sozial-Politik

Frauen

Stillen im Job



Das Mutterschutzgesetz schützt Frauen auch während der Stillzeit, Arbeitgeber müssen sie zum Stillen freistellen. Pia Müller hat so Berufstätigkeit und vier Kinder vereinbart - und ermutigt Frauen, sich für ihre Rechte einzusetzen.

Mainz, Idstein (epd). „Chef, ich geh' dann mal stillen“: ein Satz, der nicht in jedem Betrieb ein gängiger ist. Dabei sind Arbeitgeber durch das Mutterschutzgesetz, Paragraf 7, verpflichtet, Mütter die ersten zwölf Monate nach der Geburt des Kindes für die zum Stillen erforderliche Zeit bezahlt freizustellen. „Mindestens zweimal täglich für eine halbe Stunde oder einmal täglich für eine Stunde“, heißt es. Gleiches gilt für das Abpumpen von Muttermilch. Das Gesetz schützt darüber hinaus auch die Gesundheit der stillenden Frau.

Muttermilch mit nach Hause gebracht

Eine Studie des DGB aus dem Jahr 2022 ergab: Nur acht Prozent von 555 befragten Arbeitnehmerinnen gaben an, dass sie ihr Kind während der Arbeitszeit im Betrieb gestillt haben. 17 Prozent stillten nur außerhalb der Arbeitszeit und mehr als die Hälfte war während der gesamten Stillzeit in Elternzeit. Vier von fünf Frauen, die am Arbeitsplatz stillten, erklärten, dass sich das nicht unkompliziert und nicht geschützt angefühlt habe.

Pia Müller aus Mainz kennt die aufreibende Kombination von Berufstätigkeit und Stillen. Sie ist promovierte Physikerin, arbeitet in der chemischen Industrie und hat vier Kinder. Nach Mutterschutz und anschließendem Urlaub sei sie jeweils wieder in den Job eingestiegen, habe dort regelmäßig ihre Muttermilch abgepumpt und sie mit nach Hause gebracht, erzählt sie. Ihr Mann habe sie dann am nächsten Tag dem Kind gegeben.

In der Arbeitsgemeinschaft Freier Stillgruppen koordiniert Müller den Arbeitskreis „Erwerbstätigkeit und Stillen“. „Wie wir in der Stillberatung erleben, ist der Bedarf nach Informationen, gerade auch in Sachen Stillen im Beruf, enorm“, sagt sie.

Beim Stillen während der Berufstätigkeit muss jemand das Kind an den Arbeitsplatz der Mutter bringen, wenn das Zuhause oder die Kita nicht in der Nähe liegt. Andere Frauen pumpen wie Pia Müller während der Arbeitszeit Muttermilch ab, die jemand anderes dann dem Kind geben kann. „Wir erleben Mütter, die selbstständig sind und Stillen in Zeitfenster integrieren, wie auch Angestellte, deren Arbeitgeber bereits stillfreundliche Strukturen anbieten. Wir möchten die Frauen insgesamt noch mehr ermutigen, sich für ihre Rechte einzusetzen“, sagt Müller.

Anrecht auf einen Raum zum Hinlegen

So haben Frauen, die unter das Mutterschutzgesetz fallen, Anrecht auf einen Raum zum Hinlegen und Ausruhen, aber auch zum Stillen oder Abpumpen von Muttermilch. Müller: „Ein spärlich eingerichteter Raum, eventuell nur ausgestattet mit einer Liege, wird den Bedürfnissen von Stillenden nicht gerecht. Wird eine Milchpumpe verwendet, benötigt die Arbeitnehmerin eine Steckdose, einen Tisch zum Ablegen ihrer Pumputensilien und eine bequeme Sitzmöglichkeit. Auch ein Waschbecken in der Nähe für die Hände und ihr Pumpgeschirr ist hilfreich.“

Bei einer zusammenhängenden Arbeitszeit von mehr als acht Stunden solle der Arbeitgeber zweimal mindestens 45 Minuten oder, wenn in der Nähe der Arbeitsstätte keine Stillgelegenheit vorhanden sei, einmal eine Stillzeit von mindestens 90 Minuten gewähren, heißt es im Gesetz. Häufig seien gerade in anspruchsvolleren beruflichen Positionen aber kaum Möglichkeiten gegeben, Zeitfenster zum Stillen oder Abpumpen einzuplanen, sagt Pia Müller. „Mehrstündige Präsenzmeetings ohne Pause, Dienstreisen sowie Führungskräfte, die in dieser Situation für die Stillende nicht mitdenken, können erschwerende Faktoren sein.“

Sie wirbt: „Stillen hat so viele positive Auswirkungen auf die Gesundheit von Mutter und Kind. Gestillte Kinder werden - statistisch gesehen - weniger häufig krank. Stillen wirkt sich etwa positiv auf das Immunsystem oder die Darmgesundheit des Kindes aus. Stillende haben ein geringeres Risiko, an Brust- und Eierstockkrebs sowie Osteoporose zu erkranken.“

Mit dem Arbeitgeber das Gespräch suchen

Auch Christiane Bossong, Hebamme und organisatorische Leiterin im Geburtshaus Idstein, weiß um die Vorteile des Stillens. Sie betont zusätzlich die Körpernähe, die wichtig sei für die Mutter-Kind-Bindung. Inwieweit Mütter ihr Recht auf Stillen am Arbeitsplatz wahrnehmen, erlebt sie so: „Die meisten stillen, glaube ich, wenn sie wieder arbeiten gehen, nur noch teilweise. Morgens früh vor der Arbeit, abends und nachts.“ Aber sie betont: „Wir Hebammen können Bescheinigungen für den Arbeitgeber ausstellen, die bestätigen, dass die Frau noch stillt. Das wird vereinzelt genutzt.“

Studien zeigten, dass gut 90 Prozent der Mütter vor der Geburt planten, ihr Kind zu stillen, sagt Müller. „Die WHO empfiehlt, in den ersten sechs Monaten nach der Geburt ausschließlich zu stillen, danach - neben Einführung von geeigneter Familienkost - bis zum 24. Lebensmonat des Kindes und darüber hinaus, solange Mutter und Kind dies wünschen.“

Beide Expertinnen raten Müttern, sich gut zu informieren und rechtzeitig mit dem Arbeitgeber ein sachliches Gespräch zu führen, damit Zeit fürs Stillen eingeplant werden könne und Raum dafür da sei. Denn die Frauen müssen die Freistellung gegenüber dem Arbeitgeber ausdrücklich verlangen, mündlich oder schriftlich. Müller unterstreicht: „Frauen, die so viel Energie aufbringen und im Beruf stillen, die müssten doch eigentlich geschätzte Arbeitnehmerinnen sein.“

Claudia Kroll-Kubin