnet werden. Das habe das Niedersächsische Landesarbeitsgericht in Hannover verkannt, sodass der Streitfall zurückverwiesen werden musste.
Am 25. Juni 2020 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) geurteilt, dass Arbeitgeber bei einer unwirksamen Kündigung den betroffenen Arbeitnehmern auch für die Zeit der Nichtbeschäftigung bis zur erneuten Aufnahme der Arbeit bezahlten Urlaub gewähren müssen.
Sei eine Kündigung unwirksam, sei der Zeitraum zwischen Entlassung und Wiederaufnahme der Beschäftigung mit einem tatsächlichen Arbeitszeitraum gleichzustellen. Denn ähnlich wie bei einer Erkrankung könne der rechtswidrig entlassene Arbeitnehmer unabhängig von seinem Willen seine Arbeitsleistung nicht erfüllen, so der EuGH.
Werde das Arbeitsverhältnis nicht mehr fortgesetzt, etwa wegen einer zweiten Kündigung, könnten Arbeitnehmer eine Vergütung für den nicht genommenen Jahresurlaub verlangen, urteilten die Luxemburger Richter in den entschiedenen bulgarischen und italienischen Fällen.
Az.: 9 AZR 230/22 (Bundesarbeitsgericht, Doppelbeschäftigung)
Az.: 9 AZR 225/21 (Bundesarbeitsgericht, Arbeitspflicht)
Az.: C-672/18 und C-37/19 (Europäischer Gerichtshof)
München (epd). Pflegeeltern können erst im Monat nach Aufnahme des Kindes in ihren Haushalt Kindergeld beanspruchen. Bis dahin steht vorrangig den biologischen Eltern die Zahlung zu, entschied der Bundesfinanzhof (BFH) in einem am 7. März veröffentlichten Urteil in München.
Konkret ging es um ein im November 2020 frühgeborenes Kind. Die obdachlose Mutter konnte das zunächst in einer Kinderklinik behandelte Baby nicht versorgen. Das Jugendamt bestimmte den Kläger und seinen Lebenspartner zu Pflegeeltern. Diese nahmen den Säugling am 7. Dezember 2020 auf unbestimmte Zeit bei sich auf. Sie entschieden untereinander, dass der Kläger kindergeldberechtigt sein soll.
Die Familienkasse zahlte auch Kindergeld, allerdings erst ab Januar 2021. Der Kläger meinte, dass ihm ab Geburt des Kindes Kindergeld und damit auch der vom Staat für das Jahr 2020 gezahlte Kinderbonus in Höhe von 300 Euro zustehe. Der Bonus sollte die Belastungen angesichts gestiegener Energiepreise abmildern. Diese Zahlung gibt es mittlerweile nicht mehr.
Während das Finanzgericht Sachsen-Anhalt entschied, dass dem Kläger zumindest ab Dezember Kindergeld und Kinderbonus zustehen, hatte der Kläger vor dem BFH keinen Erfolg.
Die obersten Finanzrichter betonten, dass vorrangig die leiblichen Eltern ab Geburt des Kindes kindergeldberechtigt seien. Bei ihnen setze der Kindergeldanspruch - anders als bei Pflegeeltern - keine Aufnahme des Kindes in ihrem Haushalt voraus. Deshalb blieben sie im Dezember 2020 vorrangig kindergeldberechtigt.
Die Pflegeeltern könnten daher nach Aufnahme des Kindes erst im Folgemonat, im Januar 2021, Kindergeld erhalten. Der Anspruch auf den Kinderbonus für das Jahr 2020 scheide ebenfalls aus, weil dieser einen Anspruch auf Kindergeld im Jahr 2020 vorausgesetzt hätte.
Az.: III R 5/23
Hamm (epd). In Nordrhein-Westfalen angestellte Arbeitnehmer können für den Arbeitseinsatz an Allerheiligen in Hessen keinen Feiertagszuschlag erhalten. Auch wenn der gewöhnliche Arbeitsort eines Arbeitnehmers in Nordrhein-Westfalen liegt, wo Allerheiligen ein gesetzlicher Feiertag ist, können Beschäftigte bei einer Tätigkeit in Hessen keine Feiertagszuschläge verlangen, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 11. Januar. Die Richter ließen allerdings die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt zu.
Im Streitfall ging es um eine technische Fachkraft in einem Klinikum im Raum Münster. Auf Anordnung seines Vorgesetzten nahm der Beschäftigte vom 1. November 2021 bis zum 5. Dezember 2021 an einem Gerätelehrgang in Hessen teil. Der 1. November ist in NRW, nicht aber in Hessen arbeitsfrei.
Die Arbeitgeber bezahlte dem Mann zwar für die Teilnahme an dem Lehrgang seinen regulären Lohn, nicht aber den tariflichen Feiertagszuschlag in Höhe von 82,56 Euro. Der Beschäftigte hielt das für rechtswidrig. Der Zuschlag müsse ihm gezahlt werden, weil er an Allerheiligen in Hessen gearbeitet habe. Maßgeblich für die Zahlung des Feiertagszuschlags sei der gewöhnliche Arbeitsort in NRW.
Während das Arbeitsgericht Münster dem Kläger noch recht gab, wies das LAG die Klage ab. Der Kläger habe an Allerheiligen in Hessen keine Feiertagsarbeit geleistet, weil der 1. November dort kein gesetzlicher Feiertag sei. Der anzuwendende Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) lasse allerdings keine Schlüsse darauf zu, wann ein Feiertag in einem Arbeitsverhältnis vorliege und wann nicht.
Maßgeblich sei letztlich das Territorialprinzip des Arbeitszeitgesetzes. „Ein Arbeitgeber kann einen Arbeitnehmer demnach ohne Verstoß gegen das Beschäftigungsverbot auf Dienstreise in ein anderes Bundesland entsenden, in dem kein Feiertag begangen wird“, heißt es in der LAG-Entscheidung. Nach dem Sinn des Gesetzes komme es auch für die Zuschlagspflicht auf den Ort der konkreten Arbeitsleistung an. Weil Allerheiligen in Hessen kein Feiertag sei, habe der Kläger damit dort an einem Werktag gearbeitet.
Az.: 11 Sa 936/23
Berlin (epd). Eltern müssen für ihre schulpflichtigen Kinder deren Masernimmunität nachweisen. Kommen sie dem nicht nach, kann das Gesundheitsamt ein Zwangsgeld verhängen, entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg in Berlin in mehreren unanfechtbaren Beschlüssen vom 28. Februar. Der vom Gesundheitsamt geforderte Nachweis über eine Immunität gegen Masern infolge einer Impfung oder einer durchgestandenen Erkrankung sei verhältnismäßig, befand das Gericht.
Nach dem Infektionsschutzgesetz müssen Personen, die in einer Gemeinschaftseinrichtung betreut werden, über einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern verfügen und nachweisen, sofern gesundheitliche Gründe einer Impfung nicht entgegenstehen. Zu den Gemeinschaftseinrichtungen zählen auch Schulen.
Im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick hatte das Gesundheitsamt die Eltern auf diese Pflicht hingewiesen. Bei einer Schülerin und zwei Schülern kamen die Eltern der Aufforderung indes nicht nach. Daraufhin verlangte das Gesundheitsamt erneut die Vorlage der Nachweise und drohte jeweils ein Zwangsgeld von 200 Euro an. Zur Begründung berief sich die Behörde auf die Gefährlichkeit der Masern, die als hochansteckende Viruserkrankung mit schweren Komplikationen einhergehen könne. Der Aufbau eines Gemeinschaftsschutzes sei daher wichtig.
Die dagegen gerichteten Eilanträge der Eltern wies das Verwaltungsgericht Berlin ab. Geschützt würden mit dem Nachweis einer Masernimmunität nicht nur die Kinder selbst, sondern auch vulnerable Menschen wie Schwangere und Säuglinge. Auch die elterliche Gesundheitssorge müsse sich stets am Kindeswohl orientieren, so das Verwaltungsgericht weiter.
Diese Sicht hat nun das OVG bestätigt. Die Pflicht zum Nachweis einer Masernimpfung oder einer Immunität infolge einer durchgestandenen Masernerkrankung greife zwar in das im Grundgesetz verankerte Elternrecht ein. Die Nachweispflicht verfolge aber einen „legitimen Zweck“, um eine tatsächliche Erhöhung der Impfquote in Schulen und sonstigen Gemeinschaftseinrichtungen zu erreichen.
Der Gesetzgeber sei von einer grundsätzlichen Impfpflicht ausgegangen, auch wenn er diese nicht mit unmittelbarem Zwang durchsetzen wollte. Andere Zwangsmittel wie Zwangsgeld und Geldbuße bei fehlendem Immunitätsnachweis seien dagegen vorgesehen, entschied das OVG.
Az.: OVG 1 S 80/23 u. a.
Cottbus (epd). Um als Bedarfsgemeinschaft eingestuft zu werden, müssen Betroffenen dauerhaft füreinander einstehen. Jobcenter können allein wegen der gelegentlichen Pflege und Versorgung eines nahen Angehörigen nicht von einer Bedarfsgemeinschaft ausgehen, entschied das Sozialgericht Cottbus in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 8. November 2023. Ziehe ein Grundsicherungsempfänger, wie im entschiedenen Fall geschehen, nach sechs Monaten aus der gemeinsam Wohnung wieder aus, sei das zudem ein Indiz dafür, dass die Hilfebedürftigen nicht miteinander liiert waren und füreinander Verantwortung übernehmen wollten, befand das Gericht.
Die Kläger aus dem Landkreis Spree-Neiße hatten Hartz-IV-Leistungen, das heutige Bürgergeld, für den Zeitraum Dezember 2020 bis Mai 2021 beantragt. Das Jobcenter bewilligte zwar Leistungen, ging nach Aktenlage davon aus, dass die Kläger eine Bedarfsgemeinschaft bilden. Deshalb führte das Einkommen des Klägers auch zur Minderung des Hartz-IV-Anspruchs bei der Klägerin.
Dagegen wehrten sie sich gerichtlich und führten an, dass gar keine Bedarfsgemeinschaft vorliege. Das Jobcenter sei zu Unrecht von einer Bedarfsgemeinschaft unter Anrechnung des Einkommens des Mannes ausgegangen. Die Klägerin habe Anspruch auf Grundsicherungsleistungen ohne Anrechnung seines Einkommens, so die Begründung.
Das Sozialgericht gab ihnen recht. Ob eine Bedarfsgemeinschaft vorliege, hänge im Wesentlichen von zwei Merkmalen ab: Zum einen müssten beide Personen in einem gemeinsamen Haushalt leben. Zum anderen müssten sie dauerhaft füreinander einstehen und auch Verantwortung übernehmen wollen.
„Häusliche Gemeinschaft besteht immer dann, wenn eine Vereinigung von Tisch und Bett innerhalb derselben Wohnung stattfindet“, urteilte das Sozialgericht. Das Jobcenter habe hier nur nach Aktenlage entschieden und vorher nicht ausreichend geprüft, ob tatsächlich eine gemeinsame Haushaltsführung vorliege. Weil die Klägerin nach sechs Monaten aus dem Haus ausgezogen sei, könne die gemeinsame Haushaltsführung nicht mehr rückwirkend geprüft werden. Vielmehr sei der Auszug ein Indiz dafür, dass die Kläger „nicht dauerhaft liiert waren und den wechselseitigen Willen hatten, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen“, heißt es in der Urteilsbegründung.
Zwar habe die Klägerin die Oma des Klägers gelegentlich gepflegt. Versorgung setze jedoch kontinuierliche Unterstützungsleistungen voraus - und zwar in einem „mehr als nur unerheblichen zeitlichen Umfang“.
Az.: S 10 AS 283/21
Berlin (epd). Frank Volkmer (50), Diplom-Kaufmann (FH) und Master of Science, übernimmt die Geschäftsführung der beiden Kliniken der Immanuel Albertinen Diakonie am 1. April. Der gebürtige Brandenburger war in den vergangenen vier Jahren bei den Havelland Kliniken tätig, zuletzt als Geschäftsführender Direktor. Er ist seit 25 Jahren im Management von Gesundheitseinrichtungen tätig.
Volkmer arbeitete zunächst bei der AOK für das Land Brandenburg, dann als Referent im Dezernat für Krankenhausfinanzierung und -planung der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und beim Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK).
Volkmers künftiges Amt hatte zuletzt Jean Franke inne. Sie war im April 2023 von Sana zur Immanuel Albertinen Diakonie gewechselt, dann aber nur wenige Monate geblieben: Seit September 2023 ist sie wieder bei Sana - als Geschäftsführerin der Sana Kliniken Berlin-Brandenburg.
„Frank Volkmer ist genau die richtige Führungskraft für unsere Einrichtungen in Rüdersdorf, Buckow, Strausberg und Fürstenwalde“, sagte Matthias Scheller, Vorsitzender der Konzerngeschäftsführung der Immanuel Albertinen Diakonie. In der Berliner und Brandenburger Gesundheitslandschaft sei Volkmer fest verwurzelt und passe „mit seinem Werteverständnis genau zu uns“.
Die Immanuel Klinik Rüdersdorf, Universitätsklinikum der Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, ist eine Klinik der Akut- und Regelversorgung mit 456 Betten. Jährlich versorgen rund 700 Mitarbeitende etwa 44.200 Patienten, davon 13.200 stationär und 31.000 ambulant.
Axel Weinand (60), Geschäftsführer der Kath. St. Paulus Gesellschaft und der KLW St. Paulus GmbH mit Sitz in Dortmund, verlässt den Träger zum Monatsende aus persönlichen Gründen. Zudem war er für die Tochterunternehmen St. Christophorus-Pflege GmbH und die beiden Servicegesellschaften verantwortlich. Im Paulus-Krankenhausverbund war er seit der Gründung 2021 als Geschäftsführer tätig. Künftig gibt es bei der Gesellschaft, die unter anderem zehn Kliniken betreibt, nur noch drei Geschäftsführer. Weinands Aufgaben im Klinikum Lünen-Werne übernimmt Clemens Galuschka. Er ist schon seit 2019 ebenfalls Geschäftsführer des Klinikums Lünen-Werne und der Tochtergesellschaften. Die drei verbleibenden Geschäftsführer Clemens Galuschka, Jürgen Beyer und Christoph Rzisnik werden die Aufgaben untereinander verteilen. In der Kath. St. Paulus Gesellschaft haben sich 2021 vier katholische Träger zusammengeschlossen. Zu dem Verbund, der rund 8.500 Beschäftigte hat, zählen unter anderem zehn Krankenhäuser mit rund 2.900 Betten.
Anja Fell führt seit Monatsbeginn als Direktorin das Berliner St. Marien Krankenhaus, das zur Marien-Gruppe gehört. Die promovierte Diplom-Kauffrau leitet die zur Marien-Gruppe gehörige Klinik. Sie wechselte innerhalb Berlins vom Evangelischen Krankenhaus Hubertus, wo sie zuletzt als Prokuristin tätig war. Fell war von 2011 bis 2013 Mitglied der Geschäftsführung der Havelklinik BSB Sanatoriumsgesllschaft mbH. Es folgte eine Anstellung als Standortleiterin Potsdam bei der Medneo GmbH, einem Medizinischen Zentrum. 2016 begann Fell dann ihre langjährige Tätigkeit am Hubertus Krankenhaus in Berlin. Mit der Direktion am St. Marien-Krankenhaus übernimmt sie jetzt die Verantwortung für rund 450 Mitarbeitende.
Friederike Kott wird neue Schulleiterin der Evangelischen Fachschule für Sozialpädagogik Reutlingen (Kreuzeiche). Am 18. März werde sie in der Kreuzkirche in ihr Amt eingeführt, teilte die Fachschule am Montag mit. Sie hat dort selbst die Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin absolviert. Nach ihrem Studium des „Managements von Erziehungs- und Bildungseinrichtungen“ an der Katholischen Hochschule Freiburg übernahm sie Lehraufträge in der Kinderpflege und verantwortete Fortbildungskurse für Erzieherinnen und Erzieher. Seit 2019 ist Kott für die Mentorenqualifikation an der Fachschule verantwortlich, seit drei Jahren gehört sie zum Lehrkörper und unterrichtet in allen sozialpädagogischen Handlungsfeldern. Auch die Zusatzqualifikation „Inklusionspädagogik“ liegt in ihren Händen.
Iris Thieme (51) und Jochen Wiegand (56) übernehmen im Herbst die Leitung des Berufsbildungswerks (BBW) der Rummelsberger Diakonie. Sie folgen als Doppelspitze auf Matthias Wagner (65), der in den Ruhestand geht. Das Duo wird den gesamten Fachbereich „Berufliche Bildung und Arbeit“ verantworten. Wagner stand seit 2010 an der Spitze des BBW. An der Schule nehmen 300 junge Menschen an einer vorberuflichen Bildungsmaßnahme teil oder absolvieren eine berufliche Ausbildung. Thieme war von 2011 bis 2020 als Leiterin im Integrations- und Sozialdienst tätig. Seit 2020 leitet sie die Fachdienste und die Prozesssteuerung. Wiegand begann 1993 als Ausbilder im BBW, wurde technischer Leiter und stellvertretender Werkstattleiter in den Auhof Werkstätten Hilpoltstein. Seit 2010 ist er wieder in Rummelsberg und hat beim BBW die Ausbildungsleitung und stellvertretende Einrichtungsleitung inne.
Petra Densborn, Vorständin des Christlichen Jugenddorfwerk Deutschlands (CJD), ist seit 30 Jahren für den Verein aktiv. Im Oktober erhielt sie für ihr langjähriges Engagement seit 1994 das Bundesverdienstkreuz. Ab 2005 leitete sie in der Zentrale in Ebersbach den Fachbereich Berufliche Bildung. 2010 wurde Densborn Gesamtleiterin des CJD Verbunds Berlin-Brandenburg in Berlin, von wo sie nach acht Jahren zurückkehrte in die Zentrale. Seit 2022 verantwortet dort sie als Vorständin die Hälfte der insgesamt 14 Verbünde des CJDs. Zudem ist sie aktiv in der Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit und im Finanzausschuss der Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung.
Axel Limberg aus Hamburg erhält das Bundesverdienstkreuz am Bande für sein Engagement für unbegleitete minderjährige Geflüchtete. Hamburgs Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) wird die Auszeichnung am 18. März überreichen. Limberg habe in den vergangenen Jahren viel Herzblut und Zeit aufgewendet, um geflüchteten jungen Menschen ihr Ankommen in Hamburg leichter zu machen, betonte Schlotzhauer. „Er leistet damit einen wichtigen Beitrag zum interkulturellen Zusammenleben und zur Integration unbegleiteter, minderjähriger Geflüchteter.“ Limberg war im Jahr 2015 einer der ersten Ehrenamtlichen gewesen, der sich beim Landesbetrieb Erziehung und Beratung (LEB) für unbegleitete minderjährige Geflüchtete engagiert hat. Seitdem hat er mehrere Paten- und Vormundschaften übernommen. Derzeit betreut Limberg 15 Minderjährige, die allein nach Deutschland gekommen sind. Er bietet ihnen schulische und berufliche Orientierung sowie Behördenbegleitung an.
19.3. Freiburg:
Seminar „Neues vom Bundesarbeitsgericht“
der Unternehmensberatung Solidaris
Tel.: 02203/8997-411
19.3. Berlin:
Seminar „Nachfolge gestalten - Füchrungswechsel bei NPOs“
der BFS Service GmbH
Tel.: 0221/98816-888
21.3. Berlin:
Seminar „Asyl- und Aufenthaltsrecht für junge Geflüchtete“
der Paritätischen Akademie Berlin
Tel.: 030/275828227
21.-22.3.:
Online-Seminar „Einwanderung und Flucht: Wege in die Berufsausbildung“
des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge
Tel.: 030/62980325
22.3. Erfurt:
Seminar „ABC des Umsatzsteuer- und Gemeinnützigkeitsrechts“
der Unternehmensberatung Solidaris
Tel.: 030/72382-428
April
8.4.:
Online-Seminar „Krisenmanagement kompakt“
der Akademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0172/3012819
8.-10.4. Freiburg:
Fortbildung „Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler - Wirksame Öffentlichkeitsarbeit in der sozialen Arbeit“
der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761/200-1700
11.4. Berlin:
Seminar „Kollegiale Fallberatung - gemeinsam neue Lösungen generieren“
der Paritätischen Akademie Berlin
Tel.: 030/275828221
12.4. Berlin:
Seminar „Vergütungssatzverhandlungen in der Eingliederungshilfe - Vorbereitung, Strategie und Verhandlungsführung“
der Unternehmensberatung Solidaris
Tel.: 02203/8997-221
16.4.:
Digitale Fachveranstaltung „Soziale Arbeit über Grenzen hinweg - Zusammenarbeit in grenzüberschreitenden Einzelfällen und bei Jugendhilfe im Ausland nach der Brüssel IIb Verordnung“
des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge
Tel.: 030/62980-605
23.4.:
Online-Fortbildung „Hinweisgeberschutzgesetz - Die Pflicht zur Umsetzung aus datenschutzrechtlicher Sicht“
der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761/2001700
25.4.:
Online-Seminar „Das operative Geschäft: Steuerung und Controlling in der Eingliederungshilfe“
der Akademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0174/3154935
26.4. Berlin:
Fachkongress „Frühkindliche Medienbildung“
der Stiftung digitale chancen und der Stiftung Ravensburger Verlag
Tel.: 030/437277-41
29.4. Nürnberg:
Seminar „Schlanke Prozesse in Einrichtungen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft“
der Akademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0172-2883106