Bochum, Karlsruhe (epd). Nach dem Coming-out von queeren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der katholischen Kirche fordert der Kirchenrechtsexperte Jacob Joussen eine Änderung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen in der Kirche. „Dass alle 27 Bistümer ihre Grundordnung ändern, ist unrealistisch, aber das sollte kluge Köpfe wie den Aachener Bischof Dieser oder den Essener Bischof Overbeck nicht daran hindern voranzugehen“, sagte der Leiter des Instituts für Kirchliches Arbeitsrecht in Bochum am 25. Januar dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Die Kirche müsse erkennen, dass sie nicht mehr so hohe und undifferenzierte Forderungen an ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen könne, sagte er. Eine Änderung werde von der Rechtsprechung der staatlichen Arbeitsgerichte ohnehin verlangt. Das gelte auch für die evangelische Kirche und ihre Diakonie.
Im Rahmen der Queer-Kampagne #outinchurch hatten sich am 24. Januar 125 kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als nicht heterosexuell geoutet. Neben Verbänden und der Politik äußerten sich auch Mitglieder der katholischen Kirche, darunter die Bischöfe Dieser und Overbeck, positiv zu der Initiative. Bis heute werden homosexuelle Handlungen kirchenrechtlich geahndet. So kann beispielsweise das Eingehen einer gleichgeschlechtlichen Ehe zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen.
Aus rechtlicher Sicht müssten deshalb nun zwar grundsätzlich auch viele der an der Kampagne beteiligten Menschen mit einer Kündigung rechnen: „Hierbei ist unter anderem entscheidend, ob das Outing erhebliches Ärgernis verursacht“, erklärte der Jura-Professor, der auch Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist. In den vergangenen Jahren sei die Rechtsprechung jedoch differenzierter geworden, weshalb schwer vorstellbar sei, dass es tatsächlich zu Kündigungen komme. „Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass sich ein Bischof nicht von einer solchen Initiative beeindrucken lässt“, ergänzte Joussen. Sollte es so weit kommen, seien die Betroffenen „wahrscheinlich gut beraten, dagegen vorzugehen“.
Die sexuelle Orientierung ihrer Beschäftigten sei zwar in der evangelischen Kirche arbeitsrechtlich ohne Belang. „Aber die Protestanten haben natürlich auch ihre Baustellen“, sagte Joussen. So hätten sowohl das Bundesarbeitsgericht als auch der Europäische Gerichtshof bereits vor Jahren entschieden, dass Kirchen und ihre Einrichtungen nicht in jedem Fall von Stellenbewerbern die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche verlangen dürfen. Dagegen ist der Bundesverband der Diakonie in einem konkreten Fall im Jahr 2019 mit einer Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vorgegangen. Bis jetzt allerdings ohne Erfolg. Das höchste deutsche Gericht hat dazu noch nicht entschieden. „Ein Entscheidungstermin ist derzeit nicht absehbar“, teilte die Pressestelle des Gerichts am 25. Januar dem epd mit.
Ein kurzfristiges Aussetzen arbeitsrechtlicher Sonderregeln der Kirchen sowie eine gesetzliche Änderung sind nach Einschätzung Joussens nicht denkbar. „Man bräuchte eine Grundgesetzänderung, also eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag. Die wird es nicht geben.“ Von politischer Seite werde deshalb „nicht viel passieren“.