sozial-Editorial

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Dirk Baas
epd-bild/Heike Lyding

Frankreich kennt einige Beispiele früher sozialer Bautätigkeit, oft initiiert von Unternehmern, die ihre Arbeiter mittels „paternalistischem Wohnungsbau“ an den Betrieb binden wollten. Auch Genossenschaften sind darunter. Unser Autor Rudolf Stumberger ist in das Nachbarland gefahren, hat sich mehrere Beispiele angesehen und auch mit Bewohnern gesprochen.

Die einrichtungsbezogene Impfpflicht wird umgesetzt. Das betont der Deutsche Landkreistag, wohl wissend, dass es so manchem Landkreis schwerfallen dürfte, das Gesetz ab März umzusetzen. Denn es fehlt in den Gesundheitsämtern nahezu überall an Personal, die Impfverweigerer zu ermitteln sowie Betretungsverbote zu verhängen und durchzusetzen. Derweil diskutierte der Bundestag erstmals über die allgemeine Impfpflicht - Einblick in eine muntere Debatte.

Die Diakonie in München und Oberbayern hat erkannt: Ohne ehrenamtliche Helferinnen und Helfer läuft in sozialen Einrichtungen nicht viel. Interessenten und passende Stellen zusammenzubringen, ist nicht immer einfach. Doch der Freiwilligenagentur „z'sam“ gelingt das: Seit einem Jahr ist die diakonische Ehrenamtsbörse am Start - und hat noch viel vor.

Das Coming-out von 125 queeren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der katholischen Kirche war ein Paukenschlag. Und ein mutiger Schritt, denn das Arbeitsrecht macht Entlassungen möglich. Der Jurist Jacob Joussen fordert Reformen. Die katholische Kirche müsse erkennen, dass sie nicht mehr so hohe und undifferenzierte Forderungen an ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen könne, sagte der Leiter des Instituts für Kirchliches Arbeitsrecht in Bochum dem Evangelischen Pressedienst.

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Dirk Baas




sozial-Thema

Sozialgeschichte

Aufgewachsen im Sozialpalast




Hauptpavillon der Familistère
epd-bild/Rudolf Stumberger
Der Ofenfabrikant Jean-Baptiste André Godin wollte im französischen Guise das Leben seiner Arbeiter verbessern. Dafür ließ er für sie ein Wohnviertel bauen. 1880 wandelte er Fabrik und Wohngebäude in eine Genossenschaft um. Ausgerechnet im Jahr 1968 war Schluss damit.

Guise (epd). „Mein Vater hat in der Fabrik gearbeitet, und wir sind 1958 in die Familistère gezogen“, berichtet Christian Noisette. Der 66-jährige pensionierte Lehrer ist in der Wohnung Nr. 187 aufgewachsen, 60 Quadratmeter, zwei Zimmer. „Das war schon etwas Besonderes“, erzählt er weiter, „alle kannten sich hier, jeder kannte jeden.“ Noisette steht in dem mit Glas überdachten Innenhof der sogenannten Familistère, einer Großwohnanlage in der Kleinstadt Guise in der Picardie im Norden Frankreichs.

Anhänger der utopischen Sozialisten

Hier hatte der Ofenfabrikant Jean-Baptiste André Godin Mitte des 19. Jahrhunderts für die Arbeiter seiner Fabrik mehrere „Sozialpaläste“ bauen lassen. Godin, so erzählt Christian Noisette die Geschichte, kam aus einfachen Verhältnissen und wurde durch die Produktion von Öfen aus Gusseisen wohlhabend. Die Fabrik gibt es immer noch, einen kurzen Fußweg von der Familistère entfernt. Godin war Anhänger der damaligen utopischen Sozialisten und wollte deren Ideen in die Praxis umsetzen.

Vorbild war die „Phalanstère“ des Frühsozialisten Charles Fourier, eine Großwohnanlage für etwa 1.600 Menschen, die dort zusammen leben sollten. Bei Godin wurde aus der „Phalanstère“ eine „Familistère“, ein Hauptgebäude mit zwei großen Flügeln, jeweils mit Glas überdachten, fast 1.000 Quadratmeter großen Innenhöfen versehen. Hier lebten an die 500 Familien auf drei Stockwerken, die über Galerien zugänglich waren. „Wir wohnten hier drüben auf der zweiten Etage“, sagt Christian Noisette.

Godin, erzählte er weiter, wollte das Leben seiner Fabrikarbeiter verbessern. Dazu gehörte die Einrichtung eines Kindergartens und einer Schule für die Kinder der Arbeiterfamilien. Die Bewohner konnten in eigenen Läden günstig einkaufen, es gab ein Theater als geistigen Mittelpunkt der Wohnanlage (statt einer Kirche), und auch ein Schwimmbad mit absenkbarem Boden stand zur Verfügung.

Genossenschaft bis 1968

1880 ging Godin noch einen Schritt weiter und wandelte sowohl die Fabrik als auch die Wohngebäude in eine Genossenschaft um, die den Arbeitern gehörten. Patriarchalisch war das ganze Unternehmen freilich deshalb, weil der Ofenfabrikant vor allem seine Ideen umsetzte und die Arbeiter nicht wirklich etwas mitzubestimmen hatten.

„Interessant ist“, sagt Christian Noisette, „dass das Experiment immerhin bis 1968 gedauert hat.“ Ausgerechnet in jener Zeit, als Arbeiter und Studenten in Frankreich auf die Straße gingen, war es dann mit der Genossenschaft zu Ende, Fabrik und Wohnungen wurden privatisiert. „Damals gingen viele Leute fort, der Familienzusammenhang ging verloren“, erinnert sich Noisette. Manche aber blieben weiterhin in der Familistère wohnen. 1990 wurde die Schule wieder eröffnet, und dort unterrichtete Christian Noisette als Lehrer von 2003 bis 2015 Kinder zwischen zwei und elf Jahren.

Heute gehört die Familistère der öffentlichen Hand und wird seit mehr als einem Jahrzehnt zu einem „Museum der Utopie“ umgebaut. Am weitesten fortgeschritten ist der Umbau im Zentralpavillon, in dem zahlreiche Ausstellungen die Geschichte der Familistère erzählen. Ein Seitenflügel soll zu einem Hotel werden, gesucht werden dafür noch Investoren. Im zweiten Seitenflügel sollen nach der Restaurierung Sozialwohnungen entstehen.

„Im Hauptgebäude sind noch ein paar Wohnungen von Senioren bewohnt“, weiß Lehrer Noisette zu erzählen. Seine Familie ist 1972 aus der Familistère ausgezogen.

Rudolf Stumberger


Sozialgeschichte

Wohnen zwischen Gärten und Sole




Königliche Saline von Arc-et-Senans
epd-bild/Rudolf Stumberger
Das Baudenkmal steht seit 1982 auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes: die Königliche Saline von Arc-et-Senans im Osten Frankreichs nahe Besançon. Die Architektur der Aufklärung ist ein frühes Beispiel paternalistischer Wohnformen für Arbeiter.

Arc-et-Senans (epd). Betritt man durch das mächtige Tor das Gelände der ehemaligen königlichen Saline, dann fällt der Blick unausweichlich auf das große, runde Auge im dreieckigen Giebel der Direktorenvilla mit ihren antiken Säulen. Architekt Claude-Nicolas Ledoux (1736-1806) hat die gesamte Anlage nach absolutistischen Prinzipien erbaut und dazu gehört die Überwachung, wofür symbolisch das schwarze Loch (Auge) steht. Salz ist in dieser Zeit äußerst wertvoll, nicht umsonst spricht man vom „weißen Gold“. So ist die Saline vollständig mit einer Mauer umgeben, wer rein- und rausgeht wird streng kontrolliert. Das gilt auch für die in der Saline wohnenden Arbeiter.

Harte Arbeitsbedingungen

Heute ist der mit einem Rasen versehene Innenhof der als Halbkreis angelegten Salzsiede-Anlage ein stiller Ort, jedenfalls wenn nicht viele Touristen da sind. Ende des 18. und im 19. Jahrhunderts, als hier Salz gesiedet wurde, ging es wohl eher hektisch-arbeitsam zu. Die Salzmanufaktur wurde auf Geheiß von Ludwig XV. in den Jahren von 1775 bis 1779 erbaut, die Sole wurde über eine kilometerlange Leitung hierhergeführt. Eine ständige Ausstellung in der ehemaligen Direktorenvilla ist der Salzgewinnung gewidmet. Sie geschah in den beiden großen Gebäuden rechts und links der Villa unter harten Arbeitsbedingungen wie etwa großer Hitze.

In einem der Nebengebäude linker Hand befindet sich das Ledoux-Museum, das einzige in Europa, das einem einzelnen Architekten gewidmet ist. Hier lassen sich die geistigen Grundlagen der Architektur von Ledoux studieren, zum Beispiel das Modell seiner idealen Stadt. Für den Architekten ist die bebaute Umwelt nicht nur funktional, sondern soll Geist, Tugenden und Ideen verkörpern. Ledoux glaubte daran, dass Architektur Einfluss auf das Wesen der Menschen nimmt.

Dieser Gedanke lässt sich studieren, wenn man ein paar Schritte vom Museum zu den Unterkünften der Arbeiter geht. Heute ist dieses Gebäude zu einem Hotel umfunktioniert, doch lässt sich die ursprüngliche Nutzung erahnen. Hinter der Eingangstür findet der Besucher einen großen Gemeinschaftsraum, von dem im Erdgeschoss und über Treppen erreichbar im ersten Stock die Zimmer abgehen. Dieser Gemeinschaftsraum sollte als zentrale Küche dienen, die auch das Haus heizte. Die Arbeiter mit ihren Familien wohnten in den separaten Zimmern.

Kollektives Leben als Ideal

Diese Architektur betont das gemeinsame, kollektive Leben als Ideal. Eine wichtige Funktion nahmen auch die hinter den Wohnhäusern angelegten Gärten wahr. Hier sollten sich die Arbeiter an der frischen Luft aufhalten und zugleich Gemüse für den täglichen Bedarf anbauen. Heute sind diese Gärten jedes Jahr am Ende des Frühlings Schauplatz eines Gartenfestivals mit je einem speziellen Thema.

So steht die Saline von Arc-et-Senans mit ihrer baulichen Konzeption und den darin realisierten Wohnhäusern für eine paternalistische Wohnform, die Arbeit und Leben zusammenführt und das Leben der Arbeiter durch die bauliche Umwelt erhöhen will. Die Anlage ist somit ein frühes Modell von sozialem Wohnungsbau, wie sie später in den „Sozialpalästen“ des Fabrikanten André Godin oder in der Arbeiterstadt von Mulhouse in Frankreich realisiert wurde.

Rudolf Stumberger


Sozialgeschichte

Arbeiterwohnungen aus Fürsorge



Wohnungsnot ist im 19. Jahrhundert weit verbreitet. In dieser Zeit versuchen Fabrikanten, durch eine Art sozialen Wohnungsbaus, die Arbeiter an die Unternehmen zu binden. In Frankreich sind drei dieser Architekturdenkmäler für Besucher zugänglich.

Mulhouse (epd). In einigen der mächtigen roten Backsteinbauten wird noch produziert, in einem der Gebäude ist eine Kletterschule untergebracht, bei anderen sind die Türen vernagelt und die Fenster blind - die Fabrikgebäude stehen leer. Wir sind auf dem Gelände von DMC: Die Abkürzung steht für „Dollfus-Mieg et Compagnie“, ein elsässisches Textilunternehmen, das 1746 von Jean-Henri Dollfus in Mulhouse gegründet wurde.

Errichtung der ersten Arbeitersiedlung

Das weltberühmte Unternehmen stellt auch heute noch Garne und Fäden her, im 19. Jahrhundert prosperierte die Textilindustrie und machte die Fabrikanten reich, die Stadt galt als das französische Manchester. Aus dieser Zeit stammt auch die Idee zur Gründung einer Arbeiterstadt, um die Wohnverhältnisse zu verbessern und die Fabrikarbeiter an das Unternehmen zu binden. 1826 hatten 22 junge Industrieunternehmer die „Société Industrielle de Mulhouse” (“Mulhousener Industriegesellschaft”) gegründet, die heute noch aktiv ist. Ziel war es, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern. Dazu wurde ein Krankenhaus gebaut, ein Kindergarten eröffnet - und es begann 1854 die Errichtung der ersten Arbeitersiedlung in Frankreich, der Cité Ouvrière.

Das Viertel mit seinem charakteristischen „carré mulhousien“, ein Gebilde von vier miteinander verbundenen Häusern mit individuellem Garten und Eingang, liegt fußläufig zum Firmengelände von DMC. Durch die Arbeiterstadt werden Führungen angeboten, zum Beispiel von Jean-Marc Fritsch auf Deutsch. Er erzählt von der Geschichte der Siedlung und dass die typische Arbeiterwohnung 44 Quadratmeter maß. Die Siedlung zählt an die 1.300 derartiger Häuser, heute freilich von den Besitzern oft umgebaut und modernisiert. Jedes verfügt über einen kleinen Garten, oft mit einem Lindenbaum. Die Arbeiter sollten sich zu Hause erholen und beschäftigen und nicht in die Kneipe gehen und politisieren.

Philanthropisch eingestellte Fabrikanten

Die Cité Ouvrière ist eine Modellsiedlung nach paternalistischen Muster, wobei philanthropisch eingestellte Fabrikanten sich um die Lebens- und Wohnbedingungen ihrer Arbeiterfamilien kümmerten. Die Siedlungen waren das Kontrastprogramm zu den elenden Wohnverhältnissen, wie sie zum Beispiel 1845 Friedrich Engels in seiner Sozialreportage über die Lage der englischen Arbeiter beschrieb. Ganz uneigennützig war das Engagement der Fabrikanten freilich nicht: Die Arbeiter sollten zum Erhalt ihrer Arbeitskraft angehalten und an die Fabrik gebunden werden.

Rudolf Stumberger



sozial-Politik

Corona

Landkreistag: Impfpflicht in Einrichtungen muss umgesetzt werden




Eine Mitarbeiterin des Pflegezentrums Eichenau wird geimpft.
epd-bild/Klaus Honigschnabel
Einige Landkreise sehen sich außerstande, ab 15. März Impfverweigerer in der Sozial- und Gesundheitsbranche aufzuspüren, Betretungsverbote zu verfügen und zu kontrollieren. Doch der Landkreistag stellt klar: Das Gesetz muss umgesetzt werden.

Frankfurt a.M. (epd). Der Fall aus Sachsen, der bundesweit ein großes Medienecho erzeugte, ist wohl eher als eine Affekthandlung zu betrachten: Vor rund 2.000 Impfgegnern hatte der Bautzener Vizelandrat und Chef des Gesundheitsamtes, Udo Witschas (CDU), am 24. Januar bei einem spontanen Auftritt angekündigt, das Betretungsverbot für ungeimpfte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Sozial- und Gesundheitswesen ab Mitte März nicht umzusetzen. Das ihm unterstehende Gesundheitsamt werde „Mitarbeitern im Landkreis Bautzen im Pflege- und medizinischen Bereich kein Berufsverbot, Betretungsverbot“ aussprechen.

Laut MDR sagte Witschas weiter: „Ich kann Ihnen sagen, warum es bei uns das Betretungsverbot nicht geben wird. Es gibt eine ganz einfache Antwort auf diese Frage: Wer soll sich um diese Pflegebedürftigen und hilfsbedürftigen Menschen kümmern, wenn Sie nicht mehr da sind?“

Landesregierung reagiert empört

Das rief unmittelbar Sachsens stellvertretenden Ministerpräsidenten, Martin Dulig (SPD) auf den Plan: „Wir dürfen nicht zulassen, dass zum Rechtsbruch aufgerufen wird“, sagte Dulig am Tag darauf nach der Kabinettssitzung in Dresden. Das Verhalten des ersten Beigeordneten des Landkreises Bautzen sei inakzeptabel. Kurz darauf habe der Landrat des Kreises, Michael Harig (CDU), klargestellt, dass der Kreis seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachkommen werde, teilte der Deutsche Landkreistag am 26. Januar mit.

Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Landkreistages, Kay Ruge, erläuterte gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd) „die spezielle Lage in einigen deutschen Regionen“ wie etwa in Sachsen und auch in Teilen Bayerns: Dort liege die Impfquote bei den Beschäftigten im Gesundheitswesen nur bei 60 bis 65 Prozent. Die Folge: Die Einrichtungen haben ab dem 15. März, wenn die „Impfnachweispflicht“ gilt, mit deutlich mehr Personalabgängen zu rechnen als Sozialbetriebe in Bundesländern, die höhere Impfquoten aufweisen. Also gehe die Angst um, dass Einrichtungen wegen fehlendem Personal geschlossen werden müssen, sagte Ruge.

Missverständliche Äußerungen

Vor diesem Hintergrund bewertete Ruge die Aussagen Witschas als unglücklichen Versuch, auf einen drohenden Missstand hinzuweisen: Eigentlich habe er den Beschäftigten sagen wollen: Macht euch keine Sorgen, wenn ihr getestet seid und kein Corona habt, dann lassen wir euch arbeiten. „Er wollte nicht sagen, dass er Recht und Ordnung per se nicht exekutiere. Er wollte nicht sagen, dass er sich verweigert, sondern er hat sich zumindest missverständlich ausgedrückt.“ Der Landkreistag als Vertretung der Landkreise bekräftige ausdrücklich: „Wir setzen Recht und Gesetz um.“

Dass es je nach Situation doch möglich ist, Ungeimpfte weiter zu beschäftigen, weil sonst eine Einrichtung geschlossen werden müsste, „ist aus unserer Sicht juristisch drin“. Denn das sei eine Frage des Ermessensspielraums, den ein Gesundheitsamt habe. „Wenn es hart auf hart kommt, dann würde ich auch sagen, es geht nicht anders und wir lassen das mit dem Betretungsverbot“, sagte Ruge dem epd. Das sei zwar möglich, „aber das wollen wir ja eigentlich nicht. Die Leute sollen sich ja impfen lassen, und das werden wir auch umsetzen.“ Das Betretungsverbot sei die letztmögliche Sanktion.

Landrat schreibt offenen Brief an Kretschmer

Der Bautzener Landrat Harig selbst hatte zuvor für Aufsehen gesorgt, als er in einem offenen Brief an Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) schrieb, die einrichtungsbezogene Impfpflicht solle verschoben oder gar komplett aufgehoben werden: „Gesetzliche Regelungen sollten nur dann getroffen werden, wenn deren Umsetzung machbar und damit verbundene Ziele erreichbar sind. Beides ist nicht gegeben“, schrieb Harig. Er forderte Kretschmer auf, auf Bundesebene aktiv zu werden, um eine Änderung der Rechtslage zu erwirken. „Dies ist notwendig, um die Landkreise und Gesundheitsämter vor Ort vor einer Zwangssituation zu bewahren, in der die Impfpflicht durch die Macht des Faktischen unterlaufen wird, unterlaufen werden muss“, betonte Harig.

Die Argumente für diesen Vorstoß, nämlich die drohenden Personalausfälle, sind nicht neu, sie werden auch von vielen Trägern von Pflegeheimen, ambulanten Diensten oder Kliniken vorgebracht. Harig: „Die Gesundheitsämter müssen bei der Umsetzung der Impfpflicht Rücksicht auf die Versorgungssicherheit der zu pflegenden und zu betreuenden Mitmenschen nehmen. In der ohnehin bestehenden angespannten Lage - bezogen auf die Verfügbarkeit von Fachkräften in der Pflege, sei selbst ein Verlust von rund zehn Prozent der tätigen Personen nicht zu kompensieren.“

Behörden sind schon am Limit

Auch die Gesundheitsämter in Mecklenburg-Vorpommern sehen sich nach Angaben des Geschäftsführers des Landkreistages Mecklenburg-Vorpommern, Matthias Köpp, nicht in der Lage, die einrichtungsbezogene Corona-Impfpflicht zu kontrollieren. Die Behörden seien seit Monaten am Limit, sagte er am 26. Januar dem NDR.

Der Sprecher des Landkreises Vorpommern-Greifswald, Achim Froitzheim, sagte dem Sender, das Gesundheitsamt und die Kreisverwaltung seien seit zwei Jahren völlig ausgelastet mit den Corona-bedingten Maßnahmen. Zusätzliche Aufgaben wie die Kontrolle und Durchsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht könne der Kreis nicht mehr erfüllen. Der Kreis hofft auf Unterstützung durch die Bundeswehr.

Dirk Baas


Corona

Bundestag debattiert offen über Impfpflicht




Sonderimpfaktion in Wiesbaden
epd-bild/Thomas Lohnes
In der ersten Bundestagsdebatte über eine Impfpflicht sprechen sich die meisten Rednerinnen und Redner für eine Impfpflicht aus. Appelle, dabei Maß zu halten, und gute Argumente gegen eine allgemeine Pflicht zur Immunisierung, finden aber auch Gehör.

Berlin (epd). In einer mehrstündigen Orientierungsdebatte des Bundestags am 26. Januar hat sich eine Mehrheit der Rednerinnen und Redner für die Einführung einer Corona-Impfpflicht ausgesprochen - aber auch der stellvertretende Bundestagspräsident Wolfgang Kubicki (FDP) erhielt viel Beifall für seine Argumente gegen eine Impfpflicht. Abgeordnete von CDU und CSU nutzten ihre Redezeit vor allem, um erneut zu kritisieren, dass die Bundesregierung keinen eigenen Gesetzentwurf vorlegt, sondern die Entscheidung den Abgeordneten überlässt.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) plädierte als Abgeordneter, nicht als Minister, für „eine Impfpflicht, mit der wir uns alle gegenseitig schützen“. Er sprach sich gegen weiteres Zögern aus. Für die Umsetzung der Impfpflicht würden fünf bis sechs Monate gebraucht. Man sei also für den Herbst vorbereitet, wenn jetzt im Frühjahr eine Entscheidung falle. „Wir müssen handeln“, sagte Lauterbach. Andernfalls werde man nicht zu einem normalen Leben zurückkehren können.

Impfpflicht ab 18 führt zu hoher Quote

Zum Auftakt der Debatte warben die Vize-Fraktionsvorsitzenden von SPD und Grünen, Dagmar Schmidt und Kirsten Kappert-Gonther für eine Impfpflicht ab 18 Jahren. Sie sei gerechtfertigt, um eine hohe Impfquote zu erreichen, sagte Schmidt. Kappert-Gonther erklärte, eine Impfpflicht für Ältere reiche nicht aus. Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Heike Baehrens warb dafür, „dass wir uns angesichts einer ungewissen Zukunft für einen Weg der bewussten Vorsorge entscheiden“. Bei aller Unsicherheit gebe es „die Gewissheit, dass Impfen schützt.“

Die Union rückte ihre Kritik an der Regierung ins Zentrum. Keinen eigenen Gesetzentwurf vorzulegen sei eine „Flucht aus der Verantwortung“, sagte Günter Krings (CDU). Andrea Lindholz (CSU) forderte ein Impfregister für eine bessere Datengrundlage. Sie sprach sich, ebenso wie Krings und der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge (CDU), nur indirekt für eine Impfpflicht aus.

Buschmann für gestufte Pflicht

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) rief dazu auf, mildere Alternativen zu einer Impfpflicht ab 18 Jahren zu prüfen. Wenn die Gruppe der über 50-jährigen Ungeimpften die größte Sorge bereite, müsse eine gestufte Impfpflicht ernsthaft erwogen werden, sagte er. Ein entsprechender Antrag kommt von dem FDP-Abgeordneten und Arzt Andrew Ullmann, der außerdem für ein verpflichtendes Beratungsgespräch warb als erstem Schritt zu mehr Impfungen.

Die Linken-Abgeordnete Kathrin Vogler bezeichnete eine Impfpflicht als „ultima ratio“. Ihr Fraktionskollege Gregor Gysi lehnte eine allgemeine Impfpflicht ab. Der Linken-Parlamentarier Matthias Birkwald plädierte für eine freie Entscheidung für eine Impfung und schilderte, dass er sie trotz schmerzlicher Erfahrungen auch selbst getroffen habe. Sein Vater war einen Tag nach der Impfung gestorben, „was offiziell keinen Zusammenhang mit der Impfung hatte, sich aber nach wie vor völlig anders anfühlt“, sagte Birkwald.

Kubicki: Gründe für Pflicht überzeugen nicht

Der FDP-Politiker Kubicki, der als erster einen Antrag gegen eine Impfpflicht angestoßen hatte, sagte, es gebe viele gute Gründe für eine Impfung, die Gründe für eine Impfpflicht überzeugten ihn jedoch nicht. Persönlich habe er die Tage seiner Impfungen als „Freedom Days“ empfunden, sagte Kubicki. Als Liberaler warne er aber davor, dass der Staat oder eine Mehrheit für eine Minderheit festlegen wolle, was vernünftig ist.

Obwohl die Abgeordneten über fraktionsübergreifende Anträge aus der Mitte des Parlaments entscheiden wollen, warf AfD-Fraktionschef Tino Chrupalla der Regierung „autoritäre Bestrebungen“ vor. Die Co-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel nannte die Einführung einer Impfpflicht einen „autoritären Amoklauf gegen die Grundfesten der demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung“.

Der Bundestag debattierte erstmals über die mögliche Ausweitung einer Corona-Impfpflicht. Ab Mitte März gilt eine solche Pflicht im Gesundheits- und Pflegewesen. Im Bundestag gibt es die Vorschläge, sie entweder für alle Erwachsenen ab 18 Jahre oder nur für Ältere auszuweiten. Eine weitere Gruppe lehnt eine allgemeine Corona-Impfpflicht ab. Für die Debatte lagen noch keine konkreten Anträge vor. Dies soll nun nachgeholt werden und bis Ende März eine Entscheidung fallen.

Bettina Markmeyer, Corinna Buschow


Corona

Osteuropäische Pflegekräfte: Experten fordern Covid-19-Impfung



Bundesweit sind es Hunderttausende, aber eine Corona-Impfpflicht greift für sie nicht: In Privathaushalten arbeiten viele osteuropäische Pflegekräfte, die aus Expertensicht zumindest moralisch in der Pflicht stehen, sich impfen zu lassen.

Bremen, Hannover (epd). Mit Blick auf eine fehlende Corona-Impfpflicht für osteuropäische Pflegekräfte, die in privaten Haushalten arbeiten, sieht der Bremer Pflegewissenschaftler Stefan Görres Regelungsbedarf. „Da muss eine Lücke geschlossen werden, da ist der Gesetzgeber gefragt“, sagte Görres am 21. Januar dem Evangelischen Pressedienst (epd). Im Umgang mit den Patientinnen und Patienten sei ein Impfschutz wichtig. Ähnlich wie Görres argumentiert die Landespatientenschutzbeauftragte in Niedersachsen.

Juristisch nicht erfasst

Schätzungen gehen davon aus, dass zwischen 200.000 und 600.000 nach Deutschland vermittelte osteuropäische Pflege- und Betreuungskräfte in privaten Haushalten tätig sind. Einige sind direkt bei den Privathaushalten angestellt und versichert, andere werden etwa über polnische Zeitarbeitsfirmen und deutsche Agenturen entsandt, wieder andere arbeiten schwarz. „Die Anstellungsverhältnisse schwanken zwischen Privatrecht und öffentlicher Daseinsvorsorge“, sagte Görres.

Nach der vom Bundestag im Dezember beschlossenen Reform des Infektionsschutzgesetzes gilt ab 16. März eine sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht, unter anderem in Pflegeheimen und ambulanten Pflegediensten. Die osteuropäischen Betreuungskräfte werden aber laut niedersächsischem Gesundheitsministerium von dieser Impfpflicht juristisch nicht erfasst. Nur dort, wo über die Pflegeversicherung abgerechnet werde, greife auch die Impfpflicht.

„Die Einschätzung teilen wir auch in Bremen“, sagte der Sprecher von Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke), Lukas Fuhrmann, dem epd. „Da die genannten Pflegekräfte in der Häuslichkeit arbeiten, greift die Impfpflicht hier nicht“, verdeutlichte er. Für Pflegewissenschaftler Görres besteht für diese Kräfte „aber auf jeden Fall eine moralische Pflicht, sich impfen zu lassen“. In ihrer Arbeit ersetzten sie oftmals ambulante Pflegedienste, die die bestehende Nachfrage nicht erfüllen könnten.

Ärztekammer sieht Handlungsbedarf

Auch Niedersachsens Landespatientenschutzbeauftragte Nicole Sambruno Spannhoff sieht eine moralische Pflicht. Dem NDR sagte sie: „Jeder Mensch hat die moralische Pflicht, seine Mitmenschen vor Krankheit zu schützen und das Gemeinwohl zu unterstützen, insbesondere dann, wenn man sich beruflich um alte oder kranke Menschen kümmert.“

Das niedersächsische Gesundheitsministerium setzt in diesem Zusammenhang auf Eigeninitiative bei einer Corona-Impfung. „Wir gehen davon aus, dass diese Menschen ein hohes Eigeninteresse haben, sich impfen zu lassen, um die von ihnen betreuten Personen zu schützen“, sagte eine Ministeriumssprecherin.

Handlungsbedarf gibt es auch aus Sicht der Ärztekammer in Niedersachsen. „Wir appellieren an den Gesetzgeber, noch einmal zu überprüfen, um welches Verhältnis von Pflege und Patienten es sich handelt“, sagte ihr Sprecher Thomas Spieker dem epd und verwies aus seiner Sicht auf Unterschiede. So seien Betreuungskräfte aus Osteuropa nicht zu vergleichen mit ambulanten Pflegekräften.

Dieter Sell


Bundestag

Abgeordnete starten neuen Anlauf für Sterbehilfe-Regelung



Der Bundestag soll nach dem Willen einer Gruppe Abgeordneter wieder über eine Regulierung der Sterbehilfe diskutieren. Sie werben für einen Entwurf, der den assistierten Suizid zwar ermöglicht, aber nur unter Bedingungen, die Schutz bieten sollen.

Berlin (epd). Eine Gruppe von Abgeordneten aus nahezu allen Fraktionen im Bundestag startet einen neuen Anlauf zur Regulierung der Hilfe bei der Selbsttötung. Parlamentarier von SPD, FDP, Grünen, Union und Linken präsentierten am 27. Januar in Berlin einen entsprechenden Entwurf für ein Gesetz. Mit dem soll sichergestellt werden, dass Menschen, die sich mithilfe von Sterbehilfevereinen das Leben nehmen wollen, diese Entscheidung frei und verantwortlich getroffen haben und nicht aufgrund von äußerem Druck oder einer psychischen Krankheit.

Zugleich fordern die Abgeordneten eine Stärkung der Suizidprävention in Deutschland. Ab sofort sammeln sie Unterschriften, um den Gesetzentwurf ins Parlament einbringen zu können. Dafür müssen mindestens fünf Prozent der Abgeordneten unterzeichnen.

Verfassungsgericht sah Grundrecht auf Selbstbestimmung verletzt

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar 2020 das erst 2015 verabschiedete Verbot der organisierten, sogenannten geschäftsmäßigen Suizidassistenz gekippt, mit dem die Aktivitäten von Sterbehilfevereinen unterbunden werden sollten. Das Gericht sah das Grundrecht auf Selbstbestimmung verletzt. Bei der Suizidassistenz werden einem Sterbewilligen etwa todbringende Medikamente überlassen, aber nicht verabreicht. Dies wäre eine Tötung auf Verlangen, die in Deutschland weiter strafbar ist.

Die Abgeordnetengruppe um die Parlamentarier Benjamin Strasser (FDP), Lars Castellucci (SPD) und Ansgar Heveling (CDU) schlägt nun zwar erneut ein Verbot der geschäftsmäßigen Hilfe zur Selbsttötung im Strafrecht vor. Die Suizidassistenz auch durch Organisationen soll unter bestimmten Bedingungen aber nicht rechtswidrig sein. Diese Regelung wäre damit ähnlich der für den Schwangerschaftsabbruch.

Beratungsgespräch und zwei Untersuchungen

Zu den Bedingungen einer straffreien Sterbehilfe würden dem Entwurf zufolge ein Beratungsgespräch sowie in der Regel zwei Untersuchungen durch einen Psychiater oder eine Psychotherapeutin mit einem Mindestabstand von drei Monaten gehören. Bei der Beratung sollen Menschen, die den Gedanken eines Suizids in sich tragen, über Alternativen und mögliche soziale Folgen ihrer Selbsttötung aufgeklärt werden. Sind zwei Untersuchungstermine etwa aufgrund einer unheilbaren und weit fortgeschrittenen Krankheit nicht zumutbar, soll eine Untersuchung ausreichen.

Castelluci hofft auf einen breiten gesellschaftlichen und parlamentarischen Konsens. „Wir wollen den assistierten Suizid ermöglichen, aber wir wollen ihn nicht fördern“, sagte er. Wenn der Zugang dazu leichter wäre, als der Zugang zur palliativen Versorgung oder zu einer Therapie, entstünde eine „gefährliche Schieflage“. Deshalb werde begleitend der Antrag zur Stärkung der Suizidprävention vorgelegt. Er fügte hinzu, bis zu 90 Prozent der Suizide oder der versuchten Suizide erfolgten in Ausnahmesituationen, bei einer Erkrankung oder einer akuten Belastung. Es sei eindeutig: In erster Linie bedürfe es der Beratung, Hilfe und Unterstützung.

Kein assistierter Suizid für Kinder und Jugendliche

Grünen-Politikerin Kirsten Kappert-Gonther unterstrich, dass Suizidgedanken in der Regel nicht Ausdruck des Willens zu sterben seien, „sondern Ausdruck davon, eine Pause zu benötigen, einen Wunsch zu verspüren nach einer Zäsur aus einer unerträglich empfundenen Lebenssituation“. Die Linken-Abgeordnete Kathrin Vogler stellte klar, dass Angebote eines assistierten Suizids für Kinder und Jugendliche ausgeschlossen seien.

Die Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Claudia Moll, spricht sich indes grundsätzlich gegen professionelle Hilfe beim Suizid aus. „Ich will nicht Gott spielen“, sagte Moll dem Evangelischen Pressedienst (epd). In ihrem Berufsleben habe sie häufig von schwerkranken und erschöpften alten Menschen gehört, dass sie nicht mehr leben wollten und ihre Aufgabe darin gesehen, ihnen menschlich zu begegnen, Mut zu machen und ihr Leiden zu lindern. Moll hat 30 Jahre lang in der Altenpflege und Behindertenhilfe gearbeitet.

Corinna Buschow, Bettina Markmeyer


Familie

Kinder im Rosenkrieg




Ein Kind betrachtet ein Paar.
epd-bild/Maike Glöckner
Kinder haben es schwer, wenn Eltern sich zerstreiten. Wenn sie sogar als Waffe gegen den oder die Ex missbraucht werden, steigt ihr Krankheitsrisiko um ein Vielfaches. Verbände fordern ein Ende der Eltern-Kind-Entfremdung.

Frankfurt a.M. (epd). Freudestrahlend betritt die Siebenjährige die Wohnung. Sie kommt von ihrem Besuch beim getrennt lebenden Papa zurück und berichtet, dass es schön gewesen sei. Die älteren Geschwister bestürmen sie, wie böse der Papa doch sei. Die Mutter greift nicht ein. Nach zwei Stunden in der Wohnung der Mutter und im Kreis der Geschwister sagt das Kind unerwartet: „Ich hasse meinen Vater!“ Der Fall dokumentiert eine Eltern-Kind-Entfremdung, wie Hans-Jürgen Noske berichtet.

Kinder im Loyalitätskonflikt

„Um dem anderen Elternteil eins auszuwischen, werden Kinder oft als Waffe missbraucht“, hat Noske in vielen Jahren als gerichtlicher Verfahrensbeistand für das Kindeswohl im Rhein-Main-Gebiet erlebt. 2009 wurde ein neues Verfahrensrecht in Kraft gesetzt, das die Rechte der Kinder stärkt, denen seither ein Verfahrenspfleger beisteht, der vom Familiengericht bestellt wird.

Noske berichtet weiter, dass es auch häufig ein finanzielles Interesse gibt, mit dem Kind Barunterhalt vom Expartner fordern zu können. In dem Loyalitätskonflikt zwischen beiden Elternteilen übernehme das Kind aus Selbstschutz die Sicht desjenigen Elternteils, bei dem es dauerhaft wohnt - mit gravierenden Folgen.

Ein Kind muss nach der Entfremdung von einem Elternteil Gefühle unterdrücken, Liebe verleugnen und Schmerz aushalten, wie der Psychologe Stefan Rücker erläutert, der die Forschung in der Jugendhilfeeinrichtung „Projekt PETRA“ im osthessischen Schlüchtern leitet und an der Universität Bremen lehrt.

Risiko des Drogenmissbrauchs steigt

Zu den Folgen gehörten ein nach verschiedenen Studien sechs- bis 14-fach erhöhtes Risiko, an Depressionen zu erkranken, im Jugendalter ein hohes Risiko des Alkohol- und Drogenmissbrauchs und im Erwachsenenalter überdurchschnittlich häufig problematische und instabile Partnerbeziehungen. „Der Verlust eines Elternteils durch Entfremdung hat für die seelische Gesundheit der Kinder schwerwiegendere Folgen als dessen Verlust durch Tod.“

In jedem fünften Fall einer Trennung von Eltern in Deutschland reiße der Kontakt der Kinder zu einem Elternteil ab, berichtet Rücker. Rund 40.000 bis 60.000 Kinder und Jugendliche jährlich verlören so die Bindung an ein Elternteil. Neben legitimen Gründen einer Distanz, etwa Gewalttätigkeit, seien 30.000 bis 40.000 Fälle erklärbar durch die vom anderen Elternteil herbeigeführte Entfremdung. Anders als bei körperlicher Misshandlung oder Vernachlässigung werde die Not dieser Kinder nicht gesehen, kritisiert der Psychologe: „Den gebrochenen Knochen sehen Sie im Röntgenbild, die gebrochene Kinderseele nicht.“

Nur kurze Besuche

Begünstigt wird eine Entfremdung dadurch, dass in Deutschland rund 85 Prozent der Kinder getrennter Eltern bei einem Elternteil wohnen und das andere nur kurzzeitig besuchen. Die Aufteilung zwischen Papa und Mama erfolgt sehr ungleich: 88 Prozent der Kinder leben nach dem Väterreport 2021 des Bundesfamilienministeriums bei den Müttern, nur zwölf Prozent bei den Vätern. Knapp zwei Drittel der Väter fühlten sich bei der Regelung des Sorgerechts und der Betreuungszeiten benachteiligt.

Gerichte gingen in Familienverfahren vom Istzustand aus, erklärt die Richterin am Oberlandesgericht Frankfurt, Kerstin Wierse. Das sei in der Regel das „Residenzmodell“, nach dem ein Kind vornehmlich bei einem Elternteil lebt. Das Gericht könne auch ein Wechselmodell mit gleicher oder unterschiedlicher Zeitverteilung anordnen. Allerdings müssten die Eltern sich dann abstimmen können, wer welche Entscheidung für das Kind trifft. Bei Pflichtverletzungen eines Elternteils könne das Gericht einen Umgangspfleger bestellen, der das Umgangsrecht des anderen Elternteils sicherstellt.

Überholtes Rollenmodell

Im Gegensatz zur verbreiteten Praxis in Deutschland gibt es nach Angaben des Psychologen Rücker international 60 bis 70 Studien, die zeigten, dass Kinder, die im Wechsel von beiden Elternteilen betreut werden, geringer belastet und an der Schule erfolgreicher seien. Verbände von getrennt Lebenden und von Großeltern fordern entsprechend eine gemeinsame Elternschaft.

Das überholte Rollenmodell, eine betreut und einer bezahlt, mache die Kinder zu Halbwaisen, kritisiert der Verein „Getrennterziehende Papa Mama auch“. Ein Bündnis fordert mit der Kampagne „Genug Tränen. Kinder brauchen beide Eltern!“ Gleichberechtigung in der Elternschaft und ein Ende der Eltern-Kind-Entfremdung bis 2023.

Voraussetzung für das Kindeswohl ist nach den Worten von Rücker eine Mäßigung des Konfliktes der Expartner. In Trennungsverfahren fehlten aber Angebote für Eltern, ihre Gefühle wie Liebeskummer, Ohnmacht, Zorn, Perspektivlosigkeit regulieren zu lernen. „Wenn die Eltern sich wie die Kesselflicker kloppen, nützt eine Therapiestunde für das Kind nichts.“ Hier bestehe dringender Handlungsbedarf.

Kindern gehe es am besten, wenn sie regelmäßigen Kontakt zu beiden Elternteilen haben, diese vernünftig miteinander umgehen und einen liebevollen Erziehungsstil pflegen. Der Psychologe resümiert: „Man darf die schmalen Schultern der Kinder nicht zum Austragungsort des Rosenkriegs machen.“

Jens Bayer-Gimm


Familie

Studie zu Umgangsrecht und Kindeswohl unter Verschluss



Frankfurt a.M. (epd). Wie hängt das Kindeswohl mit dem Umgangsrecht von getrennt lebenden Partnern zusammen? Um das zu klären, hat das Bundesfamilienministerium 2015 eine erste empirische bundesweite Studie in Auftrag gegeben. Die Untersuchung umfasste nach Angaben des Studienleiters, des Psychologen Stefan Rücker, mehr als 1.000 Teilnehmer, Eltern und Kinder. Gegenstand war unter anderem die Lebensqualität von Kindern getrennter Eltern, ihre Belastung, ihre Gesundheit und die Art des Kontaktes zu den Elternteilen. Zahlreiche Psychologen und Mediziner wirkten mit.

Obwohl die Studie 2018 abgeschlossen sein sollte, wurden die Ergebnisse bisher nicht veröffentlicht. Der Bundesdatenschutzbeauftragte habe dies im Februar 2021 untersagt, teilte das Ministerium dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit. Die Leitung der Studie sei datenschutzrechtlich sehr gut beraten gewesen, berichtet Rücker. Medienberichte im vergangenen Jahr argwöhnten, dass die Ergebnisse mehr Rechte für Väter empfehlen könnten und dem Ministerium nicht in die feministische Agenda passten. Der Studienleiter darf sich über das Ende der Studie nicht äußern.



Kirchen

Missbrauch: Bundesregierung fordert umfassende Aufarbeitung



Nach der Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens in München werden nun Stimmen laut, die eine Beteiligung des Staates an der Aufarbeitung von Missbrauch fordern. Die Vorfälle seien keine innere Angelegenheit der Kirchen, heißt es.

Frankfurt a.M. (epd). Nach der Vorstellung des Gutachtens zu Fällen sexualisierter Gewalt im katholischen Erzbistum München und Freising forderte die Bundesregierung eine umfassende und transparente Aufarbeitung der Missbrauchsfälle. Die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann sagte am 21. Januar in Berlin, das Gutachten sei dafür ein wichtiger Schritt, dem aber weitere folgen müssten. Das unabhängige Gutachten der Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl belastet unter anderem den emeritierten Papst Benedikt XVI. in seiner Rolle als früherer Münchner Erzbischof schwer.

Anhaltspunkte für Straftaten

Hoffmann zufolge müsse das Vertrauen in den Aufarbeitungswillen der katholischen Kirche und von einzelnen Würdenträgern gestärkt werden. Ein Sprecher des Justizministeriums ergänzte, die Vorfälle seien keine innere Angelegenheit der Kirchen. Wo immer sich Anhaltspunkte für Straftaten ergäben, die noch verfolgt werden könnten, müssten diese auch verfolgt werden.

Um die Missbrauchsfälle aufzuklären, forderte die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, eine Wahrheitskommission. Mit Blick auf die dritte Versammlung des Synodalen Weges Anfang Februar brauche es „klare Voten für ein Ende des Machtmissbrauchs - gerade auch von Bischöfen“, forderte sie. Der Synodale Weg ist ein Reformprozess, der die systemischen Ursachen des Missbrauchs beseitigen soll.

„Keine weiteren Symbolhandlungen und Floskeln“

Die Philosophin Doris Reisinger, die selbst als junge Frau Opfer von Missbrauch wurde, forderte jedoch ein Einmischen der kirchlichen Basis sowie der Politik: „Es braucht laute Kritik an der katholischen Kirche. Mandatsträger, beispielsweise im Bundestag, müssen sich zu Wort melden und ihre Instrumente nutzen“, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). Reisinger hatte im vergangenen Jahr auch ein Buch über den Umgang Benedikts mit Missbrauch auch in seiner Zeit als Leiter der vatikanischen Glaubenskongregation veröffentlicht. Zwar stehe sie dem Synodalen Weg kritisch gegenüber, doch unterstütze sie die Forderung nach einer Wahrheitskommission. „Wir brauchen keine weiteren Symbolhandlungen und Floskeln, sondern konkrete Handlungen“, sagte Reisinger.

Das Bistum Essen kündigte eine weitere Studie an, in der Missbrauchsfälle im Ruhrbistum mit einem sozialwissenschaftlichen Fokus aufgearbeitet werden sollen. In dem in München am 20. Januar vorgestellten Gutachten ging es unter anderem um die Aufnahme eines Essener Priesters in sein Bistum, der zuvor in Essen und Bottrop Jungen sexuell missbraucht hatte.

Im Zusammenhang mit diesem Fall wird auch der emeritierte Papst Benedikt XVI. in dem Münchner Gutachten belastet. Er soll als Münchner Erzbischof (1977-1982) in vier Fällen nicht ausreichend gegen Missbrauchs-Täter im Priesteramt vorgegangen sein, darunter auch in dem Fall des aus Essen stammenden Pfarrers, der nachweislich auch im Erzbistum München nach seiner Versetzung Missbrauch an Kindern und Jugendlichen beging. Insgesamt ergaben die Nachforschungen für den Zeitraum 1945 bis 2019 Hinweise auf mindestens 497 Betroffene sexualisierter Gewalt in Personalakten, Sitzungsprotokollen, Nachlässen und in Aussagen von Zeitzeugen.

Bettina Markmeyer, Inga Jahn


Familie

Gastbeitrag

Familienbüros: Hilfe und Beratung, wo immer es nötig ist




Isabel Wieland
epd-bild/Verein Familiengerechte Kommune
Lokale Familienbüros sind Servicestellen zur Beratung unterschiedlicher und oft spezieller Zielgruppen. Aber, schreibt Isabel Wieland in epd sozial, sie sind auch wichtig, um Teilhabe von Familien an kommunalen Planungsprozessen zu ermöglichen.

Familienbüros haben das Ziel, die gesellschaftliche Teilhabe durch Informationen, Maßnahmen, Projekte und Angebote zu verbessern und Armut entgegenzuwirken - und das in einem gemeinsamen Netzwerk mit allen sozialen Akteuren einer Kommune. Sie sind eine niedrigschwellige, serviceorientierte Anlaufstelle, in der Familien, egal in welcher Phase - im besten Fall generationenübergreifend - Antworten und Unterstützung zu allen familienbezogenen Fragen und Anliegen erhalten. Diese Informationscenter klären zum einen über Angebote vor Ort auf, sei es über die der kommunalen Verwaltung, von Freien Trägern, Kirchen oder Vereinen sowie von überörtlichen Angeboten. Weiter unterstützen sie bei der Beantragung von Sozialleistungen.

Familien erhalten so direkt vor Ort im Familienbüro oder durch verbindliches Lotsen ein auf ihre Situation individuell abgestimmtes Beratungs- und Unterstützungsangebot. Kommunale Akteure treten mittels des Familienbüros stärker als Partner und Partnerinnen von Familien in Erscheinung und Bürgernähe und Vertrauen werden leichter hergestellt.

Leistungen werden transparent

Durch die Bündelung der Informations- und Angebotsvielfalt erhöhen Familienbüros erstens die Transparenz über bestehende Leistungen und Angebote - bei Familien wie auch bei kommunalen Akteuren. Und sie treiben zweitens die Vernetzung aller maßgeblichen Akteure vor Ort voran.

Damit alle Informationen über alle familienrelevanten Angebote vor Ort im Familienbüro vorliegen, findet ein regelmäßiger Austausch zwischen einzelnen Ressorts innerhalb der Verwaltung sowie zwischen kommunalen Akteuren, wie etwa Freien Trägern, Kirchen, Moscheen oder Vereinen statt. Dabei werden auch möglich Doppelstrukturen deutlich. Dadurch entsteht die Chance, überzählige Parallelangebote abzubauen und Synergieeffekte zu erzeugen. Auch bestehende Angebotslücken werden besser identifiziert und Leistungen besser aufeinander abgestimmt.

Eine ergänzende, digitale Informationsplattform mit allen Angeboten, Leistungen und Ansprechpartnern für Familien vor Ort hilft, dass sich Ratsuchende in der häufig unübersichtlich gewordenen Angebotslandschaft zurechtzufinden.

Angebote aktiv mitgestalten

Über die Anlaufstelle, die ständig mit Familien in Kontakt ist, haben Familien zudem die Chance, Angebote mitzugestalten. Es geht um Themen, die sie selbst betreffen und in denen sie die Experten und Expertinnen sind. Hier können sie mitreden und mitbestimmen. So fließen ihre Interessen in die Familienpolitik vor Ort ein. Zugleich werden kommunale Akteure bei ihrer Planung unterstützt.

Die Ausrichtung von Familienbüros und die Wahl der Zielgruppe fällt in Kommunen mitunter unterschiedlich aus. Familienbüros richten sich häufig an alle Familien und sind Anlaufstelle für alle Familienmitglieder, also werdende Mütter und Väter, Erziehungsberechtigte, Kinder, Jugendliche und Seniorinnen). Auch sollen alle Familientypen (Alleinerziehende oder Patchworkfamilien) erreicht werden.

Bestimmte Familien gezielt erreichen

Häufig wird über Familienbüros angestrebt, diejenigen Familien zu erreichen, die durch andere Angebote nicht erreicht werden oder nicht ausreichend Unterstützung erfahren. So können etwa gezielt werdende Eltern angesprochen, zum Beispiel für Hebammensprechstunden, oder junge Familien für die Erziehungsberatung interessiert werden. Oder es werden spezielle Beratungs- und Unterstützungsangebote für Alleinerziehende oder Familien mit Migrationshintergrund angeboten, von Gesprächsrunden über Sprachkurse bis hin zur Elternbildung.

Familien können bei der Beantragung von Elterngeld, Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket oder von Wohn- oder Pflegegeld unterstützt werden. Darüber hinaus gibt es Beratungsangebote zu Themen wie Pflege, Sucht oder Schulden.

Die Organisation der Angebote wird in der Regel unterteilt in eine umfassende, übergreifende (Erst)-Beratung durch ein Kernteam des Familienbüros und in ergänzende, spezifische Angebote, die über Sprechstunden oder Workshops von den jeweiligen Akteuren angeboten werden. Oberste Prämisse ist hier, den Familien den Zugang zu erleichtern.

Unbedingt Neutralität wahren

Entscheidend ist, dass Familienbüros Neutralität wahren, um als Partner von allen Familien unabhängig von ihrer Herkunft, Konfession oder Problemlagen auftreten zu können. So liegt die Verantwortlichkeit für Familienbüros in den meisten Fällen bei der kommunalen Verwaltung . Auch wenn das Jugendamt mit Angeboten im Familienbüro vertreten ist, ist das Familienbüro als eigenständiges, neutrales Angebot als Alternative zum Jugendamt ausgestaltet. Teilweise sind Familienbüros auch über das Lokale Bündnis für Familie als eigenständiger Verein oder in Kooperationsträgerschaft mit Sozialpartnern organisiert.

Um Familienbüros flächendeckend als Instrument in Kommunen einsetzen zu können, sollten aus unserer Sicht folgende Ansatzpunkte berücksichtigt werden:

  • „Familie“ sollte akteursübergreifend als Querschnittsthema in den Kommunen und Landkreisen verstanden werden
  • wer Erfolg haben will, sollte eine integrierte Daten- und Berichtsgrundlage aufbauen und die Expertisen aller Akteure zusammenbringen
  • Familienbüros dürfen keine freiwillige Leistung bleiben, sondern sollten ein präventives Angebot sein, das als Zukunftsinvestition für Familien zu sehen ist
  • es braucht mehr Landes-/Bundesfördermittel als Hebel, um Pilotenprojekte zu schaffen, aber auch um klammen Kommunen die Möglichkeit zu geben, selbst für Familien aktiv zu werden (gut sind die Landesförderprogramme in Nordrhein-Westfalen („kinderstark - NRW schafft Chancen“) und Niedersachsen („Richtlinie Familienförderung“
Isabel Wieland ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Vereins Familiengerechte Kommune und verantwortlich für den Bereich "Kommunale Entwicklung - Chancen zur Kooperation (KECK)"


Arbeit

Mindestlohn soll zum 1. Oktober auf zwölf Euro steigen



Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) setzt mit der Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag um. Gewerkschaften begrüßen die schnelle Einführung. Kritik kommt von der CDU.

Berlin (epd). Die von der Ampel-Koalition versprochene Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde soll schon zum 1. Oktober dieses Jahres erfolgen. Millionen Menschen würden davon profitieren, vor allem Frauen und Beschäftigte in Ostdeutschland, erklärte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am 21. Januar in Berlin. Er hat dazu einen Gesetzentwurf erarbeitet.

Profitieren würden unter anderem Reinigungskräfte oder Beschäftigte in der Logistikbranche, und damit Menschen, die das Land in der Pandemie am Laufen gehalten hätten, sagte Heil. Diese Menschen verdienten mehr Respekt und Anerkennung. Kritik an den Plänen der Regierung kam am 23. Januar von Arbeitgeberseite.

Über sechs Millionen Beschäftigte profitieren

Laut dem Gesetzentwurf, der dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt, profitieren bundesweit rund 6,2 Millionen Beschäftigte von der Lohnerhöhung. Für das Jahr 2022 rechnet das Bundesarbeitsministerium mit höheren Lohnkosten bei betroffenen Arbeitgebern von insgesamt etwa 1,63 Milliarden Euro, heißt es in dem Papier. Heil widersprach Befürchtungen, der höhere Mindestlohn könnte zu Arbeitsplatzabbau führen. Der Arbeitsmarkt werde nicht nur keinen Schaden nehmen, betonte der Minister, der Mindestlohn sei sogar eine Frage der wirtschaftlichen Vernunft. „Höhere Löhne, gerade in diesem Bereich, das ist auch stärkere Kaufkraft“, sagte er dem Fernsehsender RTL.

Der gesetzliche Mindestlohn liegt derzeit bei 9,82 Euro pro Stunde. Bei seiner Einführung im Jahr 2015 lag er bei 8,50 Euro. Er wird eigentlich festgelegt von einer mit Vertretern von Arbeitgebern und Gewerkschaften besetzten Kommission.

Mindestlohnkommission bleibt zuständig

Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, ihn einmalig per Gesetz auf zwölf Euro pro Stunde zu erhöhen. „Über künftige Anpassungen der Höhe des Mindestlohns entscheidet weiterhin die Mindestlohnkommission“, heißt es in dem Referentenentwurf. Ihre nächste Anpassungsentscheidung erfolge zum 30. Juni 2023 und betreffe die Anpassung mit Wirkung zum 1. Januar 2024.

Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di begrüßte Heils Ankündigung. Die Bundesregierung lasse nichts anbrennen, erklärte der Vorsitzende Frank Werneke. Sie setze damit ein wichtiges Zeichen, ziehe eine Haltelinie für Beschäftigte im Niedriglohnsektor ein und liefere auf lange Sicht einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Altersarmut.

DGB: Vorgang muss einmalig bleiben

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) reagierte zwar zufrieden, bekräftigte aber, dass es bei dem einmaligen Eingriff in die Mindestlohnfindung bleiben solle und künftig wieder die Mindestlohnkommission über die Höhe des Mindestlohns entscheiden müsse. Auch von Arbeitgeberseite kam Kritik an dem Schritt der Bundesregierung. Der Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, Thilo Brodtmann, sagte, die Bundesregierung setze sich bei der Anhebung des Mindestlohns ohne Not über die dafür vorgesehene Mindestlohnkommission hinweg.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sagte, er halte es auch für besser, wenn der Mindestlohn von den Tarifparteien bestimmt würde. Er warnte zugleich vor einem Anstieg der Schwarzarbeit durch die sprunghafte Erhöhung des Mindestlohns.




sozial-Branche

Senioren

Lebensabend im alten Kaufhaus




Seniorenresidenz in ehemaligen Hertie-Warenhaus
epd-bild/Gregor Fischer
Die Krise der großen Warenhäuser führt immer wieder zu Leerstand in deutschen Innenstädten. An immer mehr Orten machen Sozialunternehmen aus der Not eine Tugend - und bauen in den nicht mehr gebrauchten Konsumtempeln neue Seniorenwohnungen.

Rendsburg/Dortmund (epd). Das größte Problem war die Dunkelheit: Als das Gebäude, das Werner Schaffer zu einer Seniorenresidenz umbauen wollte, noch das alte Hertie-Kaufhaus war, bot es viel Fläche, aber nur wenige Fenster. Ein Ort zum Kaufen, keiner zum Leben. Um es wohnlich zu machen, ließ Schaffer die alte Fassade durch eine Fensterfront ersetzen und entfernte in der Mitte des Hauses einen Teil der Decke - an diese Stelle kam ein Lichthof. „Damit hatten wir das Problem geheilt. Man muss Quadratmeter opfern, bekommt dafür aber hohe Standards“, sagt er.

Heute bietet das Gebäude in der Rendsburger Innenstadt Platz für 110 Seniorinnen und Senioren - und das auf insgesamt 6.000 Quadratmetern: „Heruntergerechnet auf jeden Bewohner ist das sehr groß“, sagt der Architekt.

Leerstände in Innenstädten

Projekte wie das im schleswig-holsteinischen Rendsburg gibt es derzeit in einigen deutschen Städten. Sie entstehen aus der Not, dass ein altes Kaufhaus leer steht und eine Innenstadt zu verkommen droht.

Natürlich gibt es auch andere Formen der Nachnutzung für diese Gebäude - aber in den Städten Wilhelmshaven, Delmenhorst oder Gelsenkirchen fanden sich Engagierte oder Investoren, die aus dem geräumten Konsumtempel einen Ort machten oder erst noch machen wollen, an dem alte Menschen leben.

Für den Architekten Schaffer ist es kein Zufall, dass nicht nur er die Idee hatte, ein Gebäude entsprechend umzugestalten. Viele Kaufhäuser bieten seiner Ansicht nach ideale Voraussetzungen dafür. „Man hat riesengroße Flächen mit ein paar Säulen. Das zwingt einen dazu, jedes Zimmer ein bisschen anders anzulegen. Wenn einer seinen Nachbarn besucht, hat er gleich ein ganz anderes Raumgefühl.“ Hell und asymmetrisch angelegt sei das Gebäude, im Inneren gebe es viel zu entdecken. Hinzu komme die Innenstadtlage der meisten Kaufhäuser. „So kann man die älteren Menschen in die Städte bekommen. Sie können sich bewegen, ins Café gehen, auch Ärzte sind meist näher.“

Wieder Leben in die Stadt

Nach Ansicht der Stadtplanerin Nina Hangebruch profitieren nicht nur die Seniorinnen und Senioren von einer solchen Situation - auch für die Städte selbst können sich Vorteile ergeben: „Die älteren Menschen können wieder Leben in die Stadt bringen.“

Hangebruch, Mitarbeiterin an der Technischen Universität Dortmund, hat untersucht, was mit den sage und schreibe 262 Warenhäusern geschehen ist, die ihrer Zählung nach in den Jahren von 1994 bis 2020 geschlossen wurden. „In der Vergangenheit gab es oft eine Nachnutzung durch den Handel selbst. Da kommt dann einfach ein Elektrokaufhaus oder ein Shoppingcenter rein. Am Nutzungsgefüge der Innenstadt ändert das wenig.“

Allerdings stünden immer mehr Städte nun vor der Herausforderung, dass das eben nicht mehr geschehe. „Dann muss die Nachnutzung viel individueller, viel sorgfältiger geplant und kuratiert werden.“ Oft gebe es etwa eine Aufteilung der Fläche für verschiedene Nutzer - etwa Büros, Fitnessstudios und Kultureinrichtungen.

Schritt gegen Verödung der Innenstädte

Und wenn das alles nicht geschieht? Wenn ein Kaufhausgebäude nicht einfach verlassen wird, sondern jahrelang leer steht? Dann droht der Innenstadt die Verödung. „Passantenfrequenzen können zurückgehen, Einzelhandelsstandorte an Bedeutung verlieren“, sagt Hangebruch. Nach fünf Jahren hatten ihrer Untersuchung zufolge nur 60 Prozent der ehemaligen Kaufhäuser eine Nachnutzung gefunden. Dem Leerstand und womöglich teuren Abriss könne mit neuen Nutzungsideen begegnet werden - etwa mit der Einrichtung von Seniorenwohnraum. „Die Nachnutzung muss auf jeden Fall an die Bedarfe des Standorts angepasst sein.“

Architekt Werner Schaffer ist überzeugt, dass das für sein Hausprojekt in der Rendsburger Innenstadt gilt. Bestätigt werde ihm das von den Bewohnerinnen und Bewohnern der Anlage: „Wenn man mit den Menschen redet, können sie es nicht immer erklären. Aber sie spüren, dass etwas anders ist und fühlen sich wohl.“

Sebastian Stoll


Engagement

Freiwilligenagentur "z'sam" bringt Menschen ins Ehrenamt




Sabine Bankauf leitet die Freiwilligenagentur "z'sam" in München.
epd-bild/Susanne Schröder
Ob in Sportvereinen, Kirchen oder sozialen Einrichtungen - ohne Ehrenamtliche läuft oft nicht viel. Passende Stellen vermitteln Freiwilligenagenturen wie das "z'sam": Seit einem Jahr ist die Ehrenamtsbörse der Diakonie München und Oberbayern am Start - und hat noch viel vor.

München (epd). Weit offen steht die Tür zum Laden in der Maxvorstadt, in dem früher Klamotten verkauft wurden. Draußen typischer Großstadttrubel: zur Linken ein Nagelstudio, gegenüber ein Café, Passanten, Radler, die U-Bahnstation zehn Meter entfernt. Drinnen im „z'sam“ wartet Sabine Bankauf am groben Holztisch, der neben der lässig abgeschrammten Ledercouch und ein paar Barhockern das Zentrum des schlichten Raums ist.

Großes Interesse bei jungen Menschen

Zusammen mit einem zehnköpfigen Ehrenamtlichen-Team berät sie in der Freiwilligenagentur der Diakonie München und Oberbayern Menschen, die Lust haben, sich zu engagieren. Seit der - wegen Corona - virtuellen Eröffnung des „z'sam“ im Januar 2021 zählte die Kulturwissenschaftlerin 120 Beratungsgespräche. Dazu kamen rund 220 Spontanbesuche, seit der Laden im Juli 2021 endlich auch den Präsenzbetrieb starten konnte.

Das Interesse sei vor allem unter jungen Menschen groß, berichten Bankauf, die zuvor schon im Koordinationsteam der Diakonie für die rund 500 Ehrenamtlichen in Münchner Flüchtlingsunterkünften tätig war: „35 Prozent der Interessierten sind unter 29 Jahre.“

Das „z'sam“ ist die jüngste und derzeit kleinste Freiwilligenagentur in München. Neben dem Flaggschiff „Tatendrang“, 1980 als erste deutsche Ehrenamtsbörse in München gegründet, den fünf Freiwilligenzentren der Caritas und der Stiftung „Gute Tat“ bietet auch das „z’sam“ Beratung, Vermittlung und Projekte rund ums Ehrenamt an - stadtviertel- und trägerübergreifend. Bayernweit sind rund 120 Freiwilligenagenturen tätig. In die Quere kommen sie sich nicht: „Ehrenamtliche melden sich dort, wo sie sich gut aufgehoben fühlen - so ergänzen wir uns“, sagt Bankauf.

Bei der Caritas sieht man das genauso: „In einer großen Stadt wie München ist jeder Akteur wichtig, um interessierten Menschen den Weg ins Engagement zu erleichtern“, sagt eine Sprecherin. Luft nach oben gibt es: Zwar engagieren sich in Deutschland laut der aktuellen Freiwilligen-Erhebung von 2019 schon 39,7 Prozent der Ab-14-Jährigen - zugleich kann sich mehr als die Hälfte der bislang Nicht-Engagierten eine Tätigkeit im Ehrenamt vorstellen.

Gutes Freiwilligenmanagement

„Das ist ein sehr großes Potenzial für alle Engagement-Organisationen“, sagt Beatrix Hertle, Geschäftsführerin der Landesarbeitsgemeinschaft für Freiwilligen-Agenturen (Lagfa) in Bayern. Oft gebe es aber externe Hürden für ein Einsatz, wie Sprachbarrieren, fehlende Zugänge für Menschen mit Behinderung oder Formate für Menschen, die mehr Anleitung brauchen. Zudem scheitere eine dauerhafte Bindung von Freiwilligen oft am mangelnden Freiwilligenmanagement, sagt Hertle.

Beide Punkte hat Sabine Bankauf vom „z'sam“ auf ihrer Agenda. „Wir legen mit unserem Projekt 'Miteinander leben - Ehrenamt verbindet' einen Schwerpunkt auf das Thema Teilhabe“, erläutert die 41-Jährige. Derzeit stammten Ehrenamtliche laut Freiwilligen-Studie eher aus dem bildungsnahen Milieu. Beim „z'sam“ wolle man versuchen, auch Beteiligungsformen für Geflüchtete oder Menschen in prekären Lebenssituationen zu finden. „Warum soll der Kunde bei der Münchner Tafel nicht auch auf der anderen Seite des Tischs stehen können?“, zitiert Bankauf ihren Chef, den Diakonie-Vorstand und Pfarrer Thorsten Nolting.

Klar sei auch: Ohne ein gutes Freiwilligenmanagement läuft nichts. Das will Bankauf auch den Kirchengemeinden vermitteln, die wegen des Stellenrückgangs in den nächsten Jahren noch stärker als bisher auf Ehrenamtliche angewiesen sein werden. „Kirchengemeinden brauchen eine Struktur, ein Konzept und Kapazitäten, um Ehrenamtliche zu gewinnen“, sagt die Expertin. Wer Freiwillige auch langfristig binden wolle, müsse einen Ansprechpartner, Schnupperphasen und Zwischengespräche anbieten, für feste Einsatzzeiten, Anerkennungskultur und Partizipation sorgen.

Derzeit baut Sabine Bankauf das Netzwerk zu externen und kirchlichen Stellen aus: Die Evangelischen Dienste München (EDM) mit ihrem Oma-Opa-Service oder dem Friedhofsbegleitdienst sind natürliche Partner, ebenso das Evangelische Bildungswerk (ebw), mit dem Bankauf einen Kurs zum Freiwilligenmanagement anbieten will. Damit in München beim Ehrenamt künftig noch mehr z'sam geht.

Susanne Schröder


Kirchen

Queer-Kampagne: Arbeitsrechtler fordert Bischöfe zum Handeln auf




Jacob Joussen
epd-bild/Jens Schulze
Das kirchliche Arbeitsrecht gerät durch das Coming-out von queeren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der katholischen Kirche weiter unter Druck. Der Jurist Jacob Joussen fordert eine Reform des Arbeitsrechts.

Bochum, Karlsruhe (epd). Nach dem Coming-out von queeren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der katholischen Kirche fordert der Kirchenrechtsexperte Jacob Joussen eine Änderung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen in der Kirche. „Dass alle 27 Bistümer ihre Grundordnung ändern, ist unrealistisch, aber das sollte kluge Köpfe wie den Aachener Bischof Dieser oder den Essener Bischof Overbeck nicht daran hindern voranzugehen“, sagte der Leiter des Instituts für Kirchliches Arbeitsrecht in Bochum am 25. Januar dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Die Kirche müsse erkennen, dass sie nicht mehr so hohe und undifferenzierte Forderungen an ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen könne, sagte er. Eine Änderung werde von der Rechtsprechung der staatlichen Arbeitsgerichte ohnehin verlangt. Das gelte auch für die evangelische Kirche und ihre Diakonie.

Ahndung homosexueller Handlungen

Im Rahmen der Queer-Kampagne #outinchurch hatten sich am 24. Januar 125 kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als nicht heterosexuell geoutet. Neben Verbänden und der Politik äußerten sich auch Mitglieder der katholischen Kirche, darunter die Bischöfe Dieser und Overbeck, positiv zu der Initiative. Bis heute werden homosexuelle Handlungen kirchenrechtlich geahndet. So kann beispielsweise das Eingehen einer gleichgeschlechtlichen Ehe zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen.

Aus rechtlicher Sicht müssten deshalb nun zwar grundsätzlich auch viele der an der Kampagne beteiligten Menschen mit einer Kündigung rechnen: „Hierbei ist unter anderem entscheidend, ob das Outing erhebliches Ärgernis verursacht“, erklärte der Jura-Professor, der auch Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist. In den vergangenen Jahren sei die Rechtsprechung jedoch differenzierter geworden, weshalb schwer vorstellbar sei, dass es tatsächlich zu Kündigungen komme. „Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass sich ein Bischof nicht von einer solchen Initiative beeindrucken lässt“, ergänzte Joussen. Sollte es so weit kommen, seien die Betroffenen „wahrscheinlich gut beraten, dagegen vorzugehen“.

„Auch die Protestanten haben ihre Baustellen“

Die sexuelle Orientierung ihrer Beschäftigten sei zwar in der evangelischen Kirche arbeitsrechtlich ohne Belang. „Aber die Protestanten haben natürlich auch ihre Baustellen“, sagte Joussen. So hätten sowohl das Bundesarbeitsgericht als auch der Europäische Gerichtshof bereits vor Jahren entschieden, dass Kirchen und ihre Einrichtungen nicht in jedem Fall von Stellenbewerbern die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche verlangen dürfen. Dagegen ist der Bundesverband der Diakonie in einem konkreten Fall im Jahr 2019 mit einer Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vorgegangen. Bis jetzt allerdings ohne Erfolg. Das höchste deutsche Gericht hat dazu noch nicht entschieden. „Ein Entscheidungstermin ist derzeit nicht absehbar“, teilte die Pressestelle des Gerichts am 25. Januar dem epd mit.

Ein kurzfristiges Aussetzen arbeitsrechtlicher Sonderregeln der Kirchen sowie eine gesetzliche Änderung sind nach Einschätzung Joussens nicht denkbar. „Man bräuchte eine Grundgesetzänderung, also eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag. Die wird es nicht geben.“ Von politischer Seite werde deshalb „nicht viel passieren“.

Inga Jahn, Markus Jantzer


Pflege

Nur 50 Prozent der zusätzlichen Personalstellen besetzt



Berlin (epd). Eine Umfrage bei 155 Trägern des Evangelischen Verbandes für Altenarbeit und Pflege (DEVAP) kommt zu dem ernüchternden Ergebnis, dass von den von der Bundesregierung beschlossenen Finanzierung von zusätzlichen Pflegestellen in Heimen nur 46 Prozent besetzt sind. „Bei den Pflegeassistenzstellen ist die Quote mit 39 Prozent noch geringer“, so Wilfried Wesemann, Vorsitzender des DEVAP, am 25. Januar in Berlin.

Wesemann weiter: „Das Ziel, die das Pflegepersonal in stationären Einrichtungen im Alltag spürbar durch eine bessere Personalausstattung zu entlasten und so die Pflege und Betreuung der Pflegebedürftigen zu verbessern, wurde damit deutlich verfehlt.“ Mit dem Pflegepersonalstärkungsgesetz (PpSG) und dem Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz (GPVG) wurde für stationäre Einrichtungen die Finanzierung von zusätzlichem Personal beschlossen: 13.000 Pflegefachkraft- und 20.000 Assistenzstellen.

Klage über fehlende Bewerber und Bürokratie

Als Hauptgründe für die Nichtbesetzung nannten die Träger den Angaben nach Schwierigkeiten, überhaupt die Soll-Besetzung gemäß Personalschlüssel zu erreichen und das Finden von geeignetem zusätzlich Personal auf dem Arbeitsmarkt. "Auch der zu hohe bürokratische Aufwand für die An- und Abmeldung der Zusatzkräfte aufgrund ständiger Personalveränderungen wie beispielsweise Kündigungen, Elternzeit, langen krankheitsbedingten Ausfällen und Schwankungen beim Erreichen des Soll-Personals wurden als Ursachen für die geringe Besetzung mit zusätzlichem Personal genannt.

„Bessere Personalschlüssel bringen uns nichts, wenn der Arbeitsmarkt seit Jahren gänzlich leer ist. Einmalige Prämien sind kein ausreichender Anreiz“, sagte Wesemann. Die Politik müsse dringend langfristig angelegte und tatsächlich wirksame Maßnahmen zur Aufwertung des Pflegeberufs ergreifen.



Pflege

Caritas prüft Einsatz von Psychopharmaka in Heimen



Paderborn/Köln (epd). Die Caritas in den Erzdiözesen Paderborn und Köln untersucht den Einsatz von Psychopharmaka in ihren Pflegeheimen. Bei einem auf zwei Jahre angelegten Projekt soll die Wirkung der ärztlich verschriebenen Psychopharmaka und deren Zusammenspiel mit anderen Medikamenten beobachtet werden, teilte der Caritasverband für das Erzbistum Paderborn am 24. Januar mit. 16 Pflegeeinrichtungen aus beiden Diözesen seien Teil des Vorhabens.

Medikation mit Psychopharmaka sei ein „brisantes Thema“ in der Langzeitpflege, erklärte die Caritas. Dabei gehe es zum Beispiel um den Umgang mit Bewohnern, die nachts aktiv werden oder immer wieder schreien. Zu professioneller Pflege gehöre es nicht, „Menschen ruhig zu stellen“, sagte die Abteilungsleiterin für Altenhilfe im Diözesancaritasverband Köln, Helene Maqua. Heime müssten einen „bedarfsgerechten Einsatz“ bei den Bewohnerinnen und Bewohnern gewährleisten können. Wissenschaftlich wird das Projekt von der „Dienstleistung, Innovation, Pflegeforschung GmbH“ (DIP) aus Köln begleitet.

Das interne Medikamentenmanagement in den Einrichtungen, aber auch die Zusammenarbeit mit Ärzten und Apotheken müssten verbessert werden, erklärte Maqua. Dies würden nun Pflegeleitungs- und Pflegefachkräfte in mehreren Workshops lernen. Pro Einrichtung werde zudem eine Fachkraft durch die Caritas-Akademie Köln zur Medikamentenbeauftragten ausgebildet.



Gesundheitswirtschaft

Neue Lernplattform "e-learning direkt" gestartet



Köln (epd). Die Kölner Die BFS Service GmbH hat ihre neue Lernplattform „e-Learning direkt“ gestartet. Sie ermögliche es Fach- und Führungskräfte der Sozial- und Gesundheitswirtschaft, orts- und zeitpunktunabhängig digitale Fortbildungskurse zu absolvieren, teilte das zur Bank für Sozialwirtschaft gehörende Unternehmen am 25. Januar in Köln mit. Mit „e-Learning direkt“ ergänze die BFS Service GmbH ihr Weiterbildungsportfolio, das neben Lehrgängen und Seminaren in Köln, Berlin und Hamburg seit 2020 auch Webinare enthält.

Die Plattform bietet den Angaben nach abwechslungsreich aufbereitete Lerninhalte. Interaktive Lernelemente mit Texten und Bildern wechselten sich mit Videosequenzen ab. „Die Teilnehmenden sollen die Lerninhalte wie ein informatives Spiel angehen können. Die Methodenvielfalt gewährleistet ein hohes Maß didaktischer Varianz“, erklärte erklärt Geschäftsführer und Projektinitiator Edward Poniewaz.

Neben branchenspezifischen Inhalten für Fachkräfte biete die Plattform auch verschiedene Methodenkurse für Führungskräfte. Das Angebot soll schrittweise ausgeweitet werden. Die Anwenderinnen und Anwender könnten bereits zu Beginn aus über 70 verschiedenen Kursen auswählen. Geplant sei, zukünftig weitere Kurse zu speziellen Branchenthemen zu entwickeln. Nach Abschluss der Schulung erhalten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein Zertifikat.




sozial-Recht

Bundesverwaltungsgericht

Flüchtlingshilfe vor Ort kann Abschiebung nach Ungarn begründen




Bundesverwaltungsgericht in Leipzig
epd-bild/Jens Schulze
Effektive Unterstützungsleistungen kirchlicher und nicht staatlicher Organisationen an Flüchtlinge können die Abschiebung in einen anderen EU-Mitgliedstaat begründen. Das gilt zumindest dann, wenn die dortige Hilfe eine "extreme materielle Not" verhindert, urteilte das Bundesverwaltungsgericht.

Leipzig (epd). Eine „extreme materielle Not“ verhindernde Vor-Ort-Flüchtlingshilfe nicht-staatlicher und kirchlicher Organisationen kann die Abschiebung in einen anderen EU-Mitgliedstaat begründen. Gibt es dauerhaft und effektiv Hilfen, die die elementarsten Bedürfnisse in einem EU-Land befriedigen, liegt keine der Abschiebung entgegenstehende „erniedrigende und unmenschliche Behandlung“ vor, entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in einem am 20. Januar veröffentlichten Urteil.

Damit dürfen deutsche Behörden ein aus Afghanistan stammendes kinderloses Ehepaar nach Ungarn abschieben. Das Paar hatte dort bereits im Januar 2018 subsidiären Flüchtlingsschutz erhalten. Wegen der dortigen schlechten Lebensbedingungen reisten sie jedoch nach Deutschland weiter.

Den in Deutschland gestellten Asylantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als unzulässig ab. Das Ehepaar habe bereits in Ungarn Schutz gefunden, argumentierte die Behörde.

Behörde sah Paar in Ungarn sicher untergebracht

Das Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder billigte die angedrohte Abschiebung. Zwar sei bei einer zu erwartenden „erniedrigenden und unmenschlichen Behandlung“ eine Abschiebung unzulässig, etwa wenn Flüchtlinge in dem jeweiligen EU-Mitgliedstaat extreme materielle Not erleiden würden. Das sei aber gegenwärtig in Ungarn nicht der Fall. Denn dort würden nicht staatliche und kirchliche Organisationen Flüchtlinge dauerhaft effektiv unterstützen und fehlende staatliche Hilfen teilweise kompensieren, befand das Gericht.

Die afghanischen Kläger seien zudem jung und arbeitsfähig und könnten sogar von Deutschland aus ihre Rückführung nach Ungarn vorbereiten, indem sie die Hilfsorganisationen um Unterstützung bitten. Zu den gewährten Hilfen zählten etwa eine finanzielle Unterstützung, Hilfen bei der Wohnungs- und Arbeitssuche oder beim Erlernen der Sprache.

EU-Recht gewährt keine Wahl des Zufluchtslandes

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte nun diese Entscheidung. Könnten Flüchtlinge durch eigene Arbeitskraft oder mit der Inanspruchnahme von Hilfen nicht staatlicher Organisationen „hinreichend“ überleben, sei eine Abschiebung zulässig. „Aus Völker- oder Unionsrecht folgt kein Recht auf Wahl des Zufluchtslandes“, heißt es weiter in dem Urteil.

Es gebe nach der Grundrechtecharta auch keine ausdrückliche Verpflichtung des aufnehmenden Staates, den Lebensunterhalt international Schutzberechtigter durch eigene Leistungen wie Unterkunft und Befriedigung elementarster Bedürfnisse zu sichern. Nur bei Vorliegen einer „Situation extremer materieller Not“ könne eine verbotene erniedrigende und unmenschliche Behandlung vorliegen, so das Bundesverwaltungsgericht mit Verweis auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 19. März 2019.

Abschiebung trotz „Mängeln im Sozialsystem“

„Mängel im Sozialsystem“ stünden einer Rückführung noch nicht entgegen, so das Luxemburger Urteil. Flüchtlingen sei nach einer Rückführung daher selbst „große Armut“ zumutbar. Erst eine „Lage extremer materieller Not“ schließe die Abschiebung aus. Die Schwelle hierfür werde erst überschritten, wenn Flüchtlinge ihre elementarsten Bedürfnisse nicht befriedigen können. Dazu gehöre insbesondere, „sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden“.

Wann eine Lage extremer materieller Not zu erwarten ist, hängt von den individuellen Bedingungen eines Flüchtlings ab. So hatte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit Beschluss vom 29. August 2017 entschieden, dass eine aus Syrien stammende alleinerziehende Mutter von vier Kindern ohne eine sichere Unterkunft nicht nach Bulgarien abgeschoben werden darf. Fürchten besonders schutzbedürftige Flüchtlinge bei einer Abschiebung Obdachlosigkeit, müssten Gerichte dem auf den Grund gehen und unter Umständen auf die Abschiebung verzichten, entschied das Gericht.

Mögliche Obdachlosigkeit muss geprüft werden

Im vorliegenden Fall habe sich das Verwaltungsgericht Minden gar nicht mit der begründeten Befürchtung der Frau auseinandergesetzt, dass sie im Fall einer Abschiebung nach Bulgarien mit ihren vier Kindern obdachlos werde, rügte das Bundesverfassungsgericht.

Diese Frage zu klären, hatte auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg mit Urteil vom 4. November 2014 im Fall eines afghanischen Ehepaares und sechs Kindern gefordert. Die Familie war von Italien in die Schweiz geflohen. Die Schweizer Behörden lehnten ihren Asylantrag ab, weil die Kläger bereits in Italien sicher gewesen seien.

Doch bei einer Rückführung nach Italien gebe es die begründete Befürchtung, dass sie in der Obdachlosigkeit landen, urteilte damals der EGMR. Vor einer Abschiebung müsse die Schweiz daher sicherstellen, dass für die Asylbewerber eine angemessene Unterkunft bereitsteht und dass die Familie beisammenbleiben kann.

Das Bundesverfassungsgericht entschied zudem am 8. Mai 2017, dass Gerichte und Behörden bei Anhaltspunkten für eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung in einem EU-Mitgliedstaat dem nachgehen müssen. Im konkreten Fall eines von Griechenland nach Deutschland weitergereisten syrischen Flüchtlings müsse sichergestellt werden, dass ihm bei einer Rückführung zumindest für die erste Zeit nach der Ankunft in Griechenland „Zugang zu Obdach, Nahrungsmitteln und sanitären Einrichtungen“ gewährt wird. Das sei hier nicht geprüft worden, so die Karlsruher Richter.

Az.: 1 C 3.21 (Bundesverwaltungsgericht Flüchtlingshilfe)

Az.: C-163/17; C-297/17 und weitere (EuGH)

Az.: 2 BvR 863/17 (Bundesverfassungsgericht Bulgarien)

Az.: 29217/12 (EGMR)

Az.: 2 BvR 157/17 (Bundesverfassungsgericht Griechenland)

Frank Leth


Bundessozialgericht

Meist kein Hartz-IV-Mehrbedarf für Fahrtkosten zum Arzt



Kassel (epd). Hartz-IV-Bezieher können vom Jobcenter in der Regel keine Fahrtkostenerstattung für Arztbesuche oder für Besuche zum inhaftierten Lebenspartner verlangen. Nur wenn die Besuche unabweisbar und die Fahrtkosten konkret nachgewiesen sind sowie „erheblich“ über dem durchschnittlichen Bedarf eines Arbeitslosengeld-II-Beziehers liegen, kann ein Mehrbedarf vorliegen, urteilte am 26. Januar das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel.

Im ersten Verfahren ging es um die Erstattung von Fahrtkosten für einen Hartz-IV-Bezieher aus Nordhessen. Bei dem Mann waren von April bis Juni 2015 mehrere ärztliche und psychotherapeutische Behandlungen erforderlich, teilweise auch außerhalb seiner Stadt. Für die Fahrten lieh er sich das Auto seiner Mutter. Die Erstattung der Fahrtkosten in Höhe von insgesamt 104 Euro lehnte das Jobcenter Schwalm-Eder ab. Der Bedarf werde bereits mit der Regelleistung gedeckt.

Streit über 80 Euro Fahrtkosten

Auch im zweiten Fall wollte eine unverheiratete Hartz-IV-Bezieherin sich ebenfalls Fahrtkosten von knapp 80 Euro vom Jobcenter Halle erstatten lassen, hier für zwei Pkw-Fahrten im Februar 2015 zu ihrem in der Justizvollzugsanstalt Burg inhaftierten Lebensgefährten.

Das BSG wies die Klage im Streit um die Fahrtkostenerstattung für die Arztbesuche ab. Nur ausnahmsweise könne solch ein Mehrbedarf aus Härtegründen vorliegen. Hierfür müssten die konkreten Fahrtkosten etwa mit Tankquittungen nachgewiesen werden und die Fahrten müssten „unabweisbar“ sein. Die Aufwendungen müssten zudem „erheblich“ über den im Regelsatz für Verkehr vorgesehenen Betrag, damals in Höhe von 25,12 Euro pro Monat liegen. Die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen würden aber nicht „erheblich“ vom durchschnittlichen Bedarf eines Langzeitarbeitslosen abweichen.

Den zweiten Fall wiesen die Kasseler Richter dagegen zur erneuten Prüfung an die Vorinstanz zurück. Hier könnten die hohen Fahrtkosten zu einem Mehrbedarf aus Härtegründen führen. Denn auch die Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen gehöre zum soziokulturellen Existenzminimum, das Jobcenter zu sichern haben. Es müsse aber bereits vor Haftantritt eine „besondere Nähe“ zu dem Lebenspartner bestanden haben. Dies müsse die Vorinstanz ebenso prüfen wie die Frage, ob die Klägerin die Fahrtkosten hätte senken können, etwa mit Mitfahrgelegenheiten.

Az.: B 4 AS 81/20 R und B 4 AS 3/21 R



Bundesarbeitsgericht

Arbeitnehmer kann nicht Eingliederungsmanagement einfordern



Erfurt (epd). Länger erkrankte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können bei ihrem Arbeitgeber nicht selbst die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements einfordern. Dies ist nach dem Willem des Gesetzgebers nur der Interessenvertretung, also dem Betriebs- und Personalrat oder bei schwerbehinderten Beschäftigten auch der Schwerbehindertenvertretung vorbehalten, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem am 26. Januar in Erfurt veröffentlichten Urteil.

Im konkreten Fall war der mit einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Kläger im Jahr 2018 an 122 Arbeitstagen und von Januar bis August 2019 an 86 Arbeitstagen erkrankt. Sind Beschäftigte innerhalb von zwölf Monaten mehr als sechs Wochen krank, sieht das Gesetz ein sogenanntes Betriebliches Eingliederungsmanagement vor. Dabei soll ausgelotet werden, wie eine künftige Arbeitsunfähigkeit vermieden werden kann, etwa mit der Einrichtung eines behindertengerechten Arbeitsplatzes. Ziel ist der Erhalt des Jobs.

Eingliederungsverfahren selbst verlangt

Wegen seiner langen Erkrankung hatte der zunächst in einem Bauhof einer Gemeinde tätige Kläger selbst bei seinem Arbeitgeber die Einleitung und Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements gefordert. Der Arbeitgeber meinte, dass Arbeitnehmer dies nicht selbst verlangen können. Außerdem sei ihm eine neue Tätigkeit zugewiesen worden, was als betriebliches Eingliederungsmanagement anzusehen sei.

Das BAG urteilte, dass nur die „Interessenvertretung“ - also Betriebs- und Personalrat sowie bei schwerbehinderten Menschen die Schwerbehindertenvertretung - die Realisierung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements verlangen können. Führe ein Arbeitgeber ein betriebliches Eingliederungsmanagement nicht wie gesetzlich vorgeschrieben durch, bleibe dies dennoch nicht folgenlos, so das BAG. In solch einem Fall könne eine krankheitsbedingte Kündigung als unwirksam angesehen werden.

Az.: 9 AZR 571/20



Oberverwaltungsgericht

Tagesmutter darf Kinderbetreuung nicht anderen überlassen



Münster (epd). Eine Tagesmutter darf laut einem aktuellen Gerichtsurteil die Betreuung der ihr anvertrauten Kinder nicht anderen Menschen überlassen. Eine solche Verletzung der Aufsichtspflicht kann zu Aufhebung der Tagespflegeerlaubnis führen, entschied das Oberverwaltungsgericht Münster in einem am 26. Januar veröffentlichten Urteil.

Die für die Erlaubnis zur Kindertagespflege erforderliche Eignung der Kindertagespflegeperson setze voraus, dass diese die Betreuung der ihr anvertrauten Kinder persönlich wahrnehme, erläuterte das Gericht. Auch in kleinerem Umfang dürfe die Betreuung nicht auf einen Dritten delegiert werden.

Stadt durfte Pflegeerlaubnis entziehen

Das Gericht gab der Stadt Eschweiler recht, die die Pflegeerlaubnis einer Pflegemutter aufgehoben hatte. Die Tagesmutter soll die Betreuung der von ihr betreuten Kinder jemand anderem überlassen haben, während sie selbst den Hund ausgeführt habe. Zudem habe sich die Tagesmutter in der eine Etage tiefer gelegenen und von ihrer Mutter und Schwester bewohnten Wohnung des Mehrfamilienhauses aufgehalten, während die betreuten Kinder schliefen. Das Oberverwaltungsgericht bestätigte damit eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Aachen.

Die Unterbringung von Kleinkindern bei Tagespflegepersonen außerhalb von institutionalisierter Kindertagespflege in öffentlichen Kindertagespflegeeinrichtungen verlange es, dass die Eltern auf die strikte Einhaltung der persönlichen Betreuung und lückenlose Gewährleistung der Aufsichtspflichten vertrauen dürfen, erläuterte das Gericht. Schon eine geringe Abweichung von dem Grundprinzip der persönlichen Betreuung lasse mangelndes Problembewusstsein und damit auf eine mangelnde Verlässlichkeit schließen.

Az.: 12 B 1966/21



Verwaltungsgericht

Kein Visum ohne persönliche Vorsprache bei der Botschaft



Berlin (epd). Das Verwaltungsgericht Berlin hat den Antrag einer 26-jährigen Frau aus Afghanistan und ihres zweieinhalbjährigen Kindes abgelehnt, ohne persönliche Vorsprache bei einer deutschen Botschaft ein Visum für die Bundesrepublik zu bekommen. Das Gericht lehnte den Antrag der Afghanin auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit der Begründung ab, Ausländer, die ein Visum zur Einreise nach Deutschland begehren, müssten grundsätzlich bei der zuständigen deutschen Auslandsvertretung persönlich vorsprechen, teilte das Gericht am 20. Januar in Berlin mit.

Die Frau will demnach zu ihrem eingebürgerten deutschen Ehemann und Vater des Kindes nach Deutschland ziehen. Dafür registrierte sie sich im Dezember 2019 auf der Terminwarteliste der Deutschen Botschaft in Kabul. Nachdem sie im August 2021 immer noch keinen Termin hatte, suchte sie beim Verwaltungsgericht Berlin um einstweiligen Rechtsschutz nach. Wegen der Machtübernahme der Taliban erhielt sie daraufhin zwei Termine bei der nunmehr zuständigen Deutschen Botschaft im paktistanischen Islamabad. Beide Termine konnte sie nicht wahrnehmen, weil die Ausreise aus Afghanistan fehlschlug.

Nur Urkunden und Kopien bei Behörde eingereicht

In der Folge machte die Frau geltend, wegen der besonderen Situation in Afghanistan könne von ihnen keine persönliche Vorsprache bei der Botschaft verlangt werden; die von ihr eingereichten Unterlagen wie Passkopien und Kopien der Eheurkunde müssten ausreichen.

Mit der bloßen Vorlage von Passkopien könne die Identität aber nicht hinreichend geklärt werden, erklärte dagegen das Verwaltungsgericht. Eine Vorsprache in Islamabad sei grundsätzlich möglich. Gegen den Beschluss ist Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg möglich.

Az.: VG 21 L 640/21 V



Verwaltungsgericht

Erklärung zur Übernahme von Lebenshaltungskosten ist verbindlich



Hamburg (epd). Eine verpflichtende Erklärung eines ausländischen Vaters zur Übernahme der Lebenshaltungs- und Unterbringungskosten seines behinderten Kindes ist verpflichtend. Der Vater muss als Folge der Zusage für die sonst von der Sozialhilfe zu tragenden Kosten für die Versorgung des Kindes in einer Wohngruppe für Menschen mit Behinderungen und in einer Tagesförderstätte aufkommen, entschied das Verwaltungsgericht Hamburg in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 24. August 2021.

Im Streitfall ging es um einen mehrfach behinderten, mittlerweile erwachsenen Sohn aus Bosnien-Herzegowina. Für das Kind sind die Merkzeichen „B“ (ständige Begleitung), „G“ (erhebliche Gehbehinderung) und „H“ (Hilflosigkeit) eingetragen.

Familienzusammenführung nach Verpflichtungserklärung

Um sich um seinen Sohn kümmern zu können, hatte der Vater, ein in Hamburg lebender Kaufmann, bei der Ausländerbehörde eine Familienzusammenführung beantragt. Für die Erteilung eines Visums unterzeichnete er eine Verpflichtungserklärung, nach der er für den Lebensunterhalt seines Sohnes einschließlich der Wohnraumversorgung und der Versorgung im Krankheits- und Pflegefall aufkomme. Die Ausländerbehörde bewilligte nach Prüfung der Einkommensverhältnisse den Familiennachzug.

Anfang Juli 2008 zog der zunächst bei seiner Familie wohnhafte Sohn in eine Wohngruppe für Menschen mit Behinderungen. Der Sozialhilfeträger hatte die hierfür beantragte Eingliederungshilfe auch genehmigt, ohne Kenntnis von der Verpflichtungserklärung des Vaters zu haben. Zusätzlich besuchte der behinderte Sohn eine Tagesförderstätte. Die Ausländerbehörde wusste zwar von der Unterbringung in der Wohngruppe, ging jedoch davon aus, dass der Vater für die Kosten aufkommt.

Rückforderung von 300.00 Euro

Als dann das zuständige Bezirksamt Anfang 2012 von der 2005 abgegebenen Verpflichtungserklärung erfuhr, bat die Behörde den Vater zur Kasse. Er sollte die Eingliederungsleistungen in Höhe von über 300.000 Euro erstatten.

Der Vater lehnte ab. Er sei nicht über die Kosten vorab informiert worden. Außerdem sei die Schrift der damals unbefristeten Verpflichtungserklärung so klein gewesen, dass er sie „kaum lesen“ konnte.

Das Verwaltungsgericht urteilte, dass der Vater zahlen muss. Mittlerweile habe der Gesetzgeber die Gültigkeit der Verpflichtungserklärungen auf fünf Jahre befristet. In Altfällen wie im vorliegenden Fall sei die Verpflichtung zur Erstattung von Sozialleistungen erst Ende 2016 erloschen.

Der Vater hätte damit rechnen müssen, dass er für seinen behinderten Sohn in die Pflicht genommen wird und die Sozialhilfeleistungen tragen muss. Über die Kosten hätte er sich selbst informieren müssen. Er habe auch von seiner Pflicht Kenntnis gehabt, selbst wenn die Schrift in der Erklärung sehr klein gewesen sei. Schließlich sei der Vater leistungsfähig. So habe er neben Immobilienbesitz 2010 noch ein Einkommen von knapp 89.000 Euro pro Jahr gehabt, so das Gericht.

Az.: 21 K 1966/16



Sozialgericht

Einkommensteuererstattung gilt bei Hartz IV als Einkommen



Berlin (epd). Hartz-IV-Bezieher dürfen einen Steuererstattungen vom Finanzamt nicht behalten. Bei solch einer Zahlung handelt es sich um anzurechnendes Einkommen und nicht um Vermögen, für das Freibeträge geltend gemacht werden können, entschied das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 4. November 2021, auf das der DGB Rechtsschutz Berlin kürzlich aufmerksam gemacht hat.

Im konkreten Fall hatte das Finanzamt bei der Klägerin wegen ihrer Beschäftigung Einkommensteuer verlangt. Die Behörde nahm hierfür eine Einkommensschätzung und eine Kontopfändung vor. Als die Frau in den Arbeitslosengeld-II-Bezug rutschte, kam dann doch noch ein kleiner Geldsegen vom Finanzamt. Die Einkommensschätzung war zu hoch, so dass sie noch 1.584 Euro zurückerstattet bekam.

Zahlung als Einkommen und nicht als Vermögen gewertet

Das Jobcenter wertete das Geld als Einkommen und verteilte dieses als einmalige Einnahme auf sechs Monate. Die Behörde forderte daraufhin für Dezember 2018 insgesamt 234 Euro an überzahlten Leistungen zurück.

Das Sozialgericht hielt das für rechtmäßig. Steuererstattungen seien als Einkommen und nicht als Vermögen zu werten, für das noch Freibeträge geltend gemacht werden können. Dass die Steuererstattung auf Grundlage einer zu hohen Einkommensteuerschätzung und einer Kontopfändung basierte, ändere an der Einstufung als Einkommen nichts. Zu Recht sei das Geld als einmalige Zahlung über einen Zeitraum von sechs Monaten verteilt worden.

Am 24. Juni 2020 hatte das Bundessozialgericht entschieden, dass bei einer Einkommensteuererstattung aber auch geprüft werden muss, ob das Geld überhaupt noch da ist. Wurde das Geld wegen des Ausgleichs von Dispo-Schulden sofort „verbraucht“, stehe die Erstattung dem Arbeitslosen nicht als „bereite Mittel“ zur Verfügung. Zwar dürfe das Jobcenter das Arbeitslosengeld II wegen der Steuererstattung mindern, es müsse aber zur Deckung des lebensnotwendigen Existenzminimums ein zinsloses Darlehen gewähren. Einen Kredit bei einer Bank mitsamt Zinszahlungen müsse der Arbeitslose nicht aufnehmen, so das Gericht.

Az.: S 155 AS 4864/19 (Sozialgericht Berlin)

Az.: B 4 AS 9/20 R (Bundessozialgericht)




sozial-Köpfe

Arbeit

Andrea Nahles soll Chefin der Bundesagentur für Arbeit werden




Andrea Nahles (SPD) im Jahr 2018 beim "Frauensalon" in Berlin
epd-bild/Jürgen Blume
Andrea Nahles (51), die frühere SPD-Parteivorsitzende und Bundesarbeitsministerin, soll Chefin der Bundesagentur für Arbeit (BA) werden. Nahles würde auf Detlef Scheele folgen, der in den Ruhestand geht. Er war seit April 2017 Chef der Bundesagentur für Arbeit mit Sitz in Nürnberg.

Berlin (epd). Die SPD-Politikerin Andrea Nahles soll neue Chefin der BA werden, wie die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) am 26. Januar in Berlin mitteilten. Nahles würde auf Detlef Scheele folgen, der in den Ruhestand geht. Er war seit April 2017 Chef der Bundesagentur für Arbeit mit Sitz in Nürnberg.

Des Weiteren sollen auf Vorschlag von DGB und BDA Katrin Krömer, Leiterin der Personal- und Führungskräfteentwicklung bei der Deutschen Bahn AG, und Vanessa Ahuja, Abteilungsleiterin im Bundesarbeitsministerium, neue Vorstandsmitglieder werden. Neben Scheele scheidet auch Daniela Schönefeld aus, die in den Ruhestand geht. Daniel Terzenbach bleibe weiter im Vorstand, hieß es weiter. Alle Genannten müssen durch den Verwaltungsrat und die dort vertretenen Gruppen gewählt werden. Auch die Bundesregierung muss den Personalien noch zustimmen.

Viel Erfahrung für das neue Amt

Nahles studierte in Bonn Germanistik und Politikwissenschaft. Sie gehörte von Oktober 1998 bis Oktober 2002 sowie von Oktober 2005 bis Oktober 2019 dem Bundestag an und bringt viel Erfahrung für den neuen Posten mit. Die alleinerziehende Mutter war von 2013 bis 2017 Bundesministerin für Arbeit und Soziales. Zuvor hatte Nahles von 2009 bis 2013 das Amt der SPD-Generalsekretärin inne. Von 2018 bis 2019 war sie Parteivorsitzende, als erste Frau, und von 2017 bis 2019 auch Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion.

2019 aus dem Parlament ausgeschieden, ist sie seit August 2020 Präsidentin der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation, einer Unterbehörde des Finanzministeriums. Ihr Name wurde schon vor Monaten für eine führende Behördenposition gehandelt, auch weil sie nicht dem Kabinett Scholz angehört.

Als Parteichefin war Nahles führend bei der Konzeption des neuen SPD-Sozialstaatskonzepts, das der Parteitag schließlich 2019 verabschiedete. Jetzt, als künftige Chefin einer Mammutbehörde, kann sie aus der Theorie die Praxis machen.



Weitere Personalien



Yasmin Fahimi ist vom DGB-Bundesvorstand einstimmig als als Nachfolgerin von Reiner Hoffmann als DGB-Vorsitzende nominiert worden. Sie wäre die erste Frau an der Spitze des DGB. Elke Hannack wurde in ihrer Position als stellvertretende Vorsitzende erneut nominiert. Anja Piel und Stefan Körzell wurden als Mitglieder im geschäftsführenden Bundesvorstand ebenfalls für eine weitere Amtszeit nominiert. Fahimi war von 2000 bis 2013 Gewerkschaftssekretärin der Gewerkschaft Industrie Bergbau Chemie. Zunächst in der Jugendarbeit, dann vor Ort in Recklinghausen und zuletzt als Leiterin der Grundsatzabteilung. Sie war Generalsekretärin der SPD und Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium, bevor sie im Oktober 2017 in den Bundestag einzog. Die Wahl von Yasmin Fahimi und der Mitglieder des geschäftsführenden Bundesvorstands erfolgt im Mai in Berlin.

Inken Gallner ist zur Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts ernannt worden. Sie stammt aus Calw und leitete von Juli 2014 bis Juni 2016 als Ministerialdirektorin („Amtschefin“) das Justizministerium Baden-Württemberg. Anschließend kehrte die Juristin an das Bundesarbeitsgericht zurück und wurde erneut dem Sechsten Senat zugeteilt. Im Oktober 2017 wurde Gallner zur Vorsitzenden Richterin ernannt und dem Zehnten Senat als Vorsitzende zugewiesen. Ihr Nachfolger als Vorsitzender Richter ist Waldemar Reinfelder. Er ist seit 2009 am höchsten Arbeitsgericht. Von 2010 bis Oktober 2018 - zuletzt als stellvertretender Vorsitzender - gehörte er dem Zehnten Senat an. Im November 2018 wechselte er in dieser Funktion in den Vierten Senat.

Anne Spiegel (Grüne), Bundesfamiienministerin, hat turnusgemäß die Schirmherrschaft über die Tafeln zur Versorgung Bedürftiger mit Nahrungsmitteln übernommen. Der Vorsitzende der Tafel Deutschland, Jochen Brühl, sprach am 24. Januar in Berlin von einem wichtigen Zeichen für die 60.000 Tafel-Helferinnen und -Helfer. Spiegel selbst nannte die Tafeln eine unverzichtbare Unterstützung für mehr als 1,6 Millionen armutsbetroffene Menschen in ganz Deutschland. Die Schirmherrschaft für die Tafeln liegt traditionell beim Bundesfamilienministerium. In deutschen Kommunen gibt es 960 gemeinnützigen Tafeln, die Bedürftige mit Lebensmitteln versorgen.

Jochen Keßler-Rosa (65), Pfarrer, und Geschäftsführer der Diakonie Schweinfurt, geht Ende Februar in den Ruhestand. Er wird am 30. Januar in einem Gottesdienst als Pfarrer der bayerischen Landeskirche entpflichtet. Keßler-Rosa ist seit 1992 Geschäftsführer und seit 2004 Vorstand des Diakonischen Werkes in Schweinfurt. Darüber hinaus war der Pfarrer immer auch politisch aktiv. Von 1996 bis 2002 saß er für die CSU im Schweinfurter Stadtrat, 2008 wurde er für die CSU in den Bezirkstag gewählt. 2010 kam der Bruch mit der CSU, 2013 kandidierte er erfolglos für die Freien Wähler bei der Bundestagswahl. Die Schweinfurter Diakonie beschäftigt aktuell mehr als 720 Mitarbeitende, zudem engagieren sich mehr als 400 Menschen dort ehrenamtlich.

Matthias Ruf ist nach einem Wechsel der Rechtsform Geschäftsführer der neu gegründeten Diakonie Bethanien gGmbH in Solingen. Sie tritt die vollständige Rechtsnachfolge des Vereins „Diakonisches Werk Bethanien e.V.“ an. Darüber hinaus wurde ein neuer Geschäftsführer Finanzen als Nachfolger von Eckhard Rieger, der jetzt im Ruhestand ist. Sein Nachfolger ist Stephan Ricken (44). Der Diplom-Ökonom war zuletzt Ressortleiter im Geschäftsbereich Finanzen eines Handelskonzerns. Er führt nun gemeinsam mit Matthias Ruf und Hartmut Fehler die Geschäfte des Trägers. Nachfolger von Rieger als Geschäftsführer der Tochtergesellschaft Krankenhaus Bethanien gGmbH ist der Kai Goetze (43), der dort bereits seit April 2020 stellvertretender Geschäftsführer war. Der Volkswirt war unter anderem kaufmännischer Leiter der Alfried-Krupp-Krankenhäuser in Essen, bevor er verschiedene Aufgaben für die Diakonie Bethanien übernahm. Goetze wurde zum 1. Januar 2022 zudem als Geschäftsführer der Enkelgesellschaft MVZ Bethanien gGmbH bestellt. Die Diakonie Bethanien zählt nach eigenen Angaben an 20 Standorten in NRW und Hessen rund 1.900 Mitarbeitende.

Susanne Krebs ist Chefärztin der Psychosomatischen Klinik am Hospital zum Heiligen Geist in Frankfurt am Main. Die Fachärztin für Psychosomatik, Psychotherapie, Psychoanalyse und Psychiatrie löste Wolfgang Merkle ab, dessen Abschied in den Ruhestand im November 2021 mit dem 25jährigen Jubiläum der Klinik zusammenfiel. Krebs ist mit der Stiftung Hospital zum Heiligen Geist bereits seit langem vertraut. Mehr als 18 Jahre gestaltete sie als Leitende Oberärztin und Stellvertretende Chefärztin gemeinsam mit Wolfgang Merkle den Aufbau der Psychosomatischen Klinik maßgeblich mit. Zuvor war die gebürtige Offenbacherin unter anderem als Fachärztin in Montabaur und Darmstadt tätig. Ihre psychiatrische Facharztweiterbildung absolvierte sie am Klinikum Frankfurt-Höchst.

Anke Pieper hat die Leitung der Stabsstelle Kommunikation der Stiftung Das Rauhe Haus in Hamburg übernommen. Sie folgt auf Uwe Mann van Velzen, der nach 34 Jahren in den Ruhestand gegangen ist. Pieper hat bereits seit 2015 die Kommunikation für das Projekt „Religions- und Kultursensibilität“ im Rauhen Haus gestaltet und das daraus mit dem Bezirk Hamburg-Mitte entwickelte Projekt „Lebenswelten im Dialog“ geleitet. Die Journalistin hat rund 20 Jahre auch als freiberufliche Kommunikationsberaterin und Autorin für freie Träger, Ev.-Luth. Kirchenkreise und das Diakonische Werk Hamburg gearbeitet.

Karl Foitzik, Pfarrer und Religionspädagoge, ist tot. Er starb am 22. Januar im Alter von 84 Jahren nach langer und schwerer Krankheit. Foitzik wurde Anfang der 1960er Jahre zum Vorsitzenden des Landesjugendkonvents gewählt, seine berufliche Laufbahn begann er als Bezirksjugendpfarrer im Dekanat Leutershausen, später war er Studentenpfarrer an der Augustana in Neuendettelsau. Foitzik begründete den Studiengang für Religionspädagogik und kirchliche Bildungsarbeit zuerst in Neuendettelsau und München sowie dann an der evangelischen Hochschule in Nürnberg. Nach seiner Emeritierung war er von 1996 bis 2008 Vorsitzender des Studienzentrums Josefstal am Schliersee, einem evangelischen Jugendbildungs- und Tagungshaus.




sozial-Termine

Veranstaltungen bis März



Wir haben Tagungen, Seminare, Workshops und Webinare aufgelistet, die aktuell geplant sind. Wegen der Corona-Epidemie sagen Veranstalter allerdings Termine auch kurzfristig ab. Wir bitten unsere Leserinnen und Leser, das zu beachten.

Februar

3.-17.2.

Online-Seminar: „Digitale Öffentlichkeitsarbeit und Social Media für soziale Einrichtungen“

der Paritätischen Akademie Süd

Tel.: 0711/286976-10

7.2.

Online-Fortbildung: „Flucht und Behinderung - Rechtliche Möglichkeiten in der Flüchtlings- und Behindertenhilfe“

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 0174/3473485

9.-11.2.

Online-Fortbildung „Jenseits der Routine: Führen in Turbulenzen“

der AWO Bundesakademie

Tel.: 030/26309-139

10.2. Köln

Seminar „Die neue Generation von Quartierszentren“

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356-159

14.-16.2.:

Online-Seminar „Erfolgreiche Lobbyarbeit im politischen Raum“

der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0761/2001700

15.2. Berlin

Seminar „Strategisches Management und Management-Modelle in Non-Profit-Organisationen - Wie kann besseres Management gelingen?“

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356-159

17.2.

Online-Fortbildung: „Beratung und Begleitung von getrennt lebenden Eltern und deren Kindern und Jugendlichen“

der Paritätischen Akademie Süd

Tel.: 0711/286976-10

25.2.:

Online-Seminar „Grundlagen des Mutterschutzes und der Elternzeit“

der Paritätischen Akademie Berlin

Tel.: 030/275828212

März

3.3. Köln:

Seminar „Treasury in der Sozialwirtschaft - Finanzmittel bedarfsgerecht bereitstellen“

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356-159

8.-9.3.:

Online-Fortbildung: „Datenschutz in sozialen Einrichtungen: Einführung in das KDG - rechtliche Anforderungen und Umsetzungen im operativen Tagesgeschäft“

der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0761/2001700

16.3.:

Online-Fortbildung „Suchtprävention für Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte“

der Paritätischen Akademie Berlin

Tel.: 030/275828212

21.-22.3.:

Online-Seminar: „Traumapädagogische Ansätze im Umgang mit jungen psychisch erkrankten Erwachsenen“

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 0172/3012819

23.-25.3.:

Online-Fortbildung: „Das operative Geschäft: Steuerung und Controlling in der Eingliederungshilfe“

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 0172/3012819

30.3.-1.4. Marktbreit:

Seminar „Grundlagen des Zuwendungsrechts“

der AWO Bundesakademie

Tel.: 030/26309-139